Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung des Formalakts im Asylverfahren
Leitsatz (amtlich)
Ein Asylbewerber, der sich im Geltungsbereich des Bundeserziehungsgeldgesetzes befindet und asylberechtigt ist, hat hier seinen (berechtigten) gewöhnlichen Aufenthalt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 BErzGG nicht erst von der nachträglichen verwaltungsmäßigen Feststellung des Asylrechts an.
Orientierungssatz
Im Asylverfahren hat der den Status feststellende Formalakt keine das Recht erst begründende Funktion, sondern er stellt nur fest, was vorher (objektiv) schon feststand.
Normenkette
BErzGG § 1 Abs 1 Nr 1; SGB 1 § 30 Abs 3 S 2; GG Art 16 Abs 2 S 2
Verfahrensgang
SG Gießen (Entscheidung vom 08.09.1988; Aktenzeichen S 8 Eg 682/88) |
Tatbestand
Streitig ist Erziehungsgeld für die Zeit vor der Bestandskraft der Entscheidung über die Anerkennung als Asylberechtigte.
Die Klägerin, iranische Staatsangehörige, hält sich seit dem 27. März 1987 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Am 1. Oktober 1987 beantragte sie für ihre am 9. September 1987 geborene Tochter Viola Erziehungsgeld. Dies lehnte das Versorgungsamt Gießen (VA) mit Bescheid vom 7. Dezember 1987 ab: Die Klägerin habe im Bundesgebiet keinen gewöhnlichen Aufenthalt; als Asylbewerberin sei sie nur im Besitz einer bis zum 16. Februar 1988 gültigen Aufenthaltsgestattung. Für den Fall der rechtsbeständigen Anerkennung als Asylberechtigte werde empfohlen, erneut einen Antrag zu stellen.
Am 8. Februar 1988 beantragte die Klägerin wiederum Erziehungsgeld, nachdem sie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Entscheidung vom 19. Januar 1988 als Asylberechtigte anerkannt hatte. Daraufhin gewährte das VA durch Bescheid vom 18. März 1988 Erziehungsgeld ab dem 3. März 1988 mit der Begründung, an diesem Tage sei die Entscheidung über die Feststellung der Asylberechtigung bindend geworden. Während des Asylverfahrens habe es sich wegen des nur vorläufigen Anwesenheitsrechts lediglich um einen vorübergehenden, nicht um einen gewöhnlichen Aufenthalt iS des § 1 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) vom 6. Dezember 1985 (BGBl I 2154) gehandelt.
Den Widerspruch der Klägerin mit dem Antrag, Erziehungsgeld vom Tage der Geburt des Kindes an zu zahlen, wies das Landesversorgungsamt Hessen (LVA) mit gleicher Begründung unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Juni 1987 - 11a REg 1/87 - zurück; von einem früheren Zeitpunkt an bestehe auch deshalb kein Anspruch auf Erziehungsgeld, weil die Ausländerbehörde in ihrem Schreiben vom 29. Oktober 1987 keine Aussage habe machen können, ob bei negativem Abschluß des Asylverfahrens eine "Duldung ausgestellt" und von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abgesehen werde (Widerspruchsbescheid vom 28. April 1988).
Die gegen das beklagte Land auf Zahlung des Erziehungsgeldes ab 9. September 1987 (unter Aufhebung des Bescheides vom 28. März 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1988) gerichtete Klage hat das Sozialgericht Gießen (SG) durch Urteil vom 8. September 1988 abgewiesen: Der Beklagte habe zu Recht Leistungen für Zeiträume vor der Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte abgelehnt, auch wenn die Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides vom 7. Dezember 1987 nicht unter dem Gesichtspunkt des § 44 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) begründet worden sei. Der Anspruch auf Erziehungsgeld für die Zeit ab der Geburt des Kindes scheitere daran, daß die Klägerin nicht, wie § 1 Abs 1 BErzGG vorschreibe, damals ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes gehabt habe. Maßgebend sei die Legaldefinition des § 30 Abs 3 Satz 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 1). Nach der Rechtsprechung des BSG komme es aber beim Asylbewerber nicht nur auf eine bestimmte tatsächlich und rechtlich gestattete Verweildauer an, sondern auch darauf, ob er sich nach dem Ende des Asylverfahrens mit Gewißheit im Bundesgebiet aufhalten dürfe. Danach hätten Asylbewerber in der Regel keinen gewöhnlichen Aufenthalt und damit keinen Anspruch auf Erziehungsgeld. Etwas anderes sei vom BSG nur für eine Polin und für eine türkische Christin entschieden worden, denen unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens aufgrund besonderer Erlasse ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zugestanden habe (Hinweis auf BSG, Urteile vom 16. Dezember 1987 - 11a REg 2/87 und 3/87). Eine entsprechende Rechtslage gebe es für Iraner nicht; hier komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Die Anerkennung der Klägerin als Asylberechtigte sei im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht absehbar gewesen. Zwar stelle eine Anerkennung lediglich einen deklaratorischen Akt dar; im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sehe sich die Kammer jedoch gehindert, eine im Nachhinein unrichtige Prognose zu korrigieren.
Das SG hat zunächst in dem Urteil die Berufung und dann durch besonderen Beschluß vom 9. November 1988 die Sprungrevision zugelassen.
Die Klägerin hat die Revision eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen: Zu einer Fallkonstellation wie der vorliegenden habe sich das BSG noch nicht geäußert; in den bisher entschiedenen Fällen seien die Asylanträge entweder gar nicht oder ablehnend beschieden gewesen. Soweit das SG zutreffend in der Anerkennung als Asylberechtigte einen lediglich deklaratorischen Akt gesehen habe, sei es aber verfehlt, einen gewöhnlichen Aufenthalt erst ab der Bestandskraft der Anerkennung zu bejahen. Im übrigen müsse die Richtigkeit des Prognoseansatzes in Frage gestellt und bestritten werden, daß Asylbewerber nur einen befristeten Aufenthalt hätten, zumal § 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1 keinen dauernden Aufenthalt verlange. Dem Anspruch ab dem 9. September 1987 stehe die bestandskräftige Ablehnung des ersten Antrages nicht entgegen, weil in dem erneuten Antrag vom 8. Februar 1988 zugleich der Antrag auf Beseitigung des der Bewilligung entgegenstehenden Bescheides vom 7. Dezember 1987 liege.
Die Klägerin beantragt,
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"1. das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8.9.1988 |
sowie den Bescheid des Versorgungsamtes Gießen vom |
vom 18.3.1988, den Widerspruchsbescheid des Landes- |
versorgungsamtes Hessen vom 28.4.1988 aufzuheben; |
2. das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin |
Erziehungsgeld für das Kind Viola ab dem 9.9.1987 |
in gesetzlicher Höhe zu zahlen." |
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er meint, der Bescheid vom 18. März 1988 beinhalte eine Neufeststellung nach § 48 SGB 10, weil die Klägerin nun nicht mehr Asylbewerberin, sondern Asylberechtigte sei. Soweit das angefochtene Urteil der Anerkennung als Asylberechtigte eine lediglich deklaratorische Bedeutung beimesse, treffe das in dieser Allgemeinheit nicht zu; nach BVerfGE 60, 253 sei eine "gleichsam konstitutive Wirkung" anzunehmen, weil das Asylrecht als Status grundsätzlich erst nach Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend gemacht werden könne. Die statusrechtliche Änderung trete erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ein, da im Falle der Anfechtung durch den Bundesbeauftragten der Status als Asylbewerber bis zur rechtskräftigen Entscheidung fortdauere. Zutreffend habe das SG auch die Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides iS von § 44 SGB 10 verneint. Denn dieser sei bei seinem Erlaß rechtmäßig gewesen; die Ausländerbehörde habe damals nicht bescheinigen können, daß die Klägerin bei negativem Ausgang des Asylverfahrens nicht abgeschoben würde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Erziehungsgeld bereits für die Zeit seit dem 9. September 1987. Soweit dem Bescheide des Beklagten entgegenstehen, sind sie rechtswidrig und daher aufzuheben oder abzuändern.
Allerdings ist der Bescheid vom 7. Dezember 1987, mit dem der Beklagte den ersten Antrag der Klägerin auf Erziehungsgeld vom 1. Oktober 1987 abgelehnt hatte, unangefochten geblieben und daher nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für die Beteiligten bindend geworden. Das Klagebegehren erfaßt jedoch auch diesen Bescheid. Als nämlich die Klägerin am 8. Februar 1988 erneut Erziehungsgeld beantragt hatte, verdeutlichte sie spätestens in ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. März 1988, daß sie die Zahlung des Erziehungsgeldes bereits vom Tage der Geburt des Kindes an (9. September 1987) erstrebte - also für eine Zeit, die weiter zurückreicht als zwei Monate vor dem erneuten Antrag vom 8. Februar 1988 (vgl § 4 Abs 2 BErzGG) und auch zum Teil vor dem bestandskräftigen Bescheid vom 7. Dezember 1987 liegt. Da auch das Revisionsgericht über den erhobenen Anspruch (das Klagebegehren) entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein (§ 123 SGG), geht der Senat davon aus, daß die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 7. Dezember 1987 einbezogen wissen möchte.
Der Beklagte hat dieses Klagebegehren nicht verkannt. Er ist im Widerspruchsbescheid vom 28. April 1988 darauf eingegangen und hat sich hierbei auf ein Schreiben der Ausländerbehörde vom 29. Oktober 1987, also aus der Zeit vor dem ersten Bescheid vom 7. Dezember 1987, aber nicht auf die Bestandskraft dieses Bescheides berufen. Demnach ergibt die Auslegung des Bescheides vom 18. März 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1988, daß der Beklagte einen sog. Zweitbescheid erlassen und mit diesem zum einen die Leistung für die Zeit ab 3. März 1988 bewilligt, für die vorangegangene Zeit bis zum 9. September 1987 dagegen abgelehnt hat; er hat auch - was die Ablehnung für diesen Zeitraum anlangt - mit einem im Verhältnis zum "Erstbescheid" vom 7. Dezember 1987 inhaltsgleichen Zweitbescheid aufgrund neuer Sachprüfung den Rechtsweg neu eröffnet, wozu er befugt ist (zum Zweitbescheid und dazu, daß dem Gericht die Auslegung vorbehalten ist, ob es sich um einen Zweitbescheid handelt - vgl Schneider-Danwitz in SGB - SozVers - GesKomm, SGB X § 31 Anm 22b mwN; ferner Vorbem vor § 44 Anm 14b). Da der Beklagte mithin im vorgenannten Widerspruchsbescheid nach erneuter Sachprüfung eine neue - wenngleich hinsichtlich des ablehnenden Teils inhaltsgleiche - Sachentscheidung getroffen und nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, untersucht hat, ob der frühere Bescheid vom 7. Dezember 1987 rechtmäßig war, besteht kein Anlaß, auf § 44 SGB 10 zurückzugreifen und zu prüfen, ob der frühere Bescheid aufgrund dieser Vorschrift vom Beklagten zurückzunehmen ist. Sind aber, wie erörtert, der Bescheid vom 18. März 1988 und der Widerspruchsbescheid vom 28. April 1988 aus sich heraus auszulegen, so kommt es auf das Vorbringen der Beteiligten in der Revisionsinstanz zu dem vom SG angewandten § 44 SGB 10 sowie zu § 48 SGB 10 nicht mehr an.
Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist § 1 BErzGG. Nach dessen Abs 1 hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer - neben den hier vorliegenden Voraussetzungen, für ein nach dem 31. Dezember 1985 geborenes Kind sorgeberechtigt zu sein, mit ihm in einem Haushalt zu leben, es zu betreuen und zu erziehen und selbst keine oder keine volle Erwerbstätigkeit auszuüben (aaO Nrn 2 bis 4) - einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (aaO Nr 1).
Entgegen der Ansicht des SG und des Beklagten hatte die Klägerin schon während der streitigen Zeit (9. September 1987 bis 2. März 1988) ihren gewöhnlichen Aufenthalt (ein Wohnsitz kommt hier nicht in Betracht) im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthalts enthält § 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1, der für alle Sozialleistungsbereiche und damit auch für das BErzGG gilt (vgl Überschrift des 3. Abschnitts des SGB 1, § 25 SGB 1 idF des § 28 BErzGG). Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Schwierigkeiten bestehen insbesondere, die Begriffsgruppe des nicht nur vorübergehenden Verweilens näher einzugrenzen. Der mit Erziehungsgeld früher befaßt gewesene 11. Senat des BSG hat im Urteil vom 25. Juni 1987 - 11a REg 1/87 (BSGE 62, 67 = SozR 7833 § 1 Nr 1) darauf hingewiesen (aaO S 69), daß die gewählte Definition mit entsprechenden Vorschriften im Steuerrecht habe übereinstimmen sollen (BT-Drucks 7/3786 S 5), die dortige Regelung, wonach die durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründete Steuerpflicht stets bei einem länger als sechs Monate dauernden Inlandsaufenthalt eintrete, aber nicht mit übernommen worden sei, ohne daß ein Anhalt für ein Versehen des Gesetzgebers bestünde. Er hat außerdem ein Verweilen, das "vorübergehend" ist, im Gegensatz zu "dauernd" verstanden und gefolgert, der gewöhnliche Aufenthalt iS des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1 iVm § 1 Abs 1 Nr 1 BErzGG setze voraus, daß ein Ende des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht der in Frage kommenden Bezugszeit nicht zu erwarten sei, weil sich nur dann ein vorübergehendes Verweilen ausschließen lasse. Ob aus der negativen Formulierung im Gesetz tatsächlich das Erfordernis eines dauernden Aufenthaltes abzuleiten ist, erscheint fraglich, braucht aber hier nicht näher erörtert zu werden. Denn daß die Klägerin (subjektiv) zunächst nur ein zeitlich begrenztes Verweilen im Bundesgebiet beabsichtigt habe, ist weder vom SG festgestellt worden noch zu vermuten und wird auch vom Beklagten nicht behauptet. Es kommt entscheidend auf die objektiven Gegebenheiten an; auch diese bestätigen indessen, daß die Klägerin bereits während der streitigen Zeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte.
Ob Asylbewerber das Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes erfüllen, läßt sich nach der Ansicht des Senats weder dem Wortlaut des § 1 Abs 1 Nr 1 BErzGG noch des § 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1 entnehmen, zumal, wie auch die Rechtsprechung des BSG betont hat, für das nicht nur vorübergehende Verweilen tatsächliche und wirtschaftliche Gegebenheiten erheblich sind (vgl BSGE 53, 49, 52 zu § 1 BKGG). Indessen steht die Gewährung einer Sozialleistung, die ua auch den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers voraussetzt, zumindest grundsätzlich unter dem Vorbehalt des berechtigten Aufenthalts. Derartige Sozialleistungen, zu denen das vom Bund, also letztlich von der Gesamtheit der Steuerzahler, finanzierte Erziehungsgeld gehört, können ihrem Sinn und Zweck nach nicht demjenigen gewährt werden, dessen - faktisch nicht nur vorübergehender - Aufenthalt die Rechtsordnung nicht billigt (vgl im Unterschied hierzu § 120 Abs 1 Satz 1, erster Halbsatz des Bundessozialhilfegesetzes, wonach bei Ausländern ein tatsächlicher Aufenthalt genügt, sich aber ua bei fehlender Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt beschränkt, Abs 2 Nr 1 aaO). Dieser Grundsatz kann, da § 30 SGB 1 unter dem Vorbehalt einer abweichenden Regelung in den besonderen Teilen des SGB steht (§ 37 SGB 1), im einzelnen Sozialleistungsbereich auch konkretisiert und modifiziert werden. Davon hat der Gesetzgeber Gebrauch gemacht und durch das (für den vorliegenden Fall noch nicht zu berücksichtigende) Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1297) dem § 1 Abs 1 BErzGG den Satz angefügt: "Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist."
Die Klägerin war bereits während der streitigen Zeit, also bevor die Entscheidung über die Asylberechtigung bestandskräftig geworden ist, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt; denn der Schutz des Art 16 Abs 2 Satz 2 des Grundgesetzes -GG- ("Politisch Verfolgte genießen Asylrecht") traf auf sie damals schon zu. Unerheblich ist, daß der Klägerin gemäß §§ 19, 20 des Gesetzes über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz - AsylVfG) vom 16. Juli 1982 (BGBl I 946) nach Stellung des Asylantrags "zur Durchführung des Asylverfahrens" (§ 19 Abs 1 AsylVfG) der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gestattet war (sog. Aufenthaltsgestattung). Es kommt auch nicht darauf an, daß die Ausländerbehörde erst dem unanfechtbar als Asylberechtigten anerkannten Ausländer eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt (§ 29 Abs 1 AsylVfG). Die Asylanerkennung hat vielmehr nur deklaratorische, nicht konstitutive Wirkung (Marx, Strate, Pfaff, Komm zum AsylVfG, 2. Aufl 1987, § 29 RdNr 2). Das Asylrecht ergibt sich unmittelbar aus dem Grundrecht des Art 16 Abs 2 Satz 2 GG, das keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt (vgl BVerwGE 62, 206, 211 und 79, 347, 349; Rottmann, Der Staat, 1984, 337, 346). Dem entspricht es, daß in Fällen, in denen der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder eine Vergünstigung von der Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet abhängt, die Zeit des Asylverfahrens (nur) angerechnet wird, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkannt worden ist (§ 19 Abs 3 AsylVfG). Wenn aber somit das Asylrecht nicht "teilbar" in eine Zeit vor und nach dessen Anerkennung ist, so führt dies auch zu dem billigenswerten Ergebnis, daß der (Beginn des) Anspruch(s) auf Erziehungsgeld nicht von der Dauer des Asylverfahrens abhängen kann.
Der soeben vertretenen Auffassung widerspricht allenfalls scheinbar, daß - wie der Beklagte ins Feld führt - die unanfechtbare Statusentscheidung nach BVerfGE 60, 253, 295 im konkreten Einzelfall eine "gleichsam konstitutive Wirkung" entfaltet. Diese Äußerung kann jedoch nur im Zusammenhang mit den vorangegangenen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gewertet werden. Dort (aaO S 294) heißt es, daß Art 16 Abs 2 Satz 2 GG keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt aufweise, daß Asylrecht gleichwohl nur im Wege eines rechtlich geregelten Verfahrens wahrgenommen werden könne. Die geltende Gesetzeslage gehe nicht von einem bei jedem Antragsteller vorgegebenen Asylrecht aus (das im gegebenen Fall erst "aberkannt" werden müßte), sondern anerkenne es erst zufolge eines von dem Asylsuchenden zu erwirkenden und notfalls auch zu erstreitenden förmlichen Feststellungsaktes. Das Asylrecht sei unter einen Verfahrensvorbehalt gestellt; von der Antragstellung abgesehen könne es als Status grundsätzlich erst nach Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend gemacht werden. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegne dieses Verfahren nicht. Weiter heißt es wörtlich: "Wie bei zahlreichen Statusentscheidungen besteht ein dringendes Interesse der Rechtsordnung an einem den Status feststellenden Formalakt, wenn anders nicht das Asylrecht in jedem entscheidungserheblichen Fall von neuem der Feststellung bedürfte. Solche Verfahren 'regeln', nicht aber 'beschränken' sie das Asylrecht; dem steht das Fehlen eines Gesetzesvorbehalts in Art 16 Abs 2 Satz 2 GG nicht entgegen..."
Hiernach hat der den Status feststellende Formalakt keine das Recht erst begründende Funktion, sondern er stellt nur fest, was vorher (objektiv) schon feststand.
Nach alledem war die Klägerin aufgrund des Art 16 Abs 2 Satz 2 GG bereits während des Asylverfahrens zum gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Sie hatte daher hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 1 Abs 1 Nr 1 BErzGG iVm § 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1.
Mit dieser Entscheidung weicht der Senat von keinem anderen Urteil des BSG ab, und zwar auch dann nicht, wenn die den "gewöhnlichen Aufenthalt" betreffenden, aber zu anderen Sozialleistungsbereichen ergangenen Entscheidungen einbezogen werden. Denn bisher ist, soweit ersichtlich, noch nicht zu entscheiden gewesen, ob im Falle einer die Asylberechtigung anerkennenden Entscheidung auch die Zeit vor der (Bestandskraft dieser) Entscheidung als gewöhnlicher Aufenthalt zu werten ist. Es braucht daher auch das Ergebnis der vom Senat getroffenen Entscheidung nicht mit dem Urteil des 11. Senats vom 16. Dezember 1987 - 11a REg 3/87 (SozR 7833 § 1 Nr 4) verglichen zu werden, wonach Asylbewerber schon während des Asylverfahrens den gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben können, wenn sie auch nach Ablehnung des Asylantrages im Bundesgebiet dauernd geduldet werden. Ebenso darf unerörtert bleiben, ob in jenen Fällen, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter bestandskräftig oder rechtskräftig abgelehnt worden ist, mit einer Prognoseentscheidung hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthalts gearbeitet werden kann, die später nicht rückwirkend korrigierbar ist (vgl zum Kindergeld Urteil vom 23. Februar 1988 - 10 RKg 17/87 = BSGE 63, 47 = SozR 5870 § 1 Nr 14; Urteil vom 17. Mai 1989 - 10 RKg 19/88 -, S 7 und 11). Die Problematik einer rückwirkend nicht mehr korrigierbaren Prognose verdeutlicht der dem Senat vorliegende Sachverhalt: Während die Ausländerbehörde zunächst eine günstige Prognose nicht hatte abgeben können, entschied das Bundesamt dann nach Aktenlage gemäß § 12 Abs 4 Satz 1 Nr 1 AsylVfG mit dem Hinweis, bereits nach Durchsicht der vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, daß die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit asylrechtlich relevanten Maßnahmen rechnen müßte.
Dem Revisionsantrag war somit zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 261 |
Streit 1990, 23 |