Leitsatz (amtlich)
1. 1. Der nach dem FAG SV leistungsberechtigte Personenkreis (§ 1) wird nicht durch FAG SV § 2 eingeengt. Der Anspruchsberechtigung eines aus der Sowjetischen Besatzungszone geflüchteten Unternehmers, der dort der Sozialversicherungspflicht unterlag und in seinem Betrieb einen Arbeitsunfall erlitt, steht daher nicht entgegen, daß die Satzung des im Bundesgebiet für ihn zuständigen Versicherungsträgers die Pflichtversicherung für Unternehmer nicht vorsieht.
2. Die Jahresfrist des FAG SV § 17 Abs 1 S 2 ist auch gewahrt, wenn der Antrag rechtzeitig bei einem nicht zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt, aber erst nach Ablauf der Frist an den zuständigen Versicherungsträger weitergeleitet worden ist.
Normenkette
SVFAG § 17 Abs. 1 S. 2, §§ 1-2
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. Februar 1956 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger wohnt seit 1947 in Berlin (West), war aber noch bis zum Jahre 1952 Inhaber eines industriellen Betriebes in Teltow in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ.); dort beschäftigte er in den letzten Jahren durchschnittlich drei bis vier Arbeitnehmer. Demgemäß unterlag er als sogenannter kleiner Unternehmer der Sozialversicherungspflicht nach § 3 Buchst. c der in der SBZ. geltenden Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 ("Arbeit und Sozialfürsorge" 1947 S. 92), die auch die Unfallversicherung umfaßt. Am 28. Februar 1952 geriet der Kläger mit der rechten Hand in eine Friktionspresse seines Betriebes und verlor dadurch Teile der drei mittleren Finger. Der Facharzt für Chirurgie Dr. Sch... schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) auf 33 1/3 v.H. für die ersten 13 Wochen nach dem Unfall und auf 25 v.H. für die spätere Zeit.
Nachdem der Betrieb des Klägers enteignet worden war, lehnte der für Teltow zuständige Versicherungsträger, die Sozialversicherungsanstalt Brandenburg, den Entschädigungsanspruch des Klägers unter Hinweis auf das in der SBZ. geltende Territorialitätsprinzip ab. Deshalb beantragte der Kläger im Dezember 1952 bei der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik in Berlin-Wilmersdorf, ihn für die Folgen des Unfalls vom 28. Februar 1952 zu entschädigen. Diese Berufsgenossenschaft gewährte ihm ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterstützung in Form einer Rente nach einer MdE. von 25 v.H. für die Zeit vom 29. Februar 1952 bis 30. September 1953. Anträge des Klägers auf Weitergewährung der Rente übermittelte die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik zuständigkeitshalber an die beklagte Berufsgenossenschaft. Diese lehnte die Weitergewährung der Rente durch Bescheid vom 22. September 1954 mit folgender Begründung ab: Der Entscheidungsanspruch des Klägers sei nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 (FremdRG) zu beurteilen. Nach dessen § 2 seien die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung maßgebend. Diese begründeten keinen Entschädigungsanspruch des Klägers, weil er zwar in der SBZ., aber nicht in der Bundesrepublik Deutschland kraft Gesetzes versichert gewesen sei und auch die Satzung der Beklagten eine Pflichtversicherung der Unternehmer nicht vorsehe.
Die hiergegen erhobene Klage ist durch Urteil des Sozialgerichts (SG.) Berlin vom 10. August 1955 zurückgewiesen worden. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG.) Berlin durch Urteil vom 9. Februar 1956 die Entscheidung des SG. und den ablehnenden Bescheid der Beklagten aufgehoben. Es hat die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger die gesetzliche Entschädigung mit Wirkung vom 1. April 1952 an unter Anrechnung der von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik erhaltenen Unterstützung zu gewähren. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG. ausgeführt: Der Kläger sei nach § 1 Abs. 2 FremdRG leistungsberechtigt; denn er sei in einer gesetzlichen Unfallversicherung bei einem außerhalb des Bundesgebietes und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger versichert gewesen und erhalte von diesem keine Leistungen. Der nach § 1 leistungsberechtigte Personenkreis werde durch § 2 FremdRG nicht eingeschränkt; § 2 FremdRG sei so zu verstehen, daß sich lediglich Umfang und Inhalt der Leistungen, nicht aber deren Voraussetzungen nach den im Bundesgebiet geltenden Vorschriften richten. Da die nach § 3 Buchst. c der Verordnung vom 28. Januar 1947 pflichtversicherten Unternehmer beitragspflichtig seien (§ 19 Abs. 3 der VO), werde dieser Personenkreis gegenüber den einheimischen unversicherten Unternehmern nicht unbillig bevorzugt.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des § 2 FremdRG hat das LSG. die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. März 1956 zugestellte Urteil am 13. März 1956 Revision eingelegt und diese am 21. März 1956 begründet. Sie führt aus: Die Anspruchsvoraussetzungen nach dem FremdRG würden ebensowohl durch § 2 wie durch § 1 bestimmt. Einen Entschädigungsanspruch könne also nur haben, wer nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) leistungsberechtigt wäre. Es entspreche nicht dem Grundgedanken des FremdRG, Sozialversicherungsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland ohne weiteres von Gesetzen abhängig zu machen, die ein Gesetzgeber außerhalb der Bundesrepublik erlassen habe oder noch erlassen werde. Unter einer gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 FremdRG sei nur eine solche zu verstehen, die sich in die Vorschriften der in der Bundesrepublik geltenden RVO einordnen lasse.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich im wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils.
II
Die zugelassene und daher statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, also zulässig; sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Das LSG. hat mit Recht angenommen, daß die Voraussetzungen, von denen nach § 1 FremdRG der Leistungsanspruch abhängig ist, in der Person des Klägers erfüllt sind. Dieser hält sich ständig im Lande Berlin auf (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 FremdRG), war in einer gesetzlichen Unfallversicherung bei einem außerhalb des Bundesgebietes und des Landes Berlin befindlichen deutschen Versicherungsträger, nämlich der Sozialversicherungsanstalt Brandenburg, versichert (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG), erhält von diesem Versicherungsträger keine Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2) und hat einen Antrag auf Entschädigung nach dem FremdRG gestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 1). Zu den deutschen Versicherungsträgern im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG gehören, wie sich aus § 1 Abs. 6 und 7 FremdRG ergibt, auch die Träger der Sozialversicherung in der SBZ. Schon hieraus folgt, daß die Auffassung der Beklagten, als gesetzliche Unfallversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG sei nur eine Einrichtung anzusehen, die auf dem materiellen Recht der in der Bundesrepublik geltenden RVO beruhe, nicht zutrifft; es genügt, daß das sowjetzonale Sicherungssystem - was hinsichtlich der durch die Verordnung vom 28. Januar 1947 geregelten öffentlich-rechtlichen sozialen Pflichtversicherung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten von der Beklagten nicht bezweifelt wird und auch nicht zweifelhaft ist - in seinen Grundzügen der gesetzlichen Unfallversicherung der RVO vergleichbar ist (vgl. hierzu für die gesetzliche Rentenversicherung: BSG. 6 S. 263). Einem solchen Sicherungssystem gehörte der Kläger nach den vom LSG. getroffenen Feststellungen als pflichtversicherter Unternehmer an. Ob die Frage des Versichertseins (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG) in der Revisionsinstanz nachprüfbar ist oder ob es sich hierbei um irreversibles Recht handelt (§ 162 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG-), konnte der Senat dahingestellt sein lassen. Selbst wenn die Entscheidung des LSG. insoweit für das Bundessozialgericht (BSG.) nicht bindend wäre, bestünden keine Bedenken, den Kläger als versichert anzusehen; denn er unterlag als Unternehmer, der nicht mehr als fünf Personen beschäftigte, nach § 3 Buchst. c der Verordnung vom 28. Januar 1947 der Sozialversicherungspflicht. Als solcher war er auch gegen Unfälle versichert, die mit seinem Betrieb verbunden waren (§ 2 der VO), und hatte, abgesehen von der auf den Betrieb entfallenden Umlage, für sich selbst besondere Beiträge zur Deckung der Aufwendungen für Unglücksfälle und Berufskrankheiten zu entrichten (§ 19 Abs. 3 der VO). Daß der Kläger auf Grund der angeführten Vorschriften gegen Unfälle in seinem Betrieb pflichtversichert war, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG. nicht mehr in Zweifel gezogen. Hiernach sind die Merkmale, nach denen in § 1 FremdRG der leistungsberechtigte Personenkreis abgegrenzt wird, in der Person des Klägers gegeben.
