Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung vom allgemeinen Notfalldienst
Orientierungssatz
1. Das Gebot, den kassenärztlichen Notfalldienst möglichst gleichmäßig auf die Kassenärzte zu verteilen, rechtfertigt es nicht, einen Kassenarzt wegen irgendwelcher anderen beruflichen Belastungen vom Notfalldienst freizustellen.
2. Ein Kassenarzt kann beanspruchen, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte zum Notfalldienst herangezogen zu werden. Dieser ihm zustehende Anspruch kann dadurch verletzt sein, daß ihm die Freistellung vom allgemeinen Notfalldienst verweigert wird, obwohl er bereits an einem regionalen augenfachärztlichen Notfalldienst teilnimmt. Einen solchen fachärztlichen Notfalldienst hat die KÄV bei Regelung des allgemeinen Notfalldienstes zu beachten, soweit sie ihn in ihre kassenärztliche Versorgung einbezogen hat.
3. Die Tätigkeit im Vorstand des Bezirks der Ärztekammer ist kein zwingender Grund, den Kassenarzt vom ärztlichen Notfalldienst freizustellen.
Normenkette
RVO § 368n Abs 1 Fassung: 1955-08-17, § 368 Abs 3 Fassung: 1976-12-28
Verfahrensgang
Tatbestand
I
Umstritten ist die Heranziehung eines auch belegärztlich tätigen Facharztes zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst.
Der 1940 geborene Kläger ist Facharzt für Augenkrankheiten. Nach seiner Approbation am 31. Januar 1968 leistete er vom Mai 1968 bis Oktober 1969 Dienst bei der Bundeswehr und zwar zunächst als Truppenarzt bei einer Sanitätsstaffel und dann als augenärztlicher Assistent bei einem Flugmedizinischen Institut. Anschließend war er bis Dezember 1972 Assistenzarzt an der Universitätsaugenklinik in T und danach bis Mai 1974 Oberarzt an der Augenklinik der Städtischen Krankenanstalten in B Im Juli 1974 ließ er sich in L als Augenarzt nieder. Er wurde als Kassenarzt zugelassen und an der Versorgung von Ersatzkassenmitgliedern beteiligt. Außerdem erhielt er die Anerkennung als Belegarzt am St. F -Hospital, wo ihm bis zu sieben Belegbetten zur Verfügung stehen.
Sofort nach seiner Niederlassung beantragte er die Freistellung vom allgemeinen ärztlichen Notfalldienst, welcher in L aufgrund einer Notdienstordnung der Bezirksstelle Oldenburg der Beklagten eingerichtet ist. Er machte geltend, infolge seiner langen augenärztlichen Tätigkeit bestünden bei der Behandlung von Allgemeinkrankheiten Unsicherheiten, so daß er aus Gewissensgründen eine Teilnahme am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst ablehnen müsse; außerdem müsse er als operativ tätiger Belegarzt auch am Wochenende zur Versorgung seiner stationären Patienten bereitstehen; schließlich sei ein regionaler augenfachärztlicher Notfalldienst eingeführt. Die Kreisstelle V der Beklagten erteilte daraufhin eine vorläufige Befreiung unter der Auflage, daß der Kläger am fachgebundenen augenfachärztlichen Notfalldienst teilnimmt. Sie wies jedoch ausdrücklich darauf hin, daß die endgültige Entscheidung dem gesamten Bezirksvorstand O vorbehalten sei. Dieser lehnte dann durch Beschluß vom 14. August 1974 den Antrag des Klägers ab, weil in L auch die Fachärzte für den allgemeinen ärztlichen Notfalldienst dringend benötigt würden und nicht zugunsten eines regionalen fachärztlichen Notfalldienstes befreit werden könnten.
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) geht davon aus, daß die Beklagte aufgrund des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages berechtigt sei, die Heranziehung von Kassenärzten und Vertragsärzten zum allgemeinen Notfalldienst durch satzungsmäßige Bestimmungen - hier durch die auf der Satzung der Beklagten beruhende Notdienstordnung ihrer Bezirksstelle O - zu regeln. Nach diesen Bestimmungen sei die Heranziehung des Klägers nicht rechtswidrig. Die Eignung, eine Voraussetzung für die Heranziehung, besitze in aller Regel, wer nach Erlangen der Approbation und Ableistung der kassenärztlichen Vorbereitungszeit an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmen dürfe. Umstände, die für einen Verlust der Eignung sprächen, seien weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Es ergäben sich deshalb auch keine Anhaltspunkte für einen Gewissenskonflikt, in den der Kläger bei Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst geraten könnte. Seine Tätigkeit als Belegarzt rechtfertige es ebenfalls nicht, ihn freizustellen. Als Kassenarzt obliege ihm in erster Linie die ambulante Versorgung der Versicherten, die stationäre Tätigkeit müsse demgegenüber von nebengeordneter Bedeutung bleiben (§ 3 Abs 1 Satz 1 des Belegarztvertrages). Wenn schon die belegärztliche Tätigkeit die Heranziehung zum allgemeinen Notfalldienst nicht ausschließe, dann stünden einer solchen Heranziehung erst recht nicht die vom Kläger geltend gemachten nichtkassenärztlichen Pflichten entgegen, nämlich die Teilnahme an einem auf privater Grundlage organisierten augenfachärztlichen Notfalldienst und die Tätigkeit im Vorstand der Bezirksstelle O der Ärztekammer. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Beklagte andere Augenärzte im Bezirk O nicht zum allgemeinen Notfalldienst heranziehe, denn das Gebot einer gleichmäßigen Belastung erfordere auch die Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse. Die Pflicht des Klägers zur Teilnahme am allgemeinen Notfalldienst kollidiere um so weniger mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) und dem Übermaßverbot des Art 12 GG, als es dem Kläger freistehe, einer etwaigen Überbeanspruchung durch entsprechende Terminsplanung, die im Bereich der stationären augenärztlichen Therapie auf operativem Sektor durchaus möglich sei, entgegenzuwirken. Eine solche Planung sei möglich und zumutbar, denn der Kläger werde nach seinem eigenen Vorbringen nur alle acht Wochen zum allgemeinen Notfalldienst herangezogen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die zugelassene Revision des Klägers. Er rügt, das LSG habe rechtliche und tatsächliche Aspekte unzutreffend gewürdigt und den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt. Der von der Ärztekammer übergreifend organisierte augenfachärztliche Notfalldienst diene überwiegend dem Wohl von Kassenpatienten. Er werde zu diesem Bereitschaftsdienst alle sechs Wochen herangezogen und dadurch stärker belastet als durch den allgemeinen Notfalldienst. Er sei von sämtlichen Augenärzten in seinem Umkreis sowie im südlichen Bereich des Bezirks O der Ärztekammer der einzige, der im allgemeinen Notfalldienst eingesetzt werde. Das LSG habe auch zu Unrecht seiner Tätigkeit im Vorstand der Bezirksstelle der Ärztekammer und der Niederlassung von zwei weiteren Kassenärzten keine Bedeutung beigemessen. Entgegen der Ansicht des LSG könne auch durch eine entsprechende Terminsplanung nicht ausgeschlossen werden, daß zur Zeit des allgemeinen Notfalldienstes postoperative Komplikationen bei den belegärztlich versorgten Patienten aufträten. Die angefochtene Entscheidung sei auch insoweit zu beanstanden, als der von ihm geltend gemachte Gewissenskonflikt nicht anerkannt werde.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Juni 1978 und des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 1976 sowie die Beschlüsse der Beklagten vom 31. Januar 1975 und ihrer Bezirksstelle O vom 14. August 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn vom allgemeinen ärztlichen Notfalldienst freizustellen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Insbesondere hält sie den Hinweis des Klägers auf den fachärztlichen Notfalldienst und eine dadurch gegebene Überbelastung für gegenstandslos, weil die freiwillige, nicht von ihr veranlaßte Teilnahme am fachärztlichen Dienst jederzeit eingestellt werden könnte.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als die Streitsache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist.
Für die Heranziehung des Klägers zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst und die hier angefochtene Ablehnung seiner Freistellung von diesem Dienst ist die Satzung der Beklagten iVm der darauf beruhenden Notdienstordnung ihrer Bezirksstelle O maßgebend. Es handelt sich dabei um Vorschriften, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Die Überprüfung durch den Senat hat sich daher darauf zu beschränken, ob bei der Anwendung dieser Vorschriften, die selbst nicht revisibel sind, höherrangiges Bundesrecht verletzt worden ist (§ 162 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß eine Kassenärztliche Vereinigung den kassenärztlichen Notfalldienst im Rahmen ihrer Satzungsautonomie selbständig regeln kann. Dies hat der erkennende Senat wiederholt entschieden und dabei zur Begründung darauf hingewiesen, daß der vom Gesetz den Kassenärztlichen Vereinigungen erteilte Auftrag, die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen (§ 368n Abs 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-), auch die Sicherstellung eines Notdienstes und Bereitschaftsdienstes umfaßt (BSGE 33, 165, 166; so jetzt ausdrücklich der durch Art 1 § 1 Nr 8 Buchst b des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.12.1976 - BGBl I 3871 - angefügte Absatz 3 des § 368 RVO; vgl auch § 6 Abs 6 des Bundesmantelvertrages - Ärzte). In Abgrenzung zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 12. Dezember 1972 (BVerwGE 41, 261 ff) hat der Senat dargelegt, daß sich die Kassenärzte mit der von ihnen beantragten Zulassung zur Kassenpraxis freiwillig einer Reihe von Einschränkungen ihrer ärztlichen Berufsausübung unterworfen haben, die mit der Einbeziehung in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem notwendig verbunden sind. Mit der Heranziehung zum Notfalldienst werden daher einem Kassenarzt keine neuen Pflichten auferlegt, sondern es wird nur die in der Kassenzulassung enthaltene "soziale Bindung" der ärztlichen Berufsausübung näher konkretisiert. Dafür bedarf es keiner Regelung durch ein förmliches Gesetz, vielmehr genügen insoweit Bestimmungen, die von der kassenärztlichen Vereinigung aufgrund ihrer Satzungsautonomie für ihre Mitglieder erlassen werden (BSGE 44, 252 ff = SozR 2200 § 368n RVO Nr 12).
Diese Regelungsbefugnis der Kassenärztlichen Vereinigung wird jedoch durch die bundesrechtlichen Vorschriften, die sie begründen (§ 368n Abs 1, § 368 Abs 3 RVO), auch begrenzt. Der gesetzliche Auftrag, die ärztliche Versorgung sicherzustellen, schließt in sich ein, daß dies mit geeigneten Mitteln zu geschehen hat. Für den kassenärztlichen Notfalldienst kommen deshalb nur Kassenärzte in Betracht, die mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden vermögen (BSGE 33, 165, 167). Diese Eignung besitzen in der Regel alle Ärzte, die die Voraussetzungen für die Zulassung als Kassenarzt erfüllen. Grundsätzlich sind auch die Fachärzte als geeignet anzusehen, und zwar, wenn für ihr Fachgebiet ein besonderer Dienst eingerichtet ist, in erster Linie für diesen, sonst für den allgemeinen Notfalldienst. Mit wachsender zeitlicher Entfernung von der Approbation und der letzten allgemeinärztlichen Tätigkeit kann sich allerdings die Eignung eines Facharztes für den allgemeinen Notfalldienst mindern oder sogar verlorengehen. Beruft sich der Facharzt auf einen solchen Eignungsverlust, so trägt er hierfür die Feststellungslast (BSGE 44, 252, 258 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 12). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht einen Eignungsverlust des Klägers verneint. Diese tatsächliche Feststellung ist nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffen worden, sie ist daher für den Senat bindend (§ 163 SGG). Der Kläger beanstandet zwar allgemein eine unzutreffende Würdigung tatsächlicher Aspekte und eine ungenügende Sachaufklärung. Hinsichtlich der hier in Frage stehenden Tatsachenfeststellung, der Verneinung eines Eignungsverlustes, sind jedoch keine konkreten Umstände dargelegt worden oder sonst ersichtlich, die einen Verfahrensmangel ergeben. Die verhältnismäßig kurze Zeitspanne zwischen Approbation und Beendigung der angeblich letzten allgemeinärztlichen Tätigkeit bei der Bundeswehr einerseits und der erstmaligen Heranziehung zum allgemeinen Notfalldienst im Juli 1974 andererseits spricht vielmehr gegen einen Eignungsverlust des damals erst 34jährigen Klägers. Schließlich weist das Berufungsgericht in dieser Hinsicht zutreffend auf die kassenärztliche Fortbildungspflicht hin, die auch eine Fortbildung für eine Tätigkeit im Notdienst und Bereitschaftsdienst mitumfaßt (BSGE 44, 252, 258 = SozR 2200 § 368n RVO Nr 12; vgl insoweit auch BVerwGE 41, 261, 264).
Damit steht aber noch nicht fest, daß die Heranziehung des Klägers zum allgemeinen ärztlichen Notfalldienst rechtmäßig ist. Die Eignung des Arztes ist hierfür eine Voraussetzung, die sich aus der Aufgabenstellung und aus der Sicht des zu versorgenden Personenkreises ergibt. Es kommen aber auch Gründe in Betracht, die aus der Sicht des Arztes eine Freistellung von diesem Dienst rechtfertigen können. Der Kläger behauptet, daß solche Gründe hier vorliegen. Die Beklagte und die Vorinstanzen halten sein diesbezügliches Vorbringen für unbeachtlich. Aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die angefochtenen Entscheidungen insoweit rechtmäßig sind oder auf einer Verletzung von Bundesrecht beruhen.
Bezüglich des vom Kläger geltend gemachten Gewissenskonflikts fehlt es allerdings an der erforderlichen Objektivierbarkeit. Dieser subjektive Befreiungsgrund steht mit dem objektiven Befreiungsgrund der Nichteignung des Arztes in engem Zusammenhang. Auch der Kläger beruft sich zur Begründung eines Gewissenskonflikts darauf, daß er infolge seiner langen augenärztlichen Tätigkeit nicht mehr zur Behandlung von Allgemeinkrankheiten befähigt sei. Das Berufungsgericht hat aber - wie bereits erörtert - für den Senat bindend einen Eignungsverlust verneint.
Dagegen sind die vom Kläger dargelegten besonderen beruflichen Belastungen, insbesondere seine Teilnahme an einem augenärztlichen Notfalldienst, bisher nicht ausreichend gewürdigt worden. In dieser Hinsicht kann eine Verletzung von Bundesrecht, vor allem ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Der kassenärztliche Notfalldienst ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Kassenärzte. Er muß so organisiert werden, daß durch ihn alle dafür in Betracht kommenden Ärzte möglichst gleichmäßig belastet werden. Eine Bevorzugung oder Benachteiligung ist zu vermeiden. Der einzelne Arzt hat einen Anspruch darauf, daß er, soweit es die Umstände - insbesondere die Sicherstellung der Notfallversorgung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse - erlauben, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte in gleicher Lage herangezogen wird (BSGE 33, 165, 166; vgl auch BVerwGE 41, 261, 270).
Das Gebot, den kassenärztlichen Notfalldienst möglichst gleichmäßig auf die Kassenärzte zu verteilen, rechtfertigt es zwar nicht, einen Kassenarzt wegen irgendwelcher anderen beruflichen Belastungen vom Notfalldienst freizustellen. Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits entschieden, daß ein Kassenarzt, der belegärztlich tätig ist oder eine Privatklinik betreibt, nicht allein deswegen beanspruchen kann, vom kassenärztlichen Notdienst und Bereitschaftsdienst befreit zu werden (BSGE 44, 260, 263 f = SozR 2200 § 368n RVO Nr 13). Der Senat hat dabei, wie im angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegeben wird, zur Begründung ausgeführt, eine belegärztliche Tätigkeit, die gegenüber der ambulanten Praxis von nebengeordneter Bedeutung ist, oder eine stationäre Behandlung außerhalb der Kassenpraxis darf die Erfüllung der Pflichten, die dem Arzt aus der Beteiligung an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung erwachsen, nicht beeinträchtigen. Aus ähnlichen Erwägungen ist auch die Tätigkeit des Klägers im Vorstand des Bezirks der Ärztekammer kein zwingender Grund, ihn vom ärztlichen Notfalldienst freizustellen.
Der Anspruch des Klägers, nicht in stärkerem Maße als andere Ärzte zum Notfalldienst herangezogen zu werden, kann aber dadurch verletzt sein, daß ihm die Freistellung vom allgemeinen Notfalldienst verweigert wird, obwohl er an einem regionalen augenfachärztlichen Notfalldienst teilnimmt, der die Beklagte in anderen Fällen zur Freistellung veranlaßt haben soll. Es kann zunächst dahinstehen, ob ein Facharzt auch dann stets vom allgemeinen Notfalldienst zu befreien ist, wenn - wie hier - der fachärztliche Notfalldienst nicht von der kassenärztlichen Vereinigung organisiert worden ist. Ein solcher fachärztlicher Notfalldienst ist allerdings bei der Heranziehung eines Facharztes zum allgemeinen Notfalldienst zu beachten, soweit ihn die Beklagte in ihre kassenärztliche Versorgung einbezogen hat. Zwar obliegt es der Beklagten, die kassenärztliche Notfallversorgung sicherzustellen. Sie kann dabei neben einem allgemeinen ärztlichen Notfalldienst auch einen fachärztlichen Dienst einrichten. Besteht aber bereits ein von anderer Seite (von den Ärzten auf freiwilliger Basis oder von der Ärztekammer) organisierter und gut funktionierender fachärztlicher Notdienst oder Bereitschaftsdienst, so kann zunächst hinzunehmen sein, daß die kassenärztliche Vereinigung diesen bei ihrer eigenen Notdienstregelung berücksichtigt. Sie ist dann aber auch gehalten, den fachärztlichen Notfalldienst allen beteiligten Fachärzten gegenüber anzuerkennen. Sie kann nicht in einem Fall die Freistellung vom allgemeinen Notfalldienst mit der Begründung versagen, der fachärztliche Notfalldienst sei nicht von ihr organisiert, wenn sie in anderen Fällen die Befreiung erteilt. Eine unterschiedliche Behandlung wäre nur gerechtfertigt, wenn dies die besonderen örtlichen Verhältnisse erforderten, also in der Regel nur dann, wenn ansonsten der allgemeine Notfalldienst nicht mehr sichergestellt werden könnte oder zumindest gefährdet wäre.
Im vorliegenden Fall ist bisher nicht ausreichend geklärt, ob und in welchem Umfange der vom Kläger als Befreiungsgrund geltend gemachte augenfachärztliche Notfalldienst in die kassenärztliche Notfallversorgung einbezogen worden ist. Im Berufungsurteil wird eingeräumt, daß andere Augenärzte im Bereich des Bezirks O nicht zum allgemeinen Notfalldienst herangezogen werden. Der Kläger behauptet, er sei im südlichen Bereich des Bezirks O der Ärztekammer der einzige Augenarzt, der im allgemeinen Notfalldienst eingesetzt werde. Für einen Zusammenhang der Freistellung anderer Augenärzte mit einem von der Beklagten bei ihrer Notdienstregelung berücksichtigten augenfachärztlichen Notfalldienst spricht der dem Kläger von der Kreisstelle V der Beklagten am 15. Juli 1974 erteilte vorläufige Freistellungsbescheid, der mit der Auflage verbunden war, ab sofort am fachgebundenen augenärztlichen Notdienst teilzunehmen. Einer genaueren Klärung bedarf auch, ob der Kläger eventuell als einziger Augenarzt im südlichen Bereich des Bezirks O zur Sicherstellung des allgemeinen ärztlichen Notfalldienstes an seinem Niederlassungsort benötigt wird und deshalb nicht - wie einige oder alle anderen Augenärzte in seinem Umkreis - dem augenfachärztlichen Notfalldienst überlassen werden kann. Wenn, wie im Berufungsurteil angegeben wird, der Kläger nur in Abständen von acht Wochen allgemeinen Notfalldienst leisten muß, so liegt nahe, daß auch ohne seine Beteiligung die allgemeine Notfallversorgung an seinem Niederlassungsort nicht gefährdet wäre. Bei Prüfung der Sicherstellung dieser kassenärztlichen Versorgung muß nicht davon ausgegangen werden, daß bei einem Ausscheiden des Klägers auch alle anderen in L niedergelassenen Fachärzte freizustellen wären. Die Fachärzte anderer Fachgebiete, für die ein besonderer Notfalldienst nicht besteht, kommen weiterhin für den allgemeinen Notfalldienst in Betracht. Keinesfalls hätte das Berufungsgericht dahingestellt lassen dürfen, ob sich, wie der Kläger behauptet, inzwischen zwei weitere Kassenärzte im Einteilungsbezirk niedergelassen haben. Ob die besonderen Verhältnisse am Niederlassungsort des Klägers einer Freistellung entgegenstehen, erscheint insbesondere auch deshalb fraglich, weil die Kreisstelle der Beklagten in V zunächst eine vorläufige Befreiung erteilte. Wenn auch ihr Bescheid vom 15. Juli 1974 die Beklagte nicht bindet, so spricht er doch dafür, daß aus örtlicher Sicht zunächst keine Bedenken dagegen bestanden, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.
Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, fehlende Tatsachenfeststellungen selbst nachzuholen, muß von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zurückverweisung an die Vorinstanz Gebrauch gemacht werden.
Fundstellen