Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.04.1955) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 20. April 1955 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger wurde als Soldat im zweiten Weltkrieg mehrmals verwundet. Durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA.) Münster vom 5. April 1946 wurde „Verlust des rechten Auges sowie Übersichtigkeit verbunden mit Stab- und Schwachsichtigkeit des linken Auges (3/50), Bewegungsunmöglichkeit der Zehen des linken Fußes infolge Granatsplitterverletzung” als Wehrdienstbeschädigung auf Grund des § 4 des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes (WFVG) anerkannt und dem Kläger ein Versehrtengeld nach der Stufe II bewilligt. Mit einem Schreiben vom 14. November 1947, das als „KB-Benachrichtigung” überschrieben ist, gewährte die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Westfalen auf Grund der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 dem Kläger unter Anerkennung der gleichen Gesundheitsstörungen ab 1. August 1947 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. Am 22. Dezember 1948 erteilte sie auf Grund einer Nachuntersuchung einen neuen Bescheid und gewährte für „Granatsplitter in beiden Füßen mit erheblichen Beschwerden links, mehreren Granatsplittern im Gesäß beiderseits, Verlust des rechten Auges, Beeinträchtigung der Sehleistung links” vom 1. Februar 1949 ab eine Rente nach einer MdE. um 60 v.H. Eine erneute Nachuntersuchung des Klägers veranlaßte die LVA. Westfalen, die Sehstörung auf dem linken Auge nicht mehr als eine infolge militärischen Dienstes entstandene Gesundheitsschädigung anzusehen, sondern als eine Gesundheitsschädigung, die bereits vor Eintritt der Wehrdienstbeschädigung bestanden und eine MdE. um 25 v.H. verursacht hatte. Sie hob daher mit Bescheid vom 23. November 1950 die Benachrichtigung vom 14. November 1947 und den Bescheid vom 22. Dezember 1948 gemäß § 26 der Sozial Versicherungsanordnung (SVA) Nr. 11 auf, erkannte als Gesundheitsschädigung nur noch „Granatsplitter in beiden Füßen mit erheblichen Beschwerden links, mehrere Granatsplitter im Gesäß beiderseits, Verlust des rechten Auges bei einer Sehleistung links von 1/4” an und bewilligte dem Kläger mit Wirkung vom 1. August 1947 an eine Rente nach einer MdE. um 70 v.H. Bei der Berechnung der Rente berücksichtigte sie unter Hinweis auf § 10 der SVA Nr. 33, daß bereits vor Eintritt der Wehrdienstbeschädigung des Klägers eine MdE. um 25 v.H. bestanden hatte, und ging von einem entsprechend verminderten Jahresarbeitsverdienst von DM 1.350,– aus. Bei der in demselben Bescheid vom 23. November 1950 erfolgten Abrechnung der für die Zeit vom 1. August 1947 bis zum 30. November 1950 gezahlten und zu zahlenden Rente ergab sich eine Überzahlung von DM 144,80, die durch Einbehaltung monatlicher Raten von DM 10,– von der laufenden Rente des Klägers ausgeglichen werden sollte.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den der Beschwerdeausschuß 5 der LVA. in Münster in seiner Entscheidung vom 10. April 1951 als unbegründet zurückwies. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Bevor aber darüber entschieden wurde, stellte inzwischen das VersorgA. Münster die Rente des Klägers im Umanerkennungsbescheid vom 22. September 1952 nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) fest, erkannte als Schädigungsfolgen wiederum „Granatsplitter in beiden Füßen mit erheblichen Beschwerden links, mehrere Granatsplitter im Gesäß beiderseits, Verlust des rechten Auges bei einer Sehleistung links von 1/4” an und gewährte dem Kläger uneingeschränkt eine Rente nach einer MdE. um 70 v.H.
Über die vom Kläger gegen den Bescheid vom 23. November 1950 eingelegte Berufung, welche nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gemäß § 215 Abs. 4 dieses Gesetzes als Klage auf das zuständige Sozialgericht (SG.) Münster übergegangen war, entschied dieses mit Urteil vom 30. Juni 1954. Es hob die Einspruchsentscheidung vom 10. April 1951 und den Bescheid vom 23. November 1950 insoweit auf, als er eine MdE. des Klägers um 25 v.H. vor Eintritt der Wehrdienstbeschädigung feststellt und einen Jahresarbeitsverdienst von DM 1.350,– zugrunde legt. Nach der Begründung des Urteils konnte der angefochtene Bescheid vom 23. November 1950 nicht mehr auf § 26 SVA Nr. 11 und § 10 SVA Nr. 33 gestützt werden, weil diese Vorschriften durch § 84 BVG mit dem 1. Oktober 1950 außer Kraft getreten waren. Das SG. hob daher den angefochtenen Bescheid auf, soweit der Kläger dessen Aufhebung beantragt hatte.
Die vom Beklagten gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 20. April 1955 als unzulässig verworfen. Wie das LSG. in der Urteilsbegründung ausführt, handelte es sich in dem vom SG. entschiedenen Streit lediglich um den Versorgungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 1. August 1947 bis 30. September 1950, und zwar auch nur um die Höhe des Anspruchs für diese Zeit, weil der Kläger den Bescheid vom 23. November 1950 nur wegen Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes von DM 1.350,– angefochten hatte. Die Berufung sei daher nach § 148 Nr. 2 SGG nicht zulässig. Sie sei auch nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig; das SG. habe sie nicht zugelassen, und dessen Entscheidung sei insoweit nicht nachprüfbar. Insoweit liege auch ein Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG nicht vor. Schließlich sei die Berufung auch nicht nach § 150 Nr. 3 SGG zulässig, weil zwischen den Beteiligten die Frage der Vorbeschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers streitig war und nicht der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der strittigen Frage, ob die Nichtzulassung der Berufung gegen ein Urteil des SG. durch das Berufungsgericht nachprüfbar ist, ließ das LSG. die Revision zu.
Gegen das am 20. Mai 1955 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Juni 1955 eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG.) am 15. Juni 1955, Revision eingelegt und sie, nachdem die Frist zur Begründung der Revision bis zum 20. August 1955 verlängert worden war, mit Schriftsatz vom 18. Juli 1955, eingegangen beim BSG. am 20. Juli 1955, begründet. Er hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. April 1955 die Klage insoweit abzuweisen 9 als für die Beschädigung des linken Auges eine Minderung der Erwerbsfähigkeit als Wehrdienstbeschädigung beansprucht wird.
Er ist der Auffassung, daß das LSG. die Berufung zu Unrecht verworfen habe und auf seinen Antrag in der Sache hätte entscheiden müssen. Der vom Kläger angefochtene Bescheid vom 23. November 1950 habe nämlich nicht nur die Versorgungsansprüche des Klägers geregelt, sondern auch einen Rückforderungsanspruch des Beklagten über DM 144,80 festgestellt. Die hierüber ergangene Entscheidung des SG. habe also nicht ausschließlich Versorgungsansprüche im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG betroffen. Außerdem habe das Urteil des SG. seinem Inhalt nach auch über den 30. September 1950 hinaus Rechtswirkungen für die Versorgung des Klägers ausüben sollen, so daß es auch aus diesem Grunde nicht nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG betraf.
Auf jeden Fall hätte das SG. die Berufung zulassen müssen, weil es über eine in der Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage entschieden habe, nämlich über die Rechtswirksamkeit und die Dauer der Rechtswirksamkeit der Ziffer 26 SVA Nr. 11. Das LSG. hätte die Nichtzulassung der Berufung durch das SG. nachprüfen und die Berufung gemäß § 150 Nr. 1 SGG für zulässig ansehen müssen. Die Nachprüfbarkeit der Entscheidung über die Zulassung der Berufung im Rechtsmittelverfahren ergebe sich u. a. aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Die Mißachtung des Anspruchs auf Zulassung der Berufung gemäß § 150 Nr. 1 SGG stelle eine Verletzung der Partei „in ihren Rechten” dar. Seine in der Revisionsschrift vorgebrachte Rüge, daß die Nichtzulassung der Berufung ein wesentlicher Mangel des Verfahrens sei, halte er im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG. nicht mehr aufrecht. Die Zulässigkeit der Berufung ergebe sich aber auch aus § 150 Nr. 3 SGG; denn der Streit sei nicht nur um die Berechnung der Versorgungsbezüge des Klägers für die Zeit vom 1. August 1947 bis 30. September 1950 gegangen, sondern in erster Linie darum, ob und wieweit die beim Kläger bestehende Beeinträchtigung der Sehleistung links ebenfalls ursächlich auf einen schädigenden Vorgang im versorgungsrechtlichen Sinne zurückzuführen ist. Zur Begründung seines Sachantrags führt der Beklagte aus, daß Ziff. 26 SVA Nr. 11 als verfahrensrechtliche Vorschrift bei Erlaß des Bescheides vom 23. November 1950 noch gegolten habe und daher dieser Bescheid als Zuungunstenbescheid auf Grund der Ziff. 26 SVA Nr. 11 erlassen werden konnte, wie er auch heute gemäß § 41 des Gesetzes über das Verfahren in der Kriegsopferversorgung (Vfg – KOV) erlassen werden könnte.
Der Kläger hat sich zur Revision nicht geäußert.
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft, weil das LSG. sie zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Der erkennende Senat geht davon aus, daß das LSG. die Revision ohne Einschränkung zugelassen hat und mit den Worten „Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier strittigen Rechtsfrage, ob die Nichtzulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts durch das Berufungsgericht nachprüfbar ist, wird die Revision gemäß § 162 Ziff. 1 SGG zugelassen” nur eine Begründung für die Zulassung gegeben, nicht aber die Zulassung auf die erwähnte Rechtsfrage beschränkt hat. Selbst wenn aber das LSG. die Revision nur hinsichtlich der erwähnten Rechtsfrage zulassen wollte, so wäre diese Beschränkung unbeachtlich; denn die Zulassung kann, wie der 1. Senat des BSG. im Urteil vom 3. Juli 1956 – 1 RA 87/55 – entschieden hat, wohl auf einzelne Rechtsansprüche, nicht aber auf einzelne Rechtsfragen wirksam beschränkt werden.
Die somit zulässige Revision ist aber nicht begründet. Mit Recht hat das LSG. die Berufung als unzulässig verworfen, weil das SG. Münster in seinem Urteil vom 30. Juni 1954 nur über Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume (§ 148 Nr. 2 SGG), nämlich über die Höhe der Rente des Klägers für die Zeit vom 1. August 1947 bis zum 30. September 1950, entschieden hatte. Soweit das Urteil des LSG. von dieser Feststellung ausgeht, ist es von der Revision nicht angegriffen. Wenn die Revision weiterhin ausführt, daß das SG. außerdem über einen besonderen Rückforderungsanspruch entschieden habe und daß dadurch ein Berufungsausschließungsgrund entfalle, so kann ihr darin nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, daß nach der Entscheidung des SG. der Bescheid vom 23. November 1950 auch insoweit aufgehoben worden ist, als er die Feststellung der Überzahlung von DM 144,80 und die Einbehaltung von Rententeilen der ab 1. Dezember 1950 laufenden Rente betraf. Die Feststellung der Überzahlung und der Rückzahlungspflicht im Bescheid vom 23. November 1950 war jedoch nur die notwendige Folge davon, daß die früheren Bescheide aufgehoben und daß rückwirkend für die Zeit vom 1. August 1947 bis 50. November 1950 nur noch eine niedrigere Rente gewährt wurde. Jene Feststellung der Überzahlung war davon abhängig, daß die in demselben Bescheid mit rückwirkender Kraft vorgenommene Minderung der Rente rechtskräftig wurde. Das war aber nach der Entscheidung des SG., das gerade die im Bescheid vom 23. November 1950 vorgenommene Rentenminderung aufhob, nicht der Fall, so daß der Rückforderungsanspruch von selbst gegenstandslos wurde. Aus diesem Grunde bedurfte es in dem Urteil des SG. Münster keines ausdrücklichen Ausspruchs, daß der angefochtene Bescheid vom 23. November 1950 auch hinsichtlich der Überzahlung und Einbehaltung aufgehoben wird. Es handelte sich demnach bei dem Urteil des SG. vom 30. Juni 1954 nicht um ein Urteil, das einen Rückforderungsanspruch betraf und mit der Berufung anfechtbar gewesen wäre, sondern um ein Urteil, das im Sinne des § 148 Nr. 2 SGG. lediglich über die Höhe von Rentenansprüchen für rückliegende Zeiträume entschied. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der durch Urteil des 80 Senats vom 30. August 1956 – 8 RV 403/54 – (SozR. SGG § 148 Bl. Da 3 Nr. 7) entschieden wurde. Dort betraf das Urteil des SG. nicht einen Versorgungsanspruch, sondern unabhängig von einem solchen nur einen Rückforderungsanspruch. In den Fällen dagegen, in denen einem Rückforderungsanspruch schon allein dadurch die rechtliche Grundlage entzogen wird, daß der für bereits abgelaufene Zeiträume streitige Versorgungsanspruch wieder zuerkannt wird, betrifft die Entscheidung lediglich den Versorgungsanspruch. Daher ist die Berufung gegen ein solches Urteil des SG. im ganzen gem. § 148 Nr. 2 SGG unzulässig. Andernfalls würde die Zulässigkeit der Berufung von dem zufälligen Umstand abhängen, ob die Leistung, um die der Streit der Sache nach geht, bereits erbracht ist oder noch aussteht. Der Sache nach ging es im vorliegenden Fall aber um den Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente für die Zeit vom 1. August 1947 bis 30. September 1950. Ob der Berufungsausschließungsgrund nach § 148 Nr. 2 SGG etwa dann nicht durchgriffe, wenn das SG. den Versorgungsanspruch nicht anerkannt und die Klage des Klägers abgewiesen hätte, – in solchem Fall könnte zweifelhaft sein, ob mit der Aberkennung des Versorgungsanspruchs zugleich auch über das Bestehen des Rückforderungsanspruchs gesondert entschieden ist – kann hier unentschieden bleiben.
Im vorliegenden Fall war die Berufung jedenfalls unzulässig. An diesem Ergebnis kann auch der Hinweis des Beklagten nichts ändern, daß das Urteil noch über den 30. September 1950 hinaus Rechtswirkung für die Versorgung des Klägers haben sollte, nämlich hinsichtlich des vordienstlichen Schadens am linken Auge. Der Beklagte geht hierbei von falschen Voraussetzungen aus. Es war zwar bei Erlaß des Bescheides vom 23. November 1950 das Ende der Wirkung dieses Bescheides nicht abzusehen. Das Urteil des SG. dagegen entschied nur über die Versorgungsansprüche des Klägers für die Zeit bis zum 30. September 1950. Das SG. wollte mangels eines entsprechenden Antrags des Klägers – dessen Klagebegehren für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an inzwischen in Umanerkennungsbescheid vom 22. September 1952 entsprochen worden war – weder über Versorgungsansprüche des Klägers für die Zeit nach dem 30. September 1950 entscheiden, noch hat es tatsächlich, wie die Urteilsbegründung erkennen läßt, über solche Ansprüche entschieden. Für die Zulässigkeit der Berufung gemäß § 148 SGG kommt es aber allein auf den Inhalt des Urteils des SG. an (SozR. SGG § 148 Bl. Da 2 Nr. 6; Bl. Da 3 Nr. 8; BSG. 1 S. 225).
Die Berufung gegen das Urteil des SG. Münster vom 30. Juni 1954 wird auch nicht ausnahmsweise durch eine der Vorschriften des § 150 SGG zulässig. Wie das BSG. in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist die Entscheidung des Vordergerichts über die Zulassung der Berufung (§ 150 Nr. 1 SGG) oder der Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), – und zwar unabhängig von der Richtigkeit der Entscheidung – der Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts grundsätzlich entzogen und kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wesentlichen Mangels des Verfahrens (§§ 150 Nr. 2, 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG) nachgeprüft werden (BSG. 2 S. 45, S. 81; SozR. SGG § 150 Bl. Da 2 Nr. 8, Bl. Da 4 Nr. 12; SozR. SGG § 162 Bl. Da 1 Nr. 1, Bl. Da 3 Nr. 18 und Nr. 19, Bl. Da 14 Nr. 55; Beschl. 10. Senat vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 –; Urteil 10. Senat vom 15. Mai 1956 – 10 RV 640/55; Urteil 10. Senat vom 15. Mai 1956 – 10 RV 730/55 –). Der erkennende Senat hat auf Grund der Ausführungen der Revision keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der Beklagte irrt, wenn er ausführt, daß bei einer derartigen Auslegung des § 150 Nr. 1 SGG der Art. 19 Abs. 4 des GG verletzt sei, weil dann dem Kläger der Rechtsweg gegen die Verletzung seines Anspruchs auf Zulassung der Berufung gemäß § 150 Nr. 1 SGG versperrt sei. Der Art. 19 Abs. 4 GG, der dem Staatsbürger den Rechtsweg gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt gewährleistet, d. h. durch die Rechtsprechung den Staatsbürger gegen Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt schützen will, schließt damit im Hinblick auf die Gewaltenteilung (Art. 20 GG) aus, daß dieses Grundrecht den Staatsbürger durch die Rechtsprechung gegen die Rechtsprechung schützt. Der Art. 19 Abs. 4 eröffnet daher nicht einen besonderen Rechtsweg gegen gerichtliche Entscheidungen und räumt auch nicht gegen gerichtliche Entscheidungen zusätzlich eine weitere gerichtliche Instanz ein. Er eröffnet nur schlechthin den Rechtsweg gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt in Fällen, in denen dem Staatsbürger ohne diese Vorschrift der Weg zu den Gerichten überhaupt versperrt wäre (BVerfGE. 4 S. 74 [94]; Bonner Komm. Art. 19 Anm. II 4 e Alfa). Das LSG. verletzte daher den Beklagten nicht in seinen durch Art, 19 Abs. 4 GG geschützten Rechten dadurch, daß es die Entscheidung des SG. über die Zulassung der Berufung nicht nachprüfte und die Berufung auch nicht zuließ.
Schließlich war die Berufung auch nicht, wie der Beklagte meint, nach § 150 Nr. 3 SGG zulässig. Das SG. hat nicht darüber entschieden, ob die beim Kläger bestehende Minderung der Sehleistung links ebenfalls im ursächlichen Zusammenhang mit einer Schädigung im Sinne des BVG steht. Dazu hatte das SG. keinen Anlaß. Der Kläger hatte mit der Klage,– jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem SG. – nicht etwa die Anerkennung der Schädigung des linken Auges als Wehrdienstbeschädigung begehrt, sondern lediglich verlangte daß die Sehstörung links bei der Berechnung der Rente außer Betracht bleibe, weil sie seine Erwerbsfähigkeit vor Eintritt der Wehrdienstbeschädigung nicht gemindert habe. Das ergibt sich aus dem Antrag des Klägers in der Sitzung des SG. Münster vom 30. Juni 1954. Das SG. hat diesem Antrag entsprechend, entschieden. Daß der Kläger die Sehstörung links nicht mehr als Versorgungsleiden anerkannt haben wollte, bestätigt auch sein Verhalten gegenüber dem Umanerkennungsbescheid vom 22. September 1952, den er, wie das SG. in den Urteilsgründen ausführt, nicht angegriffen hat. Obwohl dieser Bescheid nur dieselben Gesundheitsstörungen anerkennt wie der Bescheid vom 23. November 1950, also die Sehstörung links auch nicht als Wehrdienstbeschädigung erwähnt, begehrte der Kläger dessen Aufhebung nicht. Sein Verhalten war folgerichtig, da er nur die Bewertung der Sehstörung links als eine vor Eintritt der anerkannten Gesundheitsstörung bestehende MdE. beseitigt haben wollte. In diesem Zusammenhang ist es unbeachtlich, daß der Umanerkennungsbescheid vom 22. September 1952 aus anderen als den vom SG. und LSG. angenommenen Gründen nicht Gegenstand des Verfahrens geworden war, nämlich deswegen nicht, weil der § 1608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beim Übergang der Berufung des Klägers als Klage auf das SG. (§ 215 Abs. 4 SGG) nicht mehr galt (§ 224 Abs. 3 SGG) und weil gemäß § 96 SGG nur solche neuen Bescheide in das schwebende Verfahren einbezogen werden, die nach dem Inkrafttreten des SGG ergangen sind (SozR. SGG § 96 Bl. Da 1 Nr. 1; Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit § 96 Anm. 3).
Da die Berufung des Beklagten somit auch nicht nach den Vorschriften des § 150 SGG zulässig war, hat sie das LSG. mit Recht in dem angefochtenen Urteil verworfen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision mußte daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 926571 |
NJW 1957, 1088 |