Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallfahrt während des Wochenendurlaubs

 

Leitsatz (redaktionell)

Selbst wenn mit dem BVerwG und dem BSG (vergleiche BSG 1958-03-18 10 RV 415/55 = BSGE 7, 75, 76 ff; BSG 1968-08-06 10 RV 261/66 = BSGE 28, 190, 193 ff) die Urlaubsfahrt eines Zeitsoldaten zwischen dem Dienstort und einer auswärtigen Familienwohnung als wehrdiensteigentümlich beurteilt wird, was wegen der gleichen Regelung für Beamte im BBG § 135 Abs 2 S 2 in der seit 1961 geltenden Fassung und für zivile Arbeitnehmer in RVO § 550 S 2 bedenklich erscheint, ist der Anspruch wegen der besonderen Verhältnisse im vorliegenden Falle ausgeschlossen.

Allein der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Urlaubsende hat nicht etwa zur Folge, daß die fragliche Unfallfahrt als gesetzlich geschützter Rückweg von der Familienwohnung zum Dienstort zu werten wäre. Vielmehr müßte nach dem tatsächlichen Gegebenheiten dieses Einzelfalls, die für eine solche rechtliche Zuordnung maßgebend sind, die Unfallfahrt örtlich und ausschließlich zwischen Dienstort und Familienwohnung unternommen worden sein. Eine ständige Familienwohnung des Zeitsoldaten (SVG § 81 Abs 3 Nr 4) ist dort, wo der Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens liegt.

 

Normenkette

RVO § 550 S. 2 Fassung: 1963-04-30; BBG § 135 Abs. 2 Fassung: 1965-10-22; SVG § 81 Abs. 3 Nr. 4 Fassung: 1957-07-26

 

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 1971 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist die Witwe des Unteroffiziers Hermann L (H.L.), der am 18. Januar 1966 an den Folgen eines am 9. Januar 1966 erlittenen Verkehrsunfalles verstorben ist. Im Mai 1967 beantragte die Klägerin für sich und ihren am 5. Mai 1966 geborenen Sohn, den Kläger, Hinterbliebenenrenten nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

H.L., der als Soldat auf Zeit bei einer Bundeswehreinheit in A stationiert war, trat am 7. Januar 1966 einen Wochenendurlaub an. Er fuhr mit seinem in B wohnenden Kameraden K (K.), der ihn ziemlich regelmäßig in seinem Personenkraftwagen zum Wochenendurlaub und zurück mitgenommen hatte, zu seiner Mutter in H, einem Ortsteil von B. Dorthin hatte er den Urlaubsschein ausstellen lassen. In der Wohnung seiner Mutter hatte er, bis er am 26. November 1965 die Klägerin heiratete, den Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens. Eine eigene gemeinsame Wohnung hatten die Eheleute L. bis zu diesem Wochenende noch nicht. Die Klägerin wohnte weiterhin bei ihrer Mutter in H, das von A aus etwa 5 km vor H an der Bundesstraße 68 liegt.

H.L., der keine Fahrerlaubnis der Klasse 3 und auch keinen entsprechenden Führerschein der Bundeswehr, sondern nur eine Fahrerlaubnis der Klasse 4 besaß, fuhr am 7. Januar 1966 abends von H mit dem seiner Mutter gehörenden Kraftwagen zu seiner Ehefrau nach H. An deren Wohnung hatte ihn K. auf Urlaubsfahrten etwa gleich oft wie in H abgesetzt. Für die gemeinsame Rückfahrt nach A war vereinbart, daß H.L. sich vor Urlaubsende entweder in der Wohnung des K. einfinden oder andernfalls von H aus mitnehmen lassen sollte. Am Sonntag, den 9. Januar 1966 fuhr H.L. nach 20 Uhr von der Wohnung der Klägerin aus mit dem Personenwagen seiner Mutter in Richtung B, um dort Wäsche abzuholen, die er seiner Mutter zum Waschen zurückgelassen hatte. Auf dieser Fahrt überholte er gegen 21 Uhr in einer überschaubaren Linkskurve bei dem zwischen H und H gelegenen Ort C auf der linken Straßenseite mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/Stunde einen Kraftwagen, der mit 70 bis 80 km/Stunde fuhr. Unmittelbar nach dem Überholen kam der von ihm gesteuerte Volkswagen, als er ihn scharf nach rechts zog, ins Schleudern. Er geriet hierbei auf den rechten Seitenstreifen, sodann in den rechten Straßengraben. H.L. wurde aus dem Auto geschleudert und erlitt schwere Verletzungen, denen er später erlag.

Den Versorgungsantrag lehnte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 17. Juli 1967 mit der Begründung ab, der Unfall des H.L. habe sich weder anläßlich des militärischen Dienstes noch auf einer Fahrt zwischen Militärdienststelle und seinem Familienwohnsitz ereignet und H.L. sei daher nicht an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 81 SVG verstorben. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 13. Mai 1968). Das Sozialgericht (SG) Detmold änderte die angefochtenen Bescheide ab und verurteilte den Beklagten, den Klägern Hinterbliebenenrenten ab 1. Mai 1967 zu zahlen (Urteil vom 15. September 1969). Auf die Berufung des Beklagten änderte das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 9. September 1971 die Entscheidung des SG ab und wies die Klage ab: Die gesetzliche Anspruchsgrundlage, von der das SG zutreffend ausgegangen sei (§§ 80, 81, 27 Abs. 3 Nr. 2 SVG), sei nicht gegeben. Zwar habe H.L. seinen zweiten Familienwohnsitz als Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens in H bei seiner Ehefrau gehabt. Er sei auch zur Zeit des Unfalles auf dem Rückweg aus dem Wochenendurlaub gewesen, weil diese kurze Fahrt in entgegengesetzter Richtung gegen Urlaubsende dazu gedient habe, die Wäsche abzuholen, deren Waschen im Urlaub mit dem Bundeswehrdienst zusammengehangen habe. Die Klage sei aber trotzdem nicht begründet; denn nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sei das Verschulden des H.L. die wesentliche Unfallursache gewesen. H.L. sei etwas leichtsinnig gefahren und habe keinen Führerschein der Klasse 3 besessen. Falls er eine solche Fahrerlaubnis gehabt hätte, hätte er größere Erfahrung mit den technischen Mängeln der M- und S-Bereifung am Wagen seiner Mutter gehabt, diese Mängel hätten sich nach Meinung der Polizei bei dem Überholvorgang mit erhöhter Geschwindigkeit besonders nachteilig ausgewirkt. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Kläger rügen mit der Revision eine Verletzung der versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm (§ 1 BVG) und in verfahrensrechtlicher Hinsicht Verstöße gegen die §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Versorgungsanspruch, der sich aus den §§ 80, 81 SVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Buchst. d BVG wegen des Zusammenhanges zwischen dem Tod und einem Unfall auf der versorgungsrechtlich geschützten Urlaubsrückfahrt ergebe, sei nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil H.L. den Unfall selbst verschuldet habe. Weder das Fehlen einer Fahrerlaubnis für den Personenkraftwagen noch sein Fahrverhalten sei als alleinige Ursache oder als überragende Mitursache zu werten. H.L. habe verantwortungsbewußt und verkehrsüblich seine Geschwindigkeit beim Überholen beschleunigt; das LSG habe auf Grund der im Ermittlungsverfahren geäußerten Vermutung, daß die Geschwindigkeit zu hoch gewesen sei, nicht eine "etwas leichtsinnige Fahrweise" feststellen dürfen. Auch das anschließende Überwechseln auf die rechte Fahrbahn sei normal gewesen. Jedenfalls habe für ein fahrlässiges Fahren der subjektive Tatbestand gefehlt. H.L. sei auch nicht deshalb verunglückt, weil er keine Fahrerlaubnis der Klasse 3 gehabt habe, sondern er sei einer allgemeinen Verkehrsgefahr erlegen. Mit dem Erwerb eines Führerscheins der Klasse 3 hätte er Spezialkenntnisse über nachteilige Auswirkungen der Bereifung nicht erlangt. Mit der Feststellung, daß H.L. als Inhaber der erforderlichen Fahrerlaubnis größere Erfahrung mit den Auswirkungen technischer Umstände bei erhöhter Geschwindigkeit gehabt hätte, habe das LSG gegen § 128 SGG verstoßen. Darüber und über die Bewertung der Fahrweise hätte das LSG auch nach § 103 SGG einen Verkehrssachverständigen hören müssen. Bei richtiger Anwendung der Kausalitätsnorm und ohne die gerügten Verfahrensmängel habe das LSG dem Anspruch der Kläger stattgeben müssen.

Die Kläger beantragen,

1.

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 1971 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15. September 1969 zurückzuweisen;

2.

