Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Feststellung, daß der Tod Schädigungsfolge ist, darf nach KOV-VfG § 41 nur zurückgenommen werden, wenn "außer Zweifel" steht, daß diese Feststellung tatsächlich und rechtlich unrichtig ist. Sie darf nicht nach KOV-VfG zurückgenommen werden, wenn zwar feststeht, daß der Sachverhalt, der zu dieser Feststellung geführt hat, außer Zweifel tatsächlich unrichtig ist, wenn aber weder bewiesen noch widerlegt werden kann, daß der Tod infolge eines anderen, später vorgetragenen Sachverhalts Schädigungsfolge ist.
2. Die Verpflichtung zur "Neuregelung" nach KOV-VfG § 42 umfaßt auch die Rücknahme rechtswidriger Bescheide, soweit diese Rücknahme Voraussetzung der "Neuregelung" ist.
3. Wenn die Voraussetzungen des KOV-VfG § 42 Abs 1 vorliegen und die Fristen des KOV-VfG § 43 Abs 2 eingehalten sind, ist der Bescheid, mit dem die Versorgungsverwaltung erneut entscheidet, auch dann rechtmäßig, wenn sie den Bescheid zu Unrecht auf KOV-VfG § 41 gestützt hat.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die erneute Entscheidung nach KOV-VfG § 42 bezieht sich auf die Zukunft und auf die Vergangenheit; sie umfaßt auch die Rücknahme rechtswidriger Bescheide, soweit sie Voraussetzung einer neuen Entscheidung ist.
Die Voraussetzungen des KOV-KfG § 42 sind grundsätzlich andere als die des KOV-VfG § 41. Gleichwohl ist ein auf KOV-VfG § 41 gestützter Bescheid rechtmäßig, wenn zwar nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift, aber die der KOV-VfG §§ 42 und 43 vorliegen.
2. Die Versorgungsverwaltung muß, wenn sie die Voraussetzungen des KOV-VfG § 42 für gegeben erachtet, innerhalb bestimmter Fristen (durch Anfechtungsbescheid) erneut entscheiden (KOV-VfG § 43 Abs 2 ); nur wenn sie diese Fristen nicht einhält, wird auch in diesem Fall das Vertrauen auf den Bestand des ursprünglichen Bescheid geschützt.
Nach KOV-VfG § 42 Abs 1 Nr 3 war der angefochtene Berichtigungsbescheid gerechtfertigt, weil die Klägerin Tatsachen, die für die Entscheidung über ihren Versorgungsanspruch von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hatte.
Wenn die Klägerin deshalb zu Unrecht Versorgungsbezüge empfangen hat, ist sie zur Rückerstattung verpflichtet; KOV-VfG § 47 Abs 3 ergreift alle am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes (1955-04-01) anhängigen Rückforderungsfälle. Es bleibt der Versorgungsverwaltung überlassen, zu prüfen, ob von der Ermächtigung des KOV-VfG § 47 Abs 4 Gebrauch zu machen ist, ganz oder teilweise von der Rückforderung abzusehen, wenn sie für die Betroffene eine besondere Härte bedeutet.
Normenkette
KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02, § 42 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02, § 43 Abs. 2 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin, geboren 1886, ist Heimatvertriebene aus Ungarn. Durch Bescheid vom 19. Juli 1950 stellte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg fest, der Tod des Ehemannes der Klägerin, G M (M.), am 1. Mai 1916 sei Leistungsgrund im Sinne des (Württemberg-Badischen) Körperbeschädigten-Leistungsgesetzes (KBLG); sie bewilligte der Klägerin Witwenrente vom 1. Juli 1949 an. Durch Bescheid vom 22. Juli 1952 (Umanerkennung) stellte das Versorgungsamt I S fest, M. sei an den Folgen einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gestorben, es bewilligte der Klägerin nach dem BVG vom 1. Oktober 1950 an Grund- und Ausgleichsrente, vom 1. Juli 1952 an erhielt die Klägerin auch Teuerungszulage. Ende Dezember 1954 stellte das Versorgungsamt die Zahlung der Rente ein. Am 8. März 1956 erließ das Versorgungsamt einen "Berichtigungsbescheid nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955" (VerwVG), es hob die Bescheide vom 19. Juli 1950, vom 22. Juli 1952 und die späteren Bescheide über die Bewilligung von Leistungen an die Klägerin auf und stellte fest, der Tod des M. sei zu Unrecht als Leistungsgrund nach dem KBLG und Schädigungsfolge nach dem BVG anerkannt worden, die Klägerin habe wissentlich falsche Angaben gemacht; die an die Klägerin gezahlten Versorgungsleistungen in Höhe von 6.011,71 DM wurden zurückgefordert. Den Widerspruch der Klägerin wies das Landesversorgungsamt am 30. Oktober 1956 zurück. Auf die Klage hob das Sozialgericht (SG) Stuttgart den Bescheid vom 8. März 1956 und den Widerspruchsbescheid auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin über den 31. Dezember 1954 hinaus Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Urteil vom 27. Januar 1960 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Es führte aus: Rechtsgrundlage für den Bescheid vom 8. März 1956 sei § 41 VerwVG, möglicherweise § 42 dieses Gesetzes. Die Klägerin habe zunächst die Todesursache ihres Ehemannes mit "Verwundung (Knochenfraß am Arm)" angegeben, ein von ihr benannter Zeuge habe erklärt, M. sei 1916 in Serbien gefallen; nach der eingehenden Beweisaufnahme und dem Geständnis der Klägerin stehe jedoch nunmehr mit Sicherheit fest, daß M. sich nach seiner Entlassung aus dem militärischen Dienst im Jahre 1916 durch Erhängen in der Heimat selbst getötet habe; die Bescheide vom 19. Juli 1950 und vom 22. Juli 1952, die auf den ursprünglichen Angaben der Klägerin beruht haben, seien sonach tatsächlich zweifelsfrei unrichtig gewesen. Die Klägerin habe nunmehr geltend gemacht, die Witwenrente stehe ihr trotzdem zu, weil Ursache des Entschlusses zur Selbsttötung für ihren Ehemann die Kriegsverletzung und eine auf ihr beruhende Schwermut gewesen sei, sie sei der Meinung, die Bescheide seien damit jedenfalls rechtlich nicht zweifelsfrei unrichtig; dieses Vorbringen greife aber nicht durch. Die Bescheide seien auch rechtlich zweifelsfrei unrichtig, weil sich nicht als wahrscheinlich habe feststellen lassen, daß die freie Willensbestimmung des M. zur Zeit der Selbsttötung erheblich beeinträchtigt gewesen sei und daß die angebliche Schwermut eine Folge der Verwundung gewesen sei; die neue Sachdarstellung der Klägerin sei weder erwiesen noch widerlegt, diese Unklarheit gehe zu Lasten der Klägerin, die Klägerin sei so zu behandeln, als ob sie ihren Anspruch zum ersten Mal anmelde; für den Vertrauensschutz, auf dem die "Umkehr der Beweislast" in § 41 VerwVG beruhe, sei in diesem Falle kein Raum; auf § 85 BVG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil jedenfalls nach deutschem Recht ihre Versorgungsansprüche früher nicht anerkannt gewesen seien; da sie wissentlich falsche Angaben über die zum Tode führenden Umstände gemacht habe, sei auch die Rückforderung der gezahlten Versorgungsbezüge berechtigt. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Klägerin am 7. Juli 1960 zugestellt. Am 14. Juli 1960 legte die Klägerin Revision ein.
Sie beantragte,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Stuttgart vom 21. August 1958 zurückzuweisen.
Zur Begründung trug sie vor, das LSG. habe die §§ 41 und 47 VerwVG unrichtig angewandt, der Bescheid vom 8. März 1956 sei deshalb rechtswidrig; allenfalls habe die Klägerin in ihrem Antrag über die zum Tode führenden Umstände unklare Angaben gemacht, ihre Angaben seien jedoch nicht offensichtlich falsch gewesen, sie habe auch den erforderlichen Nachweis dafür erbracht, daß sie in Ungarn Versorgungsbezüge erhalten habe; in jedem Falle sei der Tod des M. eine mittelbare Schädigungsfolge gewesen; wenn das LSG die neue Sachdarstellung der Klägerin weder als bewiesen noch als wiederlegt angesehen habe, so habe nicht die Klägerin diese Unklarheit zu tragen, vielmehr habe der Beklagte auch hinsichtlich des neuen Vorbringens der Klägerin nach § 41 VerwVG die Beweislast, er dürfe die früheren Bescheide nur dann nach § 41 VerwVG "berichtigen", wenn auch die neue Darstellung der Klägerin einwandfrei widerlegt sei; dies lasse sich aber auch nach der Meinung des LSG nicht sagen. Jedenfalls dürfe der Beklagte aber die Rente nicht zurückfordern, die Klägerin habe nicht wissentlich etwas Falsches angegeben und keine Umstände von wesentlicher Bedeutung verschwiegen, sie habe beim Empfang ihrer Bezüge auch nicht gewußt, daß ihr die Bezüge nicht oder nicht in voller Höhe zustehen, zumal sie auch in Ungarn Rente aus der Kriegsopferversorgung erhalten habe; es müsse ihr auch ihr Alter zugute gehalten werden; mindestens sei die Rückforderung nach den persönlichen Verhältnissen der Klägerin eine besondere Härte.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.
Angefochten ist der Bescheid des Beklagten vom 8. März 1956. Dieser Bescheid enthält mehrere "Verfügungssätze", nämlich die Aufhebung der Bescheide vom 19. Juli 1950, 22. Juli 1952 und der ergänzenden späteren Bescheide, die Feststellung, daß der Tod des Ehemannes der Klägerin nicht Leistungsgrund und nicht Schädigungsfolge sei, und die Rückforderung der gezahlten Versorgungsleistungen. Das LSG ist der Meinung gewesen, der Beklagte habe nach § 41 VerwVG die früheren Bescheide aufheben und eine neue Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang treffen dürfen, weil die früheren Bescheide in vollem Umfang, also auch bezüglich der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs des Todes des M. mit dem Wehrdienst, tatsächlich und rechtlich "außer Zweifel" unrichtig gewesen seien. Das LSG hat dabei nicht geprüft, ob nicht nur die Zubilligung der Witwenrente in den früheren Bescheiden, sondern auch die Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs des Todes mit dem Wehrdienst, die in den früheren Bescheiden enthalten ist, ein die Klägerin begünstigender Verwaltungsakt ist und ob die Bindung des Beklagten an diese Bescheide (§§ 77 SGG, 24 VerwVG) sich nicht auch auf diese Feststellung erstreckt. Soweit es sich um die Feststellung handelt, daß ein Leiden Leistungsgrund oder Schädigungsfolge sei, erstreckt sich die Bindung auch hierauf (vgl. z. B. BSG 9 S. 80 ff. (83, 84)). Dasselbe gilt auch für die Feststellung, daß der Tod eines Beschädigten Folge des Wehrdienstes ist. Auch diese Feststellung kann "Wirkungen haben, die über die Bedeutung hinausgehen, die der bloßen Begründung des Anspruchs auf Rente zukommen" (vgl. BSG. a. a. O.). Soweit es sich um den Geltungsbereich des KBLG handelt, folgt dies daraus, daß nach dem KBLG ein Interesse der Witwe an dieser Feststellung auch dann gegeben sein kann, wenn ein Anspruch auf Rente nicht besteht, weil die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 KBLG in der Person der Witwe nicht vorliegen; nach dem BVG hat zwar, anders als nach dem KBLG, die Feststellung, daß der Tod Schädigungsfolge sei, stets zur Folge, daß die Witwe Anspruch jedenfalls auf die Grundrente hat. Trotzdem kommt dieser Feststellung auch für den Geltungsbereich des BVG eine Wirkung zu, die über die Begründung des Anspruchs auf Rente hinausgeht; dies ergibt sich aus § 85 BVG; wenn nämlich nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften, z. B. nach dem KBLG, der ursächliche Zusammenhang bindend festgestellt worden ist, ist diese Entscheidung nach § 85 BVG auch nach dem BVG bindend; auch nach dem BVG kann die Versorgungsverwaltung diese Feststellung, solange sie nicht rechtswirksam durch einen neuen Bescheid beseitigt ist, nicht mehr in Zweifel ziehen. Auch diesen begünstigenden Verwaltungsakt darf deshalb der Beklagte nach § 41 VerwVG nur zurücknehmen, wenn "außer Zweifel steht", daß die Feststellung tatsächlich und rechtlich unrichtig ist. Das LSG hat zwar festgestellt, es sei zweifelsfrei unrichtig, daß der Ehemann der Klägerin "gefallen" oder auch unmittelbar an den Folgen seiner Handverletzung gestorben sei; es hat aber nicht feststellen können, es stehe "außer Zweifel", daß der Tod des Ehemannes der Klägerin nicht etwa deshalb Schädigungsfolge sei, weil die Handverletzung und die durch sie bedingten sonstigen Verhältnisse bei dem Ehemann der Klägerin eine so erhebliche Schwermut ausgelöst haben, daß er in einem Zustand erheblicher Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung den Entschluß zur Selbsttötung gefaßt und verwirklicht habe, das LSG hat diesen Sachverhalt als "weder bewiesen noch widerlegt" angesehen. Damit hat das LSG aber auch nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, es stehe "außer Zweifel", daß der Tod des Ehemannes der Klägerin nicht Schädigungsfolge sei; nach § 41 VerwVG haben die früheren Bescheide deshalb nicht rechtswirksam zurückgenommen werden dürfen. Die Revision ist aber trotzdem zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung des LSG aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Bescheid des Beklagten ist, soweit es sich um die Rücknahme der Bescheide vom 1. April 1955 an (Inkrafttreten des VerwVG) handelt, rechtmäßig, weil der Beklagte nach § 42 Abs. 1 Ziff. 3 VerwVG im vorliegenden Falle nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen ist, "erneut zu entscheiden". Er hat den Versorgungsfall in vollem Umfang neu regeln müssen; er hat ihn so prüfen müssen, wie wenn ein Sachverhalt zum ersten Male der Beurteilung der Versorgungsverwaltung unterliegt; er ist an die früheren Bescheide, obwohl sie rechtsverbindlich geworden sind, nicht gebunden gewesen. Die Verpflichtung zur "Neuregelung" nach § 42 VerwVG bezieht sich nicht nur auf die Zukunft, sondern auch auf die Vergangenheit; sie umfaßt auch die Rücknahme rechtswidriger Bescheide, soweit diese Rücknahme Voraussetzung der "Neuregelung" ist. Dabei sind die Voraussetzungen, unter denen die Versorgungsverwaltung nach § 42 VerwVG den Fall "neu regeln" muß, grundsätzlich andere als die, unter denen sie nach § 41 VerwVG frühere Bescheide zurücknehmen darf. Anders als nach § 41 Abs. 1 VerwVG kommt es, soweit die "Neuregelung" sich auf die Vergangenheit bezieht, nicht darauf an, ob die früheren Bescheide tatsächlich und rechtlich unrichtig sind. Dies ergibt sich nicht nur aus der verschiedenen Fassung des Gesetzeswortlauts in §§ 41 und 42 VerwVG, sondern vor allem aus den verschiedenen Voraussetzungen dieser Vorschriften. § 41 VerwVG ermächtigt die Verwaltung zur Rücknahme deshalb, weil der frühere Bescheid nach seinem materiell-rechtlichen Inhalt unrichtig ist; hier geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Verwaltung den Sachverhalt vor Erlaß eines Bescheids pflichtmäßig geprüft hat und daß sie - bis zu einem gewissen Grade - für diese Prüfung einzustehen hat; ist ein begünstigender Bescheid ergangen, so soll deshalb auch das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Bescheids weitgehend geschützt werden; die Verwaltung darf deshalb den Bescheid jedenfalls vom Eintritt der Bindung an zum Nachteil des Begünstigten nur zurücknehmen, wenn die Unrichtigkeit des Bescheids "außer Zweifel steht". Darauf, ob das Verfahren, das zum Erlaß des Bescheids geführt hat, ordnungsgemäß gewesen ist oder nicht, kommt es grundsätzlich nicht an; Verstöße gegen Vorschriften des VerwVG rechtfertigen nach § 41 Abs. 1 Satz 2 VerwVG die Erteilung eines "Berichtigungsbescheides" nicht. § 42 VerwVG bezieht sich dagegen nicht auf den materiell-rechtlichen Inhalt des früheren Bescheids, sondern auf das Verwaltungsverfahren, daß diesem Bescheid vorausgegangen ist. Wenn dieses Verfahren, also der "Weg", auf dem die Verwaltung zu ihrer Entscheidung gelangt ist, bestimmte, im Gesetz abschließend aufgezählte Mängel aufweist, hat die Verwaltung in einem neuen Verfahren, das frei von diesen Mängeln ist, erneut zu entscheiden (vgl. Sauerwein, VerwVG, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 42). Diese "Wiederaufnahme" des Verwaltungsverfahrens ist im wesentlichen von denselben Voraussetzungen abhängig wie die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch die Nichtigkeitsklage oder die Restitutionsklage (§ 179 SGG, §§ 578 ff. ZPO). Zu den Mängeln, deren Vorliegen die Verwaltung verpflichtet, erneut zu entscheiden, gehört es, daß "Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen worden sind" (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Dieser Sachverhalt führt zwar in der Regel dazu, daß auch materiell-rechtlich der Bescheid, der auf Grund dieser Tatsachen ergangen ist, tatsächlich und rechtlich unrichtig ist, daß also insoweit auch die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 VerwVG vorliegen, die materiell-rechtliche Unrichtigkeit fällt hier aber in der Regel nicht in den Verantwortungsbereich der Versorgungsverwaltung, sondern in den Verantwortungsbereich dessen, der die Tatsachen wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat; der Begünstigte verdient deshalb nicht den Schutz seines Vertrauens auf den Bestand eines Bescheides, dessen Unrichtigkeit er selbst herbeigeführt hat. Andererseits muß die Versorgungsverwaltung, wenn sie die Voraussetzungen des § 42 VerwVG für gegeben erachtet, innerhalb bestimmter Fristen erneut entscheiden (§ 43 Abs. 2 VerwVG); nur wenn sie diese Fristen nicht einhält, wird auch in diesem Falle das Vertrauen auf den Bestand des Bescheides geschützt. Wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 VerwVG gegeben und die Fristen des § 43 Abs. 2 VerwVG eingehalten sind, ist der Bescheid, mit dem die Versorgungsverwaltung erneut entscheidet, auch dann rechtmäßig, wenn sie den Bescheid zu Unrecht auf § 41 VerwVG gestützt hat. Sie darf selbst die Gründe für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts "nachschieben"; wenn sie dies nicht tut, muß das Gericht, das die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zu prüfen hat, den Bescheid als rechtmäßig werten, sofern er zwar nicht zutreffend begründet ist, aber nach der Überzeugung des Gerichts auf eine andere rechtliche Vorschrift gestützt werden kann (vgl. BSG 7 S. 8 ff. (12, 13), BSG 10 S. 209 ff. (211)). Ein solches "Nachschieben" von Gründen ist allerdings nur zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die andere Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht etwas wesentlich anderes wird. Obwohl die Voraussetzungen für das Tätigwerden der Verwaltung in § 41 und in § 42 VerwVG grundsätzlich verschieden geregelt sind, wird ein Verwaltungsakt nicht notwendig etwas wesentlich anderes, wenn die Verwaltung oder das Gericht nach dem festgestellten Sachverhalt zu der Überzeugung gelangt, ein Bescheid sei zwar - wie im vorliegenden Falle - nach § 41 VerwVG nicht rechtmäßig, wohl aber nach § 42 VerwVG; in beiden Fällen wird ein bindend gewordener, den Kläger begünstigender Verwaltungsakt von der Versorgungsverwaltung zurückgenommen und der Versorgungsanspruch wird neu geregelt; die Versorgungsverwaltung kommt also, obwohl die Voraussetzungen verschieden sind, zu demselben Ergebnis. Es kommt deshalb nur darauf an, ob die Voraussetzungen, unter denen die Verwaltung nach § 42 hat zurücknehmen dürfen, vorliegen; es ist unerheblich, daß sie den Bescheid auf § 41 VerwVG gestützt hat. Zwar ist in dem Urteil des BSG Bd. 6 S. 109 ff. ausgeführt, die Entscheidung des Versorgungsamts darüber, ob es nach § 41 oder nach § 42 VerwVG verfahren wolle, binde das Gericht; es kann hier dahinstehen, ob diesem Urteil zuzustimmen ist; in dem Sachverhalt, der dort zu beurteilen gewesen ist, ist die Versorgungsverwaltung aber davon ausgegangen, "ein arglistiges Verschweigen auf seiten des Beschädigten ... läßt sich ... nicht sicher nachweisen", auch das LSG hat insoweit jedenfalls keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Im vorliegenden Falle ist dagegen sowohl die Versorgungsverwaltung in dem Bescheid vom 8. März 1956 als auch das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin "wissentlich" den Sachverhalt, der zu der Bewilligung von Rente in dem früheren Bescheid geführt habe, unrichtig dargestellt habe. Der Sachverhalt ist also nicht ebenso wie in dem Urteil Bd. 6 S. 109 ff.
§ 42 VerwVG bietet zwar keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme der angefochtenen Bescheide, soweit die Klägerin auf Grund dieser Bescheide Leistungen vom 1. Juli 1949 bis 31. Dezember 1954 (Zeitpunkt der Einstellung der Rente) erhalten hat; die Rücknahme eines Bescheids nach § 42 VerwVG wirkt nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (1.4.1955) zurück (vgl. Urteil vom 26.8.1960 - 11 RV 732/58). Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG, für die eine dem § 42 VerwVG entsprechende Vorschrift fehlt (vgl. BSG 7 S. 51, 8 S. 11 (14)), ist die Versorgungsverwaltung aber nach den ergänzend heranzuziehenden Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts verpflichtet, den Bescheid, den der Begünstigte durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen von rechtserheblichen Tatsachen herbeigeführt hat, zurückzunehmen und neu zu entscheiden (vgl. RVA Nr. 5374, AN 1939 S. II 219; H. J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 3. Aufl., S. 282; Jellinek, Verwaltungsrecht, 1929, S. 274; Haueisen, NJW 1954 S. 1427; Die Ortskrankenkasse 1958 S. 422); sie darf auch in diesem Falle das Verfahren "wiederaufnehmen" und den Sachverhalt neu prüfen, es kommt in diesem Falle nicht darauf an, ob die Voraussetzungen der Bescheiderteilung sich als unzutreffend "erwiesen" haben (§ 30 Abs. 4 KBLG).
Es bleibt deshalb noch zu prüfen, ob das LSG ausreichende Unterlagen gehabt hat, um festzustellen, daß die Klägerin "Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen" hat. Dies ist der Fall. Die Revisionsrügen, die die Klägerin in bezug auf diese Feststellungen geltend gemacht hat, greifen nicht durch. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Angaben der Klägerin, die als Todesursache im Antrag "Verwundung (Knochenfraß am Arm)" angegeben hat, vereinbar gewesen sind mit den Angaben des von ihr in Ermangelung anderer Beweismittel benannten Zeugen G L, der gegenüber dem Versorgungsamt damals erklärt hat, M. sei 1916 "in Serbien gefallen", und ob nicht schon diese Angaben der Versorgungsverwaltung zu Zweifeln hätten Anlaß geben können. Verschwiegen hat die Klägerin in ihrem Antrag in jedem Falle, daß M. sich selbst in der Heimat durch Erhängen getötet hat; verschwiegen hat sie - auch wenn man trotz der vom LSG dargelegten begründeten Zweifel von der Richtigkeit ihrer späteren Darstellung ausgeht -, daß die Selbsttötung in einem Zustand von Schwermut erfolgt sei und daß dieser Zustand durch die Verwundung ausgelöst worden sei. Das LSG. hat auch zutreffend festgestellt, daß die Klägerin diese Umstände "wissentlich" verschwiegen habe. Auch bei Würdigung des Alters der Klägerin und ihrer sonstigen persönlichen Verhältnisse ist sich die Klägerin, wie das LSG zutreffend angenommen hat, nicht darüber im Unklaren gewesen, daß die Tatsache der Selbsttötung zu den Umständen gehört, die für die Entscheidung über den Versorgungsanspruch von wesentlicher Bedeutung sind; auch ein aus einfachen Verhältnissen stammender Mensch weiß, daß es ein Unterschied ist, ob ein Leiden, das durch den Krieg verursacht worden ist, nach seinem natürlichen Verlauf zum Tode führt oder ob es sich - aus welchen Gründen auch immer - um eine Selbsttötung gehandelt hat. Daran, daß die Klägerin diesen Umstand wissentlich verschwiegen hat, ändert sich auch nichts dadurch, daß sie möglicherweise in Ungarn Leistungen als "Kriegshinterbliebene" erhalten hat; selbst wenn das LSG insoweit ausreichende Feststellungen hätte treffen können, ist nicht, wie die Revision meint, dieser Umstand für die früheren Bescheide des Beklagten bestimmend gewesen, sondern die Darstellung des Sachverhalts, die die Klägerin in der Absicht gegeben hat, die Tatsache der Selbsttötung zu verschweigen. Allein das Verschweigen dieser Tatsache hat, wie das LSG zutreffend angenommen hat, dazu geführt, daß die Versorgungsverwaltung bei der Beurteilung des Sachverhalts in dem früheren Bescheid auf einen falschen "Weg" geführt worden ist. Sie hat deshalb nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG erneut entscheiden müssen. Sie hat auch die erneute Prüfung innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes eingeleitet (§ 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VerwVG). Bekanntgeworden ist der "Anfechtungsgrund" der Versorgungsverwaltung durch das mit "E. Müller" unterzeichnete Schreiben, das am 20. Oktober 1954 beim Versorgungsamt S eingegangen ist. Schon am folgenden Tag hat die Versorgungsverwaltung weitere Ermittlungen eingeleitet, insbesondere die Anhörung von Zeugen, die von November 1954 an durchgeführt worden ist. Am 21. Dezember 1954 hat das Versorgungsamt unter Hinweis darauf, daß die "Anerkennung fraglich" sei, die Einstellung der laufenden Zahlungen verfügt. Es ist unerheblich, daß die weiteren Erhebungen, die erforderlich gewesen sind, erst am 8. März 1956 zu der "erneuten Entscheidung" geführt haben.
Bei der neuen Entscheidung ist es nach § 2 Abs. 1 und 3 KBLG und nach § 1 Abs. 3 und 4 BVG darauf angekommen, ob es nach der neuen Sachdarstellung der Klägerin wahrscheinlich ist, daß M. sich in einem krankhaften Zustand der Geistestätigkeit getötet habe, durch den seine freie Willensbestimmung wesentlich beeinträchtigt gewesen ist, und daß dieser Zustand eine Folge seiner Verwundung gewesen ist. Diese Frage hat das LSG - wenn auch von einem anderen rechtlichen Ausgangspunkt aus - eingehend geprüft; es hat aus den Angaben der Zeugen und den sonstigen Unterlagen zutreffend den Schluß gezogen, der Nachweis der Wahrscheinlichkeit lasse sich nicht erbringen; diese Feststellung hat die Revision nicht angegriffen. Sie ist deshalb für das BSG bindend (§ 163 SGG). Das LSG hat deshalb im Ergebnis den Bescheid vom 8. März 1956 zu Recht für rechtmäßig gehalten, soweit die neue Entscheidung, die der Beklagte in diesem Bescheid getroffen hat, zur Aufhebung der früheren Bescheide und zu der Feststellung geführt hat, daß der Tod des M. zu Unrecht in den früheren Bescheiden als Leistungsgrund im Sinne des KBLG und Schädigungsfolge im Sinne des BVG festgestellt worden sei. Die Revision ist insoweit unbegründet (vgl. § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das LSG. die Rückforderung des Betrages von 6.011,71 DM für rechtmäßig gehalten hat. Nach § 47 Abs. 3 Satz 2 VerwVG Buchst. a ist der Empfänger zur Rückerstattung verpflichtet, wenn er Versorgungsbezüge deshalb zu Unrecht empfangen hat, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung wesentlich sind, wissentlich nicht angegeben oder verschwiegen hat; § 47 Abs. 3 VerwVG ergreift alle am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes (1.4.1955) anhängigen Rückforderungsfälle (BSG 6 S. 11 ff.).
Die Revision der Klägerin ist hiernach in vollem Umfange als unbegründet zurückzuweisen. Es bleibt dem Beklagten überlassen zu prüfen, ob von der Ermächtigung des § 47 Abs. 4 VerwVG Gebrauch zu machen ist; nach dieser Vorschrift kann von der Rückforderung u. a. ganz oder teilweise dann abgesehen werden, wenn sie für den Betroffenen eine besondere Härte bedeutet (vgl. auch Schönleiter-Hennig, VerwVG, 1957 Anm. 11 zu § 47 S. 138, 139).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen