Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht eines Rechtsanwalts
Orientierungssatz
1. Die Eigenart der Anwaltstätigkeit als einer Dienstleistung höherer Art mit einer aus dem Status eines Organs der Rechtspflege fließenden und von der Form der Ausübung nicht berührten sachlichen Weisungsfreiheit einerseits und einem weitgehend durch Sachzwänge (Gerichtstermine, mit dem Mandanten abzusprechende Beratungstermine, Umfang der Praxis) bestimmten zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf andererseits bringt es mit sich, daß sich das Abgrenzungsmerkmal der äußeren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes so reduzieren kann, daß es eine sichere Unterscheidung zwischen abhängiger und selbständiger Ausübung nicht mehr erlaubt.
2. Falls die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen gleichermaßen die Deutung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wie auch als selbständiges freies Mitarbeiterverhältnis zuläßt, wird darauf abzustellen sein, was die Vertragsschließenden gewollt haben (vgl BSG 1978-10-24 12 RK 58/76 = SozR 2200 § 1227 Nr 19).
Normenkette
AVG § 2 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs 1 S 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; AFG § 168 Abs 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger als Rechtsanwalt bei dem Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 1973 bis 31. März 1974 versicherungspflichtig beschäftigt war und der Beigeladene zu 1) hierwegen als Arbeitgeber verpflichtet ist, für den nicht verjährten Zeitraum vom 1. Dezember 1973 bis 31. März 1974 Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit zu entrichten.
Der Beigeladene zu 1) betreibt eine Anwaltskanzlei in W. Am 2. Oktober 1972 schloß er mit dem Kläger einen Mitarbeitervertrag folgenden Inhalts:
§ 1 Beginn der Mitarbeit und Tätigkeit
Herr Assessor B verpflichtet sich zu freier
wissenschaftlicher Mitarbeit bei Herrn Rechtsanwalt
W V. Seine Tätigkeit ist nicht weisungsgebunden.
Herr Assessor B hat die freie Wahl des Arbeitsortes
und der Arbeitszeit.
§ 2 Dauer
Dieser Mitarbeitervertrag beginnt am 1972-10-01. Er
kann mit einer Frist von 3 Monaten jeweils zum Ende
eines Kalenderhalbjahres gekündigt werden.
§ 3 Vergütung
Um unrationelle und schwierige Bewertungen der einzelnen
Aufträge zu vermeiden, wird eine monatliche
Entgeltpauschale von 2.800,-- DM (iW zweitausendachthundert
Deutsche Mark) vereinbart.
§ 4
Herr Rechtsanwalt W V stellt Herrn Assessor B die Aufnahme
in eine Anwaltssozietät in Aussicht.
Zu der in Aussicht gestellten Anwaltssozietät kam es nicht. Ab 1. Januar 1973 führten jedoch - nachdem der Kläger als Rechtsanwalt zugelassen worden war - beide nach außen eine gemeinsame Kanzlei. Der Kläger konnte selbständig Mandate für die Kanzlei annehmen und abwickeln. Die Prozesse führte er eigenverantwortlich, unterzeichnete also auch Schriftsätze selbst. Das Mitarbeiterverhältnis beendeten beide durch die handschriftliche Vereinbarung vom 16. März 1974, aufgrund deren der Beigeladene zu 1) dem Kläger einen Betrag von 5.000,-- DM zahlte. Um dessen Rückforderung und um Gebühreneinnahmen aus vom Kläger eingebrachten Mandaten führten beide einen Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG) F. Zur Abgeltung aller gegenseitigen Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, schlossen sie am 16. Dezember 1976 einen gerichtlichen Vergleich, durch den sich der Kläger verpflichtete, an den Beigeladenen zu 1) einen Betrag von 2.500,-- DM zu zahlen.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1976 machte der Kläger bei der Beklagten geltend, daß er beim Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte richtete zunächst, um die Verjährung zu unterbrechen, ein Mahnschreiben an den Beigeladenen zu 1) und stellte mit Bescheid vom 24. Februar 1977 die Versicherungspflicht des Klägers in der Angestellten- und in der Arbeitslosenversicherung in der Zeit vom 1. Oktober 1972 bis zum 31. Dezember 1972 fest, ohne wegen der bereits eingetretenen Verjährung Beiträge zu erheben. Für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 31. März 1974 verneinte sie ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers. Mit der Einrichtung der Außensozietät und infolge der Zulassung des Klägers als Rechtsanwalt sei am 1. Januar 1973 eine Zäsur eingetreten. Weisungs- und Kontrollbefugnis des Beigeladenen zu 1) sowie die Eingliederung und Unterordnung des Klägers seien von diesem Zeitpunkt an entfallen. Widerspruch des Klägers und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 1977; Urteil des Sozialgerichts -SG- Speyer vom 4. Juli 1978). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert und die Beklagte verurteilt, bei dem Beigeladenen zu 1) die Beiträge zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. Dezember 1973 bis 31. März 1974 einzuziehen. Außerdem hat es die Versicherungspflicht des Klägers in der Angestellten- und Arbeitslosenversicherung auch während der Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. November 1973 festgestellt (Urteil vom 5. April 1979). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Der Kläger habe während seiner Tätigkeit in der Kanzlei des Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Er sei in die dem Beigeladenen zu 1) allein gehörende Anwaltspraxis als übergeordnete und seinen Einsatz steuernde Organisation eingebunden gewesen. Ihr habe er seine gesamte oder jedenfalls den überwiegenden Teil seiner Arbeitskraft gewidmet und sei vom Beigeladenen zu 1) dafür bezahlt worden. Lediglich nach außen hin hätten der Beigeladene zu 1) und der Kläger nach ihrem eigenen Vorbringen eine Sozietät geführt. Die Mandate seien nur formell an diese Außensozietät gegangen. Die Berechtigung zur Abrechnung selbst eingebrachter Mandate könne wegen der geringen Zahl der Fälle außer Betracht bleiben. Für die Annahme einer Zäsur zum 1. Januar 1973 fehle jede Grundlage. Durch die Einrichtung der Außensozietät habe sich im Innenverhältnis nichts geändert, weder in der Art der Vergütung noch hinsichtlich des Mitarbeitervertrages. Ob der wirkliche Wille der beiden Vertragspartner auf eine selbständige Tätigkeit des Klägers gerichtet gewesen sei, erscheine trotz der Formulierungen des Mitarbeitervertrages nicht nur wegen des vom Beigeladenen zu 1) ausgesprochenen Motivs, die Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, sondern auch wegen der geplanten - echten - Sozietät sehr fraglich. Die erkennbar vereinbarte Probezeit erlaube schon wegen ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich keine selbständige Tätigkeit. Andernfalls hätte man nicht einen Mitarbeitervertrag mit Inaussichtstellung einer Sozietät, sondern sofort einen Vertrag über die Sozietät abgeschlossen. Vor allem aber stehe die tatsächliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit einem auf selbständige Tätigkeit des Klägers gerichteten Willen entgegen. Sie sei typisch für die Eingliederung eines zugelassenen Rechtsanwalts in die Kanzlei eines anderen Rechtsanwalts. Die das Berufsbild des zugelassenen Rechtsanwalts prägenden Umstände (Rechtsstellung nach der Bundesrechtsanwaltsordnung; völlige Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit bei der Ausübung des Berufs zumindest im Kern; Annahme von Mandanten für die Kanzlei und damit verbundene gesamtschuldnerische Haftung zweier in einer Außensozietät verbundenen Rechtsanwälte; eigenverantwortliche Führung von Prozessen mit voller Unterschriftsberechtigung) stünden jedenfalls der Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht von vornherein entgegen. Art und Weise der Einflußnahme des Kanzleiinhabers ließen vorliegend die feste Eingliederung in den Anwaltsbetrieb erkennen. Der Beigeladene zu 1) habe dem Kläger grundsätzlich die zu bearbeitenden Sachen übertragen; zumindest habe er die Aufgabenbereiche festgelegt. Hinzu komme, daß der Kläger entgegen dem Wortlaut des Vertrages seinen Tätigkeitsort ebensowenig habe frei bestimmen können, wie es ihm frei gestellt gewesen sei, über seine Arbeitszeit nach Belieben zu verfügen. Das unternehmerische Risiko habe der Beigeladene zu 1) allein getragen. Anhaltspunkte dafür, daß die monatliche Entgeltpauschale eine pauschale Gewinnbeteiligung mit Abdeckung des Geschäftsrisikos gewesen sei, seien nicht ersichtlich. Der steuerlichen Behandlung der Vergütung als Einkommen komme keine Bedeutung zu. Die mit der Einrichtung einer Außensozietät zusammenhängenden Äußerlichkeiten eines gemeinsamen Briefkopfes und Namensschildes wie auch der etwaige Abschluß getrennter Haftpflichtversicherungen könnten zu keiner anderen Beurteilung führen.
Mit der vom Senat durch Beschluß vom 19. Dezember 1979 zugelassenen Revision rügt der Beigeladene zu 1) eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe die Widersprüchlichkeit des klägerischen Sachvortrags verkannt und sei einem wesentlichen Beweisantrag (Vernehmung der Zeugin S) nicht nachgegangen. Es habe das Vorhandensein der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genannten Abgrenzungsmerkmale zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit im vorliegenden Rechtsstreit nicht überprüft.
Der Beigeladene zu 1) beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung
des Klägers gegen das Urteil des SG
zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und den
Rechtsstreit an einen anderen Senat des LSG
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt ebenfalls,
das Urteil des LSG aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Einer Vernehmung der Zeugin S habe es nicht bedurft. Daß er selbst unterschriftsberechtigt gewesen sei, Schriftsätze selbst verfaßt habe, über Annahme oder Ablehnung eines Mandats selbständig habe entscheiden können und die Mandate selbst in ausschließlicher eigenständiger Verantwortung geführt habe, sei unbestritten. Es sei vielmehr um die Rechtsfrage gegangen, ob diese Merkmale zwingend zur Folge hätten, daß er die Stellung eines echten Sozius gehabt habe.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) haben keine Anträge gestellt.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG. Die vom Beigeladenen zu 1) beantragte Zurückverweisung an einen anderen Senat des LSG erscheint dem erkennenden Senat allerdings nicht angezeigt. Ob dies überhaupt zulässig wäre (vgl hierzu Meyer-Ladewig SGG § 170 Anm 8), kann hierbei offenbleiben.
Die streitige Frage, ob der Kläger als Rechtsanwalt für den Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als selbständiger freier Mitarbeiter tätig war, muß nach dem Gesamtbild dieses beruflichen Einsatzes beantwortet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung voraus, daß sie in persönlicher Abhängigkeit vom Dienstherrn geleistet wird. Eine persönliche Abhängigkeit ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn er einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Dienstherrn unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" verfeinert sein. Andererseits kennzeichnen eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit. Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Tätigkeitsmerkmale überwiegen. Hierbei ist auch die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses zu beachten. Weicht diese jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, haben letztere ausschlaggebende Bedeutung (vgl zum ganzen BSGE 45, 199; BSG SozR 2200 § 166 Nr 5; SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 19 mwN).
Von diesen vom BSG zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses entwickelten Grundsätzen ist das LSG ausgegangen. Es hat jedoch auf einen Sachverhalt abgestellt, den es nicht verfahrensfehlerfrei und nicht im Rahmen des Möglichen erschöpfend festgestellt hat. Der Beigeladene zu 1) rügt mit der Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die von ihm zum Beweis entscheidungserheblicher Umstände als Zeugin benannte Kanzleiangestellte S nicht vernommen hat. Diese Zeugin ist in dem Schriftsatz des Beigeladenen zu 1) vom 19. Oktober 1978 zum Beweis dafür benannt worden, daß der Kläger vollkommen frei über Annahme oder Ablehnung eines Mandats und über die Ausgestaltung des Mandats habe verfügen können und hierbei sowie auch für Arbeitszeit und Arbeitsplatzwahl Weisungen des Beigeladenen zu 1) nicht unterworfen gewesen sei. Das LSG ist dem Beweisantrag nicht nachgekommen und hat sich im Urteil auch nicht mit ihm befaßt. Es ist vielmehr, offensichtlich auf der Grundlage des von ihm aus den "verschiedenen Darstellungen der Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit" entnommenen (vgl S 10 Abs 2 des LSG-Urteils) und unter Orientierung an dem - möglicherweise ganz anders gelagerten - nachfolgenden Verhältnis des Klägers zu dem Rechtsanwalt R, zu der Feststellung gelangt, daß Art und Weise der Einflußnahme des Kanzleiinhabers im vorliegenden Fall die feste Eingliederung des Klägers in den Anwaltsbetrieb des Beigeladenen zu 1) erkennen lasse und daß der Kläger über Zeit und Ort seiner Tätigkeit nicht frei habe verfügen können. Diese Verfahrensweise ist durch § 103 SGG nicht gedeckt. Da es bei der schwierigen Abgrenzung von abhängig Beschäftigten und selbständig Tätigen in Fällen wie dem vorliegenden in besonderem Maße auf die Einzelheiten der Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen und die Handhabung der Zusammenarbeit ankommt, mußten alle verfügbaren Beweismittel ausgeschöpft werden.
Da somit die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Tatsachenfeststellung keinen Bestand haben kann, fehlt eine hinreichende Grundlage für eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts. Schon deshalb ist die Zurückverweisung geboten, um dem LSG Gelegenheit zu geben, die Vernehmung der Zeugin S nachzuholen.
Für die rechtliche Beurteilung ist bedeutsam, daß ein zugelassener Rechtsanwalt (und auch ein Anwaltsassessor) in der Kanzlei eines anderen Rechtsanwalts sowohl als abhängig Beschäftigter wie auch als freier Mitarbeiter tätig sein kann. Der sich aus dem Anwaltsrecht ergebende berufliche Status, der mit der Zulassung zum Rechtsanwalt verliehen wird, läßt beide Arten der Erwerbstätigkeit zu. Daß ein zugelassener Rechtsanwalt in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu einem anderen Rechtsanwalt stehen kann, hat das BSG bereits entschieden (Urteil vom 7. Oktober 1969 - 3 RK 67/66 - Die Beiträge 1970, 251).
Die Eigenart der Anwaltstätigkeit als einer Dienstleistung höherer Art mit einer aus dem Status eines Organs der Rechtspflege fließenden und von der Form der Ausübung nicht berührten sachlichen Weisungsfreiheit einerseits und einem weitgehend durch Sachzwänge (Gerichtstermine, mit dem Mandanten abzusprechende Beratungstermine, Umfang der Praxis) bestimmten zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf einerseits bringt es mit sich, daß sich das Abgrenzungsmerkmal der äußeren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes so reduzieren kann, daß es eine sichere Unterscheidung zwischen abhängiger und selbständiger Ausübung nicht mehr erlaubt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil auch im Rahmen freier Mitarbeiterverhältnisse bei einvernehmlicher Arbeitsgestaltung derartige Zwänge nicht gänzlich ausgeschlossen sind. Um den Arbeitseinsatz als eine abhängige Beschäftigung zu charakterisieren, müßte deshalb die Weisungsgebundenheit eines Rechtsanwalts hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer der Beschäftigung im Einzelfall deutlich über das sich aus den genannten Sachzwängen ergebende Maß hinausgehen. Was die Eingliederung in die Kanzlei als die betriebliche Organisation anbetrifft, gilt auch hier, daß diese wegen der Eigenart der Berufsausübung eines Rechtsanwalts sowohl bei abhängiger Beschäftigung als auch bei freier Mitarbeit in erster Linie durch die Sachgegebenheiten bedingt wird. Auch der freie Mitarbeiter muß sich der sachlichen und personellen Ausstattung der Kanzlei bedienen. Dagegen können aus der Art der Vergütung deutlichere Rückschlüsse auf die rechtliche Natur des Arbeitseinsatzes gezogen werden, je nachdem ob sie mit einem - gegebenenfalls pauschalierten - Verlustrisiko belastet ist und deshalb einer Gewinnbeteiligung gleichkommt oder ob sie lediglich als Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (bzw Arbeitsbereitschaft) anzusehen ist. Das LSG hat sich insoweit auf eine Abwägung zwischen den divergierenden Angaben der Vertragspartner beschränkt, ohne sachliche Feststellungen getroffen zu haben. Auch diese wird es nachzuholen haben, gegebenenfalls durch Anfrage bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer, wie im dortigen Bereich in vergleichbaren Fällen verfahren wurde.
Falls, was nicht ausgeschlossen erscheint, die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen des Klägers zum Beigeladenen zu 1) etwa gleichermaßen die Deutung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wie auch als selbständiges freies Mitarbeiterverhältnis zuläßt, wird nach Maßgabe der Rechtsprechung des erkennenden Senats darauf abzustellen sein, was die Vertragsschließenden gewollt haben (vgl Urteil vom 24. Oktober 1978 - 12 RK 58/76 = SozR 2200 §1227 Nr 19). Dabei kann eine - vom Beigeladenen zu 1) behauptete - etwaige Absicht des Klägers, die Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, nicht als Verstoß gegen zwingende sozialversicherungsrechtliche Vorschriften gewertet werden. Das Bestreben, bei zwei möglichen Ausübungsformen einer Berufstätigkeit die sozialversicherungsfreie zu wählen, ist durchaus legitim und kann bei Personen, die nach der voraussichtlichen beruflichen Stellung schon in naher Zukunft ohnehin zum Kreis der versicherungsfreien Freiberufler gehören werden und die Mitarbeit in einer fremden Kanzlei nur als Übergangsstadium betrachten, sogar nahe liegen. Daß eine solche übergangsweise Tätigkeit, wenn sie zu einer Aufnahme als Sozius in die Kanzlei des Vertragspartners führen soll und deshalb zunächst als Probezeit gedacht ist, nur in abhängiger Beschäftigung und nicht als selbständige Tätigkeit iS eines freien Mitarbeiterverhältnisses ausgeübt werden kann, läßt sich nicht, wie das LSG meint, aus der Zweckbestimmung folgern. Im Hinblick auf das endgültige Berufsziel eines selbständigen Rechtsanwalts in eigener Kanzlei deutet an sich die übergangsweise Teilhabe eines Volljuristen - sei es als Assessor oder nach Zulassung als Rechtsanwalt - am Arbeitsprozeß einer Rechtsanwaltskanzlei mehr darauf, daß ein zu diesem Zweck geschlossener und ausdrücklich so bezeichneter freier Mitarbeitervertrag auch wirklich als solcher gewollt ist. Als Indiz für den Willen der Vertragsschließenden muß auch die steuerliche Behandlung der Mitarbeitervergütung beachtet werden.
Aus der Tatsache, daß auch der Kläger die Vergütung nicht als lohnsteuerpflichtig angesehen hat, kann geschlossen werden, daß er sich nicht als abhängig Beschäftigter betrachtet hat. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß weder der Kläger noch der Beigeladene zu 1) in der gerichtlichen Auseinandersetzung nach Beendigung des Vertragsverhältnisses als Grundlage des Streitgegenstandes einen Arbeitsvertrag angenommen haben. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 1) kann allerdings dem Kläger der vor dem LG F geschlossene Vergleich nicht entgegengehalten werden. Die mit diesem Vergleich als abgegolten vereinbarten Ansprüche des Klägers konnten etwaige sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die einer zivilrechtlichen Verfügbarkeit der Beteiligten entzogen sind, nicht umfassen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen