Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 09.11.1994) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. November 1994 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. Oktober 1992.
Sie ist 1937 geboren und war ab 24. Mai 1984 bei der A.-Bank beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag (vom 12./13. Juni 1984) oblag ihr das „Sortieren von Kontoauszugmaterial (Expedition) – morgens von 5.00 – 8.00 Uhr -”; die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 15 Stunden. Für die Zeit ab 1. Januar 1989 wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt. Vom 7. April 1991 bis zum 24. Februar 1992 bezog die Klägerin Krankengeld (Krg), vom 25. Februar bis 28. April 1992 Übergangsgeld (Übg) und vom 29. April bis 3. Juli 1992 wiederum Krg. Nachdem ihr (am 8. Juli 1992) zum 30. September 1992 gekündigt worden war, einigte sie sich mit ihrer Arbeitgeberin im nachfolgenden Arbeitsgerichtsverfahren vergleichsweise dahingehend, daß das Arbeitsverhältnis (aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger und krankheitsbedingter Kündigung) mit dem 30. September 1992 sein Ende finden solle. Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt. Sie meldete sich mit Wirkung zum 1. Oktober 1992 arbeitslos und stellte Antrag auf Alg. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alg und Arbeitslosenhilfe (Alhi) mit dem Hinweis ab, die Klägerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt; ihr Beschäftigungsverhältnis bei der A.-Bank sei kurzzeitig und damit beitragsfrei gewesen (Bescheid vom 23. September 1992; Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1992).
Nach den Verwaltungsakten war die Klägerin später bei der A.-Bausparkasse als Aushilfe mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden tätig (21. bis 27. April 1993). Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige, nicht verhaltensbedingte Kündigung. Am 30. April 1993 meldete sich die Klägerin, die der Beklagten die Arbeitsaufnahme zuvor nicht angezeigt hatte, erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung von Alg. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Alg/Alhi wiederum unter Hinweis auf die nicht erfüllte Anwartschaftszeit ab (Bescheid vom 23. Mai 1993). Über den hiergegen erhobenen Widerspruch wurde mit Rücksicht auf den laufenden Rechtsstreit nicht entschieden. Ab 1. Dezember 1993 stand die Klägerin erneut in Arbeit.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der die Klägerin Alg ab 1. Oktober 1992 begehrte, mit der Begründung abgewiesen, die Tätigkeit der Klägerin sei während der gesamten Beschäftigungszeit kurzzeitig und damit beitragsfrei gewesen (Urteil vom 11. August 1993). Im Berufungsverfahren machte die Klägerin geltend, § 169a Abs 1 Satz 1 iVm § 102 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) verstoße gegen Art 3 Grundgesetz (GG) sowie die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (EWGRL 79/7). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 9. November 1994). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe sich zwar zum 1. Oktober 1992 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie habe im streitigen Zeitraum auch der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Die Anwartschaftszeit sei jedoch nicht erfüllt. Innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist (1. Oktober 1989 bis 30. September 1992) habe sie keine beitragspflichtige Beschäftigung aufzuweisen. Die Beschäftigung bei der A.-Bank sei kurzzeitig und damit beitragsfrei gewesen. Nach dem Anstellungsvertrag habe die vereinbarte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 15 Stunden betragen. Diese Vereinbarung sei bis zum Schluß des Beschäftigungsverhältnisses nicht geändert worden. Die Klägerin habe lediglich gelegentlich Überstunden geleistet. Die Entrichtung von Beiträgen führe nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit. Der Krg- und Übg-Bezug sei nicht anwartschaftsbegründend; es fehle an der erforderlichen Unterbrechung einer beitragspflichtigen Beschäftigung. § 169a Abs 1 Satz 1 iVm § 102 Abs 1 AFG verstoße weder gegen das GG noch gegen europarechtliche Vorschriften. Art 3 Abs 1 und 3 GG sei nicht verletzt, weil der Gesetzgeber in zulässiger Weise generalisierend und nicht geschlechtsspezifisch geregelt habe, von welchem zeitlichen Umfang an eine Beschäftigung beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung und damit anwartschaftsbegründend sei. Mangels unmittelbarer bzw mittelbarer Diskriminierung der Frau liege auch kein Verstoß gegen Art 4 EWGRL 79/7 vor. Gleiches gelte hinsichtlich Art 119 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr). Dieser sei nur verletzt, wenn Teilzeitarbeit überwiegend von Frauen ausgeübt werde und sich aus den Umständen ergebe, daß der wahre Grund für die unterschiedliche Behandlung im Geschlecht der Arbeitnehmer zu suchen sei. Für letzteres sei vorliegend nichts ersichtlich. Der Gesetzgeber habe bestimmte Anspruchsvoraussetzungen aufgestellt, die weibliche wie männliche Arbeitnehmer gleichermaßen beträfen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Art 3 und 6 GG und Art 3, 4 EWGRL 79/7. Aus dieser Vorschrift folge ua das Verbot mittelbarer Diskriminierung wegen des Geschlechts. Eine solche liege nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen habe, vor, wenn von einer an sich geschlechtsneutralen Bestimmung tatsächlich erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts nachteilig betroffen seien und dies nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei. Durch die in § 169a iVm § 102 AFG normierte Zugangsbeschränkung seien unverhältnismäßig mehr Frauen als Männer vom Schutz der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen. Rechtfertigende Gründe hierfür seien nicht ersichtlich. Der Hinweis der Beklagten auf die im Regelfall bestehende anderweitige soziale Absicherung bestätige die Diskriminierung der Frauen. Häufig, insbesondere bei alleinerziehenden Müttern, die zur Vermeidung von Sozialhilfebedürftigkeit auf eine Erwerbstätigkeit angewiesen seien, bestehe keine anderweitige Absicherung. Soweit Mütter betroffen seien, sei gleichzeitig Art 6 Abs 4 GG verletzt; Mütter seien ebensowenig zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit in der Lage wie diejenigen Frauen, die entsprechend der noch vorherrschenden Rollenverteilung zB Kindererziehung, Haushaltsführung oder Pflege naher Angehöriger übernähmen. Der Ausschluß kurzzeitig Beschäftigter von der Arbeitslosenversicherung könne jedenfalls dann nicht mit fehlender Schutzwürdigkeit gerechtfertigt werden, wenn die in § 8 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) normierte Geringfügigkeitsgrenze und der Regelsatz der Sozialhilfe überschritten seien. Selbst wenn die Lohnersatzleistung unter dem Existenzminimum liege, mache es für den Betroffenen einen Unterschied, ob er Unterhaltspflichtige bzw das Sozialamt voll oder nur wegen eines Spitzbetrages in Anspruch nehme. Ferner sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein kurzzeitig beschäftigter Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze überschreite, bei Arbeitslosigkeit weniger schutzbedürftig sei als im Krankheitsfall. Im übrigen zwinge die im Hinblick auf Art 3 GG und Art 4 EWGRL 79/7 unzulässige und damit nicht mehr anzuwendende Regelung des § 169a Abs 1 AFG nicht dazu, gleichzeitig §§ 101, 102 AFG zu streichen. Ein zuvor vollzeitig beschäftigter Arbeitsloser könne nach wie vor eine kurzzeitige Nebenbeschäftigung ausüben, ohne seinen Leistungsanspruch zu verlieren; er müsse sich lediglich den Nebenverdienst gemäß § 115 AFG anrechnen lassen. Auch ein ehemalig kurzzeitig Beschäftigter könne,
wenn er wiederum eine solche Tätigkeit aufnehme, formal arbeitslos bleiben, wobei die Einkommensanrechnung zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug führe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1992 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld hilfswiese Arbeitslosenhilfe ab 1. Oktober 1992 zu zahlen,
hilfsweise, die Rechtssache dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Klägerin falle nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der EWGRL 79/7. Sie sei nicht Teil der „Erwerbsbevölkerung” iS von Art 2 dieser Richtlinie. Die Vorschriften der §§ 169a, 102 AFG bewirkten weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung der Frau. Der Frauenanteil an den sozialversicherungsfrei oder geringfügig Nebenbeschäftigten in Deutschland betrage etwa 60 vH. Von deutlich überwiegender Betroffenheit der Frauen könne daher nicht gesprochen werden. Zudem sei zweifelhaft, ob der Ausschluß geringfügig Beschäftigter von der Beitragspflicht eine Benachteiligung darstelle. Diese in der Regel anderweitig abgesicherte Gruppe sehe die Schaffung einer Beitragspflicht eher als Benachteiligung an. Ferner benachteilige die Herabsetzung oder Abschaffung der 18-Stunden-Grenze ehemals vollzeitbeschäftigte Arbeitslose; sie verlören bei Aufnahme einer kurzzeitigen Beschäftigung ihren Alg-Anspruch. Insgesamt habe die Aufhebung der Kurzzeitigkeitsgrenze unvertretbare sozialpolitische Nachteile zur Folge. Kurzzeitig tätige Arbeitnehmer seien häufig nicht auf das Arbeitsentgelt angewiesen; sie könnten ohne gravierende finanzielle Einbußen den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit herbeiführen. Die Sozialrechtsordnung müsse aus besonderen strukturellen Gründen gewisse Schwellenwerte hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Beschäftigung bzw der Höhe des erzielten Entgelts vorsehen können. In die Sozialversicherung seien prinzipiell nur Personen einbezogen, deren Lebensgrundlage typischerweise durch Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen sichergestellt sei. Deshalb würden einerseits besonders hohe Einkünfte, die über das zur Sicherstellung des Lebensunterhalts Erforderliche hinausgingen, von der Versicherungs- und Beitragspflicht nicht in vollem Umfang erfaßt. Andererseits blieben niedrige Einkünfte unberücksichtigt, weil die Existenz geringfügig Beschäftigter auf andere Weise gesichert sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1992 (§ 95 SGG), durch den die Beklagte die Gewährung von Alg und Alhi ab 1. Oktober 1992 abgelehnt hat. Offenbleiben kann, ob weitere Bescheide, darunter der nach den Verwaltungsakten ergangene Bescheid vom 23. Mai 1993, durch den die Beklagte Leistungen ab 30. April 1993 versagt hat, Verfahrensgegenstand geworden sind. Denn der Rechtsstreit ist ohnehin an das LSG zurückzuverweisen. In Zusammenhang mit seiner erneuten Entscheidung wird das LSG zu prüfen haben, ob ggf noch weitere Bescheide (entsprechend § 96 iVm § 153 Abs 1 SGG) Gegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens geworden sind.
Verfahrensmängel, die bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu beachten sind (BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 6), liegen nicht vor. Insbesondere war die grundsätzlich statthafte Berufung (§ 143 SGG) nicht gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG (idF des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 50) ausgeschlossen. Denn der Wert des Beschwerdegegenstandes betrug mehr als 1.000,00 DM. Das gilt selbst dann, wenn sich der von der Klägerin verfolgte Leistungsanspruch (wegen Arbeitsaufnahme vom 21. bis 27. April 1993) auf die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 20. April 1993 beschränkt haben sollte. Richtige Klageart war die von der Klägerin gewählte kombinierte Anfechtungs-und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).
In der Sache beurteilt sich die Frage, ob der Klägerin ab 1. Oktober 1992 ein Anspruch auf Alg zusteht, nach § 100 Abs 1 AFG. Danach hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht für eine abschließende Entscheidung aus, ob diese Voraussetzungen vorliegend verwirklicht sind.
Allerdings hat das LSG unangegriffen und deshalb für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß sich die Klägerin zum 1. Oktober 1992 arbeitslos gemeldet (§ 105 AFG) und Alg beantragt hat. Indes fehlt es bereits an Tatsachenfeststellungen sowohl zur Arbeitslosigkeit (§ 101 AFG) wie zur Verfügbarkeit (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 3 AFG). Zwar führt das LSG insoweit aus, die Klägerin sei ab 1. Oktober 1992 im streitigen Zeitraum arbeitslos gewesen und habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden; hierüber bestehe unter den Beteiligten kein Streit. Jedoch ist ungeklärt geblieben, was das LSG als „streitigen” Zeitraum angesehen hat. Ungeachtet dessen war die Klägerin nach den Verwaltungsakten vom 21. bis 27. April 1993 vollschichtig berufstätig und stand auch ab 1. Dezember 1993 wieder in Arbeit, was gegen durchgehende Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit spricht. Beide Fragen können, wie bei der Frage der Anwartschaftszeit deutlich werden wird, entscheidungserheblich sein. Das LSG wird deshalb die insoweit erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachzuholen haben.
Die Anwartschaftszeit hat nach deutschem Recht erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG) bzw gleichstehende Zeiten (§ 107 Satz 1 AFG) zurückgelegt hat. Die dreijährige Rahmenfrist (§ 104 Abs 2, Abs 3 Halbs 1 AFG) lief hier vom 1. Oktober 1989 bis 30. September 1992. In dieser Zeit war die Klägerin rund 21 Monate für die A.-Bank tätig; für rund 15 Monate bezog sie Krg und Übg. Danach hätte sie die Anwartschaftszeit erfüllt, wenn ihre Tätigkeit der Beitragspflicht unterlag und wenn während des Krg- und Übg-Bezuges Beiträge zu zahlen waren (§ 107 Satz 1 Nr 5 Buchst a, § 186 AFG). Hierzu ist dem Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen indes eine abschließende Bewertung nicht möglich.
Beitragspflichtig sind ua Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt beschäftigt sind (Arbeitnehmer), soweit sie ua nicht nach den §§ 169 bis 169c AFG beitragsfrei sind (§ 168 Abs 1 Satz 1 AFG idF des Art 1 Nr 28 Buchst a aa des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2343). Beitragsfrei sind ua Arbeitnehmer in einer kurzzeitigen Beschäftigung (§ 169a Abs 1 Satz 1 AFG idF des Art 1 Nr 30 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, aaO). Kurzzeitig ist nach § 102 Abs 1 AFG (idF des Art 1 Nr 27 des Gesetzes zur Ergänzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und zum Schutz der Solidargemeinschaft vor Leistungsmißbrauch ≪8. AFG-ÄndG≫ vom 14. Dezember 1987 – BGBl I 2602), auf den § 169a Abs 1 Satz 1 AFG verweist, eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist (Satz 1); gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (Satz 2). Maßgebend für die Beitragspflicht ist sonach die Arbeitszeit der Beschäftigung (vgl § 169a Abs 1 Satz 2 AFG), die voraussichtlich durchschnittlich in der Woche anfallen wird. Bestehen hinsichtlich der Arbeitszeit vertragliche Vereinbarungen, wie das hier der Fall ist, ist ihnen zu entnehmen, ob die Beschäftigung kurzzeitig ist (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 3, 4 und 7; BSG USK 80292; BSG, Urteil vom 15. Juni 1988 – 7 RAr 12/87 –, unveröffentlicht; BSG SozR 3-4100 § 102 Nr 1).
Nach der von der Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin im Jahre 1984 getroffenen Vereinbarung belief sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden. Diese Vereinbarung ist, wie das LSG unangefochten festgestellt hat, bis zum Schluß des Beschäftigungsverhältnisses nicht verändert worden. Danach unterlag die Tätigkeit der Klägerin wegen Kurzzeitigkeit nicht der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung.
Hieran ändert sich nichts aufgrund des § 102 Abs 1 Satz 2 AFG, wonach gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer nicht zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat nach den bindenden Feststellungen des LSG innerhalb der Rahmenfrist lediglich während zwölf Wochen Überstunden in einem Umfang geleistet, der zur Erreichung der 18-Stunden-Grenze führte. Ob diese Abweichungen, wozu Tatsachenfeststellungen fehlen, daß Maß des Unerheblichen überschritten (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 115 Nr 2; Steinmeyer in Gagel, Komm zum AFG, Stand Dezember 1994, § 102 Rz 30; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand August 1995, § 102 Rz 8), kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde dies nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit ausreichen.
Indes bleibt die Frage relevant, ob die zwölf Wochen, in denen die Klägerin die 18-Stunden-Grenze erreichte, einen weitgehend zusammenhängenden Zeitraum bildeten (vgl dazu BSG SozR 4100 § 115 Nr 2). Sollte dies nämlich zutreffen, könnte die Klägerin die Anwartschaftszeit iVm dem Bezug von Krg und Übg (7. April 1991 bis 3. Juli 1992) verwirklicht haben. Denn der Bezug dieser Leistungen steht den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich (§ 107 Satz 1 Nr 5 Buchst a AFG), vorausgesetzt, daß für diese Bezugszeiten Beiträge zu entrichten waren (§ 186 AFG).
Beiträge waren gemäß § 186 Abs 1 Satz 1 AFG (in der hier maßgebenden Fassung des Art 17 Nr 30 des Gesetzes über die Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe ≪Haushaltsbegleitgesetz 1984≫ vom 22. Dezember 1983 – BGBl I 1532) zu entrichten, wenn ua eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit oder durch die Teilnahme an einer medizinischen Maßnahme zur Rehabilitation unterbrochen wurde. Dafür genügte es, daß der Leistungsbezieher unmittelbar vor dem Leistungsbeginn in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung stand; eine „Umrahmung” der Lohnersatzbezugszeit durch Zeiten beitragspflichtiger Beschäftigungen war nicht erforderlich. Dies ist durch die Neufassung des § 186 Abs 1 Satz 1 AFG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung (Art 35 Nr 21 Buchst a aa des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ≪Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992≫ vom 18. Dezember 1989 – BGBl I 2261) klargestellt worden. Sie enthält das mißverständliche Wort „unterbrochen” nicht mehr, sondern verlangt allein, daß „der Bezieher dieser Leistung unmittelbar vor deren Beginn in einer die Beitragspflicht nach diesem Gesetz begründenden Beschäftigung gestanden … hat” (BSG SozR 3-4100 § 186 Nr 1). Auf den vorliegenden Fall bezogen, bedeutet das: Sollte die Klägerin unmittelbar vor dem Beginn des Krg-Bezuges (7. April 1991) mehrere Wochen ununterbrochen 18 Stunden oder mehr gearbeitet haben und aus diesem Grunde der Beitragspflicht unterworfen gewesen sein, wäre auch der Krg-/Übg-Bezugszeitraum (7. April 1991 bis 3. Juli 1992) anwartschaftsbegründend, mit der Konsequenz, daß der Klägerin ab 1. Oktober 1992 dem Grunde nach Anspruch auf Alg zustehen könnte. Das LSG wird mithin die zeitliche Lage der Wochen, in denen die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist 18 Stunden (und ggf mehr) gearbeitet hat, des näheren zu überprüfen haben.
Unabhängig davon könnte es sich empfehlen, daß das LSG sich noch einmal der Frage zuwendet, ob die 1984 zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin getroffene Vereinbarung, wonach die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 15 Wochenstunden betragen sollte, nachträglich ggf doch iS einer Aufstockung der zu absolvierenden Wochenarbeitszeit geändert worden ist. Nach dem Gesamtinhalt der Akten könnte es sich durchaus so verhalten haben. In diesem Zusammenhang ist ua darauf hinzuweisen, daß sowohl die Mitteilung der A.-Bank vom 24. August 1989 an das ArbA (Bl 10 der Leistungsakte) als auch die Anfrage des ArbA vom 10. September 1992 an die A.-Bank und die entsprechende Antwort der A.-Bank vom 15. September 1992 (Bl 28, 32 der Leistungsakte), auf die das SG seine Entscheidung gestützt hat und die für die Entscheidung des Berufungsgerichts mit maßgebend gewesen sein dürften, von einer falschen rechtlichen Prämisse ausgehen. Denn, wie dargelegt, ist nicht entscheidend, welche Stundenzahl gearbeitet worden ist, sondern welche Stundenzahl im vorhinein vereinbart worden ist. Wären ab 1. Januar 1989 also zB 18 Stunden wöchentlich vereinbart, jedoch weniger geleistet worden, wäre die Kurzzeitigkeitsgrenze für den prognostisch ins Auge gefaßten Zeitraum überschritten worden. Deshalb erscheint es angeraten, nochmals zu überprüfen, ob und ggf welche Vereinbarung der Abführung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab 1. Januar 1989 vorausgegangen war.
Unbeschadet dessen wird das LSG, das an die Untersuchungsmaxime (§ 103 SGG), nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden ist, zu prüfen haben, ob ein evtl entstandener Alg-Anspruch untergegangen ist, zB durch Erfüllung (§ 110 Satz 1 Nr 1 Halbs 1 AFG). Als erfüllt gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger, soweit ein Erstattungsanspruch besteht (§ 107 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – ≪SGB X≫). Nach den Verwaltungsakten (Bl 58) scheint der Stadt A. gegen die Beklagte vorliegend ein Erstattungsanspruch wegen der Erbringung von Sozialhilfeleistungen zuzustehen, der nach den Prozeßkostenhilfeakten die Höhe des Alg-Anspruchs, der der Klägerin günstigstensfalls zugesprochen werden könnte, übersteigt. Sollte das zutreffen, könnte die Klägerin unter keinem rechtlichen Aspekt mit ihrem Klagebegehren Erfolg haben (BSGE 70, 180, 185 = SozR 3-4100 § 103 Nr 7; BSGE 75, 69, 73 f = SozR 3-4100 § 59 Nr 7; BSG, Urteil vom 14. September 1995 – 7 RAr 72/93 –, unveröffentlicht). Zu überlegen wäre dann ggf, ob eine Umstellung des Klageantrages iS einer Fortsetzungsfeststellungsklage (entsprechend § 131 Abs 1 Satz 3 SGG) in Betracht käme.
Nur wenn der Klageanspruch mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit wegen Kurzzeitigkeit (§ 102 AFG) zu verneinen wäre, stellte sich die von der Klägerin in den Vordergrund des Rechtsstreits gerückte Frage, ob die §§ 104 Abs 1 Satz 1, 169a Abs 1 Satz 1, 102 Abs 1 AFG mit den Bestimmungen des GG und des europäischen Rechts in Einklang stehen. Während der Senat mit dem LSG der Meinung ist, daß die vorerwähnten Bestimmungen grundgesetzkonform sind, insbesondere nicht Art 3 und 6 GG verletzen, vermag er nicht auszuschließen, daß sie gegen Art 4 EWGRL 79/7 verstoßen.
Nach Abs 1 dieser Vorschrift beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend:
- den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,
- die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,
- die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.
Diese Bestimmung, die seit dem 23. Dezember 1984 in Anspruch genommen werden kann, um die Anwendung aller mit ihr unvereinbaren Vorschriften auszuschließen (EuGHE 1986, 3855 – FNV; 1987, 1453 – McDermott und Cotter; 1987, 2865 – Clarke; 1988, 1601 – Dik ua; 1991, I-3723 – Johnsen; 1994, I-571 – Roks ua), findet auf die Klägerin Anwendung. Zum einen gehört die Klägerin zur Erwerbsbevölkerung, der gemäß Art 2 EWGRL ua Arbeitsuchende zuzurechnen sind. Zum anderen betrifft der vorliegende Rechtsstreit, wie in Art 4 Abs 1 Spiegelstrich 1 EWGRL 79/7 gefordert, Bedingungen für den Zugang zu den Systemen der sozialen Sicherung, nämlich den zur Arbeitslosenversicherung.
In tatsächlicher Hinsicht stellen der vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Ausschluß kurzzeitiger Beschäftigungen von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung und die damit verbundene Vorenthaltung von Leistungsansprüchen möglicherweise eine mittelbare Diskriminierung der davon betroffenen Frauen dar;
das gilt jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die 15-Stundengrenze erreicht und daher gemäß § 8 SGB IV Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung besteht, aber wegen Unterschreitung der 18-Stundengrenze keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung eintritt. Ob eine Diskriminierung in diesen Fällen zu bejahen ist, läßt sich mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des LSG allerdings nicht beantworten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Regelung einen Nachteil mit sich bringt, von dem wesentlich mehr Mitglieder des einen als des anderen Geschlechts betroffen sind, und diese Regelung nicht durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt ist (EuGHE 1986, 1607 – Bilka; 1989, 2743 – Rinner-Kühn; 1989, 4311 – Ruzius-Wilbrink; 1994, I-571 – Roks ua).
Vorliegend läßt sich mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht beurteilen, ob wesentlich mehr Frauen als Männer durch den Ausschluß kurzzeitiger Beschäftigungen aus der deutschen Arbeitslosenversicherung berührt sind. Dies ist, anders als die Revision meint, nicht offenkundig (§ 202 SGG iVm § 291 Zivilprozeßordnung). Statistisches Material dazu, wie hoch der Frauenanteil an den durch § 169a AFG erfaßten Personen ist, liegt nicht vor (Colneric, AuR 1994, 393, 401). Vor allem führt der vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Forschungsbericht „Sozialversicherungsfreie Beschäftigung – Wiederholungsuntersuchung 1992” Arbeitsverhältnisse zwischen 15 und 18 Wochenstunden nicht gesondert auf; diese werden in der Studie nicht als sozialversicherungsfrei definiert (S 97). Allerdings legen die dem Senat vorliegenden Statistiken eine überwiegende Betroffenheit der Frauen nahe. So belief sich nach der vorerwähnten Studie der Anteil der Frauen an den sozialversicherungsfrei Beschäftigten (im Frühjahr 1992) auf 68 vH (S 21 f). Soweit die Beklagte von einem Frauenanteil von 60 vH ausgeht, übersieht sie, daß sich dieser in der Studie auf den Frauenanteil sowohl der sozialversicherungsfrei Beschäftigten auch als der geringfügig Nebentätigen bezieht (S 21 f). Andererseits bewegte sich der Frauenanteil unter den Teilzeitbeschäftigten Mitte 1994 um 82 vH (Kühl, AuB 1995, 236, 239). Demnach ist zwar zu vermuten, daß der Frauenanteil an nicht geringfügig, nach dem AFG jedoch beitragsfrei Beschäftigten, zu denen die Klägerin gehört, ebenfalls überwiegt. Doch steht dies, vor allem auch der evtl Prozentsatz, nicht fest. Das LSG wird somit den Frauenanteil an den zwar krankenversicherungs- und rentenversicherungspflichtig, in der Arbeitslosenversicherung jedoch beitragsfrei Beschäftigten ggf noch zu ermitteln und sodann zu beurteilen haben, ob insoweit „ein viel höherer Prozentsatz der Frauen als der Männer” (EuGHE 1994, I-571 – Roks ua), „erheblich weniger Männer als Frauen” (EuGHE 1990, I-2591 – Kowalska; 1991, I-297 – Nimz) bzw „wesentlich mehr Frauen als Männer” (EuGHE 1989, 2743 – Rinner-Kühn) betroffen sind.
Sollte der Frauenanteil im vorstehend genannten Sinne wesentlich überwiegen, könnte eine mittelbare Diskriminierung gegeben sein. Denn lediglich kurzzeitig Erwerbstätige sind nicht nur vom Alg- und Alhi-Bezug sowie weiteren Leistungen ausgeschlossen (vgl etwa Colneric, AuR 1994, 393, 401). Hinzu kommt, daß gemäß § 169a Abs 1 Satz 2 AFG die Arbeitszeiten mehrerer nebeneinander ausgeübter kurzzeitiger Beschäftigungen – anders als bei der Frage der Arbeitslosigkeit (§ 101 Abs 1 Satz 2 Nr 2 AFG) – nicht zusammengerechnet werden. Ein Ausgleich für den Ausschluß vom Zugang zur Arbeitslosenversicherung erfolgt für kurzzeitig Beschäftigte auch nicht auf andere Weise. So besteht im Unterschied zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung keine mittelbare Absicherung durch Einbeziehung von Familienangehörigen in die Pflichtversicherung. Ebensowenig ist eine freiwillige Versicherung möglich. Insgesamt werden die mit der Ausschlußklausel des § 169a Abs 1 Satz 1 AFG verbundenen Nachteile durch die Beitragsfreiheit nicht aufgewogen. Abgesehen davon, daß ein entsprechender Vergleich der Vor- und Nachteile ohnehin zweifelhaft ist (Colneric, AuR 1994, 393, 397, 401; Bieback, ZfS 1993, 106, 108 ff), ist die Beitragsbelastung in der Arbeitslosenversicherung im Vergleich zur Kranken- und Rentenversicherung, in der Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden und mehr ohnehin beitragspflichtig sind, verhältnismäßig niedrig (§ 174 AFG).
Fraglich erscheint schließlich, ob § 169a Abs 1 AFG durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Das ist jedenfalls insoweit nicht selbstverständlich, als auch Beschäftigungen mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 15 und 18 Stunden ausgenommen sind.
Vorläufer des § 169a AFG war § 75a des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, der 1929 Gesetz wurde. Durch ihn sollten geringfügige Beschäftigungen von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen werden, wenn sie nicht berufsmäßig ausgeübt wurden (RT-Drucks Nr 1311 S 12 zu Nr 15). Die Festlegung der Grenze war nicht unbestritten (RT-Drucks Nr 1355 S 36). Man einigte sich letztlich auf 24 Stunden, wobei schon damals nicht übersehen wurde, daß insbesondere Frauen durch die Regelung betroffen würden (RT-Drucks Nr 1355 S 37).
Für die Gegenwart dürfte von Bedeutung sein, daß eine an Halbtagsbeschäftigung heranreichende Tätigkeit zumindest in den höheren Lohngruppen durchaus Grundlage für eine eigenständige Existenz sein kann (Bieback, ZIAS 1990, 1, 17). Personen, die solche Beschäftigungen ausüben, ist ein Schutzbedürfnis für die Arbeitslosenversicherung kaum abzusprechen. Denn sie sind gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit nicht auf andere Weise abgesichert. Eine Absicherung arbeitslos gewordener Angehöriger kennt die Arbeitslosenversicherung nicht. Allenfalls besteht eine familienrechtliche Absicherung aufgrund von Unterhaltsansprüchen, bei Verheirateten in erster Linie gegen den Ehemann. Indes handelt es sich hierbei um einen auf dem Ehestand beruhenden Umstand, in dem seinerseits wohl kein Rechtfertigungsgrund für eine mittelbare Diskriminierung erblickt werden kann (Bieback, ZIAS 1990, 1, 17; Colneric, AuR 1994, 393, 402). Im übrigen versagt dieser Aspekt bei denjenigen Arbeitslosen, die keine unterhaltspflichtigen Angehörigen haben. Sie sind, Bedürftigkeit vorausgesetzt, auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe angewiesen, obwohl sie, wäre ihre Tätigkeit beitragspflichtig, jedenfalls zum Teil Alg in einer Höhe in Anspruch nehmen könnten, die oberhalb des Sozialhilfe-Regelsatzes und damit des Existenzminimums liegen dürfte.
Die Regelung des § 169a Abs 1 AFG ist auch nicht notwendigerweise durch die Strukturprinzipien der deutschen Sozialversicherung gedeckt. Es ist nicht ohne weiteres erkennbar, daß für die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung ein Schwellenwert von 18 Wochenstunden unabdingbar ist, während auf dem Gebiet der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ein solcher von 15 Stunden als ausreichend angesehen wird, der bei entsprechend hohem Lohn noch unterschritten werden kann (§ 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV). In diesem Zusammenhang muß auffallen, daß in allen anderen Mitgliedstaaten der EU (mit Ausnahme von Luxemburg) niedrigere oder gar keine Schwellenwerte existieren (SOZIALES EUROPA 1991, 31).
Zusammenfassend ist festzuhalten: Nur wenn der Klageanspruch mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit wegen Kurzzeitigkeit des Beschäftigungsverhältnisses (§ 102 AFG) und nicht schon aus anderen Gründen zu verneinen wäre, sähe sich das LSG mit der Frage konfrontiert, ob es die Rechtssache dem EuGH zur Entscheidung vorlegt (Art 177 Abs 2 EGVtr).
Schließlich wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen