Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionsantrag. Revisionseinschränkung. besonderes berufliches Betroffensein. Berufsschadensausgleich

 

Orientierungssatz

1. Hat der Kläger Erhöhung der MdE wegen besonderem beruflichen Betroffenseins und die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs begehrt und beantragt er in der Revisionsinstanz nur noch die Gewährung des Berufsschadensausgleichs, so bewirkt diese Beschränkung des Rechtsmittels den Verlust des Revisionsrechts hinsichtlich des anderen prozessualen Anspruchs.

2. Die Bestimmungen in § 30 Abs 2 und 3 BVG sind weder inhaltsgleich noch besteht zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise, daß die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs 2 BVG Voraussetzung des Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs 3 BVG sein müßte.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 2-3; SGG §§ 165, 156 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.01.1969)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 insoweit aufgehoben, als es sich um die Entscheidung über die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs handelt; die Sache wird in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision des Klägers als unzulässig verworfen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Gründe

Der Kläger bezieht aufgrund der Bescheide vom 9. Juni 1952 und 4. Dezember 1954 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. Ein im November 1962 gestellter Verschlimmerungsantrag wurde durch bindend gewordenen Bescheid abgelehnt. Am 12. Februar 1965 beantragte der Kläger "die Bewilligung des Berufsschadensausgleichs gemäß § 30". Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 11. November 1965/Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1966 abgelehnt. Im Klageverfahren beantragte der Kläger, ihm unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit Rente nach einer MdE um 80 % zu gewähren und einen Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens nach der Besoldungsgruppe (BesGr) A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 24. Oktober 1967 "unter Aufhebung des Bescheides vom 11. November 1965 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1966 den Beklagten für verpflichtet erklärt, dem Kläger ab 1. Februar 1965 Rente nach einer MdE um 80 % sowie Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 8 BBesG zu gewähren"; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 24. Januar 1969 das Urteil des SG abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als Rente nach einer höheren MdE als 70 % und Berufsschadensausgleich begehrt ist; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt, die Berufung sei auch insoweit zulässig, als sie sich gegen die Erhöhung der MdE von 70 v.H. auf 80 v.H. richte. Der Beklagte habe insoweit einen wesentlichen Verfahrensmangel gerügt, der auch vorliege. Entgegen der Auffassung des SG habe der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden vom 11. November 1965 und 25. Februar 1966 lediglich über den Antrag des Klägers auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG, nicht aber über eine - vom Kläger im Verwaltungsverfahren auch nicht beantragte - Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) entschieden. Diese Entscheidung könne vom SG bzw. LSG auch nicht nachgeholt werden; vielmehr habe das SG die Klage insoweit mangels Vorliegens der Sachurteilsvoraussetzungen als unzulässig abweisen müssen. Die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs setze die vorherige Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG voraus. Da die Versorgungsbehörde die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG nicht geprüft und hierüber nicht entschieden habe, könne auch keine Verurteilung zur Gewährung eines Berufsschadensausgleichs erfolgen. Im übrigen - soweit sich der Beklagte gegen die Aufhebung des Bescheides vom 11. November 1965 und des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1966 wende - sei die Berufung jedoch unbegründet. Diese Bescheide seien vom SG im Ergebnis zu Recht als rechtswidrig aufgehoben worden. Denn sie seien zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG ergangen, ohne daß vorher nach § 30 Abs. 2 BVG entschieden worden wäre. Der Beklagte werde die letztere Entscheidung nunmehr nachzuholen und sodann erneut über die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu entscheiden haben.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 28. März 1969 zugestellt, der dagegen mit zwei Schriftsätzen vom 8. April und 10. April 1969, die am 10. April bzw. 11. April 1969 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen sind, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. Juni 1969 mit Schriftsatz vom 25. Juni, beim BSG eingegangen am 26. Juni 1969, begründet hat.

Der Kläger hat zunächst in seiner Revisionsschrift vom 8. April 1969 beantragt,

das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Mit Schriftsatz vom 10. April 1969 hatte er zunächst beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 insoweit aufzuheben, als es auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Köln vom 24. Oktober 1967 unter Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Berufsschadensausgleich ab 1. Februar 1965 nach der BesGr A 8 BBesG abgeändert hat, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen sowie die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten.

In seiner Revisionsbegründung vom 25. Juni 1969 hat er sodann den Antrag gestellt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 24. Oktober 1967 insoweit als unzulässig zu verwerfen, als sie sich gegen die in diesem Urteil ausgesprochene Verurteilung zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 80 v.H. richtet, und den Rechtsstreit im übrigen wegen der streitigen Gewährung von Berufsschadensausgleich zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen sowie die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten;

hilfsweise,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 insoweit aufzuheben, als es auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Köln vom 24. Oktober 1967 unter Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Berufsschadensausgleich ab 1. Februar 1965 nach der BesGr A 8 BBesG abgeändert hat, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen sowie die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorzubehalten.

In seiner Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, rügt der Kläger verfahrensrechtlich eine Verletzung des § 148 Ziff. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und materiell-rechtlich eine unzutreffende Anwendung des § 30 Abs. 2, 3 und 4 BVG. Er führt dazu aus, im Gegensatz zur Rechtsauffassung des LSG sei davon auszugehen, daß der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 11. November 1965 nicht nur über den vom Kläger begehrten Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG entschieden habe, sondern daß damit gleichzeitig das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG verneint worden sei. Dies ergebe sich eindeutig aus den Entscheidungsgründen des Bescheides vom 11. November 1965. In diesem Bescheid habe der Beklagte die Gewährung des begehrten Berufsschadensausgleichs unter gleichzeitiger Ablehnung einer besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers verneint. Das Klagegericht sei daher nicht gehindert gewesen, auch über die Voraussetzungen der besonderen beruflichen Betroffenheit des Klägers zu entscheiden und den Beklagten unter Anerkennung dieser Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um 80 v.H. zu verurteilen. Soweit sich daher der Beklagte mit seiner Berufung gegen die Erhöhung der MdE von 70 v.H. auf 80 v.H. gewandt habe, betreffe sie ausschließlich den Grad der MdE, ohne daß davon die Schwerbeschädigteneigenschaft abhängig sei; sie sei daher nach § 148 Ziff. 3 SGG unzulässig. Da somit bereits eine Prüfung der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG erfolgt sei, habe das LSG über den Berufsschadensausgleich des Klägers selbst entscheiden müssen. Bei dem Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG handele es sich um einen selbständigen Anspruch, der von einer positiven Entscheidung nach § 30 Abs. 2 BVG nicht abhängig sei. Selbst wenn aber bezüglich des Anspruchs des Klägers hinsichtlich seines besonderen beruflichen Betroffenseins ein Bescheid des Beklagten noch nicht ergangen sein sollte, so wäre das LSG an einer selbständigen Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs nicht gehindert gewesen, weil die Prüfung und Entscheidung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich in keinem Falle eine vorherige bescheidmäßige Regelung nach § 30 Abs. 2 BVG voraussetze. Dieser Rechtsansicht, die von sämtlichen Kriegsopfersenaten des BSG vertreten werde, entspreche auch die Anweisung in der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 7 zu § 30 BVG.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1969 als unbegründet zurückzuweisen.

Er führt aus, mit dem Schriftsatz vom 10. April 1969 habe der Kläger seinen Revisionsantrag eingeschränkt; das Urteil des LSG sei daher rechtskräftig geworden, soweit es sich um den Anspruch auf Erhöhung der Rente von 70 auf 80 v.H. handele. Jedenfalls aber sei die Aufhebung der vom SG ausgesprochenen Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer höheren Rente im Ergebnis zutreffend gewesen. Desgleichen könne auch die Rüge des Klägers, das LSG hätte über den Berufsschadensausgleich entscheiden müssen, nicht durchgreifen. Der Kläger sei durch die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte und die der Versorgungsbehörde auferlegte Verpflichtung, die Entscheidung über § 30 Abs. 2 BVG nachzuholen und sodann erneut über die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu entscheiden, nicht beschwert. Insoweit könne allenfalls eine Beschwer des Beklagten vorliegen.

Für das weitere Vorbringen des Beklagten wird auf seine Revisionserwiderung vom 26. Februar 1970 verwiesen.

Der Kläger trägt mit Schriftsatz vom 5. März 1970 weiter vor, die in den Revisionsschriftsätzen vom 8. April und 10. April 1969 gestellten Revisionsanträge entsprächen der Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Der in der Revisionsbegründungsschrift vom 25. Juni 1969 gestellte Antrag stelle lediglich eine Zusammenfassung der früher gestellten Anträge dar.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger konnte mit seiner Revision nur zum Teil Erfolg haben. Die Revision ist unzulässig, soweit mit ihr der Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins verfolgt wird. Der Kläger hat zunächst mit Schriftsatz vom 8. April 1969 Revision eingelegt und den Antrag gestellt, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen. Mit dem späteren Schriftsatz vom 10. April 1969 hat er erneut Revision eingelegt und nunmehr den Antrag gestellt, das Urteil des LSG ... "insoweit aufzuheben, als es auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Köln vom 24. Oktober 1967 unter Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Berufsschadensausgleich ab 1. Februar 1965 nach der BesGr A 8 BBesG abgeändert hat, und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ...". Durch diesen zweiten, binnen der Revisionsfrist beim BSG eingegangenen Antrag ist die Revision auf die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs beschränkt worden. Für die vorliegende Beurteilung kann dahinstehen, ob es sich insoweit um eine teilweise Revisionsrücknahme oder einen teilweisen Verzicht auf die Revision handelt (vgl. BSG in SozR SGG § 156 Nr. 5), denn jedenfalls steht diese Einschränkung des Rechtsmittels einem Sachurteil über den - gesondert zu beurteilenden - Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins entgegen. Gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG muß die Revisionsschrift "einen bestimmten Antrag" enthalten (vgl. demgegenüber § 554 Abs. 3 Nr. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, wonach erst die Revisionsbegründung die Revisionsanträge enthalten muß). Aus dem Revisionsantrag soll sich eindeutig ergeben, ob das Urteil im ganzen oder nur zu einem Teil angegriffen wird; der gestellte Antrag bildet dabei die Grenze der Nachprüfung des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 164 Anm. 3, Seite III 80-104). Stellt der Kläger daher nur einen eingeschränkten Revisionsantrag oder schränkt er den zunächst umfassend gestellten Revisionsantrag später wieder ein und beschränkt er seinen Antrag auf einen von mehreren Ansprüchen oder auf einen Teil eines Anspruchs, dann unterliegt nur noch dieser begrenzte Teil des Klageanspruchs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Eine solche teilweise Rücknahme des Rechtsmittels oder ein teilweiser Verzicht auf das Rechtsmittel ist auch im Revisionsverfahren zulässig (vgl. § 165 iVm § 156 SGG; s. Peters/Sautter/Wolff, aaO § 165 Anm. 1). Die Rücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (vgl. § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG); die Wirkung eines Verzichts auf das Rechtsmittel ist nicht anders zu beurteilen (vgl. BSG in SozR SGG § 156 Nr. 5; Urteil des erkennenden Senats vom 17. April 1970 - 10 RV 411/67 -).

Der in dem Schriftsatz des Klägers vom 10. April 1969 enthaltene Antrag stellt sich als eine teilweise Einschränkung seines mit Schriftsatz vom 8. April 1969 geltend gemachten Revisionsbegehrens dar ("... insoweit aufzuheben; ... die Sache in diesem Umfang ... zurückzuverweisen"). Dabei ist es unschädlich, daß der Kläger den Ausdruck "Rücknahme der Revision" oder einen ähnlichen Ausdruck nicht ausdrücklich gebraucht hat. Die Rücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels muß zwar durch Erklärung gegenüber dem Gericht - sei es durch einen Schriftsatz oder durch eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung - erfolgen (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 127 Anm. II 1 c); sie braucht aber nicht ausdrücklich unter Verwendung des Wortes "Rücknahme" zu erfolgen, sofern die Erklärung nur eindeutig und unmißverständlich ist. Die Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels kann dabei auch in einer Beschränkung des Klage- oder Rechtsmittelantrages zum Ausdruck kommen (vgl. Rosenberg, aaO; Urteil des erkennenden Senats vom 17. April 1970, aaO). Der in dem Schriftsatz vom 10. April 1969 gestellte Antrag bedeutet daher die Preisgabe des Rechts auf eine vollständige und umfassende Nachprüfung des Urteils des LSG, d.h. einen teilweisen Rechtsmittelverzicht oder eine teilweise Rechtsmittelrücknahme und die Beschränkung der Revision auf den Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs.

Die Revision ist auch in dem eben erörterten beschränkten Umfang rücknahme- oder verzichtsfähig gewesen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17. April 1970, aaO). Der Kläger hatte im Klage- und Berufungsverfahren zwei verschiedene Ansprüche geltend gemacht, nämlich den Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins und den davon gesondert zu beurteilenden Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs. Hielt der Kläger seinen Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins für aussichtslos oder aus wirtschaftlichen Gründen für wenig sinnvoll (vgl. insbesondere die Anrechnungsvorschrift des § 30 Abs. 5 BVG), so konnte er seinen prozessualen Anspruch (vgl. zu diesem Begriff Beschluß des Großen Senats des BSG in Band 18, 266) auf die Geltendmachung des Anspruchs auf die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs beschränken.

Der Senat brauchte nicht darüber zu entscheiden, ob der Kläger seinen Revisionsantrag binnen der Revisionsfrist wieder hätte erweitern können oder ob mit der Beschränkung des Revisionsantrages insoweit der endgültige "Verlust des Rechtsmittels" (vgl. § 156 Abs. 2 Satz 1 SGG) eingetreten war; denn jedenfalls ist eine Erweiterung des Revisionsantrages erst nach Ablauf der Revisionsfrist in der Revisionsbegründung mit Schriftsatz vom 25. Juni 1969 erfolgt. Die Auffassung des Klägers, daß es sich bei dem in der Revisionsbegründung gestellten Antrag nur um eine "Zusammenfassung" der bereits früher gestellten Anträge handelt, kann nicht geteilt werden. Der in dem Schriftsatz vom 10. April 1969 gestellte Antrag war eindeutig und beschränkte das Rechtsmittel auf die Nachprüfung der Entscheidung des LSG über die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs. Lediglich im Rahmen dieses Anspruchs konnte der Kläger seine Anträge noch neu formulieren, ergänzen oder "zusammenfassen". Dagegen war durch die oben erörterte Beschränkung des Rechtsmittels der Anspruch auf Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nicht mehr im Streit; das Urteil des LSG war insoweit rechtskräftig geworden. Soweit der Kläger unter Außerachtlassung seiner Beschränkung des Rechtsmittels später in der Revisionsbegründung vom 25. Juni 1969 erneut den Antrag auf Erhöhung der MdE gestellt hat, handelt es sich unter den gegebenen Umständen um eine Klageänderung, die im Revisionsverfahren unzulässig ist (vgl. § 168 SGG).

Soweit das LSG mit dem Tenor seines Urteils ("Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.") im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen (vgl. insbesondere Blatt 7 des Urteils) zum Ausdruck bringt, dem Beklagten müsse Gelegenheit gegeben werden, die Voraussetzungen für eine Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG nochmals zu prüfen und zu bescheiden, brauchte der Senat dazu nicht Stellung zu nehmen, da der Beklagte das Urteil des LSG insoweit hat rechtskräftig werden lassen.

Die Revision des Klägers ist begründet, soweit es sich um den Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs handelt. Der Auffassung des Beklagten, der Kläger sei durch die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte und die der Verwaltungsbehörde auferlegte Verpflichtung, die Entscheidung über § 30 Abs. 2 BVG nachzuholen und sodann erneut über die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu entscheiden, nicht beschwert, kann nicht gefolgt werden; diese Auffassung beruht offenbar auf einer Verkennung der prozessualen Vorgänge. Durch das Urteil des SG vom 24. Oktober 1967 war der Beklagte unter anderem zur Gewährung eines Berufsschadensausgleichs unter Zugrundelegung der BesGr A 8 BBesG verurteilt worden. Diese Verurteilung zur Leistungsgewährung ist von dem LSG nicht bestätigt worden, sondern auf die Berufung des Beklagten ist "die Klage auch insoweit abgewiesen worden, als ... Berufsschadensausgleich begehrt ist". Die Rechtsposition des Klägers ist also durch das Urteil des LSG eindeutig verschlechtert worden. Zwar hat das LSG im Tenor und in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebracht, daß die Versorgungsbehörde sowohl über die Erhöhung der MdE als auch über die Gewährung des Berufsschadensausgleichs noch zu entscheiden haben wird. Für die vorliegende Beurteilung kann dahinstehen, ob die Auffassung des LSG insoweit zutrifft; denn jedenfalls hat der Kläger dadurch allenfalls einen Anspruch auf Erteilung eines neuen Bescheides über die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs, nicht jedoch einen Anspruch auf Zahlung eines Berufsschadensausgleich erworben, wie er ihm vom SG bereits zugesprochen war.

Die Auffassung des LSG, daß eine Verurteilung zur Gewährung eines Berufsschadensausgleichs die vorherige - positive - Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG voraussetzt, kann nicht geteilt werden. Der erkennende Senat hat in Übereinstimmung mit den übrigen Kriegsopfersenaten des BSG bereits wiederholt entschieden, daß der Berufsschadensausgleich unabhängig davon zu gewähren ist, ob die MdE des Beschädigten wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden ist oder nicht (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 23. Mai 1969 - 10 RV 558/68 - und vom 24. Juni 1969 - 10 RV 573/68 -; Urteil des 9. Senats vom 21. März 1969 in SozR BVG § 30 Nr. 36; Urteile des 8. Senats vom 27. März 1969 - 8 RV 611/67, 8 RV 629/67 und 8 RV 827/68 -). Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf Wortlaut, Sinn und geschichtliche Entwicklung der Vorschriften über den Berufsschadensausgleich dargelegt, der durch das Erste Neuordnungsgesetz (1. NOG) eingeführte Berufsschadensausgleich bezwecke eine selbständige Entschädigung des durch die Schädigungsfolgen bedingten wirtschaftlichen Schadens, die unabhängig davon gewährt wird, ob die MdE des Beschädigten wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden ist oder nicht. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser gefestigten Rechtsprechung der Kriegsopfersenate des BSG abzuweichen.

Mit den durch das 2. NOG in § 30 Abs. 3 BVG eingefügten Worten: "Nach Anwendung des Absatzes 2" ist nicht ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen den Absätzen 2 und 3 des § 30 BVG in der Weise hergestellt worden, daß die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG eine rechtliche Voraussetzung für die Entscheidung über den Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG bildet und daß über die berufliche Betroffenheit daher in diesem Falle nicht anders entschieden werden kann als nach § 30 Abs. 2 BVG. Um die "Anwendung" einer bestimmten Vorschrift handelt es sich nicht nur dann, wenn der Anspruch oder eine andere an die anzuwendende Vorschrift geknüpfte Rechtsfolge bejaht wird, sondern auch dann, wenn die Prüfung des Sachverhalts zu einer Ablehnung führt, weil die in der Vorschrift bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Mit den Worten "nach Anwendung des Absatzes 2" ist jede Anwendung des Absatzes 2 gemeint, sei es mit negativem oder positivem Ergebnis. Die in der VV Nr. 7 zu § 30 BVG (idF vom 23. Januar 1965, BVBl 1965 S. 14) zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß vor Anwendung von § 30 Abs. 3 BVG zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für eine Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG gegeben sind, die Gewährung des Berufsschadensausgleichs aber nicht von der Erfüllung dieser Voraussetzungen abhängig ist, steht somit durchaus im Einklang mit dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 BVG. Die aus der Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG sich ergebende Entscheidung - sei es mit positivem oder negativem Ergebnis - hat daher keine bindende Wirkung für die Entscheidung über die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 BVG. Auch eine negative Entscheidung schließt eine Entscheidung über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG nicht von vornherein aus. Die Bestimmungen in § 30 Abs. 2 und 3 BVG sind weder inhaltsgleich noch besteht zwischen ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise, daß die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG Voraussetzung des Berufsschadensausgleichs nach § 30 Abs. 3 BVG sein müßte.

Auch der mit der Einführung des Berufsschadensausgleichs verfolgte Zweck würde vereitelt werden, wenn die Gewährung des Berufsschadensausgleichs unbedingt an die Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG gebunden wäre. Schon nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG, wonach nur erwerbsunfähige Beschädigte, die durch die Art der Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen waren und deshalb einen bestimmten Einkommensverlust hatten, einen Berufsschadensausgleich erhalten konnten, hat dieser Ausgleich nicht nur denjenigen Erwerbsunfähigen zugestanden, deren MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden war, sondern gerade auch denjenigen, die wegen der Schwere ihrer Schädigung bereits ohne Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG allein aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsunfähig waren. Diese Rechtslage hat durch die Neufassung des § 30 Abs. 3 BVG im 2. NOG keine Einschränkung in der Weise erfahren, daß vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an (1. Januar 1964) die Gewährung des Berufsschadensausgleichs von einer Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG abhängig wäre; sie ist vielmehr noch dadurch verbessert worden, daß nunmehr auch schon Schwerbeschädigte einen Berufsschadensausgleich erhalten können, daß das Mindestmaß des Einkommensverlustes von monatlich 100,- DM auf 75,- DM herabgesetzt wurde, daß ferner der Ausgleich von 3/10 auf 4/10 des Einkommensverlustes und der Höchstbetrag von 300,- DM auf 400,- DM erhöht wurde.

Durch die erneute Neufassung des § 30 Abs. 3 BVG im 3. NOG ist nunmehr klargestellt, daß der Berufsschadensausgleich unabhängig davon zu gewähren ist, ob die MdE des Beschädigten wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden ist oder nicht. Soweit in dieser Vorschrift die Worte "nach Anwendung des Absatzes 2" enthalten sind, haben sie dieselbe Bedeutung wie in § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. NOG; insoweit kann auf das hierzu oben Gesagte verwiesen werden. Danach ist auch nach dem Inkrafttreten des 3. NOG der Anspruch auf Berufsschadensausgleich nicht davon abhängig, daß die MdE des Schwerbeschädigten wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden ist; vielmehr genügt es, daß der Schwerbeschädigte durch die Schädigungsfolgen einen Einkommensverlust erlitten hat (vgl. BSG, aaO).

Die Auffassung des LSG kann auch nicht auf § 30 Abs. 5 BVG gestützt werden. Dort ist lediglich bestimmt, daß dann, wenn die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden ist, der durch die Erhöhung erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich angerechnet wird. Diese Vorschrift hat also lediglich Bedeutung für die Fälle, in denen eine Erhöhung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins stattgefunden hat, wobei der Mehrbetrag auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen ist, weil der besondere Berufsschaden im Versorgungsrecht wirtschaftlich nicht doppelt entschädigt werden soll; sie gibt jedoch nichts für die Ansicht des LSG her, daß die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs von der vorherigen positiven Entscheidung über die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG abhängig ist.

Somit hat das LSG § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. und 3. NOG verletzt, so daß die Revision begründet ist, soweit das angefochtene Urteil den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Gewährung eines Berufsschadensausgleichs betrifft. In diesem Umfang mußte es daher auf die Revision des Klägers aufgehoben werden. Da das LSG wegen seiner anderweitigen Rechtsauffassung keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Kläger durch die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen tatsächlich einen Einkommensverlust erlitten hat, konnte der Senat in der Sache selbst noch nicht abschließend entscheiden, so daß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden mußte.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650547

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