Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. April 1994 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1991 streitig.
Der Kläger ist Bauingenieur und war bis Ende Dezember 1990 in der N. … … W. …, dem früheren VEB-Bau W. …, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen Betriebsauflösung beendet. Auf Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 1. Januar 1991 (Verfügung vom 22. Januar 1991).
Im Februar 1991 schloß der Kläger mit P. … A. … (P. A.) und H. … M. … (H. M.) einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Firma „B. … W. … GmbH – Architekten- und Ingenieurbüro -”. Die drei Gründungsgesellschafter wurden zu Geschäftsführern bestellt. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 10. April 1991 rückwirkend zum 1. Januar 1991, die Eintragung im Handelsregister am 20. Februar 1992. Am 22. August 1991 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er ab 1. September 1991 eine Beschäftigung in der Gesellschaft aufnehmen werde. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung des Alg ab diesem Zeitpunkt ein.
Ermittlungen der Beklagten ergaben, daß der Kläger sich bereits in der vorhergehenden Zeit in den Firmengeschäftsräumen aufgehalten hatte. Hierzu erklärte der Mitgesellschafter P. A. im Juli 1991 gegenüber der Beklagten, er arbeite allein in der Firma, der Kläger stehe in keinem Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft, bekomme von dieser keine Leistungen und halte sich zeitweise in den Geschäftsräumen auf, um die Aufgaben in der Firma kennenzulernen und sich insbesondere mit der Computertechnik vertraut zu machen. Im Oktober 1991 gab P. A. ergänzend an, der Kläger habe sich – bis zum 1. September 1991 – ca 20 Std wöchentlich in der Firma aufgehalten.
Nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 25. Oktober 1991) hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1991 auf und forderte das gezahlte Alg iH von 12.322,70 DM unter Einräumung von monatlichen Raten von 300,00 DM zurück (Bescheid vom 24. Februar 1992; Ergänzungsbescheid vom 18. März 1992). Die Entscheidung wurde damit begründet, der Kläger sei wegen seiner Beschäftigung in der Gesellschaft nicht arbeitslos gewesen, die Bewilligung beruhe insoweit auf Angaben, die in wesentlicher Beziehung unvollständig seien, und der Kläger hätte erkennen können, daß ihm Alg nicht zustehe (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫).
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. April 1992). Ergänzend stützte sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligung auch auf fehlende Verfügbarkeit des Klägers, hielt bezüglich der Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit nur noch die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X für erfüllt und wies im übrigen darauf hin, daß das Arbeitsamt sein Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt und bei seiner Entscheidung sämtliche Umstände des konkreten Falles angemessen berücksichtigt habe.
Nach Vernehmung des Mitgesellschafters P. A. als Zeugen hat das Sozialgericht (SG) der Anfechtungsklage stattgegeben und seine Entscheidung auf eine fehlerhafte Ermessensausübung der Beklagten gestützt (Urteil vom 18. Juni 1993). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 19. April 1994). Zur Begründung ist ausgeführt worden, die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien aufzuheben, weil die Bewilligung von Alg nicht rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger sei während des strittigen Zeitraums sowohl arbeitslos als auch verfügbar gewesen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 1 der Aufenthalts-Anordnung. Sie trägt vor, der Kläger sei während des streitigen Zeitraums nicht verfügbar gewesen, weil er nach den Feststellungen des LSG nicht ständig während der üblichen Zeit des Briefeingangs zu Hause gewesen sei. Im übrigen sei auch zu prüfen, ob anstelle einer Rücknahme nach § 45 SGB X eine Aufhebung nach § 48 SGB X in Betracht komme.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG und SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die rechtlichen Erwägungen im Berufungsurteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist iS der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 24. Februar und 18. März 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1992, mit denen die Beklagte rückwirkend die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1991 aufgehoben und das gezahlte Alg zurückgefordert hat. Ob diese Bescheide – wie das LSG entschieden hat – rechtswidrig und daher aufzuheben sind, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
Das LSG hält die Aufhebung der Alg-Bewilligung deshalb für rechtswidrig, weil der Kläger in der streitigen Zeit durchgehend verfügbar iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG und arbeitslos iS von § 101 Abs 1 AFG gewesen sei, die Alg-Bewilligung mithin rechtmäßig sei. Würde dieser Auffassung des LSG nicht gefolgt, könnte seine Entscheidung gleichwohl richtig sein, wenn bereits die verwaltungsverfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme bzw Aufhebung der Alg-Bewilligung nicht vorgelegen hätten. Dazu fehlen aber die erforderlichen Tatsachenfeststellungen des LSG. Nach den bisher getroffenen Feststellungen läßt sich weder beurteilen, ob die Aufhebung der Alg-Bewilligung auf der Grundlage des § 45 oder des § 48 SGB X zu erfolgen hatte, noch, ob die weiteren Rücknahme- bzw Aufhebungsvoraussetzungen gegeben sind. Auf die Prüfung dieser Voraussetzungen kann aber auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Senat dem LSG folgen, also ua durchgehende Verfügbarkeit iS des § 103 Abs 1 Nr 3 AFG bejahen wollte. Die Auffassung des LSG, die Erreichbarkeit iS dieser Norm erfordere nicht, daß der Arbeitslose täglich während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm angegebenen Anschrift auch tatsächlich erreichbar sein müsse, entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ (vgl ua BSGE 66, 103, 105 mwN = SozR 4100 § 103 Nr 47; BSG, Urteil vom 29. April 1992 – 7 RAr 4/91 –, DBlR Nr 3928a zu § 48 SGB X; BSG, Urteil vom 29. Juli 1992 – 11 RAr 15/92 –, DBlR Nr 3964a zu § 103 AFG; BSG, Urteil vom 9. November 1995 – 11 RAr 45/95 –; vgl zuletzt BSG, Urteil vom 14. März 1996 – 7 RAr 38/95 –). Wollte der Senat diese Rechtsprechung aufgeben und damit auch von der bisherigen Rechtsprechung des 11. Senats abweichen, müßte er das Verfahren nach § 42 SGG einleiten. Voraussetzung dafür ist, daß die Rechtsfrage für die zu treffende Entscheidung rechtserheblich ist, es also auf ihre Beantwortung im Einzelfall ankommt. Dies wäre vorliegend nur zu bejahen, wenn alle sonstigen Rücknahme- bzw Aufhebungsvoraussetzungen vorlägen. Auch insoweit bieten die Tatsachenfeststellungen des LSG keine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
Nach § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X iVm Abs 2 Satz 3 Nrn 2 und 3 dieser Norm darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr 2) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr 3). Gemäß § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (Satz 1); der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr 2) oder der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr 4). Gemäß § 50 Abs 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit der bewilligende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.
Aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhaltes läßt sich nicht nachvollziehen, ob sich vorliegend die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 SGB X oder § 48 SGB X beurteilen. Die Bescheide vom 24. Februar und 18. März 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1992 sind als Rücknahmebescheide nach § 45 SGB X ergangen. Dies ergibt sich nicht nur aus der ausdrücklich benannten Norm, sondern vor allem aus den im einzelnen geprüften Rücknahmevoraussetzungen. Auch das LSG hat die Rechtsprüfung nach § 45 SGB X vorgenommen, ohne jedoch zu dessen Anwendbarkeit die notwendigen Feststellungen zu treffen.
Eine Rücknahme nach § 45 SGB X kommt nur in Betracht, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits bei Erlaß rechtswidrig gewesen ist (Abs 1). Der Zeitpunkt des Erlasses bestimmt sich nach der Bekanntgabe des Bescheides an den Adressaten (§§ 39, 37 SGB X), also bei schriftlich erlassenen Bescheiden im Regelfall nach dem Zeitpunkt ihres Zugangs (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 32). Schon das Datum des Bewilligungsbescheides läßt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen, geschweige denn dessen Zugang beim Kläger.
Soweit das LSG als Bescheiddatum den 22. Januar 1991 angegeben hat, handelt es sich vermutlich um das Datum der verwaltungsinternen Verfügung, die den Erlaß des Bescheides lediglich vorbereitet hat. Nach dem Akteninhalt, insbesondere nach den in der Leistungsakte vorgehefteten Zahlungsnachweisen, spricht einiges dafür, daß der Bescheid das Datum des 11. Februar 1991 trägt, wie dies auch das SG angenommen hat.
Trotz dieser fehlenden Angaben wäre § 45 SGB X vorliegend anzuwenden, wenn nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG davon auszugehen wäre, daß bereits die Bewilligungsverfügung vom 22. Januar 1991 rechtswidrig war. Auch dies läßt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen.
Im Tatbestand seines Urteils hat das LSG zwar das Ermittlungsergebnis der Beklagten aus dem Verwaltungsverfahren dargestellt, dabei jedoch nicht angegeben, von welchem Zeitpunkt an der Kläger sich in den Geschäftsräumen der Gesellschaft aufgehalten hat, um sich ua in die Computertechnik einzuarbeiten. Darüber hinaus handelt es sich lediglich um Wiedergabe der von der Beklagten getroffenen Feststellungen, nicht jedoch um notwendige eigenständige Feststellungen des LSG.
Auch aus den vom LSG in Bezug genommenen Unterlagen lassen sich keine eindeutigen Feststellungen entnehmen, und zwar unabhängig davon, ob eine derartige allgemeine Bezugnahme revisionsrechtlich eine Verwertung der entsprechenden Tatsachen erlaubt. Nach dem Protokoll über die Beweisaufnahme vor dem SG, auf das das LSG verwiesen hat, hat der Zeuge P. A. zwar erklärt, der Kläger habe sich in der Zeit von Januar bis August 1991 eingearbeitet. Nach dem Gesamtzusammenhang der getroffenen Feststellungen erscheint es jedoch fraglich, ob der Zeuge damit bewußt eine Aussage über den konkreten Beginn der „Tätigkeit” des Klägers machen wollte oder ob sich die Angabe „ab Januar” allein aus dem Bezug auf den strittigen Zeitraum ergab. Eine Klarstellung wäre insbesondere wegen der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG erforderlich gewesen, auf dessen Niederschrift sich das LSG ebenfalls bezogen hat. Danach hat der Kläger angegeben, daß er sich zu Anfang des Jahres an den Wochenenden zusammen mit H. M. und P. A. um die Renovierung und Ausstattung der zukünftigen Geschäftsräume gekümmert habe. Nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages seien Ende Februar 1991 ua zwei Computer angeschafft worden, an denen er und H. M. arbeiten sollten. Einen der Computer habe er bezahlt und als Sacheinlage in die GmbH eingebracht.
Danach spricht einiges dafür, daß der Sachverhalt, auf den sich ggf eine Rücknahme oder Aufhebung des Bewilligungsbescheides stützen könnte, nämlich der Aufenthalt in den Geschäftsräumen der neu gegründeten Gesellschaft ua zwecks Einarbeitung in die Computertechnik, frühestens Ende Februar 1991 und damit wahrscheinlich nach Erlaß des Bewilligungsbescheides eingetreten ist. Dies hätte zur Folge, daß der Bescheid nicht nach § 45 SGB X hätte zurückgenommen, sondern lediglich unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X hätte aufgehoben werden dürfen. Die bisherigen Feststellungen des LSG reichen auch nicht für eine Alternativ-Entscheidung des erkennenden Senats aus, weshalb das zweitinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG zunächst zu prüfen haben, ob die Alg-Bewilligungsentscheidung der Beklagten – ihre Rechtswidrigkeit unterstellt bereits von Anfang an rechtswidrig war oder – wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – nachträglich rechtswidrig geworden ist.
Sollte eine Rücknahme nach § 45 SGB X in Betracht kommen, wird das LSG ua zu beachten haben, daß fehlender Vertrauensschutz des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Variante 1 SGB X (Widerspruchsbescheid vom 23. April 1992) gestützt werden kann. Denn die im Zusammenhang mit dem Leistungsantrag des Klägers gemachten Angaben waren zum damaligen Zeitpunkt nicht unrichtig, weil der Kläger – auch nach Auffassung der Beklagten – frühestens im Januar 1991 eine „Tätigkeit” aufgenommen hat. Allenfalls wäre fehlender Vertrauensschutz zu erwägen, wenn die Bewilligung auf Angaben beruhte, die hinsichtlich der ggf bereits bei Antragstellung beabsichtigten Aufnahme der „Tätigkeit” grob fahrlässig unvollständig gemacht wurden (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Variante 2 SGB X), oder wenn der Kläger hinsichtlich der aufgenommenen „Tätigkeit” grob fahrlässig nicht gewußt hätte, daß ihm Alg nicht zustand (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X).
Ob insoweit der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit berechtigt ist, könnte im Hinblick auf die von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegten Merkblätter, die konkreten Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch im Hinblick auf die nicht einfach gelagerte materielle Rechtslage und schließlich auch unter Berücksichtigung der zur damaligen Zeit noch mangelnden Vertrautheit der Bürger in den neuen Bundesländern mit dem Recht der Arbeitslosenversicherung zweifelhaft sein. Jedenfalls dürften vom Kläger im Ergebnis keine größeren Rechtskenntnisse als vom Berufungsgericht gefordert werden, das immerhin eine durchgehende Rechtmäßigkeit der Bewilligung angenommen hat.
Schließlich könnte sich die Rücknahme als fehlerhafte Ermessensentscheidung der Beklagten erweisen. Die Rücknahme erfordert im Rahmen des § 45 SGB X stets eine Ermessensausübung (BSGE 70, 117, 120 f mwN = SozR 3-1300 § 45 Nr 11). Insoweit ist zu beachten, daß lediglich formelhafte Ausführungen zu dessen Begründung nicht genügen (vgl hierzu BSG SozR 1300 § 45 Nr 19 mwN). In diesem Zusammenhang wird das LSG ferner zu erwägen haben, ob die zum 1. Januar 1994 durch § 152 Abs 2 AFG in Kraft getretene Änderung auch auf vor dem 1. Januar 1994 abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden ist.
Sollte eine rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung nur über § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X in Betracht kommen, dürfte vorab zu prüfen sein, ob eine entsprechende Umdeutung (§ 43 SGB X) der ausdrücklich nach § 45 SGB X ergangenen Bescheide zulässig ist. Das erscheint nicht selbstverständlich. Denn der Ausspruch in den angefochtenen Bescheiden und in dem umgedeuteten Bescheid würde, was den Zeitpunkt der Rücknahme zum 1. Januar 1991 oder zu einem entsprechend späteren Zeitpunkt bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse betrifft, nicht übereinstimmen; der umgedeutete Bescheid wäre insoweit nicht auf das gleiche Ziel gerichtet bzw hätte nicht die gleiche materiell-rechtliche Tragweite.
Sollte § 48 SGB X gleichwohl zur Anwendung kommen, wäre insbesondere den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen Aufmerksamkeit zu widmen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X). Ob insoweit der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit berechtigt ist, könnte die gleichen Zweifel aufwerfen wie die Prüfung der genannten subjektiven Voraussetzungen in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X. Darüber hinaus wird das LSG zu beachten haben, daß bei einer rückwirkenden Aufhebung nach § 48 SGB X der Verwaltung zwar nicht regelmäßig, aber in sog atypischen Fällen ein Ermessen eingeräumt wird (vgl hierzu BSGE 74, 287, 293 mwN = SozR 3-1300 § 48 Nr 33; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 10; BSG SozR 3-4100 § 115 Nr 1 mwN). Bei der Prüfung eines atypischen Falles könnte es naheliegen, den Sachverhalt unter Beachtung der vom Senat in seiner Entscheidung vom 28. November 1986 (- 7 RAr 65/86 –, NZA 1987, 467 f) aufgezeigten Aspekte zu prüfen, zumal vorliegend evtl verstärkt hinzutreten könnte, daß der Kläger in einer schwierigen Umbruchsphase in den neuen Bundesländern offenbar eine sich bietende Chance ergriffen hat, durch Eigeninitiative seine Arbeitslosigkeit zu beenden. Sollte ein atypischer Fall anzunehmen sein, wird das LSG – ähnlich wie bei § 45 SGB X – zu prüfen haben, inwieweit die zum 1. Januar 1994 in Kraft getretene Gesetzesänderung in § 152 Abs 3 AFG zur Anwendung kommen könnte.
Nach allem war das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird bei seiner neuen Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen