Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht, Beitragsbefreiung und Beitragshöhe zur Familienausgleichskasse. Satzungsautonomie. Ausgleich zwischen einzelnen Familienausgleichskassen

 

Orientierungssatz

1. Die Familienausgleichskassen sind ermächtigt, das Nähere über die Berechnung der Beiträge und die Befreiung von der Beitragspflicht durch Satzung zu bestimmen.

2. Die Höhe des auf den einzelnen Beitragspflichtigen entfallenden Betrags richtet sich nach den gesamten Aufwendungen, die der FAK aus der Durchführung ihrer Aufgaben innerhalb des Berechnungszeitraumes (Kalenderjahr) erwachsen sind. Diese Aufwendungen werden nach der in der Satzung der FAK jeweils festgelegten Bemessungsgrundlage auf alle Beitragspflichtigen umgelegt.

3. Nach KGG § 14 Abs 3 ist der Gesamtverband verpflichtet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den einzelnen Familienausgleichskassen durchzuführen, wenn die Aufbringung der Mittel zu unzumutbaren Unterschieden der durchschnittlichen Belastung der Beitragspflichtigen bei den einzelnen Familienausgleichskassen führt.

 

Normenkette

KGG § 14 Abs. 3 Fassung: 1964-04-14, § 10 Abs. 1 Fassung: 1964-04-14, § 11 Abs. 1 Fassung: 1957-07-27

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.02.1964)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 31.05.1960)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Februar 1964 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Mai 1960 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger, ein selbständiger Helfer in Steuersachen, meldete sich im Mai 1955 bei der beklagten Familienausgleichskasse (FAK) und diese forderte von ihm 1956 als Beitragspflichtigen nach dem Kindergeldgesetz (KGG) den Beitrag für das Jahr 1955 sowie einen Vorschuß für das Jahr 1956 mit insgesamt 60,- DM. Stundung oder Befreiung lehnte die Beklagte ab. Desgleichen versagte sie eine Ermäßigung des Beitrags, weil die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung seines Finanzamtes ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 4.800,- DM, nämlich 5.956,- DM für das Kalenderjahr 1955 auswies. Mit Bescheid vom 13. Oktober 1958 errechnete die Beklagte für den Kläger einen Selbständigen-Beitrag von 50,- DM für das Kalenderjahr 1957 und den gleichen Betrag als Vorschuß für das Jahr 1958 sowie einen Restbetrag von 36,- DM für das Kalenderjahr 1956. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Nach Hinweis auf die nach ihrer Satzung bestehenden Befreiungs- und Ermäßigungsmöglichkeiten forderte dann die Beklagte mit Heberollenauszug vom 25. August 1959 vom Kläger endgültig den Beitrag für das Jahr 1958 in Höhe von 40,- DM sowie einen Vorschuß für das Jahr 1959 in gleicher Höhe an. Zusammen mit dem Beitragsrückstand aus früheren Jahren bezifferte sie ihre Gesamtforderung auf 166,- DM. Auch dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Die mit Verfügung vom 1. Dezember 1959 angeordnete Zwangsvollstreckung wendete der Kläger durch Zahlung des Gesamtbetrages unter Vorbehalt aller Rechte ab. Mit Bescheid vom 25. Januar 1960 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten seine Widersprüche zurück. Der Kläger erhob hiergegen am 23. Februar 1960 Klage beim Sozialgericht (SG) mit der Begründung, die Vorschriften des KGG über die Aufbringung der Beiträge seien verfassungswidrig. Das SG wies mit Urteil vom 31. Mai 1960 die Klage als unbegründet ab, weil nach höchstrichterlicher Rechtsprechung das KGG nicht verfassungswidrig sei.

Die Berufung des Klägers vom 27. Juni 1960 hatte Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) änderte mit Urteil vom 19. Februar 1964 die Entscheidung des SG ab und hob die Beitragsrechnungen der Beklagten sowie den Widerspruchsbescheid auf. Die von dem Gesamtverband nach § 14 Abs. 3 KGG angewendeten Ausgleichsgrundsätze verstießen gegen den Grundsatz der Lastengleichheit. Es könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, den im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Belastung der Wirtschaft angeordneten Ausgleich nur auf eine höhere Ebene zu beschränken und die dabei erzielten Vorteile nicht den Beitragspflichtigen, insbesondere der Gruppe der Selbständigen, zukommen zu lassen. Bereits aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 3 KGG folge, daß die sich aus dem Ausgleich ergebenden Wohltaten den Beitragspflichtigen gutzubringen seien. In erster Linie solle damit erreicht werden, daß bei der durchschnittlichen Belastung der Beitragspflichtigen keine unzumutbaren Unterschiede gegenüber anderen Familienausgleichskassen auftreten. Wenn auch der Ausgleich vom Gesamtverband vorgenommen werde, so habe doch die Beklagte die Pflicht gehabt, den Gesamtverband durch Hinweise und Anregungen zu einem dem Gesetz entsprechenden Ausgleich zu bewegen. Da es FAKen gebe, die von Selbständigen mit einem Jahreseinkommen von mehr als 6.000,- DM keine Beiträge erheben, sei die dem Kläger auferlegte Beitragslast in der strittigen Höhe unzumutbar. Die Beklagte habe somit bei der Festsetzung der Umlage ermessensfehlerhaft gehandelt. Sie habe den Kläger unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens neu zu veranlagen.

Revision wurde zugelassen.

Die Beklagte legte form- und fristgerecht Revision ein und beantragte,

unter Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils in völliger Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das in vollem Umfang wiederherzustellende Urteil des SG Stuttgart vom 31. Mai 1960 und in völliger Wiederherstellung der Beitragsrechnungen der Beklagten vom 13. Oktober 1958 und vom 25. August 1959 idF des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 25. Januar 1960, die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil mit dem ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Sie trägt im wesentlichen vor, die vom Gesamtverband aufgestellten Ausgleichsgrundsätze stellten einen Akt autonomer Rechtssetzung dar, dessen richterliche Nachprüfung beschränkt sei. Der Ausgleich nach § 14 Abs. 3 KGG stelle auch nicht auf die Einzelbelastung ab, sondern allein auf die Durchschnittsbelastung der Beitragspflichtigen bei den einzelnen FAKen . Zur Berechnung dieser durchschnittlichen Belastung stelle der Gesamtverband die Lohnsumme in den einzelnen FAKen fest und setze sie zu dem jeweiligen Bedarf der betreffenden FAKen ins Verhältnis. Dabei ergebe sich ein bestimmter Vomhundertsatz, der die Grundlage für den Ausgleich darstelle. Dieses Verfahren über den innergewerblichen Ausgleich habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluß vom 10. Mai 1960 (BVerfGE 11, 105) nicht beanstandet und für verfassungsgemäß angesehen, obwohl ein Unterschied von 10 % der Durchschnittsbelastung unberücksichtigt bleibt. Auch das Verfahren der Beklagten zur Feststellung der Beitragshöhe der einzelnen Beitragspflichtigen, nämlich die Erhebung des Beitrags nach Kopfbeiträgen, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zulässig und beruhe auf der autonomen Satzungsgewalt. Soweit einzelne FAKen die Gruppe der Selbständigen unterschiedlich bezüglich der Beitragspflicht behandelten, läge dies ebenfalls allein in der Entscheidungsgewalt der einzelnen FAKen . Im übrigen kenne das KGG selbst eine Reihe von Differenzierungen, die eine unterschiedliche Beitragshöhe ermöglichten. So habe das Gesetz vorgesehen, daß bei einem Selbständigen mit Einkommen von weniger als 4.800,- DM Beitragsfreiheit bestehe, jedoch könne eine FAK nach ihrer Satzung einen Beitrag bis zu 12,- DM verlangen. Insbesondere lasse die gesetzliche Regelung zu, daß die FAKen im Wege ihrer Rechtsetzungsbefugnis weitere Befreiungsmöglichkeiten in ihre Satzungen aufnehmen könnten. Inwieweit eine FAK davon Gebrauch mache, habe sie jedoch allein zu entscheiden. Eine solche Entscheidung sei aber, wenn sie von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt wird, unantastbar. Die Beitragsbescheide der Beklagten seien zu Recht ergangen, weil die Beklagte bei der Beitragsfestsetzung weder willkürlich noch ermessensfehlerhaft gehandelt habe.

Der Kläger beantragte,

die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er schließt sich der Begründung des Berufungsurteils vollinhaltlich an und trägt zusätzlich vor, die Beklagte verstoße deshalb gegen das Gesetz, weil sie den Kläger zu einer jährlichen Beitragsleistung zwischen 40,- und 50,- DM herangezogen habe, während Selbständige bei anderen FAKen beitragsfrei seien. Damit sei der Grundsatz der Lastengleichheit verletzt. Die Beitragsbescheide müßten deshalb als fehlerhaft aufgehoben werden.

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Revisionsklägerin ist die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als Rechtsnachfolgerin der nach §§ 33 Abs. 2 Satz 1, 47 Satz 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vom 14. April 1964 (BGBl I 265) mit Ablauf des 30. Juni 1965 aufgelösten beklagten Familienausgleichskasse (FAK). Sie ist nach § 33 Abs. 2 Satz 2 BKGG in deren Rechte und Verbindlichkeiten, damit auch in den vorliegenden - von ihr aufgenommenen - Rechtsstreit eingetreten.

Gegenstand der Klage und des Rechtsmittelverfahrens sind allein die Beitragsbescheide der beklagten FAK vom 13. Oktober 1958 und 25. August 1959 sowie der Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1960, mit denen sie vom Kläger Beiträge für seine Person verlangte.

Die Heranziehung des Klägers zu Beiträgen in der geforderten Höhe ist rechtswirksam.

Nach § 10 Abs. 1 KGG ist beitragspflichtig, "wer für Arbeitnehmer, Selbständige oder mithelfende Familienangehörige Beiträge zu den Berufsgenossenschaften nach dem Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufzubringen hat oder hätte, wenn diese Personen versichert wären". Entsprechend dem Zweck und Inhalt dieser Vorschrift sind danach beitragspflichtig die Unternehmer sowohl für ihre eigene Person ("für Selbständige") als auch für ihre versicherten Arbeitnehmer und mithelfenden Familienangehörigen (vgl. BVerfG 11, 105 ff; BSG 6, 213, 234; Witting/Meier, Kindergeld-Handbuch, § 10 KGG Anm. 4; Käß, Kindergeldgesetz, § 10 Anm. 1; Sixtus/Haep, Kindergeldgesetze, § 10 KGG; BT-Drucks. 704 S. 4, II. Wahlperiode 1953).

Die Mittel für den Bedarf der FAKen werden nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 KGG durch Erhebung von Beiträgen im Wege einer Gesamtumlage aufgebracht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 9 KGG (idF vom 23. Dezember 1955) sind die FAKen ermächtigt, das Nähere über die Berechnung der Beiträge und die Befreiung von der Beitragspflicht durch Satzung zu bestimmen (in der Fassung des KGG vom 27. Juli 1957 enthält Satz 8 diese Regelung). Einen eigenen Beitragsmaßstab bestimmt das KGG nicht. Nach § 29 KGG sind aber insoweit die für die Aufbringung der Mittel der Berufsgenossenschaften (BGen) - mit Ausnahme der Tiefbau-BGen - geltenden Vorschriften der RVO nebst den zur Änderung, Ergänzung oder Durchführung erlassenen Vorschriften sinngemäß anzuwenden (BVerfG 11, 105; BSG 16, 50, 52). Die danach den BGen und damit auch den FAKen offenstehenden Bemessungsgrundlagen, die Beiträge nach der Lohn- oder Gehaltssumme zu bemessen oder aber Kopfbeiträge zu erheben, sind - wie sowohl das BVerfG als auch der erkennende Senat bereits entschieden haben - sachlich vertretbar und zulässig (vgl.: BVerfG aaO; BSG 16, 50 ff mit weiteren Hinweisen). Die Höhe des auf den einzelnen Beitragspflichtigen entfallenden Betrags richtet sich nach den gesamten Aufwendungen, die der FAK aus der Durchführung ihrer Aufgaben innerhalb des Berechnungszeitraumes (Kalenderjahr) erwachsen sind. Diese Aufwendungen werden nach der in der Satzung der FAK jeweils festgelegten Bemessungsgrundlage auf alle Beitragspflichtigen umgelegt (Lauterbach/Wickenhagen, Die Kindergeld-Gesetzgebung, § 11 Anm. 4 KGG). Wenn im vorliegenden Fall die beklagte FAK die Ermittlung des erforderlichen Bedarfs allein nach der Zahl der Personen, für die Beiträge zu erheben sind (Kopfbeiträge), vorgenommen hat, ist dieses Verfahren grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil es den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Die Beklagte hat den auf den Kläger entfallenden Beitrag auf diese Weise errechnet, daß sie die Gesamtaufwendungen durch die Zahl der Vollarbeiter und beitragspflichtigen Selbständigen dividierte. Dies steht im Einklang mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 KGG und ist durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt.

Trotz dieser an sich zulässigen Beitragsberechnung können aber aus der unterschiedlichen Gesamtlast, die sich für jede FAK aus ihrer sozialen und wirtschaftlichen Struktur sowie aus abweichenden Berechnungsarten ergibt, erhebliche Unterschiede in der Beitragshöhe für die Beitragspflichtigen bei den einzelnen FAKen auftreten. Da die Beiträge nicht von der in einer FAK organisierten Berufsgruppe aufgebracht werden sollten, sondern von der gesamten Wirtschaft als solcher (BSG 6, 213, 225), könnte aus der Beitragsberechnung eine Ungleichbehandlung erwachsen. Deshalb schreibt § 14 Abs. 3 KGG vor, daß der Gesamtverband einen angemessenen Ausgleich zwischen den FAKen durchzuführen hat, wenn die Aufbringung der Mittel zu unzumutbaren Unterschieden der durchschnittlichen Belastung der Beitragspflichtigen bei den einzelnen FAKen führt. Die Bestimmungen über die Durchführung dieses Ausgleichs hat der Gesamtverband in dem "Beschluß des Vorstands der Familienausgleichskassen über den innergewerblichen Ausgleich" vom 24. April 1957 (Witting/Meier, aaO D-II-5) niedergelegt. Danach ermittelt der Gesamtverband die durchschnittliche Belastung der Beitragspflichtigen, indem er die Lohnsumme der Mitgliedsunternehmer einer FAK dem Bedarf dieser Kasse gegenüberstellt. Der daraus errechnete Vomhundertsatz der Lohnsumme stellt die durchschnittliche Belastung dar. Der Gesamtverband führt nach Nr. 1 seiner Grundsätze dann einen Ausgleich durch, wenn der Unterschied in der durchschnittlichen Belastung zwischen den FAKen mehr als 10 % beträgt. Je nachdem, ob eine FAK über oder unter diesem Prozentsatz liegt, ist sie entweder ausgleichspflichtig oder ausgleichsberechtigt. Obgleich dieser Ausgleich, der sich nach § 14 Abs. 3 KGG nur auf die durchschnittliche Belastung der Beitragspflichtigen bei den einzelnen FAKen beschränkt, keine völlige Angleichung der Beiträge der einzelnen Pflichtigen herbeiführt, muß er sachlich und rechtlich als vertretbar gelten. Das BVerfG hat in seinem Beschluß vom 10. Mai 1965 (Bd. 11, 105 ff) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß verfassungsrechtlich ein voller Ausgleich nicht geboten sei, weil die Verschiedenheit der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den einzelnen Wirtschaftszweigen eine alle befriedigende Lösung unmöglich mache. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung, wie er auch schon in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1957 (BSG 6, 213 ff) zum Ausdruck gebracht hat. Soweit der Kläger durch die Anwendung dieser Ausgleichsgrundsätze des Gesamtverbandes einen höheren Beitrag als Selbständige bei anderen FAKen zu tragen hat, kann daraus nicht gefolgert werden, der gesamte innergewerbliche Ausgleich sei rechtswidrig. Die Anwendung dieser Ausgleichsgrundsätze läßt für eine willkürliche Verwaltungsausübung der einzelnen FAKen keinen Raum. Im übrigen sieht das Gesetz eine Ausgleichspflicht unmittelbar zwischen den einzelnen Beitragspflichtigen (Betroffenen) gerade nicht vor; vielmehr soll allein der Unterschied der durchschnittlichen unzumutbaren Belastung der Beitragspflichtigen bei den einzelnen FAKen beseitigt werden. Hierbei ist es durchaus möglich, daß die einzelnen Beitragspflichtigen zu einer Beitragszahlung von unterschiedlicher Höhe herangezogen werden (Lauterbach/Wickenhagen, § 14 KGG Anm. 22).

Die Bescheide der Beklagten könnten aber insoweit rechtswidrig erscheinen, als der Kläger nach ihrer Satzung als selbständiger Unternehmer beitragspflichtig ist, während andere Selbständige in der gleichen Lage bei anderen FAKen der Beitragspflicht nicht unterliegen. In dieser Tatsache erblickt auch der Kläger den entscheidenden Gesetzesverstoß, der nach seiner Ansicht zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung führe.

Die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten hängt zunächst davon ab, ob sie den Kläger als Selbständigen zur Beitragspflicht heranziehen durfte. Wie bereits ausgeführt, sind die Unternehmer für ihre eigene Person gemäß § 10 Abs. 1 KGG ebenso wie ihre Arbeitnehmer oder mithelfenden Familienangehörigen grundsätzlich beitragspflichtig. Nach § 11 Abs. 1 KGG werden Selbständige nur dann von der Beitragspflicht befreit, wenn ihr Einkommen 4.800,- DM (idF des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften des Kindergeldgesetzes vom 27. Juli 1957 - KGÄndG - BGBl I 1061 - sowie idF des Kindergeldergänzungsgesetzes - KGEG - vom 23. Dezember 1955 - BGBl I 841 -) oder später 6.000,- DM (idF des 2. KGÄndG vom 16. März 1959 - BGBl I 153 -) nicht übersteigt. Zusätzliche Möglichkeiten der Befreiung von der Beitragspflicht sind nach § 11 Abs. 1 KGG vorgesehen. Danach werden die FAKen ermächtigt, in ihren Satzungen zu bestimmen, daß weitere Gruppen von Beitragspflichtigen befreit sind, wenn das von ihnen zu erwartende Beitragsaufkommen in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Beitragseinziehung stehen würde. Andererseits konnten die FAKen nach § 11 Abs. 1 Satz 4 KGG idF vom 23. Dezember 1955 beitragsfreie Selbständige, deren Einkommen jährlich 4.800,- DM nicht überstieg, satzungsgemäß mit einem Beitrag bis zu 12,- DM belegen. Diese Vorschrift galt bis zum 31. Dezember 1957 (KGÄndG vom 27. Juli 1957). Das KGÄndG vom 27. Juli 1957 ermächtigte die FAKen , durch eigene Satzung Unternehmer von der Beitragspflicht zu befreien, wenn in ihren Unternehmen die von den Arbeitnehmern geleistete Zahl der Arbeitstage 300 im Jahr nicht übersteigt. Alle diese verschiedenen gesetzlichen Ermächtigungen gaben den einzelnen FAKen die Befugnis, für ihren Zuständigkeitsbereich kraft autonomer Gewalt Recht zu setzen (Ennecerus/Nipperdey, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Allgemeiner Teil, 15. Aufl., 1959, S. 277 ff; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1961, S. 129, 420). Die Satzungsbestimmungen einer FAK müssen sich freilich als Akt autonomer Rechtssetzung innerhalb der durch die Ermächtigungsnorm des § 11 Abs. 1 KGG gezogenen Grenzen halten (BSG SozR § 143 b AVAVG Nr. 1; Bogs, SGb 1962, 129; Krebs, DOK 1959, 193). Soweit danach eine FAK innerhalb dieser Ermächtigung die eigene Satzungsgewalt ausgeübt hat, schuf sie dadurch objektives Recht, dessen Nachprüfung den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gestattet ist (Lauterbach/Wickenhagen, § 14 KGG Anm. 7 und 23).

Die Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen von dem Kläger ergibt sich aus § 10 Abs. 1 KGG (Lauterbach/Wickenhagen, § 11 KGG Anm. 8). Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG für das Kalenderjahr 1955 mit einem Einkommen von 5.956,- DM zur Einkommensteuer veranlagt war, konnte für ihn die Befreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 KGG idF vom 23. Dezember 1955 nicht zur Anwendung kommen. Eine Befreiungsmöglichkeit für Selbständige allgemein sieht die Satzung der Beklagten nicht vor. Allein das Fehlen einer derartigen Bestimmung, zu deren Erlaß die FAK gesetzlich ermächtigt war, macht die Beitragsbescheide der Beklagten indessen nicht rechtswidrig. Dies gilt auch dann, wenn andere FAKen im Gegensatz zu der Beklagten, von einer solchen Befugnis zur Befreiung weiterer Beitragspflichtigen in ihren Statuten Gebrauch gemacht haben. Einerseits kann zwar nicht übersehen werden, daß eine großzügige Handhabung der Befreiung zu einer nicht unerheblichen Veränderung des Durchschnittsbeitragssatzes führen kann; andererseits steht es jedoch allein im Ermessen einer FAK, ob sie eine Befreiungsbestimmung für einen besonderen Personenkreis in ihre Satzung aufnimmt oder nicht. Allein die Tatsache, daß andere FAKen Satzungsbestimmungen kennen, nach denen Selbständige für ihre eigene Person beitragsfrei sind, während die Beklagte keine derartige Bestimmung in ihrer Satzung vorsieht, rechtfertigt nicht den Schluß, die Beklagte habe insoweit ermessensfehlerhaft gehandelt. Inwieweit allenfalls Befreiungsbestimmungen anderer FAKen von der Ermächtigungsnorm des § 11 Abs. 1 KGG nicht getragen werden, bleibt für die vorliegende Entscheidung unerheblich. Tatsächliche Feststellungen in dieser Hinsicht hat das LSG nicht getroffen. Sie wären aber auch hier ohne rechtliche Bedeutung, da sie nicht dazu führen könnten, daß dem Kläger ebenfalls Anspruch auf Beitragsbefreiung zustände. Da der Gesetzgeber den FAKen die Ermächtigung eingeräumt hat, in eigener Zuständigkeit über die Befreiung weiterer bestimmter Personengruppen von der Beitragspflicht zu befinden und da insoweit die Satzungsautonomie nicht durch zwingende Rechtsnormen beschränkt ist, hat eine Entscheidung - sei sie positiv oder negativ - Rechtswirksamkeit und Bestand, es sei denn, sie wäre willkürlich. Anhaltspunkte für sachfremde oder vernunftwidrige Erwägungen bei der Aufstellung und Anwendung der Satzung durch die Beklagte sind aber nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Diese hat sich vielmehr mit den zur Wahrung und Förderung ihrer vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben geschaffenen autonomen Normen im gesetzlichen Ermächtigungsrahmen gehalten.

Fehlsam ist ferner die Ansicht, der innergewerbliche Ausgleich zwischen den einzelnen FAKen nach § 14 Abs. 3 KGG sei deshalb rechtswidrig, weil der Kläger bei seiner FAK beitragspflichtig ist, während Selbständige bei anderen FAKen der Beitragspflicht nicht unterliegen. Der Ausgleich nach § 14 Abs. 3 KGG, der allein auf die Durchschnittsbelastung der Beitragspflichtigen abhebt, ist durchaus unabhängig davon, ob eine FAK von dem ihr gesetzlich eingeräumten Recht, eine satzungsmäßige Befreiung von der Beitragspflicht festzusetzen, Gebrauch gemacht hat oder nicht. Er ist allein vom Gesamtverband kraft Gesetzes durchzuführen, ohne daß der Beklagten hierauf ein Einfluß zustände. Wer beitragspflichtig ist und gegebenenfalls in welcher Höhe, entscheidet grundsätzlich die einzelne FAK für ihren Bereich. Die Funktion des Ausgleichs besteht nicht darin, die Beitragssätze der einzelnen Beitragspflichtigen (Betroffenen) völlig anzugleichen, sondern zielt nach dem im Wortlaut zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nur dahin, eine unzumutbare durchschnittliche Belastung zu beseitigen. Auch dient der Ausgleich nach § 14 Abs. 3 KGG nicht dazu, wie das LSG offenbar annahm, satzungsmäßige Ausnahmebestimmungen über die Beitragspflicht einzelner Personen im Wege finanzieller Umlegung zu beseitigen. Dadurch würde die autonome Satzungsgewalt der einzelnen FAK praktisch in einem Kernbereich aufgehoben.

Da nach alledem die Beitragsbemessung seitens der Beklagten sich im gesetzlichen Rahmen hält und weder eine Ermessensüberschreitung noch ein Ermessensmißbrauch festzustellen ist, sind die an den Kläger ergangenen Beitragsbescheide von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Auf die begründete Revision der Beklagten hin war daher das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2347459

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