Nach § 2 FremdRG sind nun - abgesehen von dessen Bedeutung für das Verfahren- für die in § 1 zunächst nur angedeuteten Leistungen grundsätzlich die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung maßgebend. Wenn dies nicht nur für Art, Form und Bemessung der Leistungen zuträfe, sondern auch- wie die Revision meint - für die Frage, ob der Leistungsbewerber als versichert anzusehen ist, so ergäbe sich daraus eine Einengung des in § 1 umschriebenen Personenkreises der Leistungsberechtigten. Es würden alle Personen als leistungsberechtigt ausscheiden, die nur in ihrem Herkunftsland versichert waren, nicht aber auch im Bundesgebiet oder im Lande Berlin zu den Versicherten gehört hätten. Andererseits können Personen, die zwar nach den im Bundesgebiet geltenden Vorschriften, nicht aber nach dem Recht des Herkunftslandes versichert waren - abgesehen von den Fällen des § 17 Abs. 8 FremdRG -, keine Leistungen beanspruchen; denn sie erfüllen nicht die Voraussetzung, in einer gesetzlichen Unfallversicherung bei einem nicht mehr bestehenden, einem stillgelegten oder einem außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin befindlichen Versicherungsträger versichert gewesen zu sein (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 FremdRG). Angesichts dieser rechtlichen Konsequenzen, die sich aus der Auffassung der Revision ergeben, muß angenommen werden, daß es im Gesetz zum Ausdruck gekommen wäre, wenn der in § 1 FremdRG bestimmte anspruchsberechtigte Personenkreis durch § 2 hätte eingeengt werden sollen. Dies gilt um so mehr, als § 17 Abs. 8 des Gesetzes zu entnehmen ist, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit der Diskrepanz im Kreis der Versicherten nach Bundesrecht und nach fremdem Recht in seine Überlegungen einbezogen hat.
Wird somit nicht hinreichend deutlich, daß der leistungsberechtigte Personenkreis durch § 2 FremdRG eingeschränkt werden sollte, so sprechen Wortlaut und Systematik des Gesetzes dafür, daß dieser Personenkreis in § 1 FremdRG abschließend geregelt ist.
Demgegenüber beruft sich die Revision zu Unrecht darauf, daß diese Auslegung des FremdRG eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Vertriebenen und Flüchtlinge gegenüber den einheimischen Unternehmern zur Folge habe. Selbst wenn man der Meinung ist, die Rechtsauffassung des LSG. führe zu einer Bevorzugung des Klägers gegenüber einem vergleichbaren Unternehmer in der Bundesrepublik oder im Lande Berlin, der von der Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern (§ 539 RVO), keinen Gebrauch gemacht hat, so beständen hiergegen keine rechtlichen Bedenken. § 90 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) vom 19. Mai 1953 bestimmt allerdings, daß Vertriebene und Sowjetzonenflüchtlinge in der Sozialversicherung und Arbeitslosenversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des Grundgesetzes und in Berlin (West) gleichgestellt werden. Durch § 90 Abs. 3 BVFG war ein Bundesgesetz in Aussicht gestellt worden, welches das Nähere regeln sollte. Für die Sozialversicherung hat das FremdRG vom 7. August 1953 diese Regelung gebracht. Da das FremdRG und das BVFG gleichrangige Gesetze sind, war der Gesetzgeber des FremdRG nicht gehindert, zur Überbrückung von Verschiedenartigkeiten im Recht des Herkunftslandes und des Geltungsbereichs des Grundgesetzes Regelungen zu treffen, die von dem Grundsatz des § 90 BVFG abweichen. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob § 90 Abs. 1 und 2 BVFG unmittelbar geltendes Recht darstellt (so für die Arbeitslosenversicherung BSG. 4 S. 102 und 108) und ob die Anwendung der §§ 1 und 2 FremdRG in der Auslegung des LSG. im vorliegenden Falle das Gebot der Gleichstellung mit den Einheimischen außer acht läßt (vgl. auch Erlaß des BMA vom 3.12.1955, Eckert-Sauerborn, Die Sozialversicherungsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, Art. 119 GG S. I 56 d Anm. 5 a; Werber-Bode-Ehrenforth, Bundesvertriebenengesetz, § 90 Anm. 3; a.A.: Straßmann-Nitsche, Bundesvertriebenengesetz, 2. Aufl., § 90 Anm. 1).
Auch in den Motiven zum FremdRG findet die Auffassung der Revision keine Stütze. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf ist als dessen Zweck u.a. herausgestellt, "die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der in das Bundesgebiet und das Land Berlin zugezogenen Vertriebenen zu vereinheitlichen sowie ihnen und auch Einheimischen des Bundesgebietes und des Landes Berlin nach gleichmäßigen Gesichtspunkten Leistungen zur Abgeltung von Ansprüchen und Anwartschaften zu gewähren, die sie bei nicht mehr bestehenden, stillgelegten oder außerhalb des Bundesgebietes und des Landes Berlin befindlichen Versicherungsträgern im Bereich der Unfallversicherung und der Rentenversicherungen erworben haben" (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 420. S. 14). Hieraus ergibt sich nur, daß eine einheitliche Regelung für alle Fälle getroffen werden sollte, "in denen durch die Trennung der gesamtstaatlichen deutschen Sozialversicherung infolge der seit 1945 eingetretenen völker- und staatsrechtlichen Verhältnisse die Versicherten und Anspruchsberechtigten Einbußen in ihren Sozialversicherungsrechten erlitten haben" (Bundestags-Drucksache a.a.O.); es sollen also Vertriebene und Einheimische, die unter das FremdRG fallen - nicht: außerhalb und innerhalb des Bundesgebietes Versicherte - gleichbehandelt werden. Weiter ist zur Begründung der in § 2 des Entwurfs vorgesehenen Regelung ausgeführt: Der in § 1 bestimmte Personenkreis solle die gleichen Leistungen aus der Unfallversicherung und der Rentenversicherung erhalten wie jeder andere "vergleichbare Versicherte im Bundesgebiet" (Bundestags-Drucksache a.a.O. S. 16). Dem Kläger vergleichbar ist aber nur ein solcher Unternehmer im Bundesgebiet oder im Lande Berlin, der - da die Satzung der Beklagten die Pflichtversicherung ihrer Mitglieder nicht vorsieht - von der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung Gebrauch gemacht hat und wie der Kläger beitragspflichtig gewesen ist.
Mit den Motiven zum FremdRG läßt sich demnach die Auffassung vereinbaren, daß der leistungsberechtigte Personenkreis nicht durch § 2 des Gesetzes eingeschränkt, vielmehr durch § 1 abschließend bestimmt wird.
Hierfür spricht auch die Erwägung, daß es zu einer - vom Gesetzgeber nach den vorangegangenen Ausführungen erkennbar nicht gewollten - uneinheitlichen Behandlung der Vertriebenen und Flüchtlinge führen würde, wenn ihre Anspruchsberechtigung nach dem FremdRG, obwohl sie an den Versicherungsträger des Herkunftslandes Beiträge entrichtet haben, von der Zufälligkeit abhinge, ob der im Bundesgebiet zuständige Versicherungsträger die Pflichtversicherung eingeführt hat. In diesem Falle könnte von zwei Unternehmern, die im Herkunftsland in gleicher Weise pflichtversichert waren und die unter den gleichen Umständen verunglückt sind, der eine im Bundesgebiet leistungsberechtigt sein, der andere nicht.
Die Auffassung des Senats, daß der in § 1 FremdRG bestimmte leistungsberechtigte Personenkreis durch § 2 FremdRG keine Einschränkung erfährt, deckt sich mit der weitaus herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum (vgl. z.B. LSG. Baden-Württemberg, Breithaupt 1956 S. 1191; LSG. Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1958 S. 233; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 1. Juni 1958, Bd. I S. 294 h und 294 k V; Hoernigk-Jahn-Wickenhagen, Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz § 2 Anm. 1a; wohl auch Haensel-Lippert, Handkommentar zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz, 2. Aufl., Anm. zu § 2).
Zu der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob jedwede Erweiterung der Versicherungspflicht durch einen Gesetzgeber außerhalb der Bundesrepublik und des Landes Berlin geeignet ist, such den nach dem FremdRG anspruchsberechtigten Personenkreis zu erweitern, brauchte der Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen. Es konnte z.B. dahingestellt bleiben, ob eine solche Erweiterung auch einträte, wenn das Recht des Herkunftslandes mit dem Sinn und Geist der im Bundesgebiet herrschenden Rechtsordnung unverträglich wäre (sog. ordre public), wenn es von den Grundprinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung im Bundesgebiet abwiche, ohne schon aufzuhören, ein ihr vergleichbares soziales Sicherungssystem zu sein, oder wenn es den Kreis der Versicherten aus völlig sachfremden Erwägungen erweitert hätte. Es bedurfte dieser Entscheidung nicht, weil der im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Unterschied in der Versicherungspflicht nach der RVO und nach der für die SBZ. geltenden Verordnung über die Sozialpflichtversicherung vom 28. Januar 1947 nicht grundsätzlicher Art ist. Eine Versicherungspflicht, wie sie in der SBZ. für kleine Unternehmer besteht, ist der RVO nicht wesensfremd; dies ergibt sich daraus, daß auch die RVO eine gesetzliche Pflichtversicherung für gewisse Unternehmer kennt und daß für die übrigen Unternehmer die Versicherungspflicht durch die Satzung eingeführt werden kann (§ 538 RVO). Solche geringfügigen Unterschiede in der Abgrenzung der Versicherungspflichtigen hat der Gesetzgeber des FremdRG in Kauf genommen, indem er das Versichertsein bei einem Versicherungsträger des Herkunftslandes als eines der Merkmale für die Abgrenzung des leistungsberechtigten Personenkreises bezeichnet hat.
Enthält somit § 2 FremdRG keine Einschränkungen hinsichtlich des leistungsberechtigten Personenkreises, so kann auch die hierin enthaltene Verweisung auf die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung (hier: §§ 542 in Verbindung mit 537 ff. RVO) nicht zu einer solchen Einschränkung führen. Die Frage, ob der Kläger auch dann leistungsberechtigt wäre, wenn der Unfall sich bei einer Tätigkeit ereignet hätte, die nach dem 3. Buche der RVO nicht unter Versicherungsschutz stände, brauchte aus Anlaß dieses Falles nicht entschieden zu werden. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereignet, bei der auch nach der RVO ein kraft Gesetzes, auf Grund der Satzung der freiwillig versicherter Unternehmer unter Versicherungsschutz gestanden hätte. Da weiterhin feststeht, daß die auf den Unfall zurückzuführende MdE. des Klägers über die 13. Woche hinaus mindestens 20 v.H. beträgt, hat das LSG. die Beklagte mit Recht dem Grunde nach für verpflichtet erklärt, den Kläger aus Anlaß des Unfalls vom 28. Februar 1952 zu entschädigen (§§ 559, 559 a Abs. 3 RVO).
Das LSG. hat auch zutreffend den Beginn der dem Kläger zu gewährenden Leistungen auf den 1. April 1952, den Tag, an dem das FremdRG in Kraft getreten ist (§ 20 Abs. 1 FremdRG), festgesetzt. § 17 Abs. 1 Satz 2 FremdRG bestimmt allerdings, daß die Leistungen nur dann mit dem Inkrafttreten des Gesetzes beginnen, wenn der Antrag bis zum Ablauf eines Jahres nach der Verkündigung des Gesetzes (10. August 1953) gestellt worden ist. Der Antrag des Klägers ist erst nach Ablauf dieser Jahresfrist an die Beklagte gelangt, er war aber schon im Dezember 1952 bei der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik in Berlin-Wilmersdorf eingereicht und ist von dort an die Beklagte als zuständigen Versicherungsträger weitergeleitet worden. Die rechtzeitige Antragstellung bei dem unzuständigen Versicherungsträger genügt nach der Auffassