Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsurteil. Feststellung des Lohnnachweises durch BG
Orientierungssatz
1. Die Vorschriften des SGG § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 verlangen zwar nicht, daß das Gericht auf jeden rechtlichen Gesichtspunkt besonders hinweist, auf den es für die Entscheidung ankommen kann, wenn diese Gesichtspunkte bereits früher im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erörtert worden sind oder auf der Hand liegen. Eine Überraschungsentscheidung ist jedoch anzunehmen, wenn das Gericht einen bisher nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte.
2. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist die durch das GVfVereinfG neu eingeführte Vorschrift des ZPO § 278 Abs 3 zu beachten. Danach darf das Gericht (außer bei einer Nebenforderung) auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, seine Entscheidung nur stützen, wenn es Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Diese Hinweispflicht ist eine Ausgestaltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs.
3. Sieht das Gericht als entscheidungserheblich die Frage an, ob der Beitragsbescheid den gesetzlichen Erfordernissen des RVO § 746 Abs 2 entspricht, so wird die BG durch das Urteil in einer ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Weise überrascht, wenn dieser rechtliche Gesichtspunkt über das Ausmaß der Angaben in einem Beitragsbescheid bei Schätzung der Lohnsumme durch die BG weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erörtert worden ist.
Normenkette
SGG § 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2; ZPO § 278 Abs. 3 Fassung: 1976-12-03; RVO § 743 Fassung: 1963-04-30, § 746 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 01.12.1977; Aktenzeichen L 6 U 288/77) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 15.07.1977; Aktenzeichen S 6 U 16/77) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. Dezember 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Durch Beitragsbescheid für nicht gewerbliche Bauarbeiten vom 6. November 1975 forderte die Beklagte vom Kläger Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von insgesamt 7.512,23 DM. Auf dem Bescheid ist vermerkt: aufgestellt gem § 743 Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Kläger war wiederholten Aufforderungen der Beklagten, Nachweise über die von versicherungspflichtigen Personen beim Bau seines Eigenheimes verrichteten nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten zu erbringen, nicht nachgekommen. Bei der Schätzung der Lohnsumme war die Beklagte davon ausgegangen, daß auf der Baustelle des Klägers in der Gemeinde V mehrfach eine Kolonne Jugoslawen tätig gewesen war. Hinsichtlich deren Höhe stützte sie sich auf eine Lohnkostenberechnung ihres technischen Aufsichtsbeamten vom 2. Oktober 1975, in der die vom Kläger und seiner Ehefrau geleisteten Arbeitsstunden nicht berücksichtigt waren. Die von dem technischen Aufsichtsbeamten für 1972 und 1973 auf insgesamt 72.442,- DM geschätzten Lohnkosten legte die Beklagte der Beitragsberechnung als Lohnsumme zugrunde. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei sich nicht bewußt, bei der Beklagten eine Versicherung eingegangen zu sein. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1976 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Juni 1977). Der Kläger habe in den Jahren 1971 bis 1973 ein Wohnhaus mit Hallenbad errichtet. Weil er nicht gewerbliche Arbeiten habe ausführen lassen, sei er Unternehmer im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Aufgrund der Auskunft des Ortsbürgermeisters in V sei erwiesen, daß der Kläger in größerem Umfang fremde Mitarbeiter gegen Entgelt beschäftigt habe. Es sei festgestellt worden, daß mehrfach an den Wochenenden eine Kolonne Jugoslawen auf der Baustelle tätig gewesen sei. Daß der Kläger den Neubau nur zusammen mit seiner Ehefrau ausgeführt habe, sei unglaubhaft. Als Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten sei der Kläger verpflichtet gewesen, einen Lohnnachweis für jeden Monat spätestens drei Tage nach dessen Ablauf bei der Beklagten einzureichen. Dieser Verpflichtung sei er jedoch nicht nachgekommen, so daß die Beklagte berechtigt gewesen sei, den Lohnnachweis im Wege der Schätzung selbst aufzustellen. Die Schätzung der Lohnkosten durch den technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten sei nicht zu beanstanden.
Auf die Berufung des Klägers, mit der er bestritt, jemand bei seinem Bau beschäftigt zu haben, hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen das erstinstanzliche Urteil sowie die Bescheide vom 6. November 1975 und 13. Dezember 1976 aufgehoben (Urteil vom 1. Dezember 1977). Der Beitragsbescheid eines Trägers der Unfallversicherung müsse nach § 746 Abs 2 RVO die Angaben enthalten, nach denen der Beitragsschuldner die Beitragsberechnung prüfen könne. In denjenigen Fällen, in denen der Träger der Unfallversicherung den Lohnnachweis selbst feststellt (§ 743 RVO), könne der Beitragsschuldner die Beitragsberechnung nur überprüfen, wenn ihm die Grundlagen der Lohnsummenberechnung mitgeteilt werden. Der Kläger habe von Anfang an in Abrede gestellt, daß nicht gewerbliche Arbeiter beim Bau mitgewirkt hätten. Hier habe die Beklagte im Bescheid folglich klarstellen müssen, in welchem Umfang sie vom Gegenteil habe ausgehen können. Es wäre richtig gewesen, dem Kläger die Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten vom 2. Oktober 1975 an die Hand zu geben und darzulegen, warum Eigenleistungen des Klägers und seiner Ehefrau nicht hätten berücksichtigt werden können. Dann hätte der Kläger eine Überprüfung der Beitragsberechnung im Sinne des § 746 Abs 2 RVO vornehmen können. Der Widerspruchsbescheid habe den Mangel des Veranlagungsbescheides nicht geheilt oder beseitigt. Der Hinweis, daß der technische Aufsichtsbeamte die Lohnsumme im Wege der Schätzung ermittelt habe, reiche nicht aus. Das Versäumnis der Beklagten könne das Gericht nicht nachholen. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über eine etwa umstrittene Beitragshöhe selbst zu entscheiden hätten (BSGE 22, 271). Im vorliegenden Fall litten die angefochtenen Beitragsbescheide jedoch an einem Mangel, welcher dem Streit über die Beitragshöhe rechtssystematisch vorgehe; sie entsprächen in ihrer Ausgestaltung und inhaltlichen Vollständigkeit nicht den gesetzlichen Erfordernissen des § 746 Abs 2 RVO. Diese Gestaltung des Beitragsbescheides sei eine nicht vertretbare Handlung des Unfallversicherungsträgers. Nur er lege den Inhalt des Beitragsbescheides fest und könne bestimmen, welche Angaben er im Rahmen des § 746 Abs 2 RVO mache. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit dürften nur überprüfen, ob er dabei richtig verfahren sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet: Für die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides komme es nur auf die materielle Richtigkeit der Feststellung über den Grund und die Höhe der Beitragsschuld an. Die von § 746 Abs 2 RVO geforderte Begründung des Beitragsbescheides habe mit der Feststellung der Beitragsschuld ebensowenig zu tun wie die Begründung eines Rentenbescheides. Das Fehlen der Begründung mache den Bescheid nicht rechtswidrig und unwirksam. Die Vorschrift des § 746 Abs 2 RVO sei lediglich eine reine Formalvorschrift. Ein Verstoß gegen sie ändere nichts an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Sie setze zudem voraus, daß der Beitragsschuldner zuvor von sich aus entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung den Lohnnachweis eingereicht habe. Es sei nicht einzusehen, daß sie dem Beitragsbescheid substantiierte Angaben über die Beitragsberechnung beizufügen habe, wenn der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Vorlage des Lohnnachweises nicht nachgekommen sei und dieser nach § 743 RVO habe geschätzt werden müssen. Ein solches Verlangen verstoße gegen Treu und Glauben. In solchen Fällen müsse ein Hinweis auf § 743 RVO genügen. Vom Rechtsstandpunkt des LSG aus gesehen wäre es im übrigen einfacher und prozeßökonomisch gewesen, ihr eine Ergänzung des Bescheides durch die Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten aufzugeben. Dann hätte das LSG in der Sache entscheiden können. Die Beanstandung des Beitragsbescheides sei nicht praxisnah und nicht praxisfreundlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 1. Dezember 1977 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 15. Juni 1977 zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 31. Januar und 30. März 1978 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Die Beklagte rügt mit dem Vorbringen, das LSG hätte ihr eine Ergänzung des Beitragsbescheides vom 6. November 1975 durch die Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten vom 2. Oktober 1975 aufgeben können, eine Verletzung der dem Vorsitzenden des Gerichts nach den §§ 106 Abs 1 und 112 Abs 2 SGG obliegenden Verpflichtung, die Beteiligten während des Verfahrens über den Sach- und Rechtsstand soweit zu unterrichten, daß sie durch das Urteil nicht überrascht werden (vgl Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 106 Anm 2 b S II/74-39, § 112 Anm 4 S II/74-105, § 128 Anm 4 S II/159; Meyer-Ladewig, SGG § 62 Anm 8). Diese Vorschriften verlangen zwar nicht, daß das Gericht auf jeden rechtlichen Gesichtspunkt besonders hinweist, auf den es für die Entscheidung ankommen kann, wenn diese Gesichtspunkte bereits früher im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erörtert worden sind oder auf der Hand liegen. Eine Überraschungsentscheidung ist jedoch anzunehmen, wenn das Gericht einen bisher nicht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (BVerwG Buchholz 310 § 104 VwGO Nr 9). Insoweit ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren die durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren - VereinfNov - vom 3. Dezember 1976 (BGBl I 3281) neu eingeführte Vorschrift des § 278 Abs 3 ZPO zu beachten. Danach darf das Gericht (außer bei einer Nebenforderung) auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, seine Entscheidung nur stützen, wenn es Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Diese Hinweispflicht ist eine Ausgestaltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Thomas/Putzo, ZPO, § 278 Anm 3). Sofern sich das Gericht im Urteil mit einem rechtlichen Gesichtspunkt auseinandersetzt, auf den keine Partei eingegangen ist, so ist in der Regel davon auszugehen, daß er übersehen wurde (Thomas/Putzo aaO § 278 Anm 3 a).
Das LSG hat seine Entscheidung, daß der Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. November 1975 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1976 aufzuheben seien, ausschließlich darauf gestützt, daß ein Beitragsbescheid, der auf einer Feststellung des Lohnnachweises durch die Berufsgenossenschaft (§ 743 RVO) beruht, nach § 746 Abs 2 RVO Angaben über die Grundlagen der Lohnsummenberechnung enthalten muß. Nach Ansicht des LSG wäre es im konkreten Fall daher richtig gewesen, wenn die Beklagte dem Kläger die Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten vom 2. Oktober 1975 an die Hand gegeben hätte. Dann wäre der Kläger in der Lage gewesen, eine Überprüfung der Beitragsberechnung iS des § 746 Abs 2 RVO vorzunehmen. Dieser rechtliche Gesichtspunkt über das Ausmaß der Angaben in einem Beitragsbescheid bei Schätzung der Lohnsumme durch die Berufsgenossenschaft ist weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren erörtert worden; er liegt auch nicht auf der Hand. Die Beklagte hat im Beitragsbescheid vom 6. November 1975 die (geschätzte) Lohnsumme, die Gefahrklasse und den Beitragsfuß angegeben, was nach Meinung des LSG immer dann iS des § 746 Abs 2 RVO ausreichend ist, wenn die Lohnsumme aus den zutreffenden vom Unternehmer nach § 741 RVO einzureichenden Lohnnachweisen übernommen wird. Obwohl der Kläger einen Lohnnachweis nicht eingereicht hatte und die Beklagte ihn daher aufgrund der Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten vom 2. Oktober 1975 gemäß § 743 RVO selbst aufgestellt hat, lag es nicht auf der Hand, daß der Bescheid auch diese Berechnungsgrundlage enthalten muß, um dem § 746 Abs 2 RVO zu genügen. Daß ein Beitragsbescheid (früher: Heberollenauszug) Angaben enthalten muß, die den Beitragsschuldner in den Stand setzen, die Richtigkeit der Beitragsberechnung nachzuprüfen, ist in die Unfallversicherung bereits durch § 72 Abs 2 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (RGBl 69) eingeführt worden. Welche Angaben im einzelnen zum notwendigen Inhalt eines Beitragsbescheides gehören, ist aber aus der Begründung dieses Gesetzes nicht zu entnehmen. Insbesondere findet sich kein Hinweis für den auch damals schon geregelten Fall, daß ein Unternehmer den Lohnnachweis nicht einreicht und er deshalb von der Berufsgenossenschaft selbst festgestellt werden muß (§ 71 Abs 2 des Unfallversicherungsgesetzes). Im Anschluß an eine Abhandlung in den Amtlichen Nachrichten (AN) des Reichs-Versicherungsamts (AN 1887, 53) werden zu den Angaben, die in einem Beitragsbescheid enthalten sein müssen, die Lohnsumme, die Gefahrklasse und der Beitragsfuß gerechnet (vgl Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 2. Aufl § 754 Anm 8, 3. Aufl § 746 Anm 9; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl S 546 e). Danach hat die Beklagte verfahren. Das SG hat diese Form des Beitragsbescheides nicht beanstandet. Sie wird daher im erstinstanzlichen Urteil überhaupt nicht erwähnt. Im Verfahren vor dem LSG hat der zunächst zum Berichterstatter ernannte Richter Ermittlungen in der Sache angestellt und nach deren Abschluß die Beteiligten um ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gebeten. Nachdem ein anderer Richter zum Berichterstatter ernannt worden war, bestimmte der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung, zu der nur ein Vertreter der Beklagten erschienen war.
Aus den Akten des Berufungsverfahrens kann nicht entnommen werden, daß es nach Meinung des LSG auf die sachliche Begründetheit der Beitragsforderung nicht ankam. Die angestellten Ermittlungen lassen eher auf das Gegenteil schließen. Nach dem Wortlaut der Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 1977 wurde zwar das Sach- und Streitverhältnis mit dem Vertreter der Beklagten erörtert, jedoch ist weder aus dem Protokoll noch aus dem Vorbringen der Beklagten, wie es aus dem Berufungsurteil hervorgeht, ein Hinweis dafür zu gewinnen, die Beklagte sei von dem Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, daß das Berufungsgericht abweichend von der Rechtsauffassung des SG als entscheidungserheblich die Frage ansah, ob der Beitragsbescheid den gesetzlichen Erfordernissen des § 746 Abs 2 RVO entspricht. Wäre dieser rechtliche Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung erörtert worden und hätte die Beklagte etwa darauf beharrt, daß ihr Beitragsbescheid vom 6. November 1975 auch im Hinblick auf § 746 Abs 2 RVO als rechtmäßig anzusehen sei, würde dies, da es die nach Meinung des LSG entscheidende Rechtsfrage betraf, zumindest in den Urteilsgründen zum Ausdruck gekommen sein. Diese enthalten jedoch davon nichts. Naheliegender ist, daß die Beklagte auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts den Beitragsbescheid um die erforderlichen Angaben ergänzt hätte, zumal da der Beklagten diese Angaben in der Berechnung des technischen Aufsichtsbeamten vorlagen. In diesem Fall hätte das LSG den Beitragsbescheid sachlich nachgeprüft.
Angesichts der dargelegten Umstände ist die Beklagte durch das Berufungsurteil in einer ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Weise überrascht worden.
Der Senat konnte in der Sache selbst nicht entscheiden. Denn für eine Sachentscheidung fehlt es in dem angefochtenen Urteil an den dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, die das LSG, von seinem Standpunkt aus zu Recht, nicht getroffen hat. Eine Stellungnahme zu der Frage, welche Angaben in einem Beitragsbescheid nach § 746 Abs 2 RVO gemacht werden müssen, wenn die Berufsgenossenschaft den Lohnnachweis gemäß § 743 RVO selbst aufgestellt hat, hält der Senat im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens für untunlich.
Das angefochtene Urteil war daher nach § 170 Abs 2 Satz 2 SGG aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen