Leitsatz (amtlich)
Die nach RKG § 69 Abs 5 (RVO § 1268 Abs 5) der Witwe für das Sterbevierteljahr zu gewährende Hinterbliebenenrente wird in Höhe der dem Versicherten vor seinem Tode zu zahlenden Knappschaftsrente oder des zu zahlenden Knappschaftsruhegeldes gewährt. Eine Erhöhung dieser Rente auf Grund eines erst für das Sterbevierteljahr wirksam gewordenen Rentenanpassungsgesetzes findet nicht statt.
Normenkette
RKG § 69 Abs. 5 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1268 Abs. 5 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 1965 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Ehemann der Klägerin bezog ab 1. Juli 1950 Knappschaftsvollrente, die zum 1. Januar 1957 auf Knappschaftsruhegeld umgestellt wurde, zuletzt in Höhe von 423,- DM monatlich. Am 17. Dezember 1960 verstarb der Ehemann der Klägerin.
Durch Bescheid vom 9. Mai 1961 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Monate Januar, Februar und März 1961 Rente nach § 69 Abs. 5 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) in Höhe des dem Ehemann zuletzt zustehenden Knappschaftsruhegeldes und ab 1. April 1961 Witwenrente in Höhe von 266,20 DM. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, daß bei der Berechnung der Rente für die Monate Januar bis März 1961 das dritte Rentenanpassungsgesetz (3. RAG) hätte berücksichtigt werden müssen. Dieser Widerspruch wurde durch Bescheid vom 16. November 1962 zurückgewiesen.
Auf die gegen diese Bescheide gerichtete Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) München durch Urteil vom 26. Juni 1963 die Beklagte, auf die Hinterbliebenenrente nach § 69 Abs. 5 RKG die Vorschriften des 3. RAG anzuwenden, und ließ die Berufung zu. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Durch Urteil vom 7. Oktober 1965 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG ist der Auffassung, daß das 3. RAG auf die der Klägerin für die Monate Januar bis März 1961 gewährte Rente nicht anzuwenden ist. Es treffe zwar zu, daß es sich auch bei den Leistungen für das Sterbevierteljahr ebenso wie bei der sich an diese anschließende Witwenrente um eine der Witwe zustehende Hinterbliebenenrente handele. Indessen stelle diese eine Leistung eigener Art dar, deren besonderes Kennzeichen die enge Verknüpfung mit der Rente des verstorbenen Versicherten im Zeitpunkt des Todes sei. Diese Verknüpfung erfasse nicht nur die Rentenart, sondern auch die Rentenhöhe. Daß die der Witwe für das Sterbevierteljahr zu zahlende Rente ihrer Art nach nur die Rente des Versicherten sein könne, liege in der Natur der Sache. Die Bezugnahme auf diese - dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustehende - Rente betreffe auch deren Höhe. Das ergebe sich gesetzessystematisch auch daraus, daß § 69 RKG unter die amtliche Überschrift "Zusammensetzung und Berechnung der Renten" gestellt ist. Schließlich werde diese Auffassung auch durch eine vergleichende Betrachtung der entsprechenden Bestimmung der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestätigt. Denn § 1268 Abs. 5 RVO schreibe vor, daß der Witwe für die ersten drei Monate an Stelle der Rente nach den Absätzen 1 - 4 die Rente ohne Kinderzuschuß gewährt werde, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zugestanden habe. Diese Wortfassung bringe eindeutig zum Ausdruck, daß für die Rente im Sterbevierteljahr der Zahlbetrag der zuletzt gewährten Versichertenrente maßgebend sei. Wenn aber § 1268 Abs. 5 RVO in diesem Sinne zu verstehen sei, so könne für die Auslegung des § 69 Abs. 5 RKG nichts anderes gelten, da nicht angenommen werden könne, daß der Gesetzgeber denselben Tatbestand in der knappschaftlichen Rentenversicherung anders als in der allgemeinen Rentenversicherung regeln wollte. Es sei daher davon auszugehen, daß auch in der knappschaftlichen Rentenversicherung die Rente für das Sterbevierteljahr der Höhe der Rente entspreche, die dem verstorbenen Versicherten zuletzt zugestanden hat. Aus dem Umstand, daß § 69 Abs. 5 RKG und § 1268 Abs. 5 RVO in gleicher Weise die Rente für das Sterbevierteljahr aus der Rente ableiteten, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zugestanden habe, ergebe sich, daß der Zahlbetrag dieser Rente der Rentengewährung an die Witwe für alle drei Monate unverändert zugrunde zu legen sei. Gesetzliche oder tatsächliche Änderungen, die nach Ablauf des Todesmonats eingetreten sind und die zu einer Neuberechnung der Versichertenrente geführt haben würden, könnten sich daher auf die Rente für das Sterbevierteljahr nicht mehr auswirken.
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß das 3. RAG auf die ihr für die Monate Januar bis März 1961 gewährte Rente anzuwenden sei.
Sie beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 1965 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Juni 1963 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Revision für unbegründet. Sie ist der Auffassung, daß der dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustehende Rentenzahlbetrag für die Rentengewährung an die Witwe während des Sterbevierteljahres für alle drei Monate unverändert zugrunde zu legen sei. Gesetzliche Änderungen, die nach Ablauf des Sterbemonats wirksam geworden seien, z.B. ein Rentenanpassungsgesetz, könnten die Leistung für das Sterbevierteljahr nicht beeinflussen und führten daher nicht zur Neufeststellung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die der Klägerin für die ersten drei Monate nach dem Tod des Versicherten (das sog. Sterbevierteljahr) zu zahlende Hinterbliebenenrente nach § 69 Abs. 5 RKG in Höhe des dem Versicherten zuletzt vor seinem Tode gezahlten Knappschaftsruhegeldes zu gewähren ist, ohne daß eine Erhöhung dieser Rente nach dem 3. RAG vom 19. Dezember 1960 (BGBl I, 1013) zu erfolgen hat.
Die Rente nach § 69 Abs. 5 RKG ist eine echte Hinterbliebenenrente, die der Witwe des Versicherten originär zusteht. Eine Versichertenrente kann diese Rente schon deshalb nicht sein, weil dem Versicherten nach seinem Tode kein Anspruch mehr zustehen kann. Dennoch ist diese Hinterbliebenenrente insofern eng mit der Versichertenrente, die der Verstorbene zuletzt vor seinem Tode bezogen hat, verknüpft, als sie in deren Höhe zu zahlen ist. Mit dem Ausdruck "diese Rente" in § 69 Abs. 5 Satz 1 RKG ist nicht die Rentenart, sondern der dem Versicherten zur Zeit seines Todes zustehende konkrete Rentenzahlbetrag gemeint. Die Rentenart kann schon deshalb nicht gemeint sein, weil die Witwe keinen Anspruch auf Knappschaftsrente oder Knappschaftsruhegeld haben kann, da es sich bei diesen Renten um Versichertenrente handelt. Für die Annahme, daß die Rentenhöhe gemeint ist, spricht auch, daß "diese Rente mit Leistungszuschlag, aber ohne Kinderzuschuß" gewährt wird; denn auch durch diese Vorschrift wird die Höhe der Rente des Versicherten angesprochen. Auch der vierte Satz dieser Vorschrift, nach welchem eine Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit nach § 53 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. zu berechnen ist, spricht für die Annahme, daß unter "diese Rente" der Rentenzahlbetrag gemeint ist. Bestätigt wird dies auch durch die folgende Regelung der Fälle, in welchen der Versicherte bis zu seinem Tode noch keinen Anspruch auf Rente hatte. Es ist für diese Fälle bestimmt, daß die Witwe "die Rente des Versicherten erhält, aus der die Rente nach den Abs. 1 bis 3 - das ist die echte Witwenrente - zu berechnen ist". Diese Versichertenrente kann nur die konkrete Rente ihrer Höhe nach sein, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zugestanden hätte, falls er alle Voraussetzungen für die Rentengewährung zu diesem Zeitpunkt erfüllt gehabt hätte. Noch deutlicher ist die entsprechende Regelung des § 1268 Abs. 5 RVO, in welchem dieselbe Frage für die Rentenversicherung der Arbeiter geregelt ist. Dort heißt es nämlich, daß der Witwe für die ersten drei Monate die Rente gewährt wird, "die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustand". Dem Versicherten stand aber nur die Rente zu, die sich nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Vorschriften ergab. Da beide Vorschriften dieselbe Rechtsfrage regeln, kann in § 1268 Abs. 5 RVO aber nichts anderes bestimmt sein als in § 69 Abs. 5 RKG. Auch der Zweck dieser Vorschrift, der Witwe noch für drei Monate die Einkünfte des Mannes zu garantieren, um ihr die Umstellung auf die neuen Lebensverhältnisse zu erleichtern, spricht für die Annahme, daß die Höhe der Versichertenrente für drei Monate garantiert werden soll. Davon ausgehend muß man zu dem Ergebnis kommen, daß diese Rentenhöhe nicht durch irgendwelche nach dem Tode des Versicherten eintretende Änderungen berührt wird. Die Hinterbliebenenrente für das Sterbevierteljahr ist also in Höhe der dem Versicherten konkret zustehenden Knappschaftsrente oder des ihm konkret zustehenden Knappschaftsruhegeldes zu gewähren, ohne Rücksicht darauf, ob sich der Zahlbetrag der Rente des Versicherten während der drei Monate nach seinem Tode geändert haben würde, falls er während dieser Zeit noch gelebt hätte. Das 3. RAG kann nach alledem auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin für das Sterbevierteljahr nicht angewandt werden.
Da sich das angefochtene Urteil somit als zutreffend erweist, ist die Revision der Klägerin unbegründet; sie wurde daher zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen