Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Unfallrente. DDR. Nachzahlung. Wohnsitz
Orientierungssatz
Einem Versicherten, der vor und nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs in dem Gebiet der jetzigen DDR gewohnt und vor dem Zusammenbruch eine Unfallrente bezogen hat, hat für die Zeit vor seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf Nachzahlung seiner Rente. Dies ergibt sich aus dem in der Sozialversicherung geltenden Wohnsitzgrundsatz.
Normenkette
FANG Art. 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.11.1960) |
SG Konstanz (Entscheidung vom 05.12.1958) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 1960 wird insoweit aufgehoben, als es das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Dezember 1958 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 1958 aufgehoben, die Beklagte zur Gewährung von Witwenrente und Waisenrente verurteilt und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 5. Dezember 1958 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin war in erster Ehe mit dem praktischen Arzt Dr. Georg W in B. (bei K./Elbe-Sachsen) verheiratet. Dieser hatte sich freiwillig gegen Arbeitsunfall versichert und ist am 9. August 1942 an den Folgen einer Berufskrankheit gestorben. Die Klägerin bezog von der Beklagten aus der gesetzlichen Unfallversicherung Witwenrente und Waisenrente für ihren am 15. Februar 1936 geborenen Sohn Hans-Jürgen W. Diese Renten sind letztmalig für den Monat Mai 1945 gezahlt worden. Die Klägerin ging am 26. Dezember 1946 eine neue Ehe ein. Ihr zweiter Ehemann ist im Juli 1949 gestorben.
Bis zum November 1955 blieb die Klägerin mit ihrem Sohn in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Nachdem sie in die Bundesrepublik übergesiedelt war, beantragte sie mit Schreiben vom 17. September 1957, ihr die beiden Renten vom 1. Juni 1945 an weiter zu gewähren. In einem Schreiben an die Beklagte vom 24. Februar 1958 trug sie u. a. auch vor, sie habe sich an die Sozialversicherung in der SBZ gewendet, jedoch die Antwort erhalten, daß Witwenrenten nur gezahlt würden, wenn die Witwe das 60. Lebensjahr vollendet hat oder in ihrer Erwerbsfähigkeit um mindestens 66 2/3 v. H. gemindert ist.
Durch Bescheid vom 29. Juli 1958 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung der Hinterbliebenenrenten ab. Zur Begründung ist in dem Bescheid u. a. ausgeführt, ein Anspruch auf Witwenrente habe vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an nicht mehr bestanden. Die Klägerin habe vor der Verheiratung noch in der SBZ gewohnt, dort seien die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) 1945 außer Kraft gesetzt und die Träger der Reichsversicherung aufgelöst worden. Die Bewohner der SBZ hätten ihre Ansprüche gegen die ursprünglichen Versicherungsträger nach der RVO vom Jahre 1945 an nur noch gegen die Sozialversicherungsanstalten bzw. gegen den Freien deutschen Gewerkschaftsbund in der SBZ geltend machen können. Daneben habe kein Anspruch gegen den früheren Versicherungsträger mehr bestanden. Infolgedessen müsse es abgelehnt werden, die Hinterbliebenenrente bis zur Wiederverheiratung und die Waisenrente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu gewähren.
Gegen diesen Bescheid haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Konstanz erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung der Witwenrente für die Zeit vom 1. Juni 1945 bis zum 31. Dezember 1946 und der Waisenrente vom 1. Juni 1945 bis zum 28. Februar 1954 zu verurteilen. Das SG hat durch Urteil vom 5. Dezember 1958 die Klage als unbegründet abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das SG u. a. ausgeführt, nach dem Zusammenbruch habe sich die Zuständigkeit der Versicherungsträger im Bundesgebiet und im Land Berlin nicht mehr auf die in der SBZ ansässigen Personen erstreckt, deren Ansprüche hätten sich vielmehr ausschließlich gegen die Versicherungsträger der Zone gerichtet und nach der dort abweichenden Gesetzgebung bestimmt. Erst vom Zuzug in das Bundesgebiet an sei wieder das hier geltende Recht maßgebend geworden, jedoch nicht für eine vor dem Zuzug liegende Zeit. Abgesehen davon verjähre der Anspruch auf Leistungen nach § 29 RVO in 4 Jahren nach der Fälligkeit.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung haben die Kläger u. a. darauf hingewiesen, daß die Ärzteversicherung der C. Lebensversicherung AG ohne weiteres Nachzahlungen geleistet habe. Außerdem hat die Klägerin vorgetragen, sie habe sich im Jahre 1945 unmittelbar nach Kriegsende an die "zuständige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik" gewendet, diese habe den Rentenantrag mit der Begründung abgelehnt, daß die Klägerin das rentenfähige Alter von 65 Jahren noch nicht erreicht habe, außerdem arbeitsfähig sei und ihren Unterhalt selbst verdienen könne und schließlich in ihrem Grund- und Hausbesitz noch eigenes Vermögen habe, das ihren Unterhalt gewährleiste.
Die Beklagte hat sich für ihren ablehnenden Standpunkt auch ausdrücklich auf die Verjährung nach § 29 Abs. 3 RVO berufen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 1945 bis 31. Dezember 1946 Witwenrente und ihrem Sohn vom 1. Juni 1945 bis 28. Februar 1954 Waisenrente zu gewähren, diese jedoch unter Abzug der in der SBZ vom 1. Februar 1947 bis zum 28. Februar 1954 gezahlten Waisenrente von monatlich 90,- DM bis 31. August 1947 und danach von 120,- DM.
Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt sich, daß die Klägerin im Termin die Abschrift eines Schreibens der Sozialversicherungsanstalt Sachsen vom 21. November 1947 vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, daß die Klägerin in der SBZ vom 1. Februar 1947 an Waisenrente für ihren Sohn erhalten hat.
Das LSG hat durch Urteil vom 9. November 1960 das Urteil des SG Konstanz und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 1945 bis 26. Dezember 1946 Witwenrente und ihrem Sohne vom 1. Juni 1945 bis 31. Januar 1947 Waisenrente zu gewähren. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG u. a. folgendes ausgeführt:
Die Rechtsentwicklung in der SBZ habe zu einer Zerschlagung der für ganz Deutschland einheitlichen Sozialversicherung und zu einer Neuordnung für die SBZ geführt. Hiervon seien die in Westdeutschland wohnhaften Deutschen, die Ansprüche gegen einen Versicherungsträger in der SBZ hatten, ebenso betroffen worden wie die in der SBZ wohnhaften Deutschen, die Ansprüche gegen einen in Westdeutschland gelegenen Versicherungsträger hatten. Die westdeutschen Versicherungsträger hätten daher die Leistungen an in Westdeutschland wohnende Versicherte auch für Ansprüche gegen einen in der SBZ gelegenen Versicherungsträger übernommen. Andererseits gewährten die Versicherungsträger der SBZ an dort wohnhafte Deutsche auch Leistungen für Versicherungsfälle, für deren Entschädigung ein westdeutscher Versicherungsträger zuständig gewesen sei. Diese Rechtsumgestaltung beruhe nicht auf Gewohnheitsrecht, sondern auf Anordnung und Maßnahmen der Besatzungsmächte, die einen Zahlungsverkehr zwischen Ost- und Westdeutschland nicht zugelassen und eine andere Gestaltung des interzonalen Rechts damit unterbunden hätten. Diese Rechtsentwicklung und die sich daraus ergebende Leistungsübernahme durch an sich unzuständige Versicherungsträger habe auch die früheren Ansprüche und Zuständigkeitsabgrenzungen beeinflußt. Es würde dem Sinn und Zweck der reichsgesetzlichen Unfallversicherung widersprechen, wenn man Unfallverletzten Ansprüche gegen beide Sozialversicherungseinrichtungen einräumte. Für die Zuständigkeit müsse daher nach 1945 grundsätzlich das Wohnsitzprinzip maßgeblich sein. Im vorliegenden Fall sei deshalb grundsätzlich das für den Wohnort der Klägerin geltende Recht der SBZ maßgebend für die Prüfung, ob und wann Rentenansprüche für die Zeit nach 1945 erhoben werden könnten. Dahingehende Neuregelungen seien in einzelnen Ländern der SBZ schon im Juli und August 1945 ergangen. Eine zoneneinheitliche Regelung enthalte aber erst die auf Grund des Befehls Nr. 28 der Sowjetischen Militäradministration ergangenen Verordnung über die Sozialpflichtversicherung über den 28. Januar 1947 (Arbeits- und Sozialfürsorge 1947 S. 91). Diese Verordnung ermögliche die Feststellung der Unfallrente erstmalig vom 1. Februar 1947 an, wie dem Senat aus einer in einer anderen Sache eingeholten Auskunft der Sozialversicherungsanstalt Bezirksverwaltung Potsdam vom 22. Dezember 1955 bekannt sei. Hierzu sei eine Antragstellung erforderlich gewesen. Die Rente sei vom 1. des Antragsmonats an gewährt worden. Die Klägerin hätte bei entsprechender Antragstellung vom 1. Februar 1947 an Anspruch auf Unfallhinterbliebenenrente gehabt und habe auch tatsächlich vom 1. Februar 1947 an Waisenrente erhalten. Von diesem Zeitpunkt an könne sie Ansprüche gegen die Beklagte solange nicht geltend machen, wie sie sich in der SBZ als dort anspruchsberechtigte Hinterbliebene aufhalte. Dies sei die rechtliche Folge der Rechtsentwicklung nach 1945 in dem geteilten Deutschland.
Anders sei jedoch die Rechtslage für den Zeitraum vom 1. Juni 1945 bis zum 31. Januar 1947. Sozialversicherungsansprüche richteten sich zwar bei Inlandsaufenthalt seit 1945 nur nach dem jeweiligen Landes- bzw. Zonenrecht, und der Gesetzgeber habe im Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) bestimmt, daß Leistungen frühestens mit der Begründung des Wohnsitzes im Bundesgebiet oder im Land Berlin beginnen. Das FAG betreffe aber nur Ansprüche gegen Versicherungsträger in der SBZ und im Ausland. Die Beklagte sei für das ganze heutige Bundesgebiet zuständig gewesen und habe ihren Sitz in Berlin gehabt, jetzt in Hamburg. Es bestehe keine Rechtsvorschrift, die es ermöglichte, die Beklagte lediglich deshalb von der Leistungspflicht zu befreien, weil die Klägerin ihren Wohnsitz in der SBZ hatte. Anders wäre die Sachlage, wenn die Klägerin auch für den Zeitraum vom 1. Juni 1945 bis zum 31. Januar 1947 ihre Ansprüche gegen einen Versicherungsträger in der Ostzone hätte erfolgreich geltend machen können. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Die Nachteile aus der Aufteilung Deutschlands könnten der Klägerin nicht aufgebürdet werden, da der Versicherungsträger in der Bundesrepublik noch vorhanden und solange in der SBZ kein anderer Versicherungsträger an seine Stelle getreten sei. Bis zur Regelung durch die Verordnung vom 28. Januar 1947 sei die Beklagte daher leistungspflichtig, da eine die Verpflichtung aufhebende anderweitige Regelung weder in West- noch in Ostdeutschland getroffen worden sei (Hinweis auf BSG 3, 286, 293). Die Beklagte habe zwar damals aus Zahlungsüberweisungsgründen keine Leistung erbringen können, dadurch sei jedoch der Anspruch als solcher nicht berührt worden. Insbesondere sei kein Ruhen nach § 615 RVO eingetreten, da die Klägerin sich nicht im Ausland aufgehalten habe. Die Leistungspflicht der Beklagten sei somit durch eine in Westdeutschland geltende Vorschrift nicht entfallen. Ein solcher Wegfall könne nur aus dem Gesichtspunkt der Unzulässigkeit von Doppelzahlungen und des Eintretens eines anderen Versicherungsträgers begründet werden. Ein anderer Versicherungsträger sei aber erst durch die Verordnung vom 28. Januar 1947 mit Wirkung vom 1. Februar 1947 zuständig geworden. Die Beklagte sei deshalb erst vom 1. Februar 1947 an von ihrer Leistungspflicht befreit. Anders lautende Verwaltungsanordnungen z. B. des Präsidenten des früheren Zentralamts für Arbeit in Lemgo vom 30. September 1948 und entsprechende Äußerungen des Bundesarbeitsministeriums hätten keine rechtlich bindende Wirkung. Der durch höhere Gewalt bedingte Zustand des Unvermögens zur Leistung sei dadurch weggefallen, daß die Klägerin 1955 ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik genommen habe. Es habe kein Leistungsverweigerungsrecht bestanden, sondern lediglich wegen der Behinderung des Zahlungsverkehrs ein tatsächliches vorübergehendes Unvermögen, und es lägen keine Hinderungsgründe vor, die geschuldete Leistung nachträglich zu erbringen. Für die Zeit nach dem 31. Januar 1947 stehe dem Sohn der Klägerin jedoch ein Rentenanspruch nicht zu.
Der Verjährungseinwand greife nicht durch. Solange die Kläger in der SBZ gewesen seien, habe die Beklagte die Leistungen nicht erbringen können, so daß diese auch nicht fällig geworden seien. Die Verjährung sei nach § 202 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehemmt, solange die Beklagte vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt gewesen sei. Der Beschluß des Aufnahmeausschusses für die Aufenthaltserlaubnis sei zwar erst am 26. September 1956 ergangen. In der Begründung heißt es jedoch, daß die Klägerin im November 1955 im "Interzonenverkehr" in das Bundesgebiet gereist sei. Nach den vorgelegten Unterlagen haben die Klägerin bereits am 23. Juni 1955 die Zuzugsgenehmigung für Schwemmingen erhalten. Demgemäß seien die Leistungen im November 1955 frühestens im Juni 1955 und spätestens im November 1956 fällig geworden. Im September 1957 (Zeitpunkt der Antragstellung) sei die Verjährungsfrist von 4 Jahren noch nicht abgelaufen gewesen, gleichgültig von welchem der 3 genannten Zeitpunkte man ausgehe.
Die Beklagte, der dieses Urteil am 15. Dezember 1960 zugestellt worden ist, hat dagegen am 3. Januar 1961 Revision eingelegt und sie am 15. Januar 1961 begründet. Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und in völliger Zurückweisung der Berufung gegen das wiederherzustellende Urteil des SG Konstanz die Klage abzuweisen,
hilfsweise beantragt sie,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
II
Die ... - durch Zulassung statthafte - Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
Entgegen der Auffassung der Revision hat das LSG mit Recht auch darüber entschieden, ob und für welchen Zeitraum der Sohn der Frau B Hans-Jürgen W einen Anspruch auf Nachzahlung der Waisenrente gegen die Beklagte hat.
Frau B hatte bereits im Verwaltungsverfahren außer dem eigenen Anspruch auf Nachzahlung der Witwenrente den Anspruch auf Hinterbliebenenrente für ihren Sohn geltend gemacht, und die Beklagte hat in dem mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 1958 auch diesen Anspruch ausdrücklich abgelehnt. Der Sohn Hans-Jürgen W war damals allerdings bereits 22 Jahre alt und infolgedessen auch abgesehen von der Sondervorschrift des § 1546 Abs. 1 Satz 2 RVO aF nicht mehr gesetzlich durch seine Mutter vertreten. Nachträglich hat der Sohn jedoch das Handeln seiner Mutter durch die als "Vollmacht" bezeichnete Erklärung vom 20. Mai 1961 ausdrücklich als für sich verbindlich anerkannt (vgl. auch für das gerichtliche Verfahren § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG). Es bestehen deshalb keine verfahrensrechtlichen Bedenken dagegen, daß das SG Konstanz Frau B und ihren Sohn als Kläger angesehen und mit der Abweisung der Klage über die Ansprüche beider Beteiligten entschieden hat. Auch im Berufungsverfahren hat das LSG mit Recht Mutter und Sohn als Kläger und Berufungskläger angesehen und dementsprechend über beide Ansprüche entschieden.
Der erkennende Senat stimmt mit dem LSG grundsätzlich auch hinsichtlich der rechtlichen Folgerungen überein, die das LSG aus der im Jahre 1945 eingetretenen Aufspaltung des bis dahin einheitlichen Geltungsbereichs des reichsgesetzlichen Sozialversicherungsrechts gezogen hat.
Diese Aufspaltung ist durch einen auch rechtlich bedeutsamen Unterschied zwischen der Entwicklung in den drei westlichen Besatzungszonen und in den übrigen Teilen des ehemaligen Geltungsbereichs des reichsgesetzlichen Sozialversicherungsrechts gekennzeichnet. In den drei westlichen Besatzungszonen traten zwar Schwierigkeiten tatsächlicher Art auf, die z. B. darauf beruhten, daß zunächst der Zahlungsverkehr zwischen den einzelnen Zonen unmöglich oder stark behindert war und daß Versicherungsträger aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Durchführung ihrer Aufgaben gehindert waren. Auch haben die Besatzungsmächte durch Rechtsetzungsakte in das geltende Recht verändernd eingegriffen (vgl. z. B. die Sozialversicherungsdirektiven und -anordnungen in der britischen Besatzungszone). Abgesehen davon blieb jedoch das vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches geltende Sozialversicherungsrecht in diesen Besatzungszonen unberührt, und die Versicherungsträger, die ihren Sitz in den drei westlichen Besatzungszonen hatten, konnten ihre Tätigkeit fortsetzen oder wieder aufnehmen und dabei die Aufgaben ausgefallener Versicherungsträger übernehmen. In den übrigen Teilen des ehemaligen Geltungsbereichs des Rechts der reichsgesetzlichen Sozialversicherung wurden dagegen die bisher zuständigen Versicherungsträger beseitigt und an einer Fortsetzung ihrer Tätigkeit gehindert. Anstelle der bisherigen Sozialversicherung traten anders geartete Systeme, deren Aufgaben durch neue Versicherungsträger wahrgenommen wurden.
Für die rechtlichen Beziehungen zwischen den Versicherungsträgern der ehemaligen reichsgesetzlichen Unfallversicherung in den drei westlichen Besatzungszonen und den neuen Versicherungsträgern in den übrigen Teilen und insbesondere für eine Regelung der Zuständigkeit für die Ansprüche gegenüber Versicherungsträgern eines anderen Sozialversicherungssystems als dem des Wohnortes des Anspruchsberechtigten enthält die RVO naturgemäß keine auch nur entsprechend anwendbaren Vorschriften, da eine derartige Aufspaltung der reichsgesetzlichen Unfallversicherung für den Gesetzgeber nicht vorhersehbar war. Hierfür anwendbare Rechtsvorschriften sind auch von keiner Stelle erlassen worden, die für alle Teile des ehemaligen Zuständigkeitsbereichs der reichsgesetzlichen UV Rechtsetzungsbefugnis besaß. Wie auch der erkennende Senat bereits mehrfach mit ausführlicher Begründung dargelegt hat (vgl. z. B. BSG 11, 271; 17, 144), muß diese Lücke durch Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes geschlossen werden. Insbesondere gilt das in der gesetzlichen UV für die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen eines in der SBZ wohnenden Anspruchsberechtigten zu einem Versicherungsträger in der Bundesrepublik. Aus diesem Grundsatz ergibt sich u. a., daß die Versicherungsträger der verschiedenen an die Stelle der reichsgesetzlichen UV getretenen Systeme nicht nur die Aufgabe haben, bei neuen Versicherungsfällen Leistungen nach dem für sie geltenden Recht zu gewähren, sondern den in ihrem Zuständigkeitsbereich Wohnenden im Rahmen des für sie geltenden Systems der sozialen Sicherheit auch dann Leistungen gewähren müssen, wenn die Ansprüche auf Versicherungsfällen beruhen, die außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs eingetreten sind oder für die ein außerhalb dieses Bereichs noch vorhandener Versicherungsträger zuständig war. Auf der Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes beruhen auch die Regelungen, die der Gesetzgeber im FAG und im Fremdrentengesetz (FRG) - Art. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) - für die gesetzliche UV getroffen hat. Beide Gesetze verpflichten die Versicherungsträger der gesetzlichen UV auch dann zur Leistungsgewährung, wenn der Versicherungsfall außerhalb des jetzigen Geltungsbereichs der RVO eingetreten ist, beschränken diese Verpflichtung jedoch auf die Zeit des Aufenthalts im Geltungsbereich dieser beiden Gesetze. Das FAG ist allerdings - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - auf die Ansprüche der Kläger nicht anwendbar, weil die Ansprüche auf Hinterbliebenenrenten gegenüber der Beklagten begründet worden waren und nicht gegenüber einem nicht mehr bestehenden, einem stillgelegten oder einem außerhalb des Bundesgebietes oder außerhalb des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 FAG). Dagegen fallen die Ansprüche der Klägerin grundsätzlich unter § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG, da der Versicherungsfall seinerzeit in Sachsen und damit außerhalb des Geltungsbereichs des FRG eingetreten war. Jedoch können aus diesem mit Rückwirkung vom 1. Januar 1959 in Kraft getretenen Gesetz (vgl. Art. 7 § 3 FANG) für die im vorliegenden Fall allein im Streit stehenden Zeiträume vor dem 1. Februar 1947 keine rechtlichen Folgerungen hergeleitet werden.
Das LSG, das an sich zutreffend von der Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes ausgegangen ist, hat jedoch nach der Auffassung des erkennenden Senats dem Umstand eine ungerechtfertigte Bedeutung beigemessen, daß eine einheitliche Regelung des Sozialversicherungsrechts für das gesamte Gebiet der SBZ erstmalig durch die Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 getroffen worden ist.
Die Leistungspflicht der Beklagten war zwar an sich noch nicht ohne weiteres dadurch erloschen, daß es ihr nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches unmöglich gemacht worden war, in der SBZ ihre bisherigen Pflichten als Versicherungsträger der UV weiter zu erfüllen und insbesondere Leistungen an Berechtigte in dieser Zone zu gewähren. Vielmehr kommt es auch nach der Auffassung des erkennenden Senats darauf an, daß anstelle der in dem Gebiet der SBZ tätig gewesenen Versicherungsträger der Reichversicherung ein neues System getreten ist, das die in diesem Gebiet wohnenden Berechtigten erfaßt hat. Hierzu hat der erkennende Senat in dem in BSG 17, 144 veröffentlichten Urteil vom 29. Juni 1962 unter Bezugnahme auf BSG 3, 286, 292 näher ausgeführt, daß der ersten abschließenden gesetzlichen Regelung ein Zeitraum vorausgegangen ist, in dem ohne ausdrückliche, ordnungsmäßig veröffentlichte Bestimmungen bereits nach dem Wohnsitzgrundsatz verfahren worden ist, so daß die gesetzliche Regelung nur die bis dahin fehlende Grundlage der bereits bestehenden Verwaltungsübung ist. In den zur SBZ gehörenden Ländern hatten sich die noch vorhandenen Versicherungsträger schon bald wieder bemüht, die Aufgaben der ausgefallenen oder nicht mehr erreichbaren Versicherungsträger weiterzuführen (vgl. z. B. Heinz Paul in Festschrift für Erwin Jacobi, 1959, S. 406 ff). Damit stimmt auch der eigene Vortrag der Klägerin überein, daß die Verwaltungsstelle der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik in Dresden, an die sie sich gewendet habe, die Bearbeitung der Rentenangelegenheit nicht schlechthin abgelehnt, sondern die Weiterzahlung der Witwenrente nur deshalb verweigert habe, weil die nach neuen Vorschriften erforderlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben seien. Vor allem aber waren in den einzelnen Ländern der SBZ Sozialversicherungsanstalten errichtet worden, auf die das Vermögen der mit dem 8. Mai 1945 als aufgelöst geltenden reichsgesetzlichen Versicherungsträger übergegangen war (vgl. z. B. die bei Dersch, Sozialversicherungsrecht in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 1949, S. 80 ff veröffentlichten Verordnungen). Diese Einrichtungen, aus denen sich das neue Sozialversicherungssystem der SBZ entwickelt hat, haben auch grundsätzlich den Wohnsitzgrundsatz angewendet. Daß sie ihre Aufgaben nur allmählich übernehmen konnten und auch die nach bisherigem Recht begründeten Ansprüche nicht unverändert befriedigt, sondern einschränkende Vorschriften angewendet haben, ist für die Anwendung des Wohnsitzgrundsatzes nicht entscheidend.
Vielmehr kommt es - wie der Senat im Urteil vom 29. Juni 1962 näher dargelegt hat - darauf an, daß in der SBZ nicht erst vom Inkrafttreten der Verordnung vom 28. Januar 1947 an ein Sozialversicherungssystem bestand, das die in dieser Zone Wohnenden erfaßte. Dies war vielmehr auch schon vorher der Fall. Infolgedessen haben die Kläger keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte Rentenbeträge für Zeiträume nach dem Zusammenbruch nachzahlt, während derer die Kläger ihren Wohnsitz noch in Sachsen hatten.
Die Revision der Beklagten ist somit begründet. Das Urteil des LSG mußte insoweit aufgehoben werden, als es das Urteil des SG Konstanz und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Witwenrente und Waisenrente verurteilt hat. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG war in vollem Umfang zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens ergeht aufgrund von § 193 SGG.
Fundstellen