Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Erstattung von Leistungen, die von der Versorgungsbehörde vor Rechtskraft eines Urteils gewährt worden sind, daß später aufgehoben oder abgeändert worden ist, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des ZPO § 717 Abs 2; der KOV-VfG § 47 Abs 4 (vergleichbar RVO §§ 628, 1301) regelt lediglich die Frage, ob und in welchem Umfange der Erstattungsberechtigte den Anspruch geltend machen darf oder auf ihn verzichten kann.

 

Normenkette

SGG § 154 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 717 Abs. 2; KOVVfG § 47 Abs. 4 Fassung: 1960-06-27; RVO § 628 Fassung: 1963-04-30, § 1301 Fassung: 1965-06-09

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 1969 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Versorgungsbehörde entzog der Klägerin mit Bescheid vom 12. Dezember 1962 mit Wirkung vom 1. Januar 1963 an die ihr bis dahin nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gewährte Witwenrente, die sie nach dem Tode ihres geschiedenen Ehemannes bezogen hatte. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1963). Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 26. Juni 1963 diese Bescheide auf. In Ausführung dieses Urteils zahlte die Versorgungsbehörde der Klägerin für die Zeit vom 26. Juni 1963 an die Witwengrundrente. In der Benachrichtigung vom 2. September 1963 wies sie darauf hin, daß gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt sei; im Falle der Aufhebung dieses Urteils sei die Klägerin verpflichtet, die empfangenen Beträge zurückzuzahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hob mit Urteil vom 22. Januar 1965 das Urteil des SG vom 26. Juni 1963 auf und wies die Klage ab.

Die Versorgungsbehörde forderte nunmehr unter Bezugnahme auf § 47 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) mit Bescheid vom 4. Mai 1966 die der Klägerin aufgrund der Benachrichtigung vom 2. September 1963 gezahlten Versorgungsleistungen in einer Gesamthöhe von 2.296,70 DM zurück. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14. November 1967). In einem weiteren Bescheid vom 17. November 1966 lehnte die Versorgungsbehörde einen Verzicht auf die Rückforderung der überhobenen Versorgungsbezüge gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG ab. Der Widerspruch hiergegen war ebenfalls erfolglos. In dem Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1967 erklärte sich die Versorgungsbehörde bereit, der Klägerin die Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Leistungen zu stunden, sofern sie bereit sei, die Forderung im Grundbuch dinglich sichern zu lassen und demnächst die Eintragung durchzuführen. Gemeint ist eine dingliche Sicherung der Forderung auf dem 10 ha großen landwirtschaftlichen Grundbesitz der Klägerin.

Die Klägerin hat gegen beide Bescheide Klage erhoben, die das SG mit Beschluß vom 21. Februar 1968 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Mit Urteil vom 21. Februar 1968 hat das SG die Klage abgewiesen. Das LSG hat mit Urteil vom 11. Juli 1969 die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß der Rückforderungsbescheid rechtmäßig sei. Die Versorgungsbezüge in der Gesamthöhe von 2.296,70 DM seien der Klägerin aufgrund des noch nicht rechtskräftigen Urteils des SG vom 26. Juni 1963, das später durch das rechtskräftige Urteil des LSG vom 22. Januar 1965 aufgehoben worden sei, gemäß § 154 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gezahlt worden. In der Rechtsprechung sei streitig, ob derartige Leistungen gemäß § 47 Abs. 1 VerwVG oder in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zurückgefordert werden könnten. Das LSG sei der Meinung, daß Leistungen der Versorgungsbehörde, die aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils, welches später aufgehoben oder abgeändert worden ist, gezahlt worden seien, nach § 47 Abs. 1 VerwVG zurückgefordert werden könnten; einer entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO bedürfe es nicht. Hierzu werden vom LSG nähere Ausführungen gemacht. Allerdings - so fährt das LSG fort - nötige der vorliegende Fall nicht zu einer abschließenden Stellungnahme zu der Streitfrage, ob die Rückforderung nach § 47 Abs. 1 VerwVG oder in entsprechender Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt sei, denn in jedem Fall sei die Klägerin verpflichtet, die ihr aufgrund der Benachrichtigung vom 2. September 1963 gewährten Versorgungsbezüge zurückzuerstatten.

Auch der Bescheid vom 17. November 1966 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1967, durch den es die Versorgungsbehörde abgelehnt habe, auf die Rückforderung der zu Unrecht empfangenen Leistungen gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG zu verzichten, sei rechtmäßig. Es sei schon fraglich, ob überhaupt von einer besonderen Härte im Sinne des § 47 Abs. 4 VerwVG im Falle der Klägerin gesprochen werden könne. Eine besondere Härte liege nicht erst dann vor, wenn die Rückzahlung die wirtschaftliche Existenz des Schuldners vernichten würde, sondern schon dann, wenn er wegen der Rückzahlung seine Lebensverhältnisse in unzumutbarer Weise einschränken müsse. Die Klägerin sei Eigentümerin eines etwa 10 ha großen landwirtschaftlichen Betriebes, zu dem auch ein Hausanwesen gehöre. Es könne davon ausgegangen werden, daß die zu diesem Betrieb gehörenden Grundstücke nicht belastet seien. Es erscheine deshalb zumutbar, aus diesem Betrieb - sei es durch Belastung oder durch Verkauf einzelner Grundstücke - den Betrag aufzubringen, den die Klägerin von der Versorgungsbehörde zu Unrecht empfangen habe. Aber selbst wenn man von einer besonderen Härte im Sinne des § 47 Abs. 4 VerwVG bei der Klägerin ausgehe, so habe die Versorgungsbehörde das ihr nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen nicht fehlerhaft gebraucht, wenn sie keinen Verzicht erkläre und der Klägerin die Rückzahlung der Forderung für den Fall stunden wolle, daß diese die Forderung dinglich sichern werde. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 19. September 1969 zugestellte Urteil mit einem am 15. Oktober 1969 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Sie beantragt,

1.) das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Koblenz vom 21. Februar 1968, weiterhin den Bescheid vom 4. Mai 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1967 sowie den Bescheid vom 17. November 1966 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1967 aufzuheben;

2.) dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten in sämtlichen Rechtszügen aufzuerlegen.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 47 Abs. 1 VerwVG und des § 717 Abs. 2 ZPO durch das LSG. Sie führt in ihrer Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, insbesondere aus, das LSG habe verkannt, daß für einen Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde die Vorschrift des § 47 Abs. 1 VerwVG ausscheide. Dies sei die ständige Rechtsprechung des BSG. Ebenso könne als Grundlage des Rückforderungsanspruchs der § 717 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommen. Der Rückforderungsbescheid sei ein belastender Verwaltungsakt, für den eine gesetzliche Ermächtigung vorliegen müsse. In § 717 Abs. 2 ZPO sei aber für die Versorgungsbehörde keine Ermächtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes enthalten. Zwar handle es sich bei dieser Vorschrift um eine materiell-rechtliche Anspruchsnorm, jedoch sei zu beachten, daß in ihr die Art der Verwirklichung durch eine Behörde nicht geregelt sei. Da es sich bei dem Verwaltungsakt um einen Akt des öffentlichen Rechts handle, könne die Ermächtigung auch nur im öffentlichen Recht vorhanden sein. Sei demzufolge einerseits der Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht aus § 47 Abs. 1 VerwVG herzuleiten und gebe andererseits der § 717 Abs. 2 ZPO dem Beklagten keinen Rückforderungsanspruch, so könne die Versorgungsbehörde die von der Klägerin gemäß § 154 Abs. 2 SGG empfangenen Leistungen auch nicht zurückfordern. Demnach komme es auf die Frage der richtigen Anwendung des § 47 Abs. 4 VerwVG durch die Versorgungsbehörde nicht mehr an.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß das LSG zutreffend entschieden hat.

Zur Darstellung seines Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung vom 27. November 1969 Bezug genommen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist somit zulässig. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Klägerin die ihr in der Zeit vom 26. Juni 1963 bis zum 28. Februar 1965 gewährten Versorgungsbezüge in Höhe von DM 2.296,70 zurückzuerstatten hat. Bei diesem Betrag handelt es sich um Leistungen der Versorgungsbehörde, die diese gemäß § 154 Abs. 2 SGG nach Erlaß des Urteils des SG vom 26. Juni 1963, welches durch das Urteil des LSG vom 22. Januar 1965 aufgehoben worden ist, an die Klägerin gemäß der Benachrichtigung vom 2. September 1963 gezahlt hat. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 15. August 1967 (BSG 27, 102) mit eingehender Begründung ausgesprochen hat, ist ein Beteiligter, der aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils des SG gemäß § 154 Abs. 2 SGG Leistungen erlangt, zur Rückerstattung dieser Leistungen entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO verpflichtet, wenn das Urteil vom LSG aufgehoben oder abgeändert wird. Einer Verpflichtung zur Rückerstattung solcher Leistungen aufgrund des § 47 Abs. 1 VerwVG stehen die vom Senat in der zitierten Entscheidung vorgebrachten Bedenken entgegen. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 12. August 1966 (BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 19) ausgesprochen hat, kann die Rückerstattung zu Unrecht empfangener Leistungen nicht isoliert auf § 47 Abs. 1 VerwVG gestützt werden, der nur eine Voraussetzung der Rückerstattungsverpflichtung beinhaltet, nämlich daß die Leistungen "zu Unrecht" empfangen worden sind. Dieser Auffassung, daß in den Fällen der vorliegenden Art sich die Rückerstattungsverpflichtung nicht aus § 47 Abs. 1 VerwVG, sondern aus der entsprechenden Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO herleitet, ist auch der 8. Senat des BSG in seinem Urteil vom 19. Dezember 1967 (8 RV 509/65) gefolgt. Zwar hat der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 13. Januar 1966 (BVBl 1966, 107) die Auffassung vertreten, daß Leistungen, die ein Versorgungsberechtigter aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen und später von der höheren Instanz aufgehobenen Urteils erlangt hat, nach § 47 Abs. 1 VerwVG an die Versorgungsbehörde zurückzuerstatten sind. Die gegen diese Auffassung bestehenden Bedenken hat der erkennende Senat jedoch in seinem Urteil vom 15. August 1967 (BSG 27, 102, insbesondere 107) dargelegt und insbesondere ausgeführt, es sei zumindest fraglich und umstritten, ob die aufgrund eines vorläufigen, aber zur Vollstreckung geeigneten Titels empfangenen Leistungen als "zu Unrecht" empfangene Leistungen i. S. des § 47 Abs. 1 VerwVG angesehen werden können, wenn der Titel erst später aufgehoben wird (vgl. dazu Bettermann in JZ 1960, 335, 339 mit weiteren Hinweisen). Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, denn die Klägerin wäre auch nach der vom 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 13. Januar 1966 (a. a. O.) vertretenen Rechtsauffassung verpflichtet, die aufgrund des noch nicht rechtskräftigen und später vom LSG aufgehobenen Urteils des SG empfangenen Leistungen an die Versorgungsbehörde zurückzuerstatten.

Die Bedenken, die in der Literatur (s. insbesondere Schenk in KOV 1968, 167 ff) gegen eine entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO in den hier angesprochenen Fällen vorgebracht worden sind, greifen nicht durch. Wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 15. August 1967 ausgeführt hat, wird der Versorgungsberechtigte, der gemäß § 154 Abs. 2 SGG aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des SG Leistungen erhält, so gestellt, als wenn er im Zivilprozeß ein vorläufig vollstreckbares Urteil erwirkt hätte, nach welchem ihm Leistungen vom Urteilserlaß an zu gewähren sind. Werden Leistungen aufgrund eines solchen Urteils von der Versorgungsbehörde gewährt, so handelt es sich - ebenso wie bei der Befriedigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung im Zivilprozeß - um "die vorläufige Regelung des Streitverhältnisses zugunsten des Berechtigten, aber unter voller Wahrung der Rechte des Verpflichteten" (BSG 9, 169, 170 mit weiteren Nachweisen; BSG 27, 102, 104). Während nach § 717 Abs. 2 ZPO, der nach § 62 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes, nach § 151 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung und nach § 167 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch in den übrigen Gerichtszweigen Anwendung findet, der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des (noch nicht rechtskräftigen) Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist, sind über die Rechtsfolgen, die dann eintreten, wenn von der Versorgungsbehörde aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen, aber vollstreckbaren und später aufgehobenen Urteils im Rahmen des § 154 Abs. 2 SGG i. V. m. § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG Leistungen gewährt worden sind, im SGG keine Bestimmungen enthalten. Für den erkennenden Senat war für seine im Urteil vom 15. August 1967 vertretene Auffassung über die entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO bei den hier angesprochenen Fällen einmal maßgebend, daß diese Vorschrift in allen übrigen Gerichtszweigen kraft ausdrücklicher Verweisung zumindest entsprechend Anwendung findet, so daß es im Hinblick auf diese sonst allgemein geltende Regelung derartiger Erstattungsverpflichtungen in den übrigen Gerichtszweigen der Bundesrepublik Deutschland geboten erschien, die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden. Der erkennende Senat hat aber ferner die entsprechende Anwendung des § 717 Abs. 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren auch deshalb für zweckmäßig angesehen, weil es rechtspolitisch bedenklich erscheint, die Rechtsfolgen, die sich unter den Voraussetzungen des § 154 Abs. 2 i. V. m. § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG ergeben können, nicht für alle Gebiete der Sozialgerichtsbarkeit einer einheitlichen Regelung zuzuführen, sondern sie für das Gebiet der Kriegsopferversorgung (KOV) - ungeachtet der anderen Rechtsgebiete - einer nur in der KOV geltenden Vorschrift zuzuordnen (BSG 27, 108). Diese rechtspolitischen Bedenken werden auch nicht durch § 1301 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - (dem der § 628 RVO entspricht) - beseitigt. Nach § 1301 RVO braucht der Träger der Rentenversicherung der Arbeiter eine Leistung nicht zurückzufordern, die er vor der rechtskräftigen Entscheidung zahlen mußte oder zu Unrecht gezahlt hat; er darf eine Leistung nur zurückfordern, wenn ihn für die Überzahlung kein Verschulden trifft, und nur, soweit der Leistungsempfänger bei Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht in der gewährten Höhe zustand, und soweit eine Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist. Hieraus hat der 12. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. September 1969 (SozR RVO § 1301 Nr. 10) für das Gebiet der Rentenversicherung gefolgert, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des § 1301 Abs. 1 RVO davon ausgeht, daß dem Versicherungsträger gegen den Versicherten ein Anspruch auf Rückzahlung der vor rechtskräftiger Entscheidung oder zu Unrecht gezahlten Leistungen zustehe; "denn nur aufgrund eines solchen bestehenden Rückforderungsanspruchs kann der Versicherungsträger die in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellte Entscheidung treffen, ob er die Leistung zurückfordert oder nicht". Aus diesem Grunde hat es der 12. Senat des BSG dahinstehen lassen, ob ein Kläger zur Rückerstattung von Leistungen der Rentenversicherung, die er aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen, aber später aufgehobenen oder abgeänderten Urteils des SG erlangt hat, entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO verpflichtet ist. Der erkennende Senat ist mit dem 12. Senat des BSG der Auffassung, daß bei der in § 1301 RVO getroffenen Regelung davon ausgegangen werden muß, daß dem Versicherungsträger gegenüber dem Versicherten ein Anspruch auf Rückerstattung der vor rechtskräftiger Entscheidung im Rahmen des § 154 Abs. 2 SGG gezahlten Leistungen zusteht; denn ein Verzicht auf einen Anspruch ("braucht ... nicht zurückzufordern") ist rechtlich nur möglich, wenn der Anspruch selbst existent ist. Damit aber, daß dem Versicherungsträger nach § 1301 RVO das Recht zuerkannt wird, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu entscheiden, ob er die aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen und später aufgehobenen Urteils an den Versicherten gezahlten Leistungen zurückfordern will oder nicht, wird noch nichts darüber gesagt, auf welcher Rechtsgrundlage sein Rückerstattungsanspruch beruht. Ebensowenig wie aus einem Leistungsverweigerungsrecht eines Schuldners oder aus einer ihm sonst zustehenden anderen Einwendung oder Einrede Rückschlüsse auf die Rechtsgrundlage des gegen den Schuldner erhobenen Anspruchs des Gläubigers gezogen werden können, ist es möglich und zulässig, aus dem Recht auf Verzicht der Rückerstattung i. S. des § 1301 RVO darauf zu schließen, auf welcher Rechtsgrundlage jener Rückerstattungsanspruch des Versicherungsträgers beruht. Aus dieser Vorschrift geht lediglich hervor, daß sie das Bestehen eines Rückerstattungsanspruchs voraussetzt. Ist aber davon auszugehen, daß die in § 1301 RVO getroffene Regelung zwar einen Rückerstattungsanspruch des Versicherungsträgers gegenüber dem Versicherten voraussetzt, jedoch in dieser Vorschrift nicht die Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Rückerstattung, sondern nur die Möglichkeit eines Verzichtes auf diesen Anspruch geregelt wird, so kann sich die Anspruchsgrundlage für die Erstattungsverpflichtung von Leistungen, die aufgrund eines noch nicht rechtskräftigen und später aufgehobenen Urteils im Rahmen des § 154 Abs. 2 SGG gewährt worden sind, nur nach denjenigen Vorschriften richten, die allgemein hierfür gelten. Diese Frage ist aber - wie auch in den übrigen Gerichtszweigen - nach § 717 Abs. 2 ZPO in seiner entsprechenden Anwendung zu beurteilen. Dadurch werden die Rechtsfolgen, die sich unter den Voraussetzungen des § 154 Abs. 2 i. V. m. § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG ergeben, auf allen der Sozialgerichtsbarkeit zugeordneten Rechtsgebieten einer einheitlichen Regelung zugeführt. Hiervon völlig unabhängig - und das übersieht Schenk (a. a. O.) in seinen Ausführungen - ist die Frage zu beurteilen, ob der einer Versorgungsbehörde oder dem Versicherungsträger entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO zustehende Rückforderungsanspruch aufgrund von besonderen Vorschriften deshalb nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden kann, weil der Gesetzgeber aus sozialen Gesichtspunkten - und möglicherweise auf den einzelnen Rechtsgebieten bei den verschiedenen Kostenträgern unter unterschiedlichen Voraussetzungen - es nicht für tunlich erachtet hat, daß der grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch gegenüber dem Verpflichteten auch immer geltend gemacht wird. Solche sozialen Gesichtspunkte, wie auch der Gedanke des Vertrauensschutzes beim Zahlungsempfänger und der Schuldlosigkeit beim Leistenden, haben den Gesetzgeber ganz offenbar veranlaßt, einmal den Versicherungsträgern in den §§ 628 und 1301 RVO darüber ein Ermessen zuzubilligen, ob sie die vor rechtskräftiger Entscheidung gewährten Leistungen an den Versicherten, auf deren Erstattung die Versicherungsträger entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO einen Anspruch haben, zurückfordern wollen oder nicht, und zum andern im Falle der Rückforderung diese an die in jenen Vorschriften näher bezeichneten Voraussetzungen zu knüpfen. Damit wird aber auch deutlich, daß - entgegen der Auffassung von Schenk a. a. O. - durch die entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO in den hier angesprochenen Fällen die Anwendung der Sondervorschriften der §§ 628, 1301 RVO nicht ausgeschlossen wird; denn insoweit handelt es sich nur um eine besondere Ausgestaltung des Verzichts oder der Nichtgeltendmachung des Erstattungsanspruchs seitens des betreffenden Versicherungsträgers.

Die von der Klägerin vorgetragenen weiteren Bedenken, wonach der § 717 Abs. 2 ZPO für die Versorgungsbehörde keine Rechtsgrundlage für den Rückerstattungsanspruch sein könne, weil in dieser Vorschrift keine Ermächtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes enthalten sei, greifen nicht durch. Der § 717 Abs. 2 ZPO ist, wie sich aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 15. August 1967 eindeutig ergibt, nicht unmittelbar seinem Wortlaut nach, sondern "entsprechend" anzuwenden. Da es sich bei der Leistung, die die Versorgungsbehörde der Klägerin mit der Benachrichtigung vom 2. September 1963 gewährt hat, um eine Leistung des öffentlichen Rechts handelt, beruht auch der Rückerstattungsanspruch der Versorgungsbehörde gegenüber der Klägerin - als Umkehrung dieser Leistung - unstreitig auf öffentlichem Recht. Daraus folgt aber, daß die Versorgungsbehörde das insoweit bestehende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis durch einen Verwaltungsakt regeln kann. Bei einer "entsprechenden Anwendung" des § 717 Abs. 2 ZPO in den Fällen der hier vorliegenden Art ist die Versorgungsbehörde daher berechtigt, ihren nach dieser Vorschrift bestehenden "Schadensersatzanspruch", also ihren Anspruch auf Rückerstattung der an die Klägerin gemäß § 154 Abs. 2 SGG gezahlten Versorgungsbezüge, durch Verwaltungsakt geltend zu machen oder - nach anderem Sprachgebrauch - zu konkretisieren. Dies ergibt sich aus der unterschiedlichen Rechtsnatur des bürgerlich-rechtlichen Anspruchs, wie er in § 717 Abs. 2 ZPO geregelt worden ist (BSG 27, 102, 104), zu der Rechtsnatur eines öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruchs. Während ersterer im Klagewege geltend gemacht werden muß, erfolgt die Regelung des öffentlich-rechtlichen Rückerstattungsanspruchs - ebenso wie bei allen im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses zu treffenden Regelungen eines Einzelfalles - durch einen Verwaltungsakt. War die Versorgungsbehörde aber befugt, die Rückerstattung der an die Klägerin im Rahmen des § 154 Abs. 2 SGG mit der Benachrichtigung vom 2. September 1963 gezahlten Versorgungsbezüge entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO durch Verwaltungsakt zu regeln und geltend zu machen, so ist der diese Rückforderung betreffende Bescheid vom 4. Mai 1966 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1967 rechtmäßig.

Zu seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 17. November 1966 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1967, mit dem die Versorgungsbehörde einen Verzicht auf die Rückforderung wegen besonderer Härte gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG abgelehnt hat, hat das LSG festgestellt, daß eine besondere Härte bei der Klägerin nicht vorliegt, und weiter ausführt, daß selbst dann, wenn man eine "besondere Härte" als gegeben ansieht, die Versorgungsbehörde das ihr nach § 47 Abs. 4 VerwVG eingeräumte Ermessen nicht verletzt hat. Gegen die Feststellung des LSG, daß keine besondere Härte vorliegt, sind von der Klägerin keine begründeten Revisionsrügen vorgebracht, so daß sie für den Senat bindend ist (§ 163 SGG). Liegt aber keine besondere Härte i. S. des § 47 Abs. 4 VerwVG vor, so hatte die Versorgungsbehörde keinen Anlaß, von dem ihr in § 47 Abs. 4 VerwVG eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und auf die Rückforderung der von der Klägerin nach Erlaß des Urteils des SG empfangenen Leistungen zu verzichten.

Da die Entscheidung des LSG im Ergebnis zutrifft, war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669093

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