Leitsatz (redaktionell)
Die alte Fassung der BVGVwV zum ursächlichen Zusammenhang, insbesondere der Hinweis auf eine Unterbrechung waren rechtsirrig und stimmten mit der Rechtsprechung des BSG zur Frage der für das Gebiet der KOV maßgebenden Ursachenlehre nicht überein. Hier gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 1955-07-14 8 RV 177/54 = BSGE 1, 150, 156; für den Begriff der Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, der im Zivilrecht entwickelt worden ist, ist daher kein Raum. Die alte Fassung der BVGVwV ist deshalb in die späteren BVGVwV nicht mehr aufgenommen worden. Aus ihnen kann der Kläger, zumal sie das Gesetz nicht ändern können, keine Rechte herleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kommt es außerdem auf die Motive für das einen Schaden verursachende Handeln versorgungsrechtlich nicht an.
Orientierungssatz
Eine äußere Trennung in Tatbestand und Gründe ist in SGG § 136 Abs 1 Nr 5, 6 ausdrücklich nicht vorgesehen. Es muß lediglich bei einer Zusammenfassung oder eine Erwähnung einer Tatsache in den Gründen klar erkennbar sein, was tatsächliche Feststellung und was richterliche Erwägung ist. Eine in den Gründen enthaltene tatsächliche Feststellung kann stets als Ergänzung des Tatbestandes aufgefaßt werden.
Das Gericht hat danach lediglich die Pflicht, in seiner Entscheidung die Tatsachen kenntlich zu machen, auf welche es seinen Urteilsspruch stützt. Ob dies im Tatbestand oder in den eigentlichen Entscheidungsgründen geschieht, ist bedeutungslos. Insbesondere ist das Gericht nicht etwa gehalten, nur solche Tatsachen in den Entscheidungsgründen zu verwerten, die es zuvor im Tatbestand aufgeführt hat.
Normenkette
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 1953-09-03, Nr. 6 Fassung: 1953-09-03; BVGVwV § 1 Nr. 4
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger begehrt die Gewährung von Versorgung wegen einer Osteoporose. Diese führt er darauf zurück, daß er im Jahre 1941 als Unterarzt in einem Lazarett aus Protest gegen das damalige Regime und seine Methoden planmäßig zu hungern begonnen und dies über lange Zeit durchgeführt habe; dadurch sei es zu einer starken Abmagerung, auch einer Dystrophie, gekommen, welche im Jahre 1942 zu seiner Entlassung aus dem Wehrdienst und später zur Gewährung von Versorgung nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz geführt habe.
Seinen Antrag vom Dezember 1959 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) nach Einholung ärztlicher Unterlagen durch Bescheid vom 5. Februar 1962 ab, weil die Unterernährung keine Folge des Wehrdienstes, sondern des Bestrebens des Klägers gewesen sei, den nationalsozialistischen Gewaltmethoden entgegen zu wirken.
Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Vorbringen des Klägers als glaubwürdig bezeichnet, daß er aus Gewissenszwang seine Hungersabotage begonnen und durchgehalten habe, um durch ihre gesundheitsschädigenden Folgen für den Wehrdienst dienstunfähig zu werden, dadurch den nationalsozialistischen Gewaltmethoden gegenüber Geisteskranken und Juden entgegen zu wirken und um sich dadurch von diesen Methoden distanzieren zu können.
Es hat ausgeführt, durch diesen Sachverhalt werde eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht dargetan. Vielmehr liege der Tatbestand einer vom Beschädigten absichtlich herbeigeführten Schädigung vor; diese aber begründe nach § 1 Abs. 4 BVG keine Entschädigungspflicht. Denn der Kläger habe bei klarem Verstand, ohne in der freien Willensbestimmung durch Umstände eingeschränkt gewesen zu sein, die auf den Wehrdienst zurückzuführen seien, die Hungersabotage begonnen und habe auch ihre die körperlichen Kräfte herabsetzenden Folgen gewollt, um dienstunfähig um jeden Preis zu werden und seine Entlassung aus dem Wehrdienst zu bewirken.
In den Urteilsgründen ist anschließend folgendes ausgeführt:
"Auch der von ihm ins Feld geführte Zwang, verwundete oder erkrankte Soldaten entgegen seiner Überzeugung vorzeitig gesundschreiben zu müssen, ist insoweit kein tragender Gesichtspunkt. Der Kläger hat nämlich dem Senat gegenüber eingeräumt, daß er als Unterarzt lediglich gehalten gewesen sei, Entlassungslisten zu führen. Ihm ist aber seitens seiner Vorgesetzten in keinem Falle der Befehl gegeben worden, in diese Listen auch Soldaten einzutragen, die noch nicht wieder dienst- oder entlassungsfähig waren."
Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht auch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse als mitwirkend für den Eintritt der Schädigung ausgeschlossen. Es hat die Revision zugelassen.
Einen Antrag des Klägers auf Berichtigung des Urteils hinsichtlich seiner Aufgaben als Unterarzt im Lazarett und der ihm damals erteilten Befehle hat das LSG durch Beschluß vom 8. Februar 1966 abgelehnt, weil diese Ausführungen im Urteil auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und den Angaben des Klägers beruhten. Der Kläger hat Revision eingelegt und dem Sinne nach beantragt,
die Urteile des LSG und des Sozialgerichts (SG) aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Verwaltungsbescheide zu verurteilen, Osteoporose als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und vom 1. Januar 1960 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 80 v. H. sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren,
hilfsweise
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Er rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des § 1 BVG, weil er aus ehrenhaften Gründen gehandelt habe und deshalb nicht wie ein unehrenhafter Selbstverstümmler behandelt werden könne. Ferner macht er eine Verletzung des Grundgesetzes iVm der Menschenrechtskonvention sowie der §§ 103, 128 und 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geltend, denn die Angaben in den Gründen des angefochtenen Urteils über die Aufgaben des Klägers als Unterarzt und die an ihn gerichteten Befehle ständen mit den Feststellungen im Tatbestand in unvereinbarem Gegensatz. Auch sei es dem Gericht verwehrt, in den Gründen tatsächliche Feststellungen zu treffen. Das LSG hätte den Widerspruch zwischen den bezeichneten Angaben und dem übrigen Inhalt des Urteils erkennen und aufklären müssen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19. November 1965 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mithin zulässige Revision des Klägers konnte keinen Erfolg haben.
Das LSG hat den Versorgungsanspruch des Klägers deshalb für nicht gerechtfertigt erachtet, weil sein Verhalten nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1, sondern des § 1 Abs. 4 BVG (einer absichtlich herbeigeführten Schädigung) erfülle. Gegen das angefochtene Urteil wendet sich der Kläger u. a. mit Rügen, welche Verfahrensverstöße des LSG dartun sollen. Diese können nicht durchgreifen.
Zu Unrecht weist die Revision auf die Zivilprozeßordnung (ZPO) hin und ist der Ansicht, das Berufungsurteil könne nur im Tatbestand tatsächliche Feststellungen treffen. Abgesehen davon, daß dies schon nicht in vollem Umfang für das Verfahren nach der ZPO zutrifft (so RG 102, 328, 330; Stein-Jonas, Komm. zur ZPO, 18. Aufl. § 313 IV 5; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts 9. Aufl., § 56 IV 2 d und e), gilt diese Auffassung der Revision - wie der Beklagte in der Revisionserwiderung zutreffend vorgetragen hat - überhaupt nicht für das Verfahren nach dem SGG. Der Senat hat zu dieser Frage bereits in seinem Urteil vom 30. August 1958 - 8 RV 307/54 - ausgeführt:
"... Eine äußere Trennung in Tatbestand und Gründe ist in § 136 Abs. 1 Nr. 5, 6 SGG ausdrücklich nicht vorgesehen. Es muß lediglich bei einer Zusammenfassung oder einer Erwähnung einer Tatsache in den Gründen klar erkennbar sein, was tatsächliche Feststellung und was richterliche Erwägung ist. Eine in den Gründen enthaltene tatsächliche Feststellung kann stets als Ergänzung des Tatbestandes aufgefaßt werden ...."
Das Berufungsgericht hat danach lediglich die Pflicht, in seiner Entscheidung die Tatsachen kenntlich zu machen, auf welche es seinen Urteilsausspruch stützt. Ob dies im Tatbestand oder in den eigentlichen Entscheidungsgründen geschieht, ist bedeutungslos. Insbesondere ist das Berufungsgericht nicht etwa gehalten, nur solche Tatsachen in den Entscheidungsgründen zu verwerten, die es zuvor im Tatbestand aufgeführt hat.
Das LSG hat im Tatbestand die Angaben des Klägers darüber angeführt, welche Umstände ihn zu seiner Hungersabotage veranlaßt haben. Es hat diese Darstellung für glaubwürdig erachtet. Damit hat es aber nicht uneingeschränkt Tatsachen festgestellt, sondern weitgehend Erwägungen und Motive berücksichtigt. Zusätzlich hierzu hat es dann mit den vom Kläger beanstandeten Ausführungen seine dienstliche Funktion als Unterarzt in einem Lazarett und die ihm erteilten Befehle festgestellt. Diese Feststellung ist hinsichtlich der Funktionen mit den vorher mitgeteilten Erwägungen des Klägers vereinbar; beide ergänzen sich gegenseitig. Hinsichtlich der erst im Klageverfahren vorgebrachten Befehle über das vorzeitige Gesundschreiben verwundeter oder erkrankter Soldaten hat das Berufungsgericht erkannt, daß die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 19. November 1965 mit seinen früheren Schriftsätzen nicht vereinbar waren. Es hat den zuletzt gemachten bestimmten Angaben mehr Glauben geschenkt als den früheren. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal die früheren Angaben verschwommener waren und mit der allgemeinen dienstlichen Aufgabe eines Unterarztes in einem Lazarett nicht übereinstimmten, wie die letzteren in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, und das LSG daher bedenkenlos davon ausgehen konnte, daß die vor ihm gemachten Angaben den Tatsachen entsprochen haben. Es war auch nicht deshalb gehindert, die Ausführungen des Klägers zu verwerten, weil sie nicht in die Niederschrift über die mündliche Verhandlung aufgenommen sind. Denn dies ist durch § 122 Abs. 1 SGG nicht zwingend vorgeschrieben, auch durch die Bezugnahme auf § 161 ZPO in § 122 Abs. 3 SGG als entbehrlich bezeichnet, wobei noch hinzukommt, daß das SGG die Parteivernehmung nicht als Beweismittel zuläßt, so daß auch nicht in der Niederschrift vermerkt zu werden brauchte, der Kläger sei vernommen worden.
Das Verfahren des LSG ist somit insoweit nicht zu beanstanden.
Wenn die Revision der Ansicht ist, das LSG habe einen Widerspruch zwischen dem Aufgaben- und Wirkungsbereich des Klägers während des Krieges und den Erwägungen, die ihn zur Hungersabotage geführt haben, erkennen und aufklären müssen, so hat sie es bei dieser, nur vorsorglich erhobenen Rüge einer Verletzung des § 103 SGG entgegen der ausdrücklichen Vorschrift in § 164 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGG unterlassen, die Beweismittel zu bezeichnen, welche das LSG hätte gebrauchen müssen; sie hat auch nicht das Beweisergebnis angegeben, zu den diese Beweiserhebungen ihres Erachtens hätten führen müssen (s. dazu BSG in SozR SGG § 164 Nr. 28). Die Rüge ist daher gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGG nicht formgerecht erhoben. Sie ist somit kein zulässiger und begründeter Revisionsgrund im Sinne des § 163 Halbsatz 2 SGG, so daß dieses Vorbringen die Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächliche Feststellung des LSG nicht aufheben kann.
Auch ein Fehler in der Beweiswürdigung ist nicht ersichtlich, denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. Bei seiner Tatsachenfeststellung sind Verstöße gegen die Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens nicht erkennbar. Die Gründe des LSG sind - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht widerspruchsvoll. Zwar hat das LSG ausgeführt, daß es der Sachdarstellung des Klägers in vollem Umfang gefolgt sei. Der Kläger hat aber in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG eingeräumt, daß ihm in keinem Falle der Befehl gegeben worden sei, in die Entlassungslisten auch Soldaten einzutragen, die noch nicht wieder dienstfähig oder noch nicht entlassungsfähig waren. Das Berufungsgericht ist somit auch den - später berichtigten - Angaben des Klägers gefolgt, der vorgebrachte Widerspruch ist somit nicht erkennbar. § 128 SGG ist daher nicht verletzt.
Da also zulässige und begründete Revisionsrügen gegen die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils nicht erhoben sind, binden diese das Revisionsgericht (§ 163 SGG).
Zu Recht hat hier das LSG angenommen, der Kläger habe seine Hungersabotage bei freier Willensbestimmung angefangen und durchgeführt. Im Hinblick auf die für das Bundessozialgericht (BSG) bindend festgestellten Funktionen des Klägers als Unterarzt in einem Lazarett ist im angefochtenen Urteil weiter zutreffend ausgeführt, für die Schädigung durch die Hungersabotage seien die eigentümlichen Verhältnisse des Wehrdienstes auch nicht etwa als mitwirkende wesentliche Bedingungen anzusehen, zumal der Kläger keine dienstlichen Befehle für seinen ärztlichen Bereich erhalten habe, welche mit seinem ärztlichen Gewissen nicht vereinbar gewesen seien. Selbst dann aber, wenn Anordnungen vorgelegen haben sollten, welche das ärztliche Gewissen des Klägers belastet hätten, wäre nach den unangefochtenen Feststellungen im angefochtenen Urteil hierdurch die freie Willensbestimmung des Klägers nicht eingeschränkt worden. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, bei dem Kläger liege eine absichtlich selbst herbeigeführte Schädigung vor. Eine solche aber gilt nach § 1 Abs. 4 BVG nicht als Schädigung im Sinne des Gesetzes und ist nicht geeignet, Versorgungsansprüche zu begründen.
Wenn der Kläger der Ansicht ist, die Vorinstanz und die Verwaltung hätten zu Unrecht den Beweggründen nicht Rechnung getragen, welche ihn zu seinem Handeln veranlaßt hätten, so kann er hiermit keinen Erfolg haben. Zwar hat er zutreffend auf die alte Fassung der Verwaltungsvorschriften (VV) zum ursächlichen Zusammenhang hingewiesen. Sie lauten:
Der ursächliche Zusammenhang wird durch eigene freie Willensbestimmung des Beschädigten unterbrochen. Der ursächliche Zusammenhang wird nicht unterbrochen, wenn eine rechtfertigende Veranlassung, insbesondere eine arbeitsrechtliche Verpflichtung oder eine sittliche Pflicht zum Handeln besteht.
Diese Darlegungen zum ursächlichen Zusammenhang, insbesondere der Hinweis auf seine Unterbrechung waren rechtsirrig und stimmten mit der Rechtsprechung des BSG zur Frage der für das Gebiet der KOV maßgebenden Ursachenlehre nicht überein. Hier gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG 1, 150, 156); für den Begriff der Unterbrechung des Kausalzusammenhanges, der im Zivilrecht entwickelt worden ist, ist daher kein Raum (s. BSG 19, 139 mit weiteren Hinweisen). Die alte, oben erwähnte Fassung der VV ist deshalb in die späteren Verwaltungsvorschriften nicht mehr aufgenommen worden. Aus ihnen kann der Kläger, zumal sie das Gesetz nicht ändern können, keine Rechte herleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. statt anderem BSG 1, 72 ff, 77 a. E. 78; 16 S. 216 ff, 220, 221), auf welche der Beklagte in der Revisionserwiderung zutreffend hingewiesen hat, kommt es außerdem auf die Motive für das einen Schaden verursachende Handeln versorgungsrechtlich nicht an.
Schließlich ist entgegen der Auffassung der Revision auch die Vorschrift des § 1 Abs. 4 BVG grundsätzlich mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar, weil die Versagung des Versorgungsschutzes nicht die Würde des Menschen berührt. Zum anderen enthält die Feststellung, das Verhalten des Klägers erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 4 BVG für den Kläger nichts Ehrenrühriges. Hierdurch wird seine Würde nicht angetastet. Diese Vorschrift beschneidet nicht seine Befähigung, "seiner selbst bewußt zu werden, sich selbst zu bestimmen und sich und die Umwelt zu gestalten" (Maunz-Dürig, Grundgesetz, 1966). Darüber hinaus kennt das BVG die von der Revision geprägten Begriffe des "unehrenhaften" und "ehrlosen Selbstverstümmlers" nicht; der Versorgungsanspruch ist von einer strafrechtlichen Ahndung einer Selbstverstümmelung unabhängig. Von dieser militärischen Straftat (vgl. § 81 des Militär-Strafgesetzbuches idF vom 10. Oktober 1940 - RGBL I 1348 - sowie § 17 Wehrstrafgesetz vom 30. März 1957 - BGBl I 298 -) unterscheidet sich die Vorschrift des § 1 Abs. 4 BVG dadurch entscheidend, daß sie es als Erfolg des Handelns nicht auf die Dienstuntauglichkeit, sondern auf die herbeigeführte gesundheitliche Schädigung abstellt. In diesem Rahmen aber ist für Erwägungen des Schuldausschlusses oder der Rechtfertigung kein Raum. Im übrigen spielten für den Widerstand des Klägers versorgungsrechtlich geschützte Tatbestände keine Rolle. Der Anwendung des § 1 Abs. 4 BVG auf den vorliegenden Fall steht also das GG nicht entgegen. Damit entfällt auch ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention, da sie insoweit durch Art. 1 Abs. 1 GG ausgefüllt ist.
Die Ausführungen des Klägers über das Recht zum Widerstand brauchen im Rahmen dieses Verfahrens ebenfalls nicht abgehandelt zu werden, schon weil sich sein Widerstand nicht gegen die Wehrmacht richtete und nicht seine Überzeugung als Kriegsdienstverweigerer betraf, sondern er sich vielmehr gegen das von ihm verabscheute nationalsozialistische Gewaltregime, seine Methoden des Raubens und Mordens sowie gegen die Vergewaltigung seines Gewissens hat wenden wollen. Derartige Tatbestände aber werden, wie bereits erwähnt, vom BVG nicht erfaßt. Sie könnten vielleicht nach dem Bundesentschädigungsgesetz berücksichtigt werden. Nach diesem hat der Kläger Ansprüche durchzusetzen versucht.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß das LSG auch § 96 SGG nicht etwa dadurch verletzt hat, daß es nicht über den Bescheid vom 28. August 1964 und den Widerspruchsbescheid vom 9. November 1964 entschieden hat. Diese Bescheide haben eine Versorgung nach § 6 BVG abgelehnt; sie haben die im Streit befangenen Verwaltungsbescheide weder abgeändert noch ersetzt und sind daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden. Im übrigen hat der Kläger insoweit auch keine Rüge erhoben.
Da sonach das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspricht, ist die Revision des Klägers nicht begründet und war nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Fundstellen