Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszuschuß für einen in Argentinien lebenden Rentner
Leitsatz (amtlich)
Die Einbeziehung des Rentners in ein ausländisches Krankenschutzsystem schließt einen Anspruch auf den Beitragszuschuß nur aus, wenn die Leistungsbedingungen des ausländischen Systems den in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zur gleichen Zeit bestehenden entsprechen oder von ihnen zum Nachteil der Berechtigten allenfalls unwesentlich oder geringfügig abweichen (Anschluß an BSG 1979-08-02 11 RJz 5/78, teilweise Aufgabe von BSG 1978-09-15 11 RAz 1/78 = BSGE 47, 64-68).
Leitsatz (redaktionell)
Die Betreuung eines in Argentinien lebenden Rentners in der argentinischen Gesundheitsfürsorge schließt den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 S 2 aF in der bis zum 1977-07-01 geltenden Fassung und ab 1977-07-01 nach RVO § 1304e nicht aus, weil die Leistungsbedingungen am Wohnort wegen der Eigenleistung bei stationärer Behandlung und Medikamenten von denen in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung mehr als geringfügig abweichen.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1304e Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 24.04.1979; Aktenzeichen L 6 Ar 165/78) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 28.02.1978; Aktenzeichen S 15 Ar 365/77) |
Gründe
I.
Die in Florida-Buenos Aires (Argentinien) lebende Klägerin bezieht von der Beklagten seit Dezember 1975 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; der Rentenbescheid enthält den Zusatz, daß über den Antrag auf Beitragszuschuß zur privaten Krankenversicherung gesondert entschieden werde. Im Februar 1977 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung dieses Beitragszuschusses. Sie legte eine Bescheinigung des "Centro Gallego de Buenos Aires" vom 1. Dezember 1975 vor, wonach sie Mitglied dieser Institution ist und diese ihr volle stationäre und ambulante ärztliche Behandlung sowie Versorgung mit Medikamenten gewährt. Die Beitragsleistung beträgt monatlich 250 Pesos Ley 18188. Weiter erklärte die Klägerin, daß sie keine argentinische Rente oder Staatspension erhalte.
Die Beklagte lehnte die Gewährung eines Beitragszuschusses mit der Begründung ab, alle Einwohner Argentiniens hätten nach dortigem Recht einen Anspruch auf eine kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge, die im Kern einer deutschen Krankenkostenvollversicherung entspreche. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Klägerin innerhalb der argentinischen Gesundheitsfürsorge Leistungsansprüche habe, die sich im wesentlichen mit den Ansprüchen im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung deckten. Auf die Effektivität des Krankenschutzes komme es nicht an. Unerheblich sei auch, daß die Klägerin hierfür finanzielle Mittel aufwenden müsse. Der argentinische Krankenschutz sei - abgesehen von der Versorgung mit Medikamenten - unentgeltlich; nur für die Stadt Buenos Aires sei durch Verordnung vom 20. Juli 1976 bestimmt worden, daß - von Ausnahmen für hier nicht in Betracht kommende Personenkreise abgesehen - für die Behandlung in den von der Stadt unterhaltenen Krankenhäusern und durch Vertragsärzte Gebühren zu entrichten seien. Diese Gebühren seien ab 1. Dezember 1976 für stationäre Behandlung und ab 1. März 1977 für ambulante Behandlung eingeführt worden. Der Tagessatz für stationäre Behandlung betrage etwa 10,- DM.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin (nach Einschränkung des ursprünglichen Antrags),
die Entscheidungen der Vorinstanzen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung des Beitragszuschusses ab 1. Dezember 1976 zu verurteilen.
Sie macht geltend, ein ausländischer Krankenschutz schließe einen Anspruch auf Beitragszuschuß nur aus, wenn seine Leistungen denen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung im wesentlichen entsprächen. Dies sei hier nicht der Fall. Die Klägerin müsse für die Inanspruchnahme stationärer Leistungen finanzielle Mittel in nicht unbeachtlicher Höhe aufwenden; das sei keine Frage der Effektivität. Das LSG habe es zu Unrecht unterlassen, den Umfang der Beteiligung der Klägerin an den Kosten ihres Krankenschutzes aufzuklären.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet.
Ein Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 381 Abs 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 1. Juli 1977 geltenden Fassung (RVO aF) und - ab 1. Juli 1977 - nach § 1304e RVO setzt voraus, daß der Berechtigte eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, nicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, aber entweder bei einem Krankenversicherungsträger freiwillig oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen privat gegen Krankheit versichert ist. Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG hier erfüllt. Insbesondere genügt die Mitgliedschaft der Klägerin beim "Centro Gallego de Buenos Aires" den Anforderungen, die an die private Krankenversicherung zu stellen sind.
Dem Anspruch auf Beitragszuschuß steht dabei nicht entgegen, daß sich der Rentner im Ausland aufhält (vgl BSGE 31, 288). Der Gleichheitssatz (Art 3 des Grundgesetzes - GG -) gebietet allerdings einen Ausschluß des nach dem Gesetzeswortlaut an sich gegebenen Anspruchs dort, wo der Rentner von einem ausländischen gesetzlichen Krankenschutzsystem als Pflichtmitglied erfaßt wird (vgl SozR 2200 § 381 Nr 30). Eine solche Einschränkung ist jedoch, wie der erkennende Senat zuletzt in seinem Urteil vom 2. August 1979 - 11 RJz 5/78 - dargelegt hat, nur gerechtfertigt, wenn das ausländische Leistungssystem im Leistungsumfang dem der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung im wesentlichen gleicht. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, daß die Einbeziehung in das ausländische Leistungssystem einen aus Gründen der Gleichbehandlung mit Inlandsrentnern geschaffenen Ausnahmetatbestand darstellt. Deshalb kann hierfür eine bloß "annähernde" Gleichheit des Leistungsumfangs nicht genügen. Zu fordern ist vielmehr die wirklich wesentliche Gleichheit. Dieses Erfordernis hat der Senat in der Entscheidung vom 2. August 1979 dahin präzisiert, daß die Leistungsbedingungen des ausländischen Systems von den in der gesetzlichen Krankenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zur gleichen Zeit bestehenden zum Nachteil der Berechtigten allenfalls unwesentlich oder geringfügig abweichen dürfen. Hieran hält der Senat auch bei seiner heutigen Entscheidung fest. Soweit er in früheren Entscheidungen (Urteil 11 RAz 1/78 vom 15. September 1978) noch einen nicht in derselben Weise begrenzten Maßstab angelegt hat, gibt er diese Auffassung auf. Nach den Feststellungen des LSG weichen aber die Leistungsbedingungen der staatlichen Gesundheitsfürsorge in Argentinien, soweit sie die Klägerin betreffen, in der noch streitigen Zeit ab 1. Dezember 1976 von den in der gleichen Zeit in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden mehr als geringfügig ab. Das ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin nicht nur die Versorgung mit Medikamenten bezahlen, sondern ab 1. Dezember 1976 auch Gebühren in Höhe von täglich etwa 10,- DM bei stationärer Behandlung bezahlen muß. Eine solche Abweichung kann immerhin Grund genug für eine zusätzliche Kostenabsicherung durch eine private Krankenversicherung sein, deren ein im Inland pflichtversicherter Rentner nicht bedarf.
Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die Gebühren nicht ab 1. Dezember 1976 umfassender als vom LSG angenommen waren (vgl das Urteil des Senats vom 2. August 1979) und daß ab 1. März 1977 weitere Gebühren für ambulante Behandlung und ab 1. April 1977 für Laboranalysen hinzutraten. Schon die vom LSG getroffenen Feststellungen stehen einem Ausschluß der Klägerin vom Beitragszuschuß entgegen. Ob der Leistungsumfang - wie das LSG meint - gleichwohl im Rahmen des § 173a RVO für eine Krankenkostenvollversicherung ausreichen würde, ist unerheblich. Die Frage, ob der Rentner für bestimmte Leistungen Gebühren zahlen muß, ist auch nicht mit der Frage gleichbedeutend, ob er für die Zugehörigkeit zum ausländischen Krankenschutzsystem überhaupt Beiträge entrichten muß.
Der Klage der Klägerin war daher ab 1. Dezember 1976 unter entsprechender Änderung der bisher ergangenen Entscheidungen dem Grunde nach (§ 130 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) stattzugeben. Es obliegt nun der Beklagten, die Höhe des Beitragszuschusses ab 1. Dezember 1976 im jeweils gesetzlich zustehenden Umfang zu errechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; der Senat hat dabei berücksichtigt, daß die Klage erst für die Zeit ab 1. Dezember 1976 von Erfolg war.
Fundstellen
BSGE, 141 |
Breith. 1980, 856 |