Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erstattung von Kosten, die dem Versicherten durch die Entlohnung einer fremden Begleitperson zur ambulanten Behandlung seines Kindes in einem Krankenhaus entstanden sind, bietet § 194 RVO keine Grundlage, auch nicht in einer durch § 19 RehaAnglG erweiterten Auslegung.
2. Die Kosten sind aber erstattungsfähig, wenn sie entstanden sind, um eine andernfalls notwendige stationäre Krankenhausbehandlung zu erübrigen.
Leitsatz (redaktionell)
Die Krankenkasse kann verpflichtet sein, nicht namentlich genannte Leistungen zu erbringen, wenn diese an die Stelle einer an sich geschuldeten Leistung treten und diese Ersatzleistung (Stellvertreterleistung) entweder geeigneter oder wirtschaftlicher als die originär geschuldete Leistung ist.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1977-06-27, § 184 Abs. 1 Fassung: 1973-12-19, § 194 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1977-06-27; RehaAnglG § 19 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Ersatzkasse für eine wegen ambulanter ärztlicher Behandlung erforderlichen Begleitperson neben den Reisekosten auch eine Zeitvergütung übernehmen muß.
Der 1975 geborene Sohn Dirk des bei der Beklagten versicherten Klägers leidet an einer akuten lymphatischen Leukämie. Er wurde teils stationär, teils ambulant in der Kinderklinik des Universitätskrankenhauses E. behandelt. Die Beklagte übernahm die Bahn- und Taxikosten auch für die Begleitperson, zunächst für die Mutter des Dirk, dann für eine fremde Begleitperson, die das Deutsche Rote Kreuz vermittelt hatte. Sie lehnt es aber ab, auch die Vergütung von 7,50 DM je Stunde zu übernehmen, die der Kläger der fremden Begleitperson zu zahlen hatte. Sie zahlte diesen Betrag nur in einer Zeit, in der die Mutter selbst krank war. Der Kläger verlangt in diesem Verfahren die von ihm im Jahre 1979 verauslagten Vergütungen von 2.701,75 DM. Diese Aufwendungen seien erforderlich gewesen, weil seine Ehefrau Dirk nicht mehr habe begleiten können. Sie habe nämlich noch den achtjährigen weiteren Sohn Jan-Peter versorgen müssen, der die häufige Abwesenheit seiner Mutter - jeweils von 09.00 bis 15.00 Uhr - nicht habe verkraften können und in seinen schulischen Leistungen schlecht geworden sei.
Die Beklagte hielt dem das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 182 Abs 2 Reichsversicherungsordnung -RVO-) entgegen (Bescheid vom 30. Juli 1979, Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1979).
Das Sozialgericht (SG) Stade hat der Klage stattgegeben. Zeitvergütungen fielen zwar nach dem Wortlaut des § 194 Abs 1 RVO nicht unter die zu übernehmenden Kosten. Diese Vorschrift sei aber erweiternd iS des § 19 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) auszulegen (Urteil vom 18. April 1980).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Klage jedoch abgewiesen: Es könne unentschieden bleiben, ob § 194 RVO erweiternd iS des § 19 RehaAnglG ausgelegt werden müsse. Jedenfalls müßten die Kosten erforderlich sein. Die Kosten seien aber hier nicht erforderlich gewesen, weil es der Ehefrau des Klägers zuzumuten gewesen sei, Dirk zu begleiten. Der andere Sohn Jan-Peter sei als Achtjähriger schon in der Lage gewesen, sich zeitweise ohne Aufsicht in der Wohnung aufzuhalten. Die Leistungspflicht der Kasse sei gegenüber der Selbsthilfe der Familie subsidiär (Urteil vom 2. September 1981).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 194 RVO und des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Solidargemeinschaft der Versicherten müsse dann eintreten, wenn, wie hier, vernünftige Gründe dafür sprächen, eine fremde Begleitperson zu bestellen. Das LSG hätte nicht ohne Beweisaufnahme feststellen dürfen, daß der achtjährige Sohn der ohne Aufsicht längere Zeit allein gelassen werden dürfe. Es hätte, wenn es darüber Beweis erhoben hätte, festgestellt, daß dieser Sohn schon Störungen von Krankheitswert aufweise.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom
2. September 1981 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. April 1980
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuweisen.
Für die Erstattung von Kosten, die dem Versicherten durch die Entlohnung einer fremden Begleitperson zur ambulanten Behandlung seines Kindes in einem Universitätskrankenhaus entstanden sind, bietet § 194 RVO keine Grundlage, auch nicht in einer durch § 19 RehaAnglG erweiterten Auslegung. Die Kosten sind allerdings erstattungsfähig, wenn sie entstanden sind, um eine andernfalls notwendige stationäre Krankenhausbehandlung zu erübrigen, wozu aber noch Feststellungen zu treffen sein werden.
Nach § 194 Abs 1 Satz 1 RVO, der auch für Ersatzkassen gilt, (§ 507 Abs 4 RVO), werden "die im Zusammenhang mit der Gewährung einer Leistung der Krankenkasse erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten sowie die Kosten des erforderlichen Gepäcktransports (Reisekosten) ... für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson übernommen". Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn eine Krankenversicherungsleistung, wie hier, einer familienhilfeberechtigten Person gegenüber erbracht wird (vgl § 205 Abs 1 iVm § 507 abs 4 RVO). "Leistung" war die ärztliche Behandlung (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a RVO), die hier außerhalb des Wohnortes des Versicherten und seines kranken Sohnes Dirk erbracht werden mußte. Erforderlich kann die Begleitperson "im Zusammenhang" mit der Leistungsgewährung sein, wenn auch die Begleitung nicht allein wegen der Behandlung, sondern auch deshalb erforderlich ist, weil der zu Behandelnde ein beaufsichtigungsbedürftiges Kind ist (SozR 2200 § 194 Nr 2).
Die gesetzliche Begriffsbestimmung der Reisekosten in § 194 Abs 1 Satz 1 RVO schließt es aber aus, nach dieser Vorschrift auch Zeitvergütungen (Lohnersatz, Verdienstausfall) für den Versicherten, die Familienhilfeberechtigten oder die Begleitperson zu übernehmen. Entgegen den Auffassungen beider Vorderrichter ändert sich daran nichts dadurch, daß in § 19 Abs 1 RehaAnglG eine derart einschränkende Begriffsbestimmung der Reisekosten fehlt. Selbst wenn diese Vorschrift die Sozialleistungsträger verpflichten würde, auch Zeitvergütungen an eine Begleitperson zu zahlen, hat dies für die Krankenversicherung keine Auswirkungen.
Nach § 9 Abs 1 RehaAnglG richten sich die Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen eines Rehabilitationsträgers und deren Sicherstellung entsprechend den Grundsätzen der §§ 10 bis 20 dieses Gesetzes im einzelnen nach den für den Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften. Danach ist es zwar nicht ausgeschlossen, bei der Auslegung des § 194 RVO die Grundsätze des § 19 Abs 1 RehaAnglG heranzuziehen. § 194 Abs 1 RVO ist aber nicht dahin auslegungsfähig, daß entgegen der ausdrücklichen Begriffsbestimmung der Reisekosten auch Zeitvergütungen erfaßt werden. Das ist auch nicht mit Hilfe des Auslegungsgrundsatzes des § 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1) möglich, wonach sicherzustellen ist, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Zwar ist die Auslegung einer Vorschrift auch gegen ihren unmittelbaren Wortsinn nach den Grundsätzen der Rechtsanwendung besonders bei planwidrigen Lücken nicht ganz ausgeschlossen (vgl dazu BSGE 33, 263, 266; 35, 121, 123; 41, 166, 168; 42, 20, 23; 42, 28, 33; 50, 47, 50). Hier ist dies jedoch jedenfalls unmöglich. Denn der Gesetzgeber des § 19 RehaAnglG hat zugleich die entsprechenden Vorschriften über die Reisekostenzahlung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung sowie der Arbeitsförderung und des Kriegsopferrechts geändert oder eingefügt. Dem § 19 Abs 1 RehaAnglG angepaßt wurden § 569b Abs 1 RVO - Unfallversicherung -, § 1241g Abs 1 RVO - Rentenversicherung -, § 56 Abs 1 Nr 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie § 24 Abs 2 und § 26 Abs 3 Nr 6 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Mit § 194 Abs 1 RVO hat der Gesetzgeber des RehaAnglG eine Vorschrift in das Krankenversicherungsrecht eingefügt, die anders und - was auch die Beteiligten einräumen - enger gefaßt ist als § 19 Abs 1 RehaAnglG. Dies mag zwar dem Plan des RehaAnglG widersprechen, die Leistungen der einzelnen Rehabilitationsträger möglichst weitgehend anzugleichen (vgl § 5 RehaAnglG). Damit ist aber die andersartige Fassung des § 194 Abs 1 RVO noch nicht planwidrig im Sinne der Rechtsanwendungslehre.
Es ist mit dem System unserer sozialen Sicherheit zu vereinbaren, daß die Entlohnung von Begleitpersonen gerade in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Die gesetzliche Krankenversicherung hat nicht das Ziel, einen möglichst umfassenden Schutz gegen alle Folgen einer Erkrankung zu bieten. Ein solcher Schutz wird nur von denjenigen Sicherungseinrichtungen angestrebt, die dann zuständig sind, wenn die Krankheit nicht als ein Schicksalsschlag, sondern als eine Schadenszufügung (Unfallversicherung) oder als ein besonderes Opfer (Kriegsopferversorgung) angesehen wird. Ein die wirtschaftlichen Folgen von Erkrankungen umfassender Schutz ist auch der Rentenversicherung gemäß, weil sie den Schutz der Fähigkeit zum Ziele hat, sich wirtschaftlich nutzbringend zu betätigen.
Die gesetzliche Krankenversicherung hat nur eine allgemein gefaßte Aufgabe, nämlich dafür einzustehen, daß die Krankheit mit medizinischen Mitteln gezielt bekämpft wird (vgl § 182 Abs 1 Nr 1 RVO; dazu BSGE 42, 16, 18f und Urteil vom 9. März 1982 - 3 RK 43/80 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Für die aus der Krankheit entstehenden Nachteile und Bedürfnisse hat die gesetzliche Krankenversicherung nur einzutreten, wenn sie hierfür ausdrücklich für zuständig erklärt ist (zB §§ 182 Abs 1 Nr 2, 185 bis 185b RVO). Die besonderen Schwierigkeiten und Aufgaben, die eine Krankheit für die Familienangehörigen mit sich bringt, haben den Gesetzgeber nur in einzelnen Fallgruppen veranlaßt, versicherungsrechtliche Ansprüche in der Krankenversicherung zu begründen. Grundsätzlich ist - was das LSG in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat - der Familienselbsthilfe vor der Hilfe der Versichertengemeinschaft der Vorrang einzuräumen. Dieser Vorrang kommt zwar nur in einer Reihe von hier nicht einschlägigen Vorschriften zum Ausdruck (vgl § 185 Abs 2, § 185b Abs 2 Satz 2, § 185c RVO), ist aber in ständiger Rechtsprechung unwidersprochen auch in anderen Fällen bei vergleichbarer Interessenlage angewendet worden (vgl BSGE 28, 253, 254 - selbstverantwortliche Eigenleistung der Familie bei Nebenleistungen der Krankenhilfe -; SozR 2200 § 187 Nr 3 - Badhelferfall, Hilfe der Angehörigen; BSGE 44, 139, 141; 45, 130, 132 - Hilfe der Ehefrau bei Heimdialyse -; SozR 2200 § 185b Nr 1 - Berücksichtigung der Verwandtschaft, bevor dies durch § 185b Abs 2 Satz 3 RVO angeordnet war-).
Selbst wenn diese Familienselbsthilfe nicht möglich ist, kommt die Versichertengemeinschaft für solche Nachteile und Bedürfnisse nur auf, wenn die Voraussetzungen einer einschlägigen gesetzlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sind. Da die Voraussetzungen des § 194 RVO nicht erfüllt sind, bestehen deshalb keine Bedenken, die Erstattung der Lohnkosten als Reisekosten nach § 194 RVO auch dann zu versagen, wenn diese Kosten wegen der Krankheit für den Versicherten unumgänglich waren.
Das heißt nicht, daß die Kasse untätig bleiben dürfte, wenn an der Streitfrage über die Begleiter-Lohnkosten eine medizinisch notwendige Behandlung scheitern würde. Durch die Einfügung der Reisekostenregelung des § 194 RVO durch das RehaAnglG ist nicht der Umfang der Sachleistungspflicht der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt worden. Die Krankenversicherungsträger haben die ihnen aufgegeben Leistungen zur Krankheitsbekämpfung nicht nur anzubieten, sie haben vielmehr dafür zu sorgen, daß sie im Einzelfall auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können. So stand schon lange vor Inkrafttreten des § 194 RVO nach ständiger Rechtsprechung fest, daß die Kasse auch für den Transport des Kranken an die Stelle zu sorgen hat, an der die Leistung erbracht werden kann. Das gilt besonders für den Transport eines nicht gehfähigen Kranken zum Krankenhaus (vgl BSGE 32, 225, 226; 40, 88, 89; 47, 79, 81, 139, 141). Die Kasse hat dies erkannt und für die Begleitung des kranken Kindes in der Zeit gesorgt, in der die Mutter selbst krank war.
Außer diesen Nebenleistungen hat die Kasse nicht ausdrücklich genannte Leistungen auch dann zu erbringen, wenn diese Leistungen an die Stelle einer an sich geschuldeten Leistung treten. Eine solche Verpflichtung besteht allerdings nur, wenn diese Ersatzleistung (besser: "Stellvertreterleistung") entweder geeigneter (vgl BSGE 31, 279, 282 - Kinderheim statt Krankenhaus) oder billiger (vgl BSGE 37, 130, 134 - Ultraschallvernebler als Heimgerät; BSGE 44, 139, 141 und BSGE 45, 130, 132 - Heimdialyse) als die originär geschuldete Leistung ist. Diese zunächst ebenfalls von der Rechtsprechung entwickelte Stellvertreterleistung ist gesetzlich durch die Einführung der Hauspflege (§ 185 RVO) anstelle einer an sich erforderlichen Krankenhauspflege anerkannt. Die Stellvertreterleistung hat nach Anerkennung des Individualisierungsgrundsatzes in der Sozialversicherung durch § 33 SGB 1 noch weitere Bedeutung gewonnen, wonach neben den persönlichen und örtlichen Verhältnissen sogar angemessene Wünsche des Berechtigten zu berücksichtigen sind.
Der vorliegende Sachverhalt läßt vermuten, daß die Kasse verpflichtet war, anstelle einer an sich gebotenen Krankenhauspflege für die ambulante Behandlung im Krankenhaus einschließlich des Transports dahin zu sorgen: Hat die Kasse die nach den Verhältnissen des Einzelfalls gebotene Sachleistung nicht erbracht, ist sie verpflichtet, dem Versicherten das zu erstatten, was er aufgewendet hat, um sich die Sachleistung selbst zu beschaffen. Das gilt allerdings nur dann, wenn für die Umwandlung eines Sachleistungsanspruchs in einen Geldanspruch eine rechtliche Grundlage vorhanden ist. Denn die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich nur zu Sachleistungen verpflichtet, und die Versicherten können die Leistungen nur in Natur verlangen (BSGE 42, 117, 119; 44, 41; 46, 179, 181; 46, 183, 185 SozR 2200 § 185 Nr 4 mwN). Das gilt auch für das Ersatzkassenrecht (§ 508 Abs 1 RVO, BSGE 42, 117). Die grundsätzlich zu Sachleistungen verpflichteten Kassen sind nur dann berechtigt, den Versicherten Aufwendungen zu erstatten, wenn dies ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich geregelt ist (vgl § 185 Abs 3 - selbst beschaffte Krankenpflegeperson; § 185b Abs 2 Satz 2 - selbst beschaffte Ersatzkraft; § 368d Abs 1 Satz 2 - Notfallbehandlung, vgl BSGE 34, 172, 174) oder wenn die Kassen nach den durch § 131 Abs 1 Satz 1 SGG (in der bis zum Inkrafttreten des Staatshaftungsgesetzes vom 26. Juni 1981 - BGBl I 553 - geltenden Fassung) anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes oder Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verpflichtet sind. Letzteres ist der Fall, wenn die Kasse sich rechtswidrig weigert, die Sachleistung zu erbringen (vgl BSGE 35, 10, 14) oder wenn sie den Versicherten nicht so aufklärt und berät, daß er mit einem sachgerechten Verhalten die angemessene Sachleistung auslöst (BSG SozR 2200 § 182 Nr 57). Ein so begründeter Kostenerstattungsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch, der vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müßte. Denn der Versicherte verlangt die Aufwendungen, die er deshalb machen mußte, weil er durch das die Sachleistung verweigernde Verhalten der Verwaltung - hier der Beklagten - gezwungen war, anstelle der Verwaltung sachgerecht zu handeln. Der öffentlich-rechtlichen Natur des Anspruchs steht nicht entgegen, daß dieser Anspruch nicht durch einen Eingriff, sondern durch ein Unterlassen der Verwaltung entstanden ist (Bender, Staatshaftungsrecht, 3. Aufl Nr 455 zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch). Entgegen steht auch nicht, daß keine Naturalrestitution verlangt, sondern ein Geldanspruch geltend gemacht wird (vgl Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl, § 113 Anm 9).
Der drei- bis vierjährige Sohn des Klägers mußte in der streitigen Zeit - aber auch schon vorher - wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung einer Reihe von tiefgreifenden Spezialbehandlungen unterzogen werden, die nur in der mit Bahn und Taxi erreichbaren Universitätsklinik durchgeführt werden konnten. Er ist zeitweise stationär, in der streitigen Zeit allerdings nur ambulant behandelt worden. Es wurden teils Behandlungsserien durchgeführt, so daß das Kind zeitweise jeden zweiten Tag zur Behandlung gebracht werden mußte. Für die Fahrt und Behandlung waren jeweils sechs Stunden erforderlich. Diese Art der ambulanten Behandlung konnte nur deshalb für vertretbar gehalten werden, weil die häusliche und familiäre Umgebung für die Heilung günstiger eingeschätzt worden ist als der Krankenhausaufenthalt. Ersichtlich hat der für die beklagte Kasse handelnde Arzt des Krankenhauses in der Begleitung des Kindes zum Krankenhaus keine familiären Schwierigkeiten gesehen.
Wie der Kläger schon in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hat, sind indes erhebliche Schwierigkeiten dadurch aufgetreten, daß die Mutter, weil sie D. begleitete, das ebenfalls zu versorgende zweite Kind allein zu Hause lassen mußte. Dieser Hinweis ist unabhängig davon beachtlich, wie als das zweite Kind ist und ob die häusliche Störung schon dazu geführt hat, daß auch dieses Kind krank im Sinne der Krankenversicherung wurde. Für die Erforderlichkeit der Krankenhauspflege sind nämlich nicht nur die Art und Schwere der Krankheit, sondern alle Umstände von Bedeutung, die Einfluß auf den erstrebten Heilungserfolg haben können (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl, Stand: September 1981, § 184 Anm 3 Blatt 17/375; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, Stand: Januar 1981, § 184 Anm 3).
Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 1657236 |
BSGE, 273 |
Breith. 1983, 104 |