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. September 1971 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er tritt der Auffassung des LSG bei, daß die verkehrswidrige Fahrweise des H.L. die wesentliche Bedingung und damit die Ursache des Unfalls gewesen sei. Darüber habe das LSG wegen der Aussagen der Zeugen des Unfalls und wegen der Beurteilung durch den Leiter der Schutzpolizei in Halle keinen Sachverständigen zu hören brauchen. Abgesehen davon reichten jedoch die Feststellungen des LSG nicht aus, um die Wohnung der Klägerin als "Mittelpunkt der außerdienstlichen Lebensverhältnisse" ihres Ehemannes zur Zeit des Unfalles zu werten; H.L. habe seinen vor der Ehe begründeten Wohnsitz bei der Mutter nicht aufgegeben gehabt. Selbst wenn er zwei Familienwohnsitze gehabt hätte, hätte er mit der Fahrt von Halle nach Holtfeld nicht bereits die Urlaubsrückfahrt begonnen, vielmehr sie nur vorbereitet, weil er noch den Personenwagen seiner Mutter habe zurückbringen müssen.

II

Die Revision ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 SGG). Sie ist aber sachlich nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis mit Recht unter Abänderung des Urteils des SG, das der Klage stattgegeben hatte, die Klage abgewiesen. Der Senat konnte dahingestellt sein lassen, ob das LSG zu Recht - was mindestens fraglich ist - den Hinterbliebenenanspruch der Kläger deshalb nicht für begründet gehalten hat, weil H.L. einer selbstgeschaffenen Gefahrenlage zum Opfer gefallen sei (vgl. BSG 6, 164, 169; 11, 156, 157; 14, 64, 67; 30, 14, 15 f) und sich verkehrswidrig verhalten habe. Die Voraussetzung für einen Ausschluß des Versorgungsschutzes aus diesen Gründen ist entgegen der vom LSG vertretenen Ansicht nicht gegeben: H.L. ist nicht auf einer Fahrt verunglückt, die an sich versorgungsrechtlich geschützt wäre.

Nach § 80 SVG in der seit der Bekanntmachung vom 20. Februar 1967 (BGBl I S. 201) geltenden Fassung erhalten die Hinterbliebenen eines Soldaten, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses Versorgung entsprechend den Vorschriften des BVG. Eine Wehrdienstbeschädigung in diesem Sinn ist nach § 81 Abs. 1 SVG u.a. eine gesundheitliche Schädigung, die durch einen während des Wehrdienstes erlittenen Unfall herbeigeführt worden ist. Zum Wehrdienst im Sinne dieser Vorschrift gehört nach § 81 Abs. 3 Nr. 4 SVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1971 (BGBl I S. 1481), die hier auch anzuwenden ist (BSG 28, 190, 192), das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle (Halbsatz 1) sowie von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn der Beschädigte wegen deren Entfernung vom Dienstort an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft hat (Halbsatz 2). Vorher galt in der Zeit seit dem Antrag vom Mai 1967 entweder die inhaltlich gleichlautende Begriffsbestimmung des Dienstwegunfalles im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG in § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c und Satz 2 BVG in der Fassung des Zweiten Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 (BGBl I S. 85), da nach § 81 Abs. 5 SVG idF vom 20. Februar 1967 eine Wehrdienstbeschädigung einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des § 1 BVG gleichstand (BSG 28, 190, 191 f; Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1970 - 9 RV 100/68 -, teilweise abgedruckt in SozR Nr. 7 zu § 4 BVG), oder die entsprechende Begriffsbestimmung des § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 SVG idF der Bekanntmachung vom 20. Februar 1967, die ausdrücklich nur die Dienstunfälle als Voraussetzung für das Unfallruhegehalt der Berufssoldaten betrifft (Wilke, Kommentar zum BVG, 3. Auf. 1968, § 81 SVG, Erl. II, 2; Brehmenkamp, Zentralblatt für Sozialversicherung 1969, 65, gegen verschiedene Urteile des BSG und gegen BVerwG in Neue juristische Wochenschrift 1964, 2031). Selbst wenn mit dem BVerwG (aaO) und dem BSG (7, 75, 76 f; 28, 190, 193, 194) die Urlaubsfahrten eines Zeitsoldaten zwischen dem Dienstort und einer auswärtigen "Familienwohnung" als wehrdiensteigentümlich beurteilt werden, was wegen der gleichen Regelungen für Beamte in § 135 Abs. 2 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) in der seit 1961 geltenden Fassung und für zivile Arbeitnehmer in § 550 Satz 2 RVO (früher § 543 RVO) bedenklich erscheint, ist der Anspruch wegen der besonderen Verhältnisse im vorliegenden Fall ausgeschlossen.

H.L. ist nicht auf einem nach diesen Vorschriften versorgungsrechtlich geschützten Weg zwischen seiner "Familienwohnung" und seinem Dienstort A verunglückt. Vielmehr ist die Fahrt mit dem Unfall als Geschehen innerhalb des auf Antrag gewährten Wochenendurlaubs nicht dem Wehrdienst zuzurechnen und auch nicht auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen (BSG 7, 75, 76; BSG 28, 190, 193; BVerwG aaO). Allein der nahe zeitliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Urlaubsende hatte nicht etwa zur Folge, daß diese Fahrt als gesetzlich geschützter Rückweg von der "Familienwohnung" zum Dienstort zu werten wäre. Vielmehr müßte nach den tatsächlichen Gegebenheiten dieses Einzelfalles, die für eine solche rechtliche Zuordnung maßgebend sind (BSG 2, 78, 80 f; BVerwG aaO), die Unfallfahrt örtlich direkt und ausschließlich zwischen Dienstort und "Familienwohnung" unternommen worden sein. Während der übliche Weg vom und zum Dienst (im Unfallrecht: von und zu der versicherten Tätigkeit) gesetzlich allein durch den Dienstort als Ausgangs- oder Zielpunkt begrenzt wird (BSG 7, 243, 247; 27, 114; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, II S. 486 a, b und c), ist für Fahrten zu oder von der "Familienwohnung" außerdem diese Wohnung als anderer Grenzpunkt festgelegt (BSG 28, 190, 196). Im Sinn der obengenannten versorgungs-, beamten- und unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften ist eine "ständige Familienwohnung", die der Verletzte außerhalb seines Dienstortes und in der Regel außer einer "Unterkunft" hat, dort, wo der "Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens" liegt (BSG 1, 171, 172 f; 2, 78, 80; 17, 270, 271; Urteil vom 17. März 1970 - 9 RV 100/68 -; BVerwG aaO; Brackmann, S. 486 h II; Fischbach, BBG, 3. Aufl., 1965, 2. Halbband, § 135, Anm. III, 5; Wilke, aaO, § 81 SVG, Erl. II, 2).

H.L. befand sich nicht auf einer derart geschützten Fahrt von der "Familienwohnung" zum Dienst, als er verunglückte. Die Eheleute L. hatten im Januar 1966 noch keine übliche eigene "Familienwohnung" für sich allein. Ob sich die "Familienwohnung" für den Ehemann allein bei seiner Mutter in B (unten a) oder bei der Klägerin in H (unten b) oder an jedem der beiden Orte (unten c) oder teils hier und teils dort (unten d) befand, kann dahingestellt bleiben; denn in jedem der vier Fälle verunglückte H.L. während der Fahrt von Halle nach H nicht auf dem Weg von dieser Wohnung zum Dienstort A.

a)

H.L. könnte den "Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens" weiterhin wie vor der Eheschließung (Urteil vom 17. März 1970 - 9 RV 100/68 -; BSG 17, 270) im Hause seiner Mutter gehabt haben, wohin er auch den letzten Wochenendurlaub nach dem Urlaubsschein (Allg. Teil Nr. 1 und 16 der Ausführungsbestimmungen zur Soldatenurlaubsverordnung vom 3. Februar 1964/4. August 1965 - VMBl S. 337 -) beantragt hatte. Die gegenüber der Verlobungszeit tatsächlich unveränderten Wohnungsverhältnisse der Eheleute L. hätten eine "Familienwohnung" des Ehemannes bei seiner Schwiegermutter im allgemeinen ausgeschlossen (Urteil vom 17. März 1970; BVerwG aaO). Dann hätte sich der Unfall aber noch vor der Urlaubsrückfahrt ereignet; diese hätte allein von B in umgekehrter Richtung über H oder - nach der Klagebegründung - über W und B nach A geführt (BSG SozR Nr. 12 zu § 543 RVO). Reisen zwischen der "ständigen Familienwohnung" und einer anderen Wohnung, die nicht den "Mittelpunkt der Lebensverhältnisse" bildet und keine "Unterkunft" am Dienstort oder in dessen Nähe ist, gehören allgemein zum nicht gesetzlich geschützten Privatleben (Urteile des 2. Senats des BSG vom 2. März 1971 - 2 RU 108/68 - und vom 4. Mai 1971 - 2 RU 212/69 -). Obgleich der Versorgungsschutz keinen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Dienstende und der Fahrt zur "Familienwohnung" voraussetzt (BSG 28, 190), könnte die Unfallfahrt des H.L. gegen Ende des Urlaubs auf der von A in Richtung B führenden Straße nicht nochmals als solche vom Dienstort zur "Familienwohnung" gewertet werden; diese Reise hatte H.L. bereits am Freitagabend gemeinsam mit seinem Kameraden K. unternommen.

b u.c)

H.L. könnte nach seiner Eheschließung seine "ständige Familienwohnung" nach H zur Klägerin tatsächlich verlegt haben, um dort die eheliche Lebensgemeinschaft pflichtgemäß (§ 1353 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) zu pflegen (BSG, Breithaupt, 1968, 793; Urteil des 2. Senats vom 29. Juni 1971 - 2 RU 111/68). Eine solche Veränderung, die während der Dienstzeit eines Soldaten möglich ist (Urteil vom 17. März 1970; BVerwG aaO), wird allerdings nicht zwangsläufig allein durch die Rechtsbeziehung der Ehe herbeigeführt, wie überhaupt ein familienrechtliches Band für eine "Familienwohnung" im Sinne der genannten Vorschriften nicht allein maßgebend ist (BSG 17, 270; 25, 93, 95; vgl. auch 20, 110, 113). Falls H.L. seine "Familienwohnung" entweder ausschließlich (b) bei der Klägerin in Halle oder dort zusätzlich (c) einen selbständigen, weiteren "Mittelpunkt seines außerdienstlichen Lebens" gehabt hätte, wie das LSG angenommen hat, wäre er ebenfalls nicht auf der versorgungsrechtlich geschützten Reise verunglückt, sondern auf einer Fahrt, die allein dem Privatleben im Urlaub zuzurechnen ist. Dann war bloß der kürzeste Rückweg von diesem Endpunkt des Wochenendurlaubs nach A, eventuell auch über W und B, geschützt. Dagegen könnte der in entgegengesetzter Richtung unternommene Abstecher nach H der Rückreise von der "Familienwohnung" zum Dienstort nicht etwa deshalb zugeordnet werden, weil H.L. möglicherweise zu seinem Kameraden K. nach B fahren wollte. Falls er in H geblieben wäre, hätte ihn K. nämlich dort verabredungsgemäß abgeholt, und dann hätte die Rückfahrt mit dem Auto in H begonnen. Eine durchgehende Rückfahrt von H über B kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil H.L. die von seiner Mutter gereinigte Wäsche abholen wollte. Das Waschen privater Wäsche und der selbst zu säubernden Dienst- oder Arbeitskleidung während der Freizeit am Wochenende ist grundsätzlich ebensowenig dem Wehrdienst nach § 81 Abs. 1 SVG und dem militärischen Dienst nach § 1 Abs. 1 BVG wie einem unfallversicherten Arbeitsverhältnis nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 548 RVO eigentümlich. Selbst wenn ausnahmsweise irgendwelche Besonderheiten des von H.L. geleisteten Dienstes das Reinigen der Wäsche durch seine Mutter bedingt hätten, wozu das LSG nichts festgestellte hat, hätte H.L. die gewaschenen Stücke zum Urlaubsende von seinem Kameraden K. abholen lassen können. Der einzige zwingende Grund für die rein private Fahrt von H nach H war das Zurückbringen des der Mutter gehörenden Kraftwagens.

d)

Aus diesen Gründen wäre auch dann nicht anders zu entscheiden, wenn H.L. eine "aufgespaltene Familienwohnung" zugleich in H und H gehabt hätte, wofür allerdings ebenfalls nichts festgestellt ist (BSG 19, 257; LSG NRW, Breithaupt 1958, 1031). Die Fahrt zwischen zwei unselbständigen, jeweils verschiedenen Zwecken (zB dem Schlafen und Wohnen) dienenden, einander notwendig ergänzenden Teilbereichen einer einzigen "Familienwohnung" wäre rein privater Natur gewesen, selbst dann, wenn die Rückreise nach Augustdorf an der in Halle gelegenen Teilwohnung als dem Urlaubsziel begonnen hätte.

Da nach alledem H.L. nicht auf der Fahrt zwischen seiner "Familienwohnung" und seinem Dienstort verunglückt ist, stellt sich das Urteil des LSG im Ergebnis, wenn auch aus anderen Gründen als richtig dar. Die Revision war deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670444

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