Entscheidungsstichwort (Thema)
Masseschuldcharakter von Säumniszuschlägen zur Winterbauumlage
Leitsatz (redaktionell)
Die Bundesanstalt für Arbeit ist berechtigt, vom Konkursverwalter Säumniszuschläge zur Winterbau-Umlage als Masseschulden zu fordern, die nach Konkurseröffnung entstanden sind. § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst e der Konkursordnung in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Art 2 § 10 Nr 1 Buchst a SGB 4 vom 23. Dezember 1976 (BGBl 1976, 3845) hat insoweit keine Änderung gegenüber dem früheren Recht gebracht.
Orientierungssatz
Säumniszuschläge zur Winterbauumlage sind bei Konkurs des Unternehmers auch für die Zeit nach Konkurseröffnung Masseschulden.
Normenkette
KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Fassung: 1976-12-23, § 62 Nr. 3; AFG § 186a; WinterbauUmlV § 3 Abs. 2; SGB 4 Art. 2 § 10 Nr. 1 Buchst. a Fassung: 1976-12-23
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 07.05.1981; Aktenzeichen L 9 Ar 4/80) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 20.11.1979; Aktenzeichen S 6 Ar 130/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte vom Kläger als Konkursverwalter zu Recht Säumniszuschläge zur Winterbauumlage als Masseschulden gefordert hat, die nach Konkurseröffnung entstanden sind.
Der Kläger ist Konkursverwalter der A K AG, über deren Vermögen das Konkursverfahren am 2. November 1977 eröffnet wurde. Durch Bescheid vom 23. November 1978 forderte die Beklagte die für die Zeit ab 16. August 1977 entstandenen Säumniszuschläge zu den rückständigen Umlagebeiträgen für die produktive Winterbauförderung in Höhe von 8.574,-- DM als Masseschulden. Der Widerspruch, mit dem der Kläger Säumniszuschlägen für die Zeit nach Konkurseröffnung den Masseschuldcharakter absprach und Masseunzulänglichkeit geltend machte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1979 mit dem Hinweis zurück, die Säumniszuschläge würden nur für den Fall der Massezulänglichkeit geltend gemacht.
Im Klageverfahren änderte die Beklagte zunächst durch Bescheid vom 24. August 1979 den geforderten Gesamtbetrag auf 6.484,10 DM, forderte dann aber im Wege der Berechnung für die anschließende Zeit mit Bescheid vom 25. Oktober 1979 noch weitere 1.772,20 DM.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat durch Urteil vom 20. November 1979 die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit damit Säumniszuschläge für die Zeit nach Konkurseröffnung als Masseforderung beansprucht worden waren. Durch Urteil vom 7. Mai 1981 hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die allein streitigen Nebenkosten seien nicht Rückstände, die in den letzten sechs Monaten vor Eröffnung des Konkursverfahrens iS des § 28 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF und von § 59 Abs 1 Nr 3 e der Konkursordnung (KO) entstanden seien. Die Privilegierung von Forderungen als Masseschulden im Gesetz sei genau umgrenzt, weshalb ihr eine ausdehnende Auslegung der vom Gesetzgeber gewollten grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Gläubiger im Konkurs widersprechen würde. Auch der Gesichtspunkt, daß mit § 59 Abs 1 Nr 3 KO systemwidrig Masseschulden aus einer Zeit vor Eröffnung des Konkursverfahrens geschaffen worden seien, spreche gegen die Einbeziehung der nach Konkurseröffnung entstandenen Säumniszuschläge in die Masseschulden.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 186a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 3 Abs 2 der Winterbauumlageverordnung (WinterbauUmlV), § 28 Abs 3 RVO aF und § 397 RVO aF sowie § 59 Abs 1 Nr 3 e KO iVm § 24 Abs 2 des 4. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 4) und Art II § 14 SGB 4. Sie verweist auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach auch nach Konkurseröffnung entstandene Verzugszinsen und Säumniszuschläge Masseschulden iS von § 59 Abs 1 Nr 3 KO sind.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 1981 und das Urteil des
Sozialgerichts Duisburg vom 20. November 1979 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie muß zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Klageabweisung führen.
Zutreffend haben die Vorinstanzen den Änderungsbescheid vom 24. August 1979 und den Ergänzungsbescheid vom 25. Oktober 1979 gemäß § 96 SGG als Gegenstand des Verfahrens angesehen, weil diese Bescheide den angefochtenen Bescheid vom 23. November 1978 abgeändert oder ersetzt haben. Angefochten sind diese Bescheide insoweit, als damit wegen der Rechtsänderung des § 24 SGB 4 Säumniszuschläge nach § 24 Abs 2 SGB 4 zu Beiträgen für bei Konkurseröffnung rückständige Winterbau-Umlagen als Masseschulden gefordert werden, die Zeiten nach der Konkurseröffnung betreffen. Hierzu war die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers und der Vorinstanzen berechtigt.
Ob die nach dem 2. November 1977 entstandenen Säumniszuschläge - nur um solche handelt es sich nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide - für die Zeit nach Konkurseröffnung Masseschulden sind, ist nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e der KO in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Art II § 10 Nr 1 Buchstabe a SGB 4 vom 23. Dezember 1976 (BGBl I S 3845) zu entscheiden. Danach sind die Ansprüche der Träger der Sozialversicherung und der Bundesanstalt für Arbeit auf Beiträge einschließlich der Säumniszuschläge und auf Umlagen Masseschulden. Wie der Senat bereits im Urteil vom 5. Juni 1981 - 10 RA 4/81 - (SozR 4100 § 186a Nr 11 = ZJP 1981, 1111) ausgeführt hat, hat die Neufassung des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchstabe e KO durch das SGB 4 keine Rechtsänderung gebracht; schon nach dem davor geltenden § 28 Abs 3 RVO aF waren nämlich Rückstände für die letzten sechs Monate vor Eröffnung des Konkursverfahrens Masseschulden iS von § 59 Abs 1 Nr 3 KO. Zu diesen Rückständen gehörten, wie das Bundessozialgericht (BSG) ebenfalls bereits entschieden hat (SozR 4230 § 3 Nr 1) auch die durch Säumnis entstandenen Nebenkosten wie Säumniszuschläge und Verzugszinsen. Der gegenteiligen Auslegung des § 59 Abs 1 NR 3 Buchstabe e KO durch die Vorinstanzen vermag der Senat nicht zu folgen.
Durch die Eröffnung des Konkurses werden die Ansprüche der Gläubiger des Gemeinschuldners insoweit beeinträchtigt, als sie nur in der Reihenfolge und mit den Quoten der KO berichtigt werden. War der Gemeinschuldner in Verzug, so wird dieser mit der Konkurseröffnung nicht beseitigt. Auch während des Konkursverfahrens können Verzugszinsen anfallen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Anlage 1979, § 63 Anm 2). § 62 Nr 3 KO setzt die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelaufenen Zinsen an derselben Stelle wie die Kapitalforderung an. Nach § 63 Nr 1 KO können jedoch im Konkursverfahren die seit Eröffnung des Verfahrens laufenden Zinsen nicht geltend gemacht werden. Das betrifft aber nur Zinsen von Konkursforderungen, nicht auch von Masseansprüchen (Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO). Die von Kilger in: Böhle/Stamschräder, KO, 13. Aufl 1981 zu § 63 Anm 2 vertretene Auffassung, Zinsen für Masseschulden iS von § 59 Abs 1 Nr 3 KO seien ebenfalls nicht im Konkurs geltend zu machen, beruht auf seiner - von den Vorinstanzen geteilten - Auffassung, die Ansprüche der Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger seien ihrem rechtlichen Charakter nach Konkursforderungen und lediglich im Rahmen des § 59 Abs 1 Nr 3 zu befriedigen (aaO § 3 Anm 1b). Der Senat teilt aber in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG diese Auffassung nicht. Der Gesetzgeber hat nämlich keinen Unterschied zwischen sogenannten "echten" Masseschulden (in der Zeit nach Konkurseröffnung entstanden Forderungen gegen den Konkursverwalter) und "sonstigen" Masseschulden (in der Zeit vor Konkurseröffnung gegen den Gemeinschuldner entstandene Lohn-, Beitrags- und Umlageforderungen) gemacht. Gerade bei einer solchen Unterscheidung wäre es aber notwendig gewesen, den Ausschluß der nach Konkurseröffnung entstandenen Säumniszuschläge von der Aufwertung zu Masseschulden deutlich zum Ausdruck zu bringen, wenn dies gewollt gewesen wäre. Denn es ist die Eigenart der Masseschuld, daß bei ihr - im Gegensatz zur Konkursforderung - Zinsen aus der Zeit nach Konkurseröffnung keiner Einschränkung im Konkurs unterworfen sind. Ohne eine solche Einschränkung folgt aber aus der von den Vorinstanzen in Anlehnung an Kilger (aaO) für systemwidrig erachteten Einstufung von Schulden aus der Zeit vor Eröffnung des Konkursverfahrens als Masseschulden, daß die hierzu nach Eröffnung des Konkursverfahrens anfallenden Säumniszuschläge als Nebenforderungen das Schicksal der Hauptforderung teilen und somit ebenfalls Masseschulden sind.
Da die angefochtenen Bescheide gem § 96 SGG in der Gestalt Gegenstand des Verfahrens sind, die sie durch den Widerspruchsbescheid erhalten haben, stehen die angefochtenen Bescheide unter dem Vorbehalt zulänglicher Masse; sie tragen dadurch auch der Rangordnung des § 60 KO Rechnung; sie sind somit rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen