Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgung einer Witwe bei Antragstellung vor dem 1950-10-01
Leitsatz (redaktionell)
Zur Versorgung einer Witwe bei Antragstellung vor dem 1950-10-01:
Hat eine Witwe zZt des LeistungsverbesserungsG KOV vom 1950-03-27 einen Rentenantrag gestellt, so erwarb sie damit einen - gegebenenfalls - ruhenden - Anspruch auf Witwenrente mit der Folge, daß für sie vom 1950-10-01 ab die Vorschriften des BVG über die Umanerkennung Anwendung finden müssen. Witwenrente steht ihr daher mit Wirkung vom 1950-10-01 ab zu. Ein Streitfall des BVG § 88 liegt überhaupt nicht vor.
Normenkette
BVG § 88 Fassung: 1950-12-20; KOVLeistVerbG
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 1955 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin ist am 25. Oktober 1944 als Soldat bei einem feindlichen Luftangriff auf die Stadt Hamburg ums Leben gekommen. Aus diesem Anlaß erkannte das Versorgungsamt (VersorgA.) Hamburg mit Bescheid vom 27. November 1945 den Anspruch der Klägerin und ihrer Kinder auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) an; Hinterbliebenenbezüge wurden gemäß einer allgemeinen Verfügung der britischen Militärregierung jedoch nicht gezahlt.
Am 13. Dezember 1951 und 17. Oktober 1952 beantragte die Klägerin beim VersorgA. Hamburg die Gewährung von Witwenrente nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dabei berief sie sich auf einen von ihr bereits am 15. Juni 1951 beim Ortsamt Hamburg-Othmarschen formlos - mittels Postkarte - gestellten Antrag auf Versorgung und begehrte die Zahlung der Witwenrente vom 1. Oktober 1950 an.
Mit Bescheid vom 16. April 1953 erkannte das VersorgA. Hamburg den Tod des Ehemannes der Klägerin als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG an und bewilligte die Witwengrundrente von 40.-- DM monatlich. Der Rentenbeginn wurde im Hinblick auf den ersten in den Versorgungsakten befindlichen Versorgungsantrag vom 13. Dezember 1951 auf den 1. Dezember 1951 festgesetzt; das VersorgA. wies dabei darauf hin, daß die Einreichung des von der Klägerin behaupteten formlosen Antrags vom 15. Juni 1951 vom Ortsamt Hamburg-Othmarschen nicht bestätigt worden sei. Der Einspruch gegen diesen Bescheid hatte insoweit Erfolg, als der Beschwerdeausschuß beim VersorgA. Hamburg mit Beschluß vom 3. August 1953 die Richtigkeit der Angaben der Klägerin zur behaupteten Antragstellung am 15. Juni 1951 als wahr unterstellte und den Beginn der Rentenzahlung auf den 1. Juni 1951 vorverlegte. Den Beginn der Rentenzahlung vom 1. Oktober 1950 an lehnte der Beschwerdeausschuß ab. Die Rückwirkung eines vor dem 21. Juni 1951 gestellten Antrags gemäß § 88 BVG könne nur dann erfolgen, wenn es sich um einen neuen Versorgungsanspruch nach dem BVG handele; das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Diese habe schon auf Grund des vor dem Inkrafttreten des BVG geltenden Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen an Kriegsopfer - Überbrückungsgesetz - vom 27. März 1950 (BGBl. 1950 S. 77), mit dem der Kreis der anspruchsberechtigten Witwen gegenüber den Vorschriften der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 erheblich ausgedehnt worden sei, einen Anspruch auf Witwenrente vom 1. Januar 1950 an gehabt. Daß sie damals den nach § 6 des Überbrückungsgesetzes erforderlichen Antrag nicht gestellt habe, vermöge an der Rechtslage nichts zu ändern
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß ihr entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeausschusses die Witwengrundrente schon vom 1. Oktober 1950 an zustehe. Sie habe ihren Antrag auf Versorgung nach dem BVG (15. Juni 1951) innerhalb der Frist des § 88 Satz 2 BVG gestellt; bei dem mit diesem Antrag geltend gemachten Anspruch handele es sich um einen "neuen Versorgungsanspruch" im Sinne des § 88 Satz 1 BVG. Zwar habe sie nach dem Überbrückungsgesetz ihren Rentenanspruch vom 1. Januar 1950 an geltend machen können; gegebenenfalls habe eine Rente nach diesem Gesetz aber wegen ihres Arbeitseinkommens nicht gezahlt werden können. Deshalb habe sie einen Antrag auf Versorgung nicht gestellt. Erst durch die Schaffung der vom Einkommen unabhängigen Grundrente nach dem BVG sei ihr ein echter Anspruch erwachsen; dieser sei deshalb ein "neuer Versorgungsanspruch".
Das Sozialgericht (SG.) Hamburg hat mit Urteil vom 21. Februar 1955 die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. April 1953 und des Beschlusses vom 3. August 1953 verurteilt, der Klägerin vom 1. Oktober 1950 an Witwenrente zu gewähren. Die Klägerin habe nach dem bis zum Inkrafttreten des BVG geltenden Überbrückungsgesetz zwar zum Kreise der versorgungsberechtigten Witwen gehört, Rente hätte bei der Höhe ihres Einkommen aber auch bei Stellung eines Versorgungsantrags nicht gezahlt werden können. Deshalb könne es nicht zu Lasten der Klägerin gehen, wenn sie einen von vornherein erfolglosen Antrag auf Versorgung nach dem Überbrückungsgesetz nicht gestellt habe. Bei dem am 15. Juni 1951 geltend gemachten Anspruch auf Witwenrente handele es sich deshalb um einen neuen Versorgungsanspruch im Sinne des § 88 BVG; denn erst nach den Vorschriften des BVG habe die Klägerin tatsächlich in den Genuß einer Rente kommen können. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu § 88 BVG entschiedenen Rechtsfrage hat das SG. die Berufung nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG.) Hamburg hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Hamburg zurückgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt: Sinn und Zweck des § 88 BVG sei, alle diejenigen mit Anspruch auf Rente nach dem BVG rückwirkend vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes an (1.10.1950) in den Genuß von Versorgungsbezügen zu bringen, die bis zu diesem Zeitpunkt damit ausgeschlossen gewesen seien; allerdings sei ein Antrag auf Versorgung nach dem BVG bis zum 21. Juni 1951 bei der Versorgungsbehörde erforderlich. Letzteres sei bei der Klägerin auf Grund ihres Antrags vom 15. Juni 1951 der Fall. Diese sei bis zum Inkrafttreten des BVG von jeglicher Versorgung (Rente, Heilbehandlung) ausgeschlossen gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß sie schon nach dem Überbrückungsgesetz einen Versorgungsantrag habe stellen können. Denn ein solcher Antrag sei für sie ohne Wert gewesen, da mit ihm im Hinblick auf ihr damaliges Einkommen (mehr als 160,-- DM monatlich) eine Versorgungsleistung nicht habe verwirklicht werden können; erst das BVG habe eine Rechtsgrundlage geschaffen, ihren Versorgungsanspruch zu realisieren. Im übrigen habe die Klägerin sogar, wenn auch ohne Erfolg, versucht, ihren Anspruch anzumelden. Die formelle Auslegung des Begriffs des "neuen Versorgungsanspruchs", wie sie durch die Beklagte erfolge, sei mit der Zweckbestimmung des § 88 BVG nicht vereinbar
Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 1. Juni 1955 verkündete, am 20. Juni 1955 zugestellte Urteil des LSG. hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Juni 1955, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 27. Juni 1955, Revision eingelegt. Der Schriftsatz enthält auch die Begründung der Revision. Die Beklagte rügt die Verletzung des § 88 BVG und macht geltend, die Rechtsauffassung des LSG. werde dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht gerecht. Es könne sich um keinen neuen Versorgungsanspruch nach § 88 BVG in solchen Fällen handeln, in denen - wie bei der Klägerin - die Möglichkeit bestanden habe, einen Anspruch nach den vor dem Inkrafttreten des BVG geltenden versorgungsrechtlichen Vorschriften anzumelden. Dabei sei gleichgültig, aus welchem Grunde diese Anmeldung unterblieben sei; das gelte insbesondere auch dann, wenn ein Anspruchsberechtigter wegen der Höhe seines Einkommens und der damit verbundenen Aussichtslosigkeit, Versorgungsleistungen zu erhalten, die Anmeldung unterlassen habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 1955 und des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Februar 1955 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ein neuer Versorgungsanspruch im Sinne des § 88 BVG sei immer dann gegeben, wenn, wie in ihrem Falle, nach dem BVG erstmalig eine Rechtsgrundlage geschaffen worden sei, um einen Versorgungsanspruch zu verwirklichen, nämlich die tatsächliche Zahlung von Versorgungsbezügen zu fordern. Im übrigen habe sie nach den Feststellungen des LSG. die Anmeldung ihres Versorgungsanspruchs schon vor dem Inkrafttreten des BVG erfolglos versucht. Sie sei lediglich durch falsche Auskunftserteilung - sie könne wegen ihres Einkommens ja doch keine Rente erhalten - von dieser Anmeldung abgehalten worden. Das aber könne von der Beklagten nicht zu ihren Ungunsten verwertet werden. Im übrigen rechtfertige auch die Vorschrift des § 86 BVG ihren mit der Klage geltend gemachten Anspruch.
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden und durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Die zunächst vom Senat vorgenommene Prüfung der prozessualen Voraussetzungen für den vorliegenden Rechtsstreit ergab, daß das LSG. zu Recht in der Sache entschieden hat. Zwar handelt es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch - Witwenrente für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1951 - um Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum (§ 148 Nr. 2, 2. Halbsatz SGG) mit dem grundsätzlichen Ausschluß der Berufung; das SG. hat jedoch die Berufung in Anwendung des § 150 Nr. 1 SGG ausdrücklich zugelassen, weil es der von ihm entschiedenen Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Das LSG. hat im Ergebnis zutreffend die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. mit dem der Anspruch der Klägerin auf Witwengrundrente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1951 anerkannt worden ist, zurückgewiesen.
Nach § 61 Abs. 2 BVG beginnt in Fällen, in denen der Anspruch auf Hinterbliebenenrente erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht wird, die Rente mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens aber mit dem Monat, in dem der Anspruch angemeldet worden ist. Abweichend von dieser grundsätzlichen Regelung beginnt bei den sich nach dem BVG ergebenden neuen Versorgungsansprüchen gemäß § 88 BVG die Rente beim Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen bereits mit dem Monat des Inkrafttretens des Gesetzes (das ist der 1. Oktober 1950), wenn der Antrag auf Rentengewährung innerhalb von sechs Monaten nach Verkündung des BVG (21.12.1950) gestellt worden ist. Handelt es sich danach um einen neuen Versorgungsanspruch im Sinne des § 88 BVG und ist dieser bis zum 21. Juni 1951 geltend gemacht worden, so muß die Versorgungsbehörde den Rentenbeginn auf den 1. Oktober 1950 festsetzen. Daraus folgt, daß die Übergangsschutzvorschrift des § 88 BVG dann nicht zur Anwendung kommen kann, wenn es sich um einen Versorgungsanspruch handelt, der schon nach den bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften bestanden und nicht erst im BVG seine Grundlage gefunden hat; in solchen Fällen beginnt die Rente, auch bei Antragstellung innerhalb der Frist des § 88 Satz 2 BVG, gemäß § 62 Abs. 2 BVG mit dem Monat, in dem der Anspruch angemeldet worden ist.
In Schrifttum und Rechtsprechung ist die Frage, welche Ansprüche "neu" im Sinne des § 88 Satz 1 BVG sind, umstritten (vgl. Bayer. LVA. vom 26.3.1952, Breith. 1952 S. 1038; OVA. Düsseldorf vom 3.12.1952, ZfS. 1953 S. 17; van Nuis, ZfS. 1952 S. 227, 244; Schönleiter, Bundesversorgungsgesetz, § 88 Erl. 2; Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, Erl. zu § 88 BVG; van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, I. Teil, S. 48; vgl. auch OVA. Lüneburg vom 5.2.1952, ZfS. 1952 S. 258; OVA. Hamburg vom 5.9.1952, ZfS. 1952 S. 259; OVA. Bremen vom 27.8.1952, Breith. 1954 S. 93; Zielke in ZfS. 1952 S. 59; Brüggemann in ZfS. 1952 S. 136). Das BSG. hat in drei Entscheidungen zu einigen nach § 88 BVG geltend gemachten Ansprüchen Stellung genommen. Nach dem Urteil des 10. Senats vom 19. Februar 1957 (BSG. 4 S. 291) ist der Anspruch auf eine Grundrente, den ein Beschädigter nach § 29 Abs. 1 BVG wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 25 v.H. geltend macht, ein neuer Versorgungsanspruch im Sinne des § 88 Satz 1 BVG, wenn nach den bis zum Inkrafttreten des BVG geltenden versorgungsrechtlichen Vorschriften eine Rente wegen einer MdE. um 25 v.H. nicht zu gewähren war. Derselbe Senat hat mit Urteil vom 15. April 1958 (BSG. 7 S. 118 [120] = SozR. BVG § 88 Bl. Ca 2 Nr. 2) entschieden, daß es sich ebenfalls um einen neuen Versorgungsanspruch handelt, wenn eine Witwe vor dem Inkrafttreten des BVG keinen Anspruch auf Witwenrente hatte, weil sie die nach Landesrecht erforderlichen persönlichen Voraussetzungen (Alter, Erwerbsunfähigkeit, Kinder) nicht erfüllte, und wenn sie gemäß §§ 1, 38 BVG auf Antrag Witwenrente beanspruchen kann. Der 11. Senat endlich hat mit Urteil vom 14. Mai 1958 (BSG. 7 S. 187 [189 - 191] = SozR. BVG § 88 Bl. Ca 2 Nr. 3) das Vorliegen eines neuen Versorgungsanspruchs im Sinne des § 88 BVG verneint, wenn schon nach bisherigem Versorgungsrecht die Möglichkeit bestanden hat, Rente zu beantragen, ein Antrag aber nicht gestellt worden ist; unerheblich sei dabei, so führt der 11. Senat dazu aus, ob im Falle der Geltendmachung des Anspruchs das Ruhen der Rente anzuordnen gewesen wäre.
Das Berufungsgericht ist, wie bereits dargelegt, anderer Meinung als der 11. Senat des BSG. Es hat vorliegend einen neuen Versorgungsanspruch der Klägerin angenommen, obwohl diese einen nach dem Überbrückungsgesetz möglichen Antrag auf Versorgung nicht gestellt habe. Denn eine solche Antragstellung und auch die Feststellung eines Versorgungsanspruchs nach dem Überbrückungsgesetz durch die Versorgungsbehörde sei für die Klägerin ohne Wert gewesen, da wegen der damals geltenden Ruhensvorschriften auch mit der Feststellung eines Versorgungsanspruchs eine Versorgungsleistung nicht verbunden gewesen sei.
Für den erkennenden Senat bestand weder ein Anlaß noch die Möglichkeit, zu den einander entgegenstehenden Rechtsauffassungen des Berufungsgerichts und des 11. Senats des BSG. (a.a.O.) Stellung zu nehmen. Denn in diesem Rechtsstreit war nicht über Anwendung und Auslegung des § 88 BVG zu entscheiden. Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Berufungsgericht vorgetragen (vgl. Berufungserwiderung vom 30.3.1955), daß sie, ohne genaue Daten angeben zu können, schon vor dem Inkrafttreten des BVG ebenso wie nach dem Inkrafttreten wiederholt bei dem für sie zuständigen Ortsamt Hamburg-Othmarschen wegen ihrer Witwenversorgung nachgefragt habe; sie habe stets die Auskunft erhalten, daß sie zu viel verdiene und deshalb keine Rente bekommen könne. Daß sie unter diesen Umständen nicht ausdrücklich einen Versorgungsantrag gestellt habe, könne nicht zu ihren Lasten gehen. Das LSG. hat dieses Vorbringen in den Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgenommen: "Sie (die Klägerin) habe zu einem früheren Zeitpunkt wegen ihres Arbeitseinkommens keinen Antrag gestellt und sei auf wiederholte Vorsprachen beim Ortsamt immer wieder dahin belehrt worden, daß Versorgungsbezüge wegen ihres Einkommens nicht zur Auszahlung kommen könnten". In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht u.a. ausgeführt: ".... denn die vorherige Anmeldung, die die Klägerin übrigens erfolglos versucht hatte", und "es trifft also nicht zu, daß die Klägerin aus Gleichgültigkeit oder Unwissenheit die Stellung eines Versorgungsantrags vor dem 1. Oktober 1950 unterlassen hat". Damit aber hat das LSG. festgestellt, daß die Klägerin bereits vor dem Inkrafttreten des BVG beim Ortsamt Hamburg-Othmarschen einen - wenn auch nicht ausdrücklich als solchen aufgenommenen - Antrag auf Versorgung gestellt, mindestens jedoch diese Antragstellung erfolglos versucht hat. An diese vom Berufungsgericht im angefochtenen Urteil getroffene tatsächliche Feststellung ist das Revisionsgericht gebunden (§ 163 SGG), denn zulässige und begründete Revisionsgründe in bezug auf sie hat die Beklagte nicht vorgebracht. Der Hinweis im Revisionsschriftsatz vom 22. Juni 1955 auf das Vorbringen im Berufungsschriftsatz vom 10. März 1955 reicht jedenfalls nicht aus, auch wenn die Beklagte in letzterem zu dieser Frage Stellung genommen hat; denn Revisionsrügen in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts konnten von der Beklagten nicht schon vor Beendigung des Berufungsverfahrens vorgetragen werden.
Daraus ergibt sich folgendes: sowohl der Gewährung von Versorgung als auch der Anerkennung eines Versorgungsanspruchs der Klägerin nach § 14 der SVD Nr. 27 auf Grund der nach den Vorschriften des WFVG ergangenen Entscheidung des VersorgA. Hamburg vom 27. November 1945 stand die Vorschrift des § 7 der SVD Nr. 27 entgegen die Klägerin hatte weder durch Krankheit oder andere Gebrechen die Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit verloren noch das 60. Lebensjahr vollendet, sie versorgte auch kein waisenrentenberechtigtes Kind im Sinne des § 7 Ziff. I Buchst. c der SVD Nr. 27. Damit war der nach dem WFVG anerkannte Anspruch untergegangen. Eine neue Rechtslage wurde erst durch das Inkrafttreten des sogenannten Überbrückungsgesetzes vom 27. März 1950 geschaffen; die Klägerin gehörte gemäß § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1950 an (§ 8) zu dem Personenkreis mit Anspruch auf Versorgung. Daran ändert nichts, daß die Klägerin im Hinblick auf die Höhe ihres Arbeitseinkommens auch nach den Vorschriften des Überbrückungsgesetzes eine Rente noch nicht erhalten konnte (vgl. § 8 Ziff. II der SVD Nr. 27). Nach § 6 des Überbrückungsgesetzes allerdings mußten die mit § 2 neu geschaffenen Versorgungsansprüche angemeldet werden; das Unterlassen der Antragstellung hatte zur Folge, daß auch nach dem Überbrückungsgesetz ein Anspruch auf Versorgung nicht erwachsen konnte.
Dieser nach § 6 des Überbrückungsgesetzes zwingend notwendige Antrag auf Gewährung von Versorgung aber muß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als tatsächlich gestellt angenommen werden: Die Klägerin hat mit dem Ziele der Antragstellung beim Ortsamt Hamburg-Othmarschen vorgesprochen; einen schriftlichen Antrag hat sie nur deshalb nicht gestellt, weil sie daran durch falsche Auskunftserteilung - im Hinblick auf die Höhe ihres Arbeitseinkommens sei ein solcher Antrag zwecklos - gehindert worden ist. Das aber darf nicht zum Nachteil der Klägerin verwendet werden. Denn weder die SVD Nr. 27 noch das Überbrückungsgesetz vom 27. März 1950 enthalten Vorschriften über die Form der Antragstellung, so daß es einer förmlichen Antragstellung durch die Klägerin damals nicht bedurfte; vielmehr muß als ausreichend angesehen werden, daß die Klägerin vor einer zur Entgegennahme von Versorgungsanträgen zuständigen Stelle ihren Willen zum Ausdruck gebracht hat, Versorgung zu begehren (vgl. BSG. im SozR. BVG § 1 Bl. Ca 1 Nr. 3). Hat aber die Klägerin zur Zeit der Geltung des Überbrückungsgesetzes einen Antrag auf Versorgung gestellt, der lediglich im Hinblick auf die Ruhensvorschriften der SVD Nr. 27 nicht zur Leistung von Zahlungen führen konnte, so kann es sich bei dem vorliegend im Streit stehenden Anspruch nicht um eine Frage der Auslegung des § 88 BVG handeln; eine Prüfung, ob es sich um einen "neuen Anspruch" im Sinne dieser Vorschrift handelt oder nicht, entfällt. Denn die Klägerin hat schon auf Grund des Überbrückungsgesetzes einen - wenn auch ruhenden - Anspruch auf Witwenrente erworben, mit der Folge, daß für sie vom 1. Oktober 1950 an die Vorschriften des BVG über die Umanerkennung Anwendung finden müssen: Die Witwengrundrente steht ihr daher mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 an im Wege der Umanerkennung und unabhängig von jeder weiteren Antragstellung zu (vgl. van Nuis, ZfS. 1952 S. 244; Schönleiter, Bundesversorgungsgesetz, § 86 Erl. 1 Abs. 2 und § 88 Erl. 2 Abs. 6; BMA vom 18.8.1951 - BfA. - IV b 1 - 2231/51 in Schönleiter, Handbuch der Bundesversorgung, § 88 Bl. 2 Nr. 7).
Die Revision konnte hiernach keinen Erfolg haben, da das LSG. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG. Hamburg im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen hat. Sie war wie geschehen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen