Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gleichstellung heimatloser Ausländer mit Deutschen im Sozialversicherungsabkommen Jugoslawien
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anwendbarkeit von Schlußprotokoll Abk Jugoslawien SozSich Nr 12 Buchst c auf heimatlose Ausländer, die keine Beitragszeiten nach dem FRG zurückgelegt haben.
Orientierungssatz
1. Auf heimatlose Ausländer ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10.3.1956 (BGBl II 1958, 170) und das Gesetz zu diesem Vertrag vom 25.6.1958 nicht anzuwenden (Festhaltung an BSG 1983-11-02 11 RA 58/82).
2. § 18 HAuslG vermag zu einer Gleichstellung von heimatlosen Ausländern mit Deutschen iS des GG in Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages iVm Art 5 Abs 1 des Vertragsgesetzes nicht zu verhelfen (vgl BSG 1981-02-18 1 RJ 114/79 = SozR 6561 Art 5 Nr 4).
Normenkette
FRG § 1 Buchst d Fassung: 1960-02-25, § 15 Abs 1 Fassung: 1960-02-25; SVVtr YUG Art 1 Abs 1 Buchst a; SozSichAbkSchlProt YUG Nr 12 Buchst c; HAuslG § 18; SVVtrYUGVtrG Art 5 Abs 1; SVVtr YUG Art 2 Buchst a; SVVtrYUGVtrG Art 2
Verfahrensgang
SG Köln (Entscheidung vom 06.05.1983; Aktenzeichen S 6 An 65/81) |
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung einer Hinterbliebenenrente.
Die Klägerin ist die Witwe des 1888 in Serbien geborenen . G. (G.). Dieser war seit 1909 Berufsoffizier in der serbischen und später jugoslawischen Armee gewesen, 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und bis Kriegsende gefangengehalten worden. Nach dem Kriege war er in Deutschland geblieben und - ebenso wie die Klägerin - nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25. April 1951 (HAuslG) als heimatloser Ausländer anerkannt worden. Am 30. September 1979 ist er verstorben; Beiträge zur deutschen Rentenversicherung sind nicht nachgewiesen.
Die Gewährung von Witwenrente an die Klägerin lehnte die Beklagte mangels Erfüllung der Wartezeit ab. Von G. in Jugoslawien zurückgelegte Zeiten könnten nicht nach dem deutsch/jugoslawischen Sozialversicherungsrecht wie deutsche Versicherungszeiten angerechnet werden, weil er am Stichtag (1. Januar 1956) kein Deutscher gewesen sei; eine Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen iS von § 18 HAuslG könne insoweit nicht gelten (Bescheid vom 17. Oktober 1980, Widerspruchsbescheid vom 11. März 1981).
Die Klage hiergegen hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 6. Mai 1983 abgewiesen. Auch nach seiner Ansicht erfassen der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl II 1958 S 170) -Vertrag- und das Gesetz zu diesem Vertrag vom 25. Juni 1958 (BGBl II S 169) -VertragsG- nur Deutsche iS des Art 116 Abs 1 des Grundgesetzes (GG); auf heimatlose Ausländer seien sie, wie sich aus Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages ergebe, nicht anzuwenden. Die Ziffer 12 Buchst c des Schlußprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969 S 1438) - Abkommen - ändere hieran nichts. § 18 HAuslG gehe den zwischenstaatlichen Vertragsregelungen nach und sei in deren Rahmen unanwendbar (Hinweis auf SozR 6561 Art 5 Nrn 4 und 5).
Mit der vom SG zugelassenen Revision beantragt die Klägerin (sinngemäß), das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Witwenrente zu gewähren, hilfsweise, die Sache zurückzuverweisen.
Zur Begründung rügt sie eine Verletzung von Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages iVm Art 5 Abs 1 des VertragsG sowie von Nr 12 Buchst c des Schlußprotokolls zum Abkommen. Durch das Schlußprotokoll werde der Kreis der begünstigten Personen erweitert. Infolgedessen müsse § 18 HAuslG zumindest seit Inkrafttreten des Abkommens angewandt werden, denn Flüchtlinge iS der Genfer Konvention, also auch heimatlose Ausländer, seien nach seinem Art 3 Abs 1 Buchst b den deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt. Sei dies aber der Fall, dann sei nicht einzusehen, warum die Rechtswohltat nicht auch für heimatlose Ausländer in Betracht komme, die Jugoslawien schon vor dem 1. Januar 1956 verlassen hätten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist, auch im Hinblick auf § 164 Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), zulässig, da der Schlußabsatz der Begründungsschrift gerade noch hinlänglich erkennen läßt, daß das Begehren auf Hinterbliebenenrente weiterverfolgt wird; die Revision ist jedoch nicht begründet. Zutreffend hat das SG festgestellt, daß die Wartezeit (§ 40 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) für eine Witwenrente nicht erfüllt ist.
Da anrechnungsfähige Versicherungszeiten iS von § 27 Abs 1 Buchst a AVG, dh Zeiten, für die nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind oder als entrichtet gelten, nach dem Sachverhalt nicht vorhanden sind, könnte die Wartezeit nur entweder aufgrund zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts oder aufgrund des Fremdrentenrechts erfüllt sein. Beides ist indes nicht der Fall.
Was das Fremdrentenrecht anlangt, so hatte G. als heimatloser Ausländer zwar zum davon erfaßten Personenkreis gehört (§ 1 Buchst d des Fremdrentengesetzes -FRG-), ein Anspruch scheitert jedoch am Fehlen von Beitragszeiten iS von § 15 Abs 1 FRG. Bis Ende 1937 können nach dieser Vorschrift Beitragszeiten bei einem nichtdeutschen Versicherungsträger schon darum nicht zurückgelegt worden sein, weil es in Jugoslawien bis dahin eine gesetzliche Grundlage für eine Beitragsentrichtung der Angestellten zu einer allgemeinen staatlichen Rentenversicherung nicht gab (Urteil des erkennenden Senats vom 2. November 1983 - 11 RA 58/82). Ob G. während seiner Dienstzeit in der Armee jemals Beiträge zu dem in Jugoslawien seinerzeit bestehenden Beamtenpensionsfonds gezahlt hat, ist, ohne daß dies gerügt worden wäre, vom SG im Urteil nicht festgestellt. Soweit die Revision - erstmals im Schriftsatz vom 23. November 1983 - sich in allgemeiner Form zu einer solchen Beitragsleistung einläßt, handelt es sich ausschließlich um ein neues tatsächliches und schon deswegen vom Senat nicht zu berücksichtigendes Vorbringen. Davon abgesehen hat der Senat aaO eingehend dargelegt, daß der jugoslawische Beamtenpensionsfonds von Abs 2 Satz 3 des § 15 FRG erfaßt wird; hiernach gilt er nicht als gesetzliche Rentenversicherung. Der Umstand, daß nach 1945 der Fonds in die einheitliche Sozialversicherung des Staates übergegangen ist, vermag, wie der Senat in SozR 5050 § 15 Nr 11 entschieden hat, an der Nichtberücksichtigung der Armeezeit als fremder Beitragszeit nichts zu ändern; Beitragszeiten iS von § 15 FRG können nur vorliegen, wenn der Betreffende während der in Rede stehenden Zeiten, spätestens mit ihrem Ende, in ein auf Beitragsleistung beruhendes System der staatlichen Rentenversicherung einbezogen war. Scheidet ferner eine Anrechnung der aktiven Dienstzeit von G. als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG allein deshalb aus, weil die Vorschrift gemäß § 17 Abs 2 Satz 2 FRG auf heimatlose Ausländer keine Anwendung findet, so läßt sich insgesamt die Wartezeit für die Witwenrente auf das FRG nicht gründen. Für eine Annahme, daß über § 14 FRG Ersatzzeiten iS von § 28 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 AVG in Betracht kommen könnten, besteht nach Lage der Sache von vornherein kein Anhalt.
Aus dem deutsch-jugoslawischen Abkommensrecht, zunächst speziell aus der Nr 12 Buchst c des Schlußprotokolls zum Abkommen, auf die die Revision in erster Linie abhebt, ist der Anspruch ebenfalls nicht herzuleiten; dies muß bereits deshalb scheitern, weil G. keine nach dem FRG zu berücksichtigenden Beitragszeiten zurückgelegt hat. Das Schlußprotokoll, nach Art 40 des Abkommens Bestandteil desselben, befaßt sich in der Nr 12 nämlich ausschließlich mit dem Verhältnis des Abkommens (und des Vertrages) zum deutschen Fremdrentenrecht (s auch BT-Drucks V/4124, Denkschrift der Bundesregierung zum Abkommen); insofern bringt es zum Ausdruck (Hinweis in Buchst c auf die Buchstaben a und b der Nr 12), daß das Abkommen (und der Vertrag) die deutschen Rechtsvorschriften über die Fremdrenten unberührt läßt. Damit sollen lediglich Verschlechterungen von sich aus dem FRG ergebenden Rechtspositionen durch das Abkommen und den Vertrag vermieden werden. Kann deswegen jugoslawischen Staatsangehörigen, die nach dem 1. Januar 1956, aber vor dem Inkrafttreten des Abkommens (1. September 1969) Jugoslawien verlassen haben und am Tage der Antragstellung deutsche Staatsangehörige sind (Nr 12 Buchst c), bei Erfüllung der Voraussetzungen des FRG (auch) eine deutsche Rente aufgrund des FRG gewährt werden, so kommt diese Möglichkeit beim Fehlen der FRG-Voraussetzungen nicht in Betracht. Daß G. überdies auch die persönlichen, örtlichen und zeitlichen Erfordernisse der Nr 12 des Schlußprotokolls iVm den allgemeinen Vorschriften des Abkommens nicht erfüllt, dh zu den dort genannten maßgebenden Zeitpunkten weder die deutsche Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit besessen, noch in Jugoslawien gewohnt oder Jugoslawien verlassen, noch deutsche Versicherungszeiten, die aufgrund des Vertrages in die jugoslawische Versicherungslast gefallen sind, zurückgelegt hatte, ist hiernach insgesamt nicht mehr wesentlich; darum stellt sich auch die Frage einer Anwendung der Nr 12 Buchst c auf heimatlose Ausländer, insbesondere in Ansehung von § 18 HAuslG, für den Senat ebensowenig wie die einer analogen Anwendung der Vorschrift im Hinblick auf die Stichtagsregelung.
Im Abkommen selbst läßt sich eine Grundlage für den Klageanspruch nicht finden. Seine Regelungen über die Rentenversicherungen (Art 25 ff) greifen nur ein, wenn nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten vorhanden sind, die nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Fehlt es indes bereits hieran, so bleibt allein noch der Vertrag zu berücksichtigen, dessen Bestimmungen über den Austausch der Versicherungslasten das Abkommen im Grundsatz nicht geändert hat (BSGE 31, 54, 55; 47, 142, 143; SozR 6561 Art 5 Nr 4). Da G. am 1. Januar 1956 seinen "ständigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" hatte und es vorliegend ausschließlich um Zeiten geht, die vor diesem Stichtag in Jugoslawien zurückgelegt wurden, ist Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages heranzuziehen; er wird ergänzt durch Art 5 Abs 1 des VertragsG, der - mit einer Fiktion - eingreift, wenn jugoslawische Zeiten in Jugoslawien nur dann angerechnet würden, wenn der Betreffende am 15. Mai 1945 in Jugoslawien in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätte (vgl hierzu BSGE 31, 54 = SozR Nr 1 zu Art 5 Ges Abk Jugoslawien SozVers vom 25. Juni 1958; BSGE 47, 142 = SozR 5050 § 19 Nr 6). Beide Gesetze setzen indes die Eigenschaft als "Deutscher iS des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland" voraus. Diese Eigenschaft hatte G. nicht; er war am Stichtag (und bis zum Tode) ein heimatloser Ausländer. Auf heimatlose Ausländer ist der Vertrag - und damit das VertragsG - aber nicht anwendbar (so der 4. Senat des Bundessozialgerichts -BSG- am 27. September 1979 in SozSich 1980, 25; der 1. Senat am 18. Februar 1981 in SozR 6561 Art 5 Nr 4 und der erkennende Senat am 2. November 1983 - 11 RA 58/82). Daß insoweit ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gegeben sei, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verneint (SozR 6561 Art 5 Nr 5). Eine andere Ansicht hat auch nicht der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 26. Oktober 1976 (insoweit in SozR 6560 Art 1 Nr 2 nicht wiedergegeben) vertreten; das ergibt sich bereits daraus, daß der 4. Senat dort auf BSGE 24, 20; 29, 100 Bezug genommen hat. Aus diesem Grunde bestand für den 4. Senat auch keine Veranlassung, in der späteren Entscheidung vom 27. September 1979 auf eine geänderte Rechtsauffassung hinzuweisen.
§ 18 HAuslG vermag zu einer Gleichstellung von heimatlosen Ausländern mit Deutschen iS des GG in Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages iVm Art 5 Abs 1 des VertragsG nicht zu verhelfen. Dagegen sprechen Gründe der Zielsetzung des Vertrages ganz allgemein sowie der aus Art 2 Buchst a des Vertrages iVm Art 2 des VertragsG zu entnehmende Gedanke des Vertragsvorranges (so der 1. Senat in SozR 6561 Art 5 Nr 4 und der 4. Senat in BSGE 47, 142, 144); aus beiden Gesichtspunkten verbietet es sich, den vom Vertrag erfaßten festumrissenen Personenkreis durch innerstaatliches Recht auf andere Personengruppen zu erstrecken. Dem entsprechenden Gedanken hat auch das BVerfG Ausdruck verliehen, indem es aaO dargelegt hat, der Vertragszweck rechtfertige es, heimatlose Ausländer unter Abweichung von dem in § 18 HAuslG normierten Gleichstellungsgebot von der Vergünstigung des Art 5 Abs 1 des Vertrages auszunehmen. Von der bisherigen Rechtsauffassung abzugehen, bieten die Umstände der vorliegenden Sache keinen Anlaß.
Hiernach war das Urteil des SG zu bestätigen und die dagegen gerichtete Revision mit der aus § 193 SGG entnommenen Kostenfolge zurückzuweisen.
Fundstellen