Leitsatz (redaktionell)

Versorgungsrechtlich ist eine zur Eignungsprüfung bei der Bundeswehr angetretene Fahrt eines Freiwilligen dann nicht mehr als geschützt anzusehen, wenn nach dem Eintreffen am Gestellungsort das Verhalten des Freiwilligen die Annahme der Lösung des Versorgungsschutzes zuläßt (hier: Unterbrechung des Weges für 4 Stunden zwecks Besuchs mehrerer Lokale mit Freunden).

 

Normenkette

SVG § 80 Fassung: 1957-07-26, § 81 Abs. 3 Nr. 1 Fassung: 1957-07-26

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. März 1969 wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der am 15. Februar 1944 geborene, in H bei J mit erstem Wohnsitz gemeldete Kläger war im August 1963 als Maschinenarbeiter in L tätig, wo er auch wohnte. Er hatte sich bei der Marine zur Dienstleistung als Soldat auf Zeit beworben. Die Freiwilligenannahmestelle in W lud den Kläger zu einer Eignungs- und Verwendungsprüfung. Das entsprechende Schreiben richtete die Annahmestelle nach L. Der Kläger sollte sich am 27. August 1963 bis 22 Uhr in der Kaserne E in W melden. Für den Fall, daß er für diesen Termin die Fahrt schon am 26. August 1963 antreten müßte, war ihm eine Meldung bis zum 28. August 1963 2 Uhr gestattet worden.

Der Kläger trat am 26. August 1963 um 21.08 Uhr in L die Fahrt nach W an, wo er am 27. August gegen 11 Uhr eintraf. Dort besuchte er einen Freund und kam gegen 16 Uhr in der Wohnung seiner Eltern in H an, wo er noch einige Unterlagen abholen wollte, die er zu der Eignungsprüfung mitzubringen hatte. Der Kläger erfrischte sich dort, suchte seine Unterlagen zusammen und verließ gegen 18.30 Uhr die elterliche Wohnung, ohne jedoch die Unterlagen mitzunehmen. Nach seinem Weggang aus der elterlichen Wohnung traf er seine Freundin St., mit der er für kurze Zeit eine Gaststätte aufsuchte. Nach kurzer Trennung trafen sich beide zwischen 19 Uhr und 19.30 Uhr wieder und besuchten zwei Gaststätten. In der letzten Gaststätte trafen sie einen Freund des Klägers (A.) und dessen Freundin. Gemeinsam fuhren sie in dem Auto von A. zu einer Gaststätte nach P. Der A. brachte gegen 22 Uhr seine Freundin nach Hause und kehrte sodann in die Gaststätte in P zurück. Von hier aus fuhr der Kläger mit seiner Freundin in dem von A. gesteuerten Wagen gegen 22.45 Uhr zunächst zur Wohnung seiner Eltern, von wo er seine Unterlagen abholte; er hielt sich dort etwa fünf Minuten auf. Anschließend traten die drei im Auto des A. die Fahrt zur Kaserne in W an.

Auf der Bundesstraße 69 überholte A. zwei Fahrzeugkolonnen. Als er ein weiteres Fahrzeug überholen wollte und sich zu diesem Zweck zur Straßenmitte hin einordnete, prallte er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen. Bei diesem Unfall wurde eine Person getötet, sechs Personen - darunter auch der Kläger - wurden verletzt. Die nach dem Unfall entnommenen Blutproben ergaben bei A. eine Blutalkoholkonzentration von 0,15 0 / 00 , beim Kläger eine solche von 1,7 0 / 00 .

Bei dem Unfall erlitt der Kläger einen Oberschenkelbruch links, eine Quetschwunde über dem rechten Schienbeinkopf, einen Bruch der 8. linken Rippe, ein Schädelhirntrauma und andere Verletzungen am Bein. Der Bruch des Oberschenkels ist knöchern verheilt, jedoch eine Verkürzung des Beines um zwei Fingerbreiten zurückgeblieben.

Die Versorgungsbehörde lehnte den im Februar 1965 gestellten Versorgungsantrag des Klägers durch Bescheid vom 8. März 1965 ab, weil die Unterbrechung des Weges von L zur Kaserne so wesentlich gewesen sei, daß ein Zusammenhang mit dem Wehrdienst nicht bestanden habe. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. September 1966).

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat den Beklagten durch Urteil vom 5. September 1967 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) zu gewähren.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 11. März 1969 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 SVG idF vom 8. September 1961 (BGBl I 1686) und vom 6. August 1964 (BGBl I 603) stehe der Weg, auf dem eine Zivilperson zu einer Eignungsprüfung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle unterwegs sei, unter Versorgungsschutz. Dieser Weg habe im Fall des Klägers in L begonnen. Der Kläger habe als Minderjähriger zwar nicht selbst einen Wohnsitz begründen können; er müsse aber für die Aufnahme der Arbeit in L eine Ermächtigung seines gesetzlichen Vertreters gehabt haben, und diese schließe verständigerweise auch die Begründung eines Wohnsitzes am Arbeitsort ein. Aber auch wenn der Kläger in L keinen Wohnsitz begründet haben sollte, beginne dennoch hier der versorgungsrechtlich geschützte Weg. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Klägers sei nämlich zu jener Zeit tatsächlich L gewesen, wo er seiner Arbeit nachgegangen sei. Der Kläger habe auch von dort die Reise angetreten. Der versorgungsrechtliche Schutz habe grundsätzlich auch für den Weg von W zur Wohnung seiner Eltern bestanden, weil der Kläger noch Unterlagen habe abholen müssen, deren Vorlage bei der Prüfungsstelle ihm in der Ladung zur Eignungsprüfung aufgegeben worden sei. Dadurch, daß der Kläger in W seine Fahrt für längere Zeit unterbrochen habe und erst gegen 16 Uhr bei seinen Eltern eingetroffen sei, obwohl er ohne diesen Aufenthalt schon drei Stunden früher die elterliche Wohnung erreicht hätte, sei bereits eine Unterbrechung des versorgungsrechtlich geschützten Weges eingetreten, durch die der Versorgungsschutz entfallen könne. Hinzu komme das weitere Verhalten des Klägers bis zu seiner Abfahrt in die Kaserne nach W. Zwar sei der Aufenthalt des Klägers in der elterlichen Wohnung bis gegen 18.30 Uhr als notwendige Erholung anzusehen, jedoch sei der Zeitraum von 18.30 Uhr bis 22.45 Uhr mit Tätigkeiten ausgefüllt worden, die dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzuordnen seien, wodurch der Versorgungsschutz entfalle. Der Kläger habe mit Freunden und Bekannten mehrere Gastwirtschaften aufgesucht. Dieser mit erheblichem Alkoholgenuß (Blutalkoholkonzentration 1,7 0 / 00 ) verbundene "übermäßig lange" und "zweifelsfrei ermüdende" Gaststättenaufenthalt sei der Vorbereitung und dem Sinn und Zweck der für den nächsten Morgen anstehenden Eignungsprüfung abträglich gewesen. Dauer und Art dieser Unterbrechung hätten zu einer endgültigen Lösung von dem unter Versorgungsschutz stehenden Weg zum Bestimmungsort geführt.

Der Kläger könne sich nicht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts - BSG - (Bd. 27, 114, 117) berufen, weil dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Der Kläger sei im Gegensatz zu dem vom BSG entschiedenen Fall nämlich nicht zum Kriegsdienst einberufen worden, dessen Dauer ungewiß gewesen sei, sondern nur zu einer auf zwei Tage angesetzten Eignungsprüfung geladen worden, und hätte auch bei erfolgreichem Bestehen dieser Prüfung nicht sofort, sondern erst nach etwa einem Monat seinen Dienst antreten müssen.

Der Kläger habe weiterhin durch die Benutzung des Wagens seines Freundes A. dazu beigetragen, daß der Weg zur Kaserne mit einem viel höheren Risiko behaftet gewesen sei als bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Unerheblich sei demgegenüber, daß der Kläger nach dem Gaststättenbesuch noch einmal für kurze Zeit in der elterlichen Wohnung zur Abholung der für die Prüfung benötigten Unterlagen gewesen sei. Dieser kurze Aufenthalt sei angesichts des ausgedehnten Gaststättenbesuchs einerseits und dem mit der Zurücklegung des Weges ursprünglich beabsichtigten Zweck, sich bei der Annahmestelle der Marine zu einer Eignungsprüfung melden zu müssen, von keiner rechtlichen Bedeutung.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 25. März 1969 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 22. April 1969, eingegangen beim BSG am 23. April 1969, Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20. Mai 1969, eingegangen beim BSG am 21. Mai 1969, begründet.

Er beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.

Der Kläger rügt eine Verletzung des § 80 SVG durch das LSG. Er bringt hierzu vor, es habe ein versorgungsrechtlich geschützter Wegeunfall vorgelegen. Er habe seinen Hauptwohnsitz am Wohnsitz seiner Eltern beibehalten, weil der Wille des gesetzlichen Vertreters des Klägers in diese Richtung gegangen sei. Er habe von seinem Elternhaus aus die Fahrt zur Kaserne angetreten und dabei den Unfall erlitten. Auch das LSG komme zu dem Ergebnis, daß seine - des Klägers - Fahrt von W zur elterlichen Wohnung unter Versorgungsschutz gestanden habe. Unzutreffend sei dagegen die Ansicht des LSG, daß die Dauer seines Aufenthalts in H den Zusammenhang mit dem dienstlichen Weg endgültig gelöst habe. Im militärischen Bereich sei es nicht üblich, daß eine Meldung erheblich vor der festgesetzten Zeit erfolge. Darauf, was er - der Kläger - in seiner Freizeit unternommen habe, könne es nicht ankommen. Er habe sich seinem Alter entsprechend völlig normal verhalten und nicht "übermäßig" dem Alkohol zugesprochen. Auf die Höhe des Blutalkoholgehalts komme es deshalb nicht an, weil er nicht selbst den Unglückswagen gelenkt habe.

Zur Darstellung seines weiteren Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 20. Mai 1969 verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung seines Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung vom 6. Juni 1969 verwiesen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist somit zulässig. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung wegen der Folgen des Unfalls vom 27. August 1963 hat. Da der Kläger seinen Antrag im Februar 1965 gestellt hat, ist sein Anspruch auf Versorgung für die Zeit bis zum Inkrafttreten des 3. NOG nach § 80 SVG idF vom 8. August 1964 (BGBl I 650) und für die nachfolgende Zeit nach den inhaltlich gleichen Vorschriften der §§ 80 und 81 Abs. 6 SVG idF des Art. 3 des 3. NOG v. 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) zu beurteilen. Da durch das 3. NOG eine inhaltliche Änderung der hier anzuwendenden Vorschriften nicht eingetreten ist, wird im folgenden das SVG idF vom 8. August 1964 zitiert. Nach § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung gilt der Abs. 1 entsprechend, wenn eine Zivilperson, die zur Feststellung der Wehrtauglichkeit, zu einer Eignungsprüfung oder zur Wehrüberwachung der Anordnung einer zuständigen Dienststelle folgt, infolge der Dienstverrichtung oder auf dem Wege zum Bestimmungsort oder auf dem Heimweg eine gesundheitliche Schädigung erleidet. Diese gesundheitliche Schädigung steht einer Wehrdienstbeschädigung gleich (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 SVG).

Das LSG hat unangegriffen und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß der Kläger auf Anordnung der Annahmestelle für Freiwillige der Marine in W zu einer Eignungsprüfung vorgeladen worden ist, und ferner, daß diese Vorladung nach L gerichtet war, also an den Ort, an welchem der Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im August 1963 mit dem zweiten Wohnsitz gemeldet war. Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der nach § 80 Abs. 2 SVG versorgungsrechtlich geschützte Weg - besser die Zurücklegung des Weges - zum Bestimmungsort W in L begonnen hat. Dieser Weg beginnt nämlich nicht, wie der Kläger meint, notwendig von dem ersten Wohnsitz, also hier dem Wohnsitz der Eltern des Klägers in H, weil der Kläger als damals noch Minderjähriger nach seiner Auffassung keinen eigenen Wohnsitz begründen konnte und deshalb den Wohnsitz seiner Eltern geteilt hätte. Der § 80 Abs. 2 SVG, der sich mit der Entschädigung von gesundheitlichen Schädigungen befaßt, die eine Zivilperson "auf dem Wege zum Bestimmungsort oder auf dem Heimweg" erleidet, und diese gesundheitliche Schädigung einer Wehrdienstbeschädigung gleichstellt, entspricht sinngemäß dem § 543 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF bzw. dem § 550 RVO nF, in dem der versicherungsrechtliche Schutz des betriebs- und arbeitsbedingten Weges geregelt ist. Daher sind die von der Rechtsprechung zur Abgrenzung des gemäß § 543 RVO aF und § 550 RVO nF versicherungsrechtlich geschützten Weges entwickelten Grundsätze sinngemäß auch für die Abgrenzung des nach § 80 Abs. 2 SVG versorgungsrechtlich geschützten Weges heranzuziehen (siehe dazu BSG 7, 243, 246; 27, 114, 115). In § 80 Abs. 2 SVG ist - wie auch in den §§ 543 RVO aF und 550 RVO nF - der Anfangspunkt des "Weges zum Bestimmungsort" nicht näher bezeichnet, vielmehr nennt das Gesetz nur den Zielort, bis zu dem der Weg zurückgelegt werden muß, nämlich nur den "Bestimmungsort", also denjenigen, an dem die Zivilperson aufgrund der Anordnung der zuständigen Dienststelle eintreffen muß. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es somit für den versorgungsrechtlichen Schutz bei der Zurücklegung des Weges zum Bestimmungsort nicht erforderlich, daß dieser Weg von dem "ersten Wohnsitz" ausgeht. Wenn der Gesetzgeber den gesetzlich begründeten Wohnsitz als Ausgangspunkt für den "Weg zum Bestimmungsort" in jedem Falle hätte vorschreiben wollen, so hätte er dies auch zum Ausdruck gebracht oder doch mindestens zum Ausdruck bringen müssen. Wollte man der Auffassung des Klägers folgen, daß als Ausgangspunkt seines Weges nach Wilhelmshaven sein gesetzlicher Wohnsitz - also der seiner Eltern in H - zu gelten habe, so wäre die Zurücklegung des Weges von L nach W versorgungsrechtlich nicht geschützt, obwohl er diesen "Weg zum Bestimmungsort" auf Anordnung der Annahmestelle für Freiwillige der Marine zum Zwecke der Eignungsprüfung zurückgelegt hat. Daß dies nicht Rechtens sein kann, bedarf keiner weiteren Darlegung. Der Ausgangspunkt für die Zurücklegung des Weges zum Bestimmungsort kann somit - unabhängig von dem gesetzlich begründeten Wohnsitz - auch der Aufenthaltsort des Berechtigten sein, und der von hier aus begonnene Weg ist bis zu seinem Ende - am Bestimmungsort - dann versorgungsrechtlich geschützt, wenn er mit dem Zweck seiner Zurücklegung - hier der Unterziehung der Eignungsprüfung in W - in einem ursächlichen Zusammenhang steht und nicht solchen Zwecken dient, die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind.

Bei dieser Rechtslage kann es dahinstehen, ob der Kläger wegen seiner beruflichen Tätigkeit - mit oder ohne Zustimmung seiner Eltern - als Minderjähriger wirksam in L einen eigenen Wohnsitz begründen konnte oder begründet hat. Jedenfalls ist davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall Ausgangspunkt des nach § 80 Abs. 2 SVG versorgungsrechtlich geschützten "Weges zum Bestimmungsort" Ludwigsburg ist.

Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger am 26. August 1963 abends von L aus den Weg zum Bestimmungsort W angetreten, wo er am nächsten Tage, dem 27. August 1963, eintraf; er hat sich dann einige Stunden in W aufgehalten, einen Freund aufgesucht und ist sodann nach H zu seinen Eltern gefahren, bei denen er gegen 16 Uhr ankam. Das LSG hat ferner bindend festgestellt, daß der Kläger deshalb vom "Bestimmungsort" W zu seinen Eltern nach H gefahren ist, weil er von dort Unterlagen abholen wollte, die er aufgrund der Einberufung für die Eignungsprüfung mitbringen mußte. Bei diesem Sachverhalt ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß die Zurücklegung des Weges von W nach H zur Wohnung seiner Eltern ebenfalls zu dem versorgungsrechtlich geschützten Weg i. S. des § 80 Abs. 2 SVG gehört. Dieser Weg stand nämlich in einem inneren Zusammenhang mit dem Zweck der Zurücklegung des "Weges zum Bestimmungsort"; denn der Kläger mußte für die angeordnete Eignungsprüfung die in der Wohnung seiner Eltern befindlichen Unterlagen abholen. Daß dieser Weg nach H über den Bestimmungsort W führte, ist dabei rechtlich unerheblich. Der Kläger kann nicht anders gestellt werden als ein zur Eignungsprüfung geladener anderer Prüfling, der auf dem Wege zum Bestimmungsort verkehrstechnisch in der Lage ist, den Ort, an dem sich die mitzubringenden Unterlagen befinden, vor der Ankunft am "Bestimmungsort" zu erreichen. Auch wenn es sich im vorliegenden Fall daher in bezug auf den "Weg zum Bestimmungsort" um einen "Umweg" gehandelt haben mag, so war dieser doch zur Erreichung des Zweckes der Zurücklegung des Weges, nämlich zur Ablegung der Eignungsprüfung, notwendig. Die Bedenken des LSG dagegen, den Weg von W nach H dem versorgungsrechtlich geschützten "Weg zum Bestimmungsort" i. S. des § 80 Abs. 2 SVG zuzurechnen, weil sich der Kläger nach der Ankunft in W zunächst mehrere Stunden bis zur Abfahrt nach H bei einem Freund aufgehalten und die Zurücklegung des Weges "unterbrochen" hat, teilt der erkennende Senat nicht. Die "Unterbrechung" eines versorgungsrechtlich geschützten Weges, d. h. der Zeitraum zwischen einer vorübergehenden Beendigung der Zurücklegung des versorgungsrechtlich geschützten Weges und der Wiederaufnahme der Zurücklegung, hat zwar zur Folge, daß während der Unterbrechung der Versorgungsschutz entfällt, jedoch tritt durch die Unterbrechung nicht in jedem Falle zwangsläufig die Wirkung ein, daß der nach Beendigung der Unterbrechung wiederaufgenommene - zuvor versorgungsrechtlich geschützte - Weg nicht mehr versorgungsrechtlich geschützt ist. Der Versorgungsschutz bei der nach einer Unterbrechung einsetzenden Fortsetzung des versorgungsrechtlich geschützten Weges entfällt vielmehr nur dann und führt zum endgültigen Verlust jenes Schutzes, wenn die Unterbrechung nach Art und Dauer so außerordentlich gewesen ist, daß nach natürlicher Betrachtungsweise der spätere Weg nicht mehr die Fortsetzung des früheren Weges darstellt, sondern nur noch als Weg von einer persönlichen Veranstaltung angesehen werden kann. Dies ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (RVA in Breithaupt 1936, 343; siehe dazu auch BSG in SozR RVO § 543 aF Nr. 5, 28, 41 und 51; Urteil des erkennenden Senats vom 6. August 1968 in Breithaupt 1969, 146, 148 sowie Urteil des erkennenden Senats vom 6. August 1968 - 10 RV 231/66 - nicht veröffentlicht). Bei Anwendung dieser Grundgedanken kann nicht davon gesprochen werden, daß der Aufenthalt des Klägers nach seiner Ankunft in W bis zur Abfahrt zu seinen Eltern nach H nach Dauer und Art der Unterbrechung zu einer "Lösung" von dem mit der Zurücklegung des Weges bis zum Bestimmungsort verfolgten Zweckes und damit zum endgültigen Wegfall des Versorgungsschutzes geführt hat. Hierbei war insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kläger bei der Ankunft in W eine mehr als zwölfstündige Bahnfahrt zurückgelegt und möglicherweise deshalb das Bedürfnis hatte, vor der Weiterfahrt zu seinen Eltern nach H eine gewisse Ruhepause einzulegen. Letztlich kann jedoch die Frage, ob sich der Kläger schon durch den Aufenthalt bei seinem Freund in W vor der Weiterfahrt nach H und durch die damit entstandene. Unterbrechung der Zurücklegung des Weges zum Bestimmungsort wegen der Dauer und der Art dieser Unterbrechung vom anfänglichen Zweck seines Weges "gelöst" und damit des Versorgungsschutzes auf dem später fortgesetzten Weg begeben hat, dahingestellt bleiben. Einmal ist nämlich weder während der Unterbrechung noch bei der Fortsetzung des Weges von W zu den Eltern des Klägers in H bei ihm eine gesundheitliche Schädigung eingetreten, und zum anderen hat sich der Kläger jedenfalls im späteren Verlauf der Ereignisse, also nach seiner Ankunft in der Wohnung seiner Eltern in H, von dem Zweck der Zurücklegung des Weges - der Erreichung des Bestimmungsortes zum Zwecke der Ablegung der Eignungsprüfung - gelöst.

Das LSG hat für die Zeit nach der Ankunft des Klägers bei seinen Eltern in H für den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt, daß der Kläger die elterliche Wohnung etwa um 18.30 Uhr verlassen hat, ohne die dort befindlichen und für die Eignungsprüfung von ihm mitzubringenden Unterlagen mitzunehmen; er hat seine Freundin getroffen, hat mit ihr und später mit dem Fahrer des Unglückswagens und dessen Freundin verschiedene Lokale in H und der Umgebung aufgesucht und dabei nicht unerheblich Alkohol getrunken. Nachdem der Fahrer des Unglückswagens, A., seine Freundin nach Hause gebracht hatte, ist der Kläger gegen 22.45 Uhr von der Gaststätte in B in dem von A. gesteuerten Wagen mit dem Ziel W gefahren; diese Fahrt führte wieder über H zur elterlichen Wohnung, wo der Kläger sich nur wenige Minuten zur Abholung der für die Eignungsprüfung erforderlichen Unterlagen aufhielt, um sodann die Fahrt nach W fortzusetzen, bei der sich der Unfall ereignete, welcher zu den schweren Verletzungen des Klägers führte. Bei diesem Sachverhalt hat das LSG zutreffend die Auffassung vertreten, daß die Zurücklegung des Weges von B über H zu dem "Bestimmungsort" W nicht mehr versorgungsrechtlich geschützt war; denn der Kläger hat sich durch die "Unterbrechung des Weges zum Bestimmungsort" in der Zeit von 18.30 Uhr bis 22.45 Uhr von dem Zweck der Zurücklegung des Weges soweit gelöst, daß die Wiederaufnahme der Zurücklegung des Weges nach W nicht mehr als Fortsetzung des versorgungsrechtlich geschützten Weges angesehen werden kann. Die Unterbrechung in der Zeit von 18.30 Uhr bis 22.45 Uhr ist bei natürlicher Betrachtungsweise nach Art und Dauer aufgrund der hier vorliegenden Umstände so erheblich gewesen, daß die um 22.45 Uhr angetretene Fahrt nach W nur noch als "Weg von einer persönlichen Veranstaltung", nicht aber als Fortsetzung des versorgungsrechtlich geschützten Weges angesehen werden kann. Wenn es auch nicht - wie das LSG meint - erforderlich war, daß der Kläger sich nach einem nur kurzen Aufenthalt in der elterlichen Wohnung hätte veranlaßt sehen müssen, demnächst mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zum Bestimmungsort W zurückzufahren, um seinen Versorgungsschutz nicht zu verlieren - man wird dem Kläger wegen der langen Anfahrt zum Elternhause einen gewissen Zeitraum zur persönlichen Erholung und zu einem familiären Beisammensein im vorliegenden -- Fall zubilligen müssen -, so ist jedoch die Dauer der verschiedenen Gaststättenbesuche des Klägers mit seinen Freunden von mehr als vier Stunden bereits ein hinreichendes Zeichen dafür, daß der Kläger den Zweck der Zurücklegung des Weges nach W, sich einer Eignungsprüfung zur Einstellung bei der Marine zu unterziehen, während dieser Zeit aus den Augen verloren hatte. Dies kommt besonders dadurch zum Ausdruck, daß der Kläger die Gaststättenbesuche mit seinen Freunden so weit ausgedehnt hat, daß er sich nicht mehr rechtzeitig in der von der Freiwilligen-Annahmestelle bezeichneten Kaserne in W melden konnte. Da der Kläger seine Reise nach W bereits am voraufgegangenen Tage angetreten hatte, wäre er nach den bindenden Feststellungen des LSG verpflichtet gewesen, sich am 27. August 1963 bis um 22. Uhr in der Kaserne in W zu melden. Der Kläger hat aber die Fahrt von B aus erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich um 22.45 Uhr angetreten. Schon daraus ergibt sich, daß für ihn während der Gaststättenbesuche zwischen 18.30 Uhr und 22.45 Uhr der Zweck seiner Fahrt bedeutungslos geworden war, vielmehr für ihn im Vordergrund eine "persönliche Veranstaltung" stand, nämlich das gesellige Beisammensein mit Freunden im Wirtshaus. Hinzu kommt der nicht geringe Alkoholgenuß, wobei es sich bei der Berücksichtigung dieses Umstandes nicht etwa - wie der Kläger zu meinen scheint - um eine "moralische Bewertung" des Genusses von Alkohol im allgemeinen handelt. Wenn es der Zweck der Zurücklegung des Weges nach W durch den Kläger war, sich einer Eignungsprüfung zur Einstellung in die Marine zu unterziehen, so widersprach der erhebliche Alkoholgenuß des Klägers bei den Gaststättenbesuchen in der Zeit zwischen 18.30 Uhr und 22.45 Uhr gerade diesem Zweck. Wenn der Kläger jene Eignungsprüfung bei der Geselligkeit mit seinen Freunden noch vor Augen gehabt hätte, so hätte er sein Verhalten insoweit danach einrichten können und müssen. Daraus folgt, daß Art und Dauer der Unterbrechung der Zurücklegung des Weges zum Bestimmungsort W so erheblich gewesen sind, daß der innere Zusammenhang mit dem Zweck seiner unterbrochenen Fahrt gelöst worden ist, so daß es sich bei der Fahrt von P über H nach W nicht mehr um die Zurücklegung des nach § 80 Abs. 2 SVG versorgungsrechtlich geschützten Weges gehandelt hat. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Kläger von P aus nochmals für kurze Zeit die elterliche Wohnung in H aufgesucht hat, um die für die Eignungsprüfung erforderlichen Unterlagen abzuholen. Da sich der Kläger bereits mit dem Antritt seiner Fahrt in B. um 22.45 Uhr auf einer Fahrt von einer privaten Veranstaltung und somit nicht auf einem versorgungsrechtlich geschützten Weg befand, war es rechtlich unerheblich, welche Handlungen der Kläger im Verlaufe dieser Fahrt noch vornahm.

Hatte sich der Kläger aber bereits durch die Lösung von dem Zweck der Zurücklegung des Weges "zum Bestimmungsort" W des Versorgungsschutzes i. S. des § 80 Abs. 2 SVG begeben, so bedurfte es keiner Erörterung mehr darüber, ob der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf Versorgung hat, weil er sich - wie das LSG meint - nicht eines öffentlichen Verkehrsmittels bei der Fahrt von H nach W bedient und einem "besonders schneidigen Fahrer" anvertraut hatte.

Da das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, mußte die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670109

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