Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundlohnbestimmung für freiwillig Versicherte
Leitsatz (amtlich)
1. Der Grundlohn für Sozialhilfeempfänger, denen Sozialhilfe durch Unterbringung in einem Heim oder einer Anstalt gewährt wird, ist nach § 180 Abs 4 S 3 RVO durch die Kasse zu bestimmen.
2. Für die Bemessung ist der Anteil der (Sach-)Leistungen zu bewerten, der der Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt dient.
Orientierungssatz
1. Die Bestimmung des Grundlohns nach § 180 Abs 4 S 3 RVO muß regelmäßig durch Satzungsregelungen getroffen werden (Fortführung von BSG vom 1982-08-25 12 RK 57/81 = SozR 2200 § 180 Nr 12).
Der Geschäftsführer kann die Festsetzung nur in besonders gelagerten Einzelfällen vornehmen (Anschluß an BSG vom 1982-07-29 8 RK 3/81 = SozR 2200 § 180 Nr 11).
2. Zweckgebundene Leistungen dürfen bei Anwendung des § 180 Abs 4 RVO nicht berücksichtigt werden.
3. Die Kasse "bestimmt" den Grundlohn nach § 180 Abs 4 S 3 RVO, wenn sich ein solcher nicht ermitteln läßt. Dieser Fall, daß nämlich ein Grundlohn nach den Sätzen 1 und 2 des § 180 Abs 4 RVO nicht zu ermitteln ist, liegt regelmäßig dann vor, wenn die Einkünfte ohne eine besondere Bewertungsentscheidung zahlenmäßig nicht erfaßbar sind. Dies trifft ua für Sachbezüge zu, für die es keine Sachbezugsverordnungen gibt.
4. Die Krankenkassen sind allgemein verpflichtet, alle Aufklärungsmöglichkeiten zu nutzen, um bei einer Grundlohnbestimmung nach § 180 Abs 4 S 3 RVO den wirklichen Werten der zum allgemeinen Lebensunterhalt gewährten Sachleistungen (einschließlich der persönlichen Dienstleistungen) möglichst nahe zu kommen (Fortführung BSG vom 1982-07-29 8 RK 3/81 = SozR 2200 § 180 Nr 11).
5. Eine Ermächtigung der Verwaltungsbehörde, die Grenzen eines unbestimmten Rechtsbegriffs abzustecken, kommt vor allem dort in Betracht, wo die ermächtigte Stelle eine nicht ersetzbare besondere Sachkunde für die Beurteilung der zu entscheidenden Fragen besitzt.
Normenkette
RVO § 180 Abs 4 S 3 Fassung: 1977-06-27, § 176c Fassung: 1975-05-07, § 321 Nr 3 Fassung: 1924-12-15; BSHG § 21 Abs 3, §§ 75, 68
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Bemessung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung der Klägerin.
Die 1941 geborene Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) auf der Grundlage von § 176c Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Sie ist schwerbehindert, steht unter Gebrechlichkeitspflegschaft und befindet sich seit dem 16. August 1976 in den J-Anstalten in M. Die Unterbringungskosten werden von dem beigeladenen örtlichen Träger der Sozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) an die Anstalten gezahlt. Sie betrugen ab 1. Juli 1977 DM 2.599,20, ab 1. März 1978 DM 2.708,64, ab 1. März 1979 DM 2.799,84 und seit dem 1. März 1980 DM 2.973,12 monatlich. Ferner zahlte der Beigeladene der Klägerin eine Kleiderpauschale in Höhe von zunächst DM 30,- monatlich und ab 1. Januar 1980 DM 40,- sowie ein Taschengeld von DM 70,- monatlich und ab 1. November 1979 DM 85,-. Außerdem erhält die Klägerin von ihrem Bruder als Ausgleich für ein nicht in Anspruch genommenes Wohnrecht eine Entschädigung, die monatlich DM 32,- beträgt, aber von dem Beigeladenen mit den Heimkosten verrechnet wird. Weitere Einkünfte hat die Klägerin nicht.
Bis Juni 1977 war die Klägerin bei der Beklagten in Lohnstufe 32 (Monatsbeitrag DM 108,48) versichert. Diese Lohnstufe reicht bis zu einem Grundlohn von DM 975,monatlich. Der Krankenversicherungsbeitrag wird spätestens seit dem 1. Juli 1977 von dem Beigeladenen getragen. Als die Beklagte von der Höhe des Pflegesatzes für die Heimunterbringung erfuhr, setzte sie den Krankenversicherungsbeitrag der Klägerin durch Bescheid vom 18. Juli 1977 - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1978 - ab 1. Juli 1977 nach Lohnstufe 85 (monatliche Einkünfte bis DM 2.565,-) mit einem monatlichen Beitrag von DM 288,16 fest; dabei ging sie von folgenden Einkünften aus: 30 x DM 80,30 täglicher Pflegesatz plus DM 70,- Taschengeld sowie der durch den Beigeladenen getragene Krankenversicherungsbeitrag. Während des Berufungsverfahrens erhöhte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag durch Bescheid vom Januar 1979 auf DM 327,- monatlich (entsprechend Lohnstufe 100) für die Zeit ab 1. Januar 1979 und durch Bescheid vom Dezember 1979 ab 1. Januar 1980 auf DM 343,36 (entsprechend Lohnstufe 105).
Die gegen den Bescheid vom 18. Juli 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1978 erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Mannheim -SG vom 30. August 1978). Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) hat jedoch das Urteil der ersten Instanz sowie die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 26. September 1980).
Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Frage, ob die vor dem 1. Juli 1977 erfolgte Einstufung in die Lohnstufe 32 rechtmäßig ist, nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist. Die drei Erhöhungsbescheide hat es mit folgender Begründung aufgehoben: Wohl könnten der Beitragsbemessung die allgemeine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG und andere bare Zuwendungen zugrundegelegt werden, was hier aber letztlich offenzubleiben habe, da diese keinesfalls einen monatlichen Betrag von DM 975,- (Lohnstufe 32) erreichten; jedoch sei nicht die gesamte Hilfe in besonderen Lebenslagen zu berücksichtigen. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut von § 180 Abs 4 Satz 1 RVO, aber aus dessen Entstehungsgeschichte (BT-Drucks 8/338 S 60); vor allem widerspreche die Auffassung der Beklagten dem Sinn einer an Arbeitsentgelt und Einnahmen zum Lebensunterhalt orientierten Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten; denn dieser Beitragsbemessung liege letztlich die Einkommenssituation des Versicherten iS einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zugrunde, mit der eine entsprechende Belastung durch Beiträge einhergehen solle. Damit sei es unvereinbar, besonders hohe Hilfeleistungen, die der Sozialhilfeträger als Sachleistung im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen erbringe, der Beitragsbemessung in voller Höhe zugrundezulegen.Damit würden die Beiträge nicht nach dem Maß der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, sondern mittelbar nach dem Grad der Hilfsbedürftigkeit bemessen. Der Sozialhilfeempfänger, der besonders hohe, die Beitragsbemessungsgrenze übersteigende Hilfen benötige und erhalte, hätte ebenso hohe Beiträge zu entrichten wie ein anderer Versicherter, der Arbeitsentgelt oder Einkommen in dieser Höhe beziehe. Es sei aber ausgeschlossen, daß der Gesetzgeber beabsichtigt habe, die Ärmsten der Armen, nämlich die pflegebedürftigen Sozialhilfeempfänger, mit ebenso hohen Beiträgen zu belegen wie Spitzenverdiener. Das gehe auch über die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 180 Abs 4 RVO durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) beabsichtigte Gleichstellung der freiwillig Versicherten mit den Pflichtversicherten hinaus. Auch die Tendenz des Gesetzes, die Kostenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu dämpfen, könne nicht zu der Annahme führen, dieses habe auch unter Inkaufnahme erheblicher zusätzlicher Aufwendungen der Sozialhilfeträger geschehen sollen, die vielfach - wie auch im Falle der Klägerin - die dann besonders hohen Krankenversicherungsbeiträge zusätzlich zu den Hilfen in besonderen Lebenslagen zu tragen hätten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 180 Abs 4 RVO und führt aus: Durch diese am 1. Juli 1977 in Kraft gesetzte Vorschrift sei keine Änderung gegenüber der früheren Rechtslage eingetreten, und es seien weiterhin alle Einnahmen zu berücksichtigen, die die wirtschaftliche Stellung des Versicherten bestimmten, ohne daß es auf die Quelle ankomme. Deshalb gehörten zu den Einnahmen auch solche Mittel, die dem Versicherten von dritter Stelle zuflössen. Die Beklagte räumt allerdings ein, daß nur solche Einnahmen der Beitragsberechnung zugrundegelegt werden könnten, die normalerweise den allgemeinen Lebensunterhalt decken. Die im dritten Abschnitt des BSHG geregelten Leistungen seien demgegenüber dazu bestimmt, einen Ausgleich für besondere Defizite zu schaffen, also zweckgebunden, und könnten deshalb nicht als "Einnahmen zum Lebensunterhalt" iS des § 180 Abs 4 Satz 1 RVO gewertet werden. Bei Sozialhilfeempfängern, die in Heimen untergebracht sind, seien Leistungen sowohl zum Lebensunterhalt als auch für besondere Zwecke der Kranken- und Gebrechlichkeitspflege miteinander vermischt. Die Schwierigkeit, herauszufinden, welcher Anteil zu der einen Gruppe zu rechnen sei und welcher zu der anderen, könne nicht dadurch gelöst werden, daß generell der Beitrag nach dem Mindestgrundlohn berechnet werde. Auch ein Rückgriff auf die amtlich festgesetzten Sachbezugswerte sei nicht sachgerecht. Es handele sich hierbei vielmehr um Fälle, in denen wegen des andernfalls erforderlichen unvertretbaren Verwaltungsaufwands ein Grundlohn individuell nicht feststellbar sei. Deshalb müsse der Kasse die Befugnis eingeräumt werden, den Grundlohn durch eine generelle Regelung nach freiem Ermessen festzusetzen. Dies könne etwa geschehen durch Festsetzung eines Grundlohns in Höhe des halben Höchstgrundlohns, oder in Höhe des Mehrfachen des Regelsatzes nach § 22 BSHG, oder in Höhe von 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV).
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der beigeladene Landkreis hat keinen Antrag gestellt.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß allenfalls die Hilfe zum Lebensunterhalt geeigneter Berechnungsmaßstab sein könne. In welcher Höhe diese für den einzelnen Heiminsassen anfalle, sei jedoch kaum festzustellen, auch dann nicht, wenn man verschiedene Kategorien bilde. Ebenso sei der Grad der Behinderung kein geeigneter Maßstab. Zusätzliche Schwierigkeiten ergäben sich, wenn der Betroffene eigenes Einkommen oder einsetzbares Vermögen habe. Bei dieser Sachlage sei es am sachgerechtesten, von den amtlich festgesetzten Sachbezugswerten auszugehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet. Die Klage betrifft, wie das LSG zutreffend festgestellt hat, nur den Zeitraum ab 1. Juli 1977. Die für die Zeit davor erfolgte Einstufung der Klägerin in die Lohnstufe 32 (entsprechend einem monatlichen Entgelt bis DM 975,- mit einem Monatsbeitrag von DM 108,48) ist nicht angegriffen.
Die streitbefangenen Bescheide über die Festsetzung höherer Beiträge für die genannte Zeit halten aus mehreren Gründen der Nachprüfung nicht stand.
Gemäß § 385 Abs 1 Satz 1 RVO (in der ab 1. Juli 1977 geltenden und für die Zeit ab 1. Januar 1980 ergänzten Fassung) sind die Beiträge in Hundertsteln des Grundlohns (Beitragssatz) zu erheben. Für freiwillig Versicherte gilt gemäß § 180 Abs 4 Satz 1 RVO (ebenfalls in der ab 1. Juli 1977 geltenden Fassung) als Grundlohn der auf den Kalendertag entfallende Teil des Arbeitsentgelts und sonstiger Einnahmen zum Lebensunterhalt; dabei ist höchstens ein der jeweiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO entsprechender Betrag als Grundlohn anzusehen, mindestens der einhundertundachtzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (bis Ende 1978: mindestens der einhundertfünfzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, in den Jahren 1979 und 1980 mindestens DM 13,- täglich). Läßt sich kein Grundlohn ermitteln, so bestimmt die Kasse den Grundlohn (§ 180 Abs 4 Satz 3 RVO).
Die von der Beklagten vorgenommene Einstufung der Klägerin in die Lohnstufen 85, 100 und 105 kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Beklagte bei der Berechnung des Grundlohns von dem Gesamtwert der von der Klägerin empfangenen Sozialhilfeleistungen ausgegangen ist. Eine derartige Berechnung steht nicht im Einklang mit dem Gesetz, da ein Teil dieser Leistungen zweckgebunden ist und deshalb nicht zu den sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt iS von § 180 Abs 4 RVO gerechnet werden kann.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Begriff der "Einnahmen zum Lebensunterhalt" sich nicht mit dem "Gesamteinkommen" iS von § 16 SGB IV (Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts) deckt; denn er umfaßt auch Einnahmen, die mit Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung nicht zum Gesamteinkommen gehören, sofern sie nur für die Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sind (vgl Urteil des Senats vom 28. April 1983, 12 RK 60/81). Andererseits läßt er Leistungen unberücksichtigt, die nicht dem allgemeinen Lebensunterhalt, sondern der Deckung eines besonderen Bedarfs dienen, insofern also zweckgebunden sind. Entschieden wurde dies bisher für die Beschädigten-Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz -BVG- (SozR 2200 § 180 Nr 5 = BSGE 50, 243), für das Wohngeld (SozR 2200 § 180 Nr 7 und Nr 10), für das Kindergeld (SozR 2200 § 180 Nr 7 und Nr 9), anders allerdings für die Witwengrundrente nach dem BVG (SozR 2200 § 180 Nr 8) und für die als Mutterschaftsgeld weitergewährten Dienstbezüge einer Beamtin (Urteil vom 18. Mai 1983, 12 RK 17/82).
Leistungen der Sozialhilfe hat der erkennende Senat in einem Urteil vom 23. Juni 1976 (SozR 2200 § 313a Nr 4), das noch zu dem mit der Neufassung von § 180 Abs 4 RVO außer Kraft getretenen § 313a RVO aF ergangen ist, als Leistungen angesehen, die die "Einkommensverhältnisse" der Leistungsempfänger beeinflussen und deshalb zu ihren Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören. Diese Entscheidung und die sie tragenden Gründe gelten im wesentlichen auch für § 180 Abs 4 RVO. Dabei ist allerdings zu beachten, daß zweckgebundene Leistungen bei Anwendung des § 180 Abs 4 RVO nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Der Grundlohnberechnung dürfen danach Sozialhilfeleistungen insoweit nicht zugrunde gelegt werden, als sie lediglich vorläufig anstelle noch ausstehender zweckgebundener Leistungen anderer Stellen erforderlich werden. Außerdem sind die Mehrleistungen in besonderen Lebenslagen (§§ 27 ff BSHG) regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wie sich aus Wortlaut und Systematik des BSHG ergibt.
Das BSHG regelt zunächst in den §§ 11 ff die Hilfe, die zur Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts zu gewähren ist. In den §§ 27 ff regelt das BSHG demgegenüber Leistungen, die gezielt zur Bewältigung bestimmter Lebenssituationen gewährt werden (Hilfe in besonderen Lebenslagen). Diese Leistungen müssen um ihrer Zweckbestimmung willen uneingeschränkt für den angestrebten Zweck zur Verfügung stehen, dh bestimmungsgemäß verwendet werden und dürfen nicht zur Deckung des allgemeinen Lebensunterhalts herangezogen werden. Im übrigen wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten, an der sich ihre Beitragsbelastung - in einer wesentlich vom Prinzip des sozialen Ausgleichs bestimmten Versicherung - orientieren muß, durch zweckgebundene Sozialleistungen in der Regel nicht erhöht (s auch die ausführliche Begründung für den Ausschluß zweckgebundener Leistungen in BSGE 50, 243 ff). Bei Personen, denen Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem BSHG gewährt wird, kann mithin für die Grundlohnberechnung nur der Betrag zugrunde gelegt werden, der ihnen als Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt nach den §§ 11 ff BSHG zu gewähren wäre. Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 180 Abs 4 RVO, der erst bei den Ausschußberatungen in das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz aufgenommen worden ist (BT-Drucks 8/338 S 7). In der Begründung der Vorschrift werden nämlich nur "Hilfen zum Lebensunterhalt" nach dem BSHG, nicht dagegen Hilfen in besonderen Lebenslagen erwähnt (aaO S 60).
Soweit Sozialhilfe durch Unterbringung in einem Heim (Anstalt) gewährt wird, bereitet die Berechnung des Grundlohns weitere Schwierigkeiten. Diese liegen einmal darin, daß die geldliche Bewertung dieser - als Sachleistung gewährten - Unterbringungshilfe gesetzlich nicht geregelt ist; zum anderen sind sie darin begründet, daß diese Hilfe sowohl Sachleistungen zum allgemeinen Lebensunterhalt als auch zweckgebundene Sachleistungen umfaßt. Ob und wie diese beiden Leistungsarten für die Grundlohnberechnung zu trennen sind, wird noch zu erörtern sein; in keinem Falle durfte die Beklagte hier aber eine Einstufung der Klägerin unter Zugrundelegung aller ihr als Hilfe in besonderen Lebenslagen gewährten Sachleistungen vornehmen.
Die - schon aus diesem Grunde aufzuhebenden - Bescheide sind darüber hinaus auch deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte den Grundlohn nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO berechnet hat. Richtigerweise hätte eine Festsetzung nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO erfolgen müssen. § 180 Abs 4 RVO betrifft in seinem Satz 1 nur Einkünfte, die im Beurteilungszeitraum zahlenmäßig festliegen. Das sind Einkünfte in Geld oder Sachbezüge, deren Bewertung aus den zu § 17 SGB IV ergangenen Sachbezugsverordnungen ablesbar ist. Bereits bei stark schwankenden Einnahmen, dh bei Einkünften, die nicht regelmäßig jeden Monat anfallen oder deren Bezug nach Art und Höhe ungewiß ist, wird von dieser Berechnung abgewichen (vgl § 180 Abs 4 Satz 2 RVO, der in diesem Falle eine Schätzung durch die Kasse vorsieht). Auch im Rahmen von Satz 2 muß es sich aber um zahlenmäßig feststellbare Einkünfte handeln. Die Sätze 1 und 2 des § 180 Abs 4 RVO entsprechen mithin der Beitragsberechnung bei Pflichtversicherten mit dem Unterschied, daß neben dem Arbeitsentgelt (bei Selbständigen: neben dem Arbeitseinkommen) auch andere Einkünfte zu berücksichtigen sind.
Solche anderen Einkünfte können allerdings unter Umständen zahlenmäßig nicht oder nur schwer bestimmbar sein (zB Unterhaltsleistungen innerhalb einer zusammenlebenden Familie). Für sie bedarf es deshalb einer besonderen Bewertungs- oder Einschätzungsentscheidung der Kasse. Diese ist in § 180 Abs 4 Satz 3 RVO gesetzlich vorgesehen. Danach "bestimmt" die Kasse den Grundlohn, wenn sich ein solcher nicht ermitteln läßt. Dieser Fall, daß nämlich ein Grundlohn nach den Sätzen 1 und 2 des § 180 Abs 4 RVO nicht zu ermitteln ist, liegt regelmäßig dann vor, wenn die Einkünfte ohne eine besondere Bewertungsentscheidung zahlenmäßig nicht erfaßbar sind. Dies trifft ua für Sachbezüge zu, für die es keine Sachbezugsverordnungen gibt. Sozialhilfeempfänger, denen Hilfe zum Lebensunterhalt durch Unterbringung in einem Heim oder einer Anstalt gewährt wird, erhalten ganz überwiegend Sachbezüge (Unterbringung, Verpflegung, Betreuung in Form persönlicher Dienstleistungen). Für diese Sachbezüge gibt es keine ausdrücklichen Bewertungsvorschriften, insbesondere keine Regelungen in Sachbezugsverordnungen. Die aufgrund von § 17 SGB IV ergangenen Sachbezugsverordnungen gelten, wie die wiederholten Hinweise auf "Beschäftigte" und "Arbeitgeber" zeigen, nur für Sachbezüge aus Beschäftigungsverhältnissen. Sie sind auch inhaltlich nicht auf die Besonderheiten von Alten- und Pflegeheimen zugeschnitten und enthalten dementsprechend keine Bewertungen für die dort anfallenden Sachleistungen. Im übrigen würde die Heranziehung der in den Sachbezugsverordnungen festgesetzten Werte zu einer im Gesetz nicht angelegten Differenzierung zwischen Sozialhilfeempfängern, die in Heimen (Anstalten) untergebracht sind, und solchen Sozialhilfeempfängern führen, die Barleistungen erhalten. Aus diesem Grund kann hier eine Beitragsberechnung nicht nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO unter Anwendung der Sachbezugsverordnungen erfolgen. Es bedarf vielmehr eines eigenen Bewertungsaktes der Krankenkasse nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO.
Eine Bestimmung des Grundlohns nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO ist darüber hinaus auch deshalb erforderlich, weil die Aufteilung der fraglichen Sachleistungen in solche, die den allgemeinen Lebensunterhalt betreffen, und solche, die zweckgebunden der Bewältigung besonderer Lebenslagen dienen, mit erheblichen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten verbunden oder für einzelne Leistungen sogar unmöglich ist. Die Klägerin, aber auch die Beklagte und der sie vertretende Verband haben auf diese Schwierigkeiten hingewiesen. Der Senat sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit ihrer Darstellung zu zweifeln. Erkennbar müßten hier fiktive Berechnungen seitens der Beklagten angestellt werden, die, um der Situation der Klägerin gerecht zu werden, mit Sicherheit umfangreiche Ermittlungen erfordern würden, sofern sie überhaupt zu einem Ergebnis führen. Diese Schwierigkeiten gebieten es, die Unterbringung der Klägerin in den Anstalten als einen Fall anzusehen, in dem sich ein Grundlohn nicht "ermitteln" läßt und es deshalb Aufgabe der Kasse ist, den Grundlohn nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO zu "bestimmen" (Weiterentwicklung von BSG SozR 2200 § 180 Nr 12). Ob gleiches für alle Fälle einer Anstalts- oder Heimunterbringung gilt, braucht hier nicht erörtert zu werden; im vorliegenden Fall sind diese Schwierigkeiten von allen Beteiligten, deren Erfahrung und Sachkunde außer Frage steht, bestätigt worden.Im übrigen wäre zu erwägen, ob nicht der Krankenkasse - als der in erster Linie mit den genannten Schwierigkeiten vertrauten Stelle - ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen ist, der es ihr gestatten würde, die Fälle, in denen Art und Umfang der Ermittlungsschwierigkeiten eine Anwendung des § 180 Abs 4 Satz 3 RVO rechtfertigen, in eigener Kompetenz abzugrenzen. Eine solche Ermächtigung der Verwaltungsbehörde, die Grenzen eines unbestimmten Rechtsbegriffs abzustecken, kommt vor allem dort in Betracht, wo die ermächtigte Stelle eine nicht ersetzbare besondere Sachkunde für die Beurteilung der zu entscheidenden Fragen besitzt (vgl dazu Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, vor § 33 Anm 26 ff mwN).
Die Bestimmung des Grundlohns durch die Kasse in den Fällen, in denen eine genaue Ermittlung der "Einnahmen" nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO einen außerordentlichen Aufwand erfordern würde, entspricht auch einer - in der modernen Massenverwaltung häufig anzutreffenden, sich zunehmend zu einem Rechtsprinzip verdichtenden - Tendenz, der Verwaltung das Recht einzuräumen, typisierende und pauschalierende Lösungswege zu beschreiten, wenn die Ausführung eines Gesetzes unverhältnismäßige Schwierigkeiten verursacht (s dazu Isensee, BayVBl 73, 658; ds, Die typisierende Verwaltung, 1976, besonders S 174; s auch SozR 4100 § 45 Nr 9, SozR 2100 § 17 Nr 3 und SozR 2200 § 180 Nr 12). In § 180 Abs 4 Satz 3 RVO kann eine Konkretisierung dieses Gedankens gesehen werden. Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums der Krankenkasse in dem erörterten Sinne wäre eine sachgerechte Weiterentwicklung dieses Gedankens.
Bei der sonach erforderlichen Bestimmung des Grundlohns nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO steht der Beklagten ein Bewertungsermessen zu. Bei dessen Ausübung bieten sich verschiedene Möglichkeiten, in Fühlungnahme mit dem Sozialhilfeträger Berechnungsgrundlagen zu erarbeiten, um den Wert der auf den allgemeinen Lebensunterhalt entfallenden Teile der Sachleistungen zu bestimmen. Entsprechende Erwägungen hat die Beklagte bisher nicht angestellt. Ihre Bescheide sind deshalb auch insofern fehlerhaft zustande gekommen.
Das Verfahren der Grundlohnfestsetzung für die Klägerin leidet im vorliegenden Fall schließlich noch an einem weiteren Mangel. Die Festsetzung des Grundlohns konnte hier nämlich nicht durch einen unmittelbar auf das Gesetz gestützten Verwaltungsakt erfolgen, sondern bedurfte einer - die weitgefaßte gesetzliche Ermächtigung konkretisierenden - Satzungsbestimmung der Beklagten.
Nach § 321 Nr 3 RVO ist die Bestimmung von Höhe und Fälligkeit der Beiträge der Satzung vorbehalten. Dazu gehört grundsätzlich auch die Bestimmung der Berechnungsfaktoren der Beiträge, insbesondere die Festsetzung des Grundlohns. Zwar ist in § 180 Abs 4 Satz 3 RVO die Bestimmung des Grundlohns allgemein der "Kasse" übertragen und dabei nicht, wie in anderen vergleichbaren Vorschriften (zB §§ 180 Abs 2 und 3, 734 RVO), ausdrücklich hervorgehoben worden, daß die Festsetzung in der Satzung der Kasse zu erfolgen hat. Diese Abweichung ist jedoch daraus zu erklären, daß in den gesetzlich der Satzung zugewiesenen Bereichen ausschließlich eine Festsetzung durch die Satzung in Betracht kommt. Außerhalb dieser Bereiche, insbesondere bei Anwendung des § 180 Abs 4 Satz 3 RVO, ist indes für besonders gelagerte Einzelfälle eine Grundlohnfestsetzung auch durch eine nicht satzungspflichtige Bestimmung der Kasse zulässig (vgl BSG Urteil vom 29. Juli 1982, 8 RK 3/81, SozR 2200 § 180 Nr 11; s ferner für Ersatzkassen BSG SozR 2200 § 180 Nr 12 S 38f). Die Regelung von solchen, einer generellen Regelung nicht zugänglichen Einzelfällen kann und muß durch den Geschäftsführer erfolgen. Soweit es sich jedoch um Fälle handelt, die - wie der Fall der Klägerin - im Kassenbereich in größerer Zahl vorkommen oder voraussichtlich immer wieder auftreten werden, kann nur der Satzungsgeber (§ 33 SGB IV) tätig werden (BSGE 29, 254, 258; 46, 155, 156; 47, 21, 22; SozR RVO § 180 Nr 3; Schulin, SGb 1978, 180, 183 f; ferner Martens, SGb 1983, 159, 162). Im übrigen besteht gerade bei der Beitragsgestaltung der Kasse ein besonderes Bedürfnis nach Gleichbehandlung, Stetigkeit und einer auch Dritten gegenüber verbindlichen Rechtsgrundlage, die nur durch Satzungsrecht geschaffen werden kann (s dazu Kirchhof, VSSR 11 (1983), 175 ff).
Bei der somit für Fälle der vorliegenden Art erforderlichen satzungsmäßigen Festsetzung des Grundlohns muß die Kasse die Ausübung ihres Regelungsermessens an den gesetzlichen Vorgaben ausrichten. Das bedeutet, daß der Grundlohn von freiwillig versicherten Sozialhilfeempfängern, die im Kassenbezirk in Heimen oder Anstalten untergebracht sind, so festgesetzt wird, daß er in etwa dem entspricht, was durchschnittlich bei solchen Versicherten auf die Hilfe zum allgemeinen Lebensunterhalt entfällt. Die dazu notwendigen Berechnungen könnten zusammen mit den beteiligten Sozialträgern vorgenommen werden. Der Grundlohn könnte aber auch - wie die Beklagte vorschlägt - ein Mehrfaches des Regelsatzes betragen. Ungeeignet als Anknüpfungspunkt sind demgegenüber Bruchteile des Höchstgrundlohns oder der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, weil diese keinen Bezug zu den Sozialhilfeleistungen haben und auch nach anderen Grundsätzen an die Einkommensentwicklung angepaßt werden.
Zu beachten ist bei der Festsetzung ferner die bereits zitierte Entscheidung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (SozR 2200 § 180 Nr 11), in der dargelegt ist, daß eine Festsetzung des Grundlohns nach Mitgliederklassen im Rahmen von § 180 Abs 4 RVO nicht zulässig ist. In Fortführung dieser Rechtsprechung hält der Senat die Krankenkassen allgemein für verpflichtet, alle Aufklärungsmöglichkeiten zu nutzen, um bei einer Grundlohnbestimmung nach § 180 Abs 4 Satz 3 RVO den wirklichen Werten der zum allgemeinen Lebensunterhalt gewährten Sachleistungen (einschließlich der persönlichen Dienstleistungen) möglichst nahe zu kommen. Daraus kann sich ergeben, daß bei unterschiedlichen Leistungen der im Kassenbezirk gelegenen Heime und Anstalten für die einzelnen Einrichtungen auch unterschiedliche Grundlohnfestsetzungen erforderlich werden.
Nicht zu entscheiden ist in diesem Verfahren, ob § 176c RVO, auf dem die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten beruht, mit dem Grundgesetz im Einklang steht, dies wird das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) möglicherweise auf einen Vorlagebeschluß des SG Duisburg vom 19. Januar 1981 (Aktenzeichen des BVerfG: 1 BvL 3/81) klären. Zum einen sind die angefochtenen Bescheide der Beklagten in jedem Fall aufzuheben, so daß die Entscheidung des Senats nicht von der Verfassungsmäßigkeit des § 176c RVO abhängt. Zum anderen könnte auch eine Verfassungswidrigkeit des § 176c RVO nicht dazu führen, daß der Klägerin rückwirkend (gesehen vom Zeitpunkt einer Entscheidung des BVerfG) ein Versicherungsschutz entzogen wird, auf dessen Bestehen sie vertraut hat. Entsprechendes gilt für den Beitragsanspruch der beklagten Kasse, die bis zu diesem Zeitpunkt das Versicherungsrisiko getragen und möglicherweise sogar Leistungen gewährt hat.
Da die Revision nach allem im Ergebnis keinen Erfolg hat, wird es nunmehr Aufgabe der Beklagten sein, durch eine Beitragssatzung die Berechnung des Grundlohns für Sozialhilfeempfänger in Heimen und Anstalten zu regeln und daran ihre Beitragsforderungen auch gegenüber der Klägerin auszurichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1659472 |
BSGE, 101 |