Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Berichtigungsanspruchs durch eine Bestätigung iVm Zeitablauf?
Leitsatz (redaktionell)
Die Beklagte ist schließlich auch nicht - was das LSG offengelassen hat - an einer Änderung (Herabsetzung) der Zahl der Versicherungsjahre bei der Rentenanpassung nach dem RAG 6 deshalb gehindert gewesen, weil "durch die Bestätigung im Jahre 1958 iVm dem Zeitablauf ein Berichtigungsanspruch verwirkt war". Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte bei der Anpassung der Rente nach dem RAG 6 nicht die Rente, die dem Kläger bis zum 1963-12-31 gewährt worden war, "berichtigt", vielmehr allein die Rente des Klägers nach den für das Jahr 1964 maßgebenden Anpassungsvorschriften für die Zeit ab 1964-01-01 (höher als bisher) festgestellt hat. Da die Anpassungsgesetze nur für das jeweilige Anpassungsjahr regeln, nach welchen Methoden die Rente anzupassen und inwieweit dabei die bisherigen Berechnungswerte einer Rente zu übernehmen sind, kann hier von einem - der Verwirkung wesenseigentümlichen "illoyalen Verhalten" der Beklagten durch "verspätete Rechtsausübung" keine Rede sein (vgl hierzu auch BSG 1958-05-20 2 RU 285/56 = BSGE 7, 199 und BSG vom 1961-12-20 2 RU 136/60 = BSGE 16, 79).
Normenkette
RAG 6 Fassung: 1963-12-21; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. September 1966 und des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 1964, soweit sie den Rentenanpassungsbescheid der Beklagten vom 3. April 1964 und die Kosten des Rechtsstreits betreffen, aufgehoben. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Kosten sind dem Kläger für alle Instanzen nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Bescheid vom 18. Februar 1958 gewährte die Beklagte dem Kläger (geboren am 8. August 1892) ab 1. August 1957 ein nach den §§ 31 ff des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) berechnetes Altersruhegeld in Höhe von monatlich 302, 50 DM. Auf einen vom Kläger später nicht weiter verfolgten "Einspruch" hin teilte sie dem Kläger im Juli 1958 mit, in dem Bescheid seien Zeiten der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1933 bis 1935 und 1950/1951 als Ausfallzeiten mit 42 Monaten angerechnet worden. Die Rente wurde mehrfach den Änderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage angepaßt; im Jahre 1963 betrug sie nach der Anpassung auf Grund des 5. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) 401,10 DM.
Am 4. Dezember 1963 teilte die Beklagte dem Kläger in einem Bescheid folgendes mit: "Eine Überprüfung hat ergeben, daß Ihre Rente nicht richtig berechnet worden ist, weil die Voraussetzungen zur Anrechnung der Ausfallzeiten in den Jahren 1932 bis 1935 und 1950/1951 nicht gegeben sind. Hiernach dürfte Ihre Rente anstatt 401,10 DM nur 388,- DM betragen. Hierzu verweisen wir auf die beigefügten Berechnungsunterlagen". Die beigefügten "Berechnungsunterlagen" bestanden in einer Neuberechnung der Rente nach dem 5. RAG ab 1. Januar 1963; danach wurde die Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre von bisher 30,5 auf 29 herabgesetzt (nach der Rentenakte offensichtlich deshalb, weil statt der bisher angerechneten Ausfallzeit von 42 Monaten nur noch die "pauschale" Ausfallzeit nach Art. 2 § 14 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG - aF mit 25 Monaten angerechnet wurde). In dem Bescheid heißt es weiter: "Da der derzeitige monatliche Zahlbetrag jedoch besitzgeschützt ist, wird die Rente in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Wir behalten uns aber vor, Ihre Rente in Zukunft erst dann anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteigt.
Die überzahlten Beträge fordern wir nicht zurück". Bereits im Dezember 1961 hatte die Beklagte den Kläger auf die Unrichtigkeit der Rentenberechnung hingewiesen, war aber bei den folgenden Rentenanpassungen weiterhin von den Berechnungsfaktoren in dem Rentenfeststellungsbescheid vom 18. Februar 1958 ausgegangen.
Mit der Klage machte der Kläger, der zunächst auch Einwendungen gegen die Rentenberechnung in dem Bescheid vom 4. Dezember 1963 erhoben hatte, schließlich nur noch geltend, die Beklagte habe den Bescheid vom 18. Februar 1958 nicht zu seinen Ungunsten abändern dürfen, sie sei an die "Berechnungsgrundlagen" dieses Bescheides, also auch an die angerechnete Ausfallzeit, gebunden. Das Sozialgericht (SG) Hamburg hob den Bescheid vom 4. Dezember 1963 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 1. Januar 1964 Altersruhegeld unter Berücksichtigung von 42 Monaten Ausfallzeit zu gewähren (Urteil vom 12. November 1964). Die Beklagte legte Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg erließ am 2. September 1966 folgendes Urteil:
"Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. November 1964 insoweit geändert, als es den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1963 aufgehoben hat.
Die Klage wird insoweit abgewiesen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des 2. Rechtszuges zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen."
Es führte aus: Soweit der Kläger sich gegen den "Bescheid" vom 4. Dezember 1963 wende, sei die Klage unzulässig, da dieser "Bescheid" kein anfechtbarer Verwaltungsakt sei. Die Beklagte habe aber während des Verfahrens des SG durch Bescheid vom 3. April 1964, der offenbar dem SG nicht bekanntgeworden sei, die Rente nach dem 6. RAG auf Grund der "berichtigten" Werte angepaßt, die Rentenanpassungen nach dem 7. und 8. RAG seien während des Berufungsverfahrens durch die Post in gleicher Weise durchgeführt worden. Der Anpassungsbescheid nach dem 6. RAG sei nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden, das gelte aber nicht für die ohne Bescheid durchgeführten Rentenanpassungen nach dem 7. und 8. RAG. Soweit die Beklagte sich mit der Berufung gegen die Verurteilung zu der "erhöhten Zahlung" (nämlich unter Anrechnung einer Ausfallzeit von 42 Monaten) wende, sei die Berufung unbegründet. Alle bis jetzt ergangenen Rentenanpassungsgesetze - damals das 1. bis 8. RAG - ließen eine "Korrektur" von Berechnungsfehlern in früheren Rentenfeststellungsbescheiden und damit eine "umschriebene Berichtigung" dieser Bescheide bei der Rentenanpassung nicht zu. Der Wortlaut der jeweiligen Rentenanpassungsregelungen, der eine Anpassung "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" vorschreibe, sei eindeutig und schließe die Auslegung, daß eindeutig falsch berechnete Berechnungsfaktoren für die Rentenanpassung nicht bindend seien, aus. Der gegenteiligen Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil des 11. Senats vom 15. Februar 1966 - 11 RA 289/65 - könne, wie das LSG ausführlich darlegte, nicht gefolgt werden. Da der Anpassungsbescheid nach dem 6. RAG durch das Urteil des SG praktisch außer Wirksamkeit gesetzt worden sei, könne er wegen des Verbots der reformatio in peius nicht ausdrücklich aufgehoben werden. Zum 7. und 8. RAG könne "mangels entsprechender Anträge des Klägers" keine Entscheidung ergehen. Das LSG ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte frist- und formgerecht Revision ein; sie beantragte,
unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Hamburg vom 12. November 1964 die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Sie rügte die unrichtige Anwendung des § 2 des 6. RAG und stützte sich zur Begründung im wesentlichen auf die Urteile des BSG vom 15. Februar 1966 - 11 RA 289/65 - und vom 28. Juni 1966 - 11 RA 50/66 -. Sie verwies ferner auf § 5 Abs. 1 Satz 3 des 9. RAG (damals erst als Entwurf vom Bundeskabinett verabschiedet); in dieser Vorschrift sei eine Bestätigung der Rechtsauffassung des BSG zu erblicken.
Der Kläger beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Sie ist auch begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Rentenanpassungsbescheid nach dem 6. RAG, der nach der Feststellung des LSG am 3. April 1964 ergangen ist. Entgegen der Meinung des LSG hat das SG auch über die Rechtmäßigkeit dieses Rentenanpassungsbescheides, der Gegenstand des Verfahrens des SG geworden ist (§ 96 SGG), entschieden; das SG hat in der Urteilsbegründung ausgeführt, der Kläger erhalte nach dem 6. RAG, also ab 1. Januar 1964, "unter Berücksichtigung des Vorbehalts in dem Bescheid vom 4. Dezember 1963" eine Rente von monatlich 419,70 DM und es hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 1964 Altersruhegeld unter Anrechnung von 42 Monaten Ausfallzeit - wie in dem Bescheid vom 18. Februar 1958 - zu gewähren; es hat also nicht nur den "Bescheid" vom 4. Dezember 1963, sondern auch den nach seiner Meinung rechtswidrigen Anpassungsbescheid nach dem 6. RAG aufgehoben. Die Beklagte hat mit der Berufung das Urteil des SG in vollem Umfange angefochten. Das LSG wäre deshalb nicht wegen des "Verbots der reformatio in peius" gehindert gewesen, den Rentenanpassungsbescheid nach dem 6. RAG, den es für rechtswidrig gehalten hat, aufzuheben; im Ergebnis hat es dies auch getan. Ob das LSG zu Recht der Auffassung gewesen ist, die während des Berufungsverfahrens durchgeführten Rentenanpassungen nach dem 7. und 8. RAG seien nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil diese Rentenanpassungen "ohne Bescheid" (nämlich "unmittelbar durch die Post") durchgeführt worden seien, und ob es zu Recht "mangels entsprechender Anträge des Klägers" insoweit nicht entschieden hat, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn diese Auffassung nicht zuträfe, so wären diese Rentenanpassungen jedenfalls nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, das Verfahren wäre insoweit noch beim LSG rechtshängig (Urteil des BSG vom 30. März 1962, BSG 17, 11, 14).
Soweit das LSG die Klage auf Aufhebung des "Bescheides" vom 4. Dezember 1963 als unzulässig abgewiesen hat, ist das Urteil des LSG rechtskräftig geworden. Der Kläger hat gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel eingelegt. Die Beklagte wendet sich mit der Revision dagegen, daß das LSG den Rentenanpassungsbescheid vom 3. April 1964 (6. RAG) für rechtswidrig gehalten hat. Insoweit kann der Senat dem LSG nicht folgen. In diesem Bescheid hat die Beklagte - wie die dem "Bescheid" vom 4. Dezember 1963 beigefügte Berechnungsunterlage und die Rentenberechnungen, die die Beklagte in den Rentenakten bei der Überprüfung im Dezember 1961 vorgenommen hat, ergeben - nicht mehr eine Ausfallzeit von 42 Monaten, sondern nur noch eine (pauschale) Ausfallzeit von 25 Monaten angerechnet; sie hat deshalb der Rentenberechnung nur noch 29 statt bisher 30,5 Versicherungsjahre zugrunde gelegt. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, daß die Berechnungsfaktoren, die der Rentenanpassung nach dem 6. RAG zugrunde liegen, unrichtig seien, er wendet sich nur noch dagegen, daß die Beklagte bei dieser Rentenanpassung einen unrichtigen Berechnungsfaktor (nämlich die unrichtige Zahl der Versicherungsjahre) durch den richtigen ersetzt und die Rentenanpassung auf dieser Grundlage vorgenommen hat. Hierzu ist die Beklagte jedoch aus den in dem Urteil vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 236 ff) dargelegten Gründen berechtigt gewesen. Sie ist bei der Anpassung der nach den §§ 30 ff AVG berechneten Renten (1. Rentengruppe) auf Grund des 6. RAG (vgl. Art. I § 2 dieses Gesetzes und die entsprechenden Vorschriften des 4., 5., 7. und 8. RAG) an eindeutig falsch ermittelte bisherige Berechnungsfaktoren nicht gebunden gewesen; sie kann vielmehr die falschen durch die richtigen Berechnungsfaktoren ersetzen, muß jedoch in jedem Fall mindestens den bisherigen Zahlbetrag der Rente weitergewähren. Das gleiche gilt nach dem Urteil des Senats vom 28. Juni 1966 - 11 RA 50/66 - und nach dem Urteil des 1. Senats vom 30. August 1966 (BSG 25, 181) für die Anpassung der nach Art. 2 § 31 bis 34 AnVNG umgestellten Renten. Mit den gegen diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall vom LSG - und auch von anderen Berufungsgerichten - erhobenen Einwendungen hat sich der Senat inzwischen insbesondere in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 23. Mai 1967 - 11 RA 280/65 - auseinandergesetzt; auf die Begründung dieses Urteils wird verwiesen. Der Senat hat zunächst dargelegt, daß seine Rechtsauffassung durch § 5 Abs. 1 Satz 3 des 9. RAG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 768) bestätigt worden sei. Nach dieser Vorschrift ist bei der Anpassung der unter § 4 fallenden Vergleichs- und Besitzstandsrenten (der 3. Rentengruppe) im Jahre 1967 an den Rentenzahlbetrag für Januar 1967 nur noch anzuknüpfen, wenn seine Höhe richtig festgestellt worden ist; anderenfalls, und zwar auch dann, wenn "die Rente unrichtig ... nach Maßgabe des 1. bis 8. RAG angepaßt worden ist", ist der falsche Betrag bei der Anpassung durch den richtigen zu ersetzen. Nach der in dem Urteil vom 23. Mai 1967 ausführlich dargelegten Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift sollte damit - unter ausdrücklicher Bezugnahme der amtlichen Begründung auf die Rechtsauffassung des erkennenden Senats in dem Urteil vom 15. Februar 1966 für die Anpassung der 1. und 2. Rentengruppe - der Versicherungsträger auch für die 3. Rentengruppe ermächtigt sein, in den Fällen, in denen ein früherer Bescheid Berechnungsfehler enthält, die Rentenanpassungen solange auszusetzen, bis die richtig berechnete und angepaßte Rente den bisherigen Rentenbetrag überschreitet. Mit dem 9. RAG ist damit offensichtlich die Auffassung des Senats in den Urteilen vom 15. Februar 1966 und 30. August 1966 "akzeptiert" und gebilligt worden; zugleich ist aber auch die unterschiedliche Behandlung, die sich aus den früheren Rentenanpassungsgesetzen für die Fälle der 3. Rentengruppe gegenüber den Fällen der 1. und 2. Rentengruppe ergeben hat (vgl. jeweils die §§ 4 und 5 des 4. bis 8. RAG), für die Zukunft beseitigt worden. Die Einwände, die das LSG aus dem nach seiner Meinung unbilligen Ergebnis einer unterschiedlichen Behandlung der verschiedenen Rentengruppen gegenüber der Rechtsauffassung des Senats hergeleitet hat, sind damit entkräftet. Der Gesetzgeber hat diese Unbilligkeit gesehen und mit dem 9. RAG beseitigt.
Der Senat hat sich in dem Urteil vom 23. Mai 1967 auch mit den Einwendungen auseinandergesetzt, die das LSG auf Grund des Wortlauts des § 2 des 4. bis 8. RAG - "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" - und des Sinns und Zwecks der Rentenanpassungen erhoben hat. Dieser Wortlaut ergibt nicht "eindeutig", daß das Gesetz, das notwendigerweise von Regeltatbeständen, also von einer richtigen Rentenfeststellung ausgehen muß, die unveränderte Übernahme auch unzweifelhaft falsch festgestellter Berechnungsfaktoren habe normieren wollen. Der Senat hat auch dargelegt, es treffe nicht zu, daß selbst dann, wenn ein Gesetzeswortlaut "eindeutig" ist, eine Auslegung des Gesetzes ausgeschlossen sei. Sie ist es jedenfalls dann nicht, wenn nicht "eindeutig" ist, daß der Gesetzeswortlaut sich auch auf einen von ihm nicht ausdrücklich erfaßten "Ausnahmetatbestand" bezieht. Für eine solche Auslegung ist dann der Sinn und Zweck, das "Ziel" der Vorschrift heranzuziehen. In dem Urteil vom 23. Mai 1967 ist hierzu ausgeführt (vgl. auch BSG 24, 239), in den gesetzlichen Vorschriften (§ 49 AVG) komme zum Ausdruck, daß die Anpassungen - als Ziel - der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Produktivität sowie den Veränderungen des Volkseinkommens je Erwerbstätigen Rechnung zu tragen haben; sie beruhen also auf dem in den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen verwirklichten Grundgedanken der "Dynamisierung" der Rente; die Erhaltung der Rentenkauf kraft und damit die Garantie eines einmal erworbenen Lebensstandards für den Rentner bei jeder neuen Anpassung ist dagegen in diesen Gesetzen nicht genannt; es ist weiter dargelegt, daß dies auch die bisherigen Rentenanpassungen bestätigen, weil durch sie der Nominalwert der Renten z.B. in den Jahren 1957 bis 1965 prozentual um mehr als das Doppelte der Erhöhung der Lebenshaltungskosten gestiegen sei, der Realwert in dieser Zeit trotz der im Jahre 1958 unterbliebenen Anpassung um 24 v.H. zugenommen habe, die Ergebnisse der Rentenanpassungen also über einen Kaufkraftverlust erheblich hinausgegangen seien; und schließlich, daß es nicht das Ziel der Anpassungen und der "Rentendynamik" sei, dem Rentner einen seiner früheren Beteiligung am Arbeits- und Wirtschaftsleben nicht entsprechenden Lebensstandard, den er auf Grund einer eindeutig zu hoch festgestellten Rente erworben habe, zu sichern und ihn möglicherweise noch zu verbessern. Gegen die Auffassung des LSG spricht schließlich auch, daß nicht jede Anpassung für jeden Rentner zu einer Erhöhung der Rente führen muß, wie z.B. § 1 in Art. III des 6. RAG ergibt.
Der Senat hat auch nicht die Unterschiede zwischen der Rentenfeststellung und der Anpassung verkannt. Er ist ebenso wie das LSG der Auffassung, daß die Rentenanpassungsgesetze seit dem 4. RAG zwar an eine hypothetische Neuberechnung der Rente anknüpfen (vgl. die z.B. in den §§ 2, 3 des 6. RAG gebrauchte Wendung: "wie sie - die Rente - sich ... ergeben würde, wenn die Rente ... berechnet werden würde"), daß sie aber nicht zu einer völligen Neufeststellung der Rente ermächtigen. Die Bindungswirkung des Rentenfeststellungsbescheides, die sich auf Art, Beginn und Höhe der Rente erstreckt, und ebenso - entgegen der Auffassung des LSG - auch die Bindungswirkung des Rentenzahlbetrages, der sich aus den von der Post durchgeführten früheren Rentenanpassungen ergibt, ist auch nach der Rechtsauffassung des Senats bei den jeweiligen späteren Rentenanpassungen zu beachten, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist" (§ 77 SGG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG 24, 236; Urteile des BSG vom 21. September 1966 - 11 RA 189/64 - und vom 23. Mai 1967 - 11 RA 280/65 -, ferner das Urteil des 1. Senats vom 1. Februar 1967 - 1 RA 43/64 -) erstreckt sich die Bindungswirkung nach § 77 SGG aber nicht auf die Berechnungsfaktoren (und die Gründe sowie die Berechnungsart) einer Rente. Die Frage ist deshalb hier, ob und inwieweit die Anpassungsgesetze die Bindungswirkung auf die den früheren Bescheiden zugrunde liegenden Berechnungsfaktoren der Rente ausdehnen. Aus dem Gesetzeswortlaut, nach dem - im übrigen auch nur für die Anpassung der 1. Rentengruppe - die hypothetische Neuberechnung "ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren" vorzunehmen ist, nach dem also insoweit - ausnahmsweise - die Bindungswirkung des Bescheids auch die übrigen Berechnungsfaktoren umfaßt, ist aber eine Bindung an früher eindeutig falsch festgestellte Berechnungsfaktoren nicht zu entnehmen. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Senats in den Urteilen BSG 24, 236, 239 und vom 23. Mai 1967 verwiesen.
Die Beklagte ist daher berechtigt gewesen, bei der Rentenanpassung nach dem 6. RAG die Zahl der Versicherungsjahre, die sie unstreitig in dem Bescheid vom 18. Februar 1958 mit 30,5 zu hoch angerechnet hat, durch die ebenfalls zwischen den Beteiligten nicht streitige richtige Zahl von 29 Versicherungsjahren zu ersetzen. Die Bindungswirkung des Rentenfeststellungsbescheides vom 18. Februar 1958 und die Feststellung des Rentenzahlbetrages nach dem 5. RAG hat die Beklagte beachtet. Die Rente, die dem Kläger bei der Rentenanpassung nach dem 6. RAG ab 1. Januar 1964 gewährt worden ist (419,70 DM), ist höher als die Rente, die der Kläger für das Jahr 1963 erhalten hat (401,10 DM). Die Beklagte ist schließlich auch nicht - was das LSG offengelassen hat - an einer Änderung (Herabsetzung) der Zahl der Versicherungsjahre bei der Rentenanpassung nach dem 6. RAG deshalb gehindert gewesen, weil "durch die Bestätigung im Jahre 1958 in Verbindung mit dem Zeitablauf ein Berichtigungsanspruch verwirkt war". Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil die Beklagte bei der Anpassung der Rente nach dem 6. RAG nicht die Rente, die dem Kläger bis zum 31. Dezember 1963 gewährt worden war, "berichtigt", vielmehr allein die Rente des Klägers nach den für das Jahr 1964 maßgebenden Anpassungsvorschriften für die Zeit ab 1. Januar 1964 (höher als bisher) festgestellt hat. Da die Anpassungsgesetze nur für das jeweilige Anpassungsjahr regeln, nach welchen Methoden die Rente anzupassen und inwieweit dabei die bisherigen Berechnungswerte einer Rente zu übernehmen sind, kann hier von einem - der Verwirkung wesenseigentümlichen - "illoyalen Verhalten" der Beklagten durch "verspätete Rechtsausübung" keine Rede sein (vgl. hierzu auch die Urteile des BSG vom 20. Mai 1958, BSG 7, 199 ff und vom 20. Dezember 1961, BSG 16, 79, 83).
Das LSG hat sonach zu Unrecht die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG, soweit dieses Urteil die Rentenanpassung nach dem 6. RAG betroffen hat, zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten sind insoweit die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, die Klage ist auch insoweit abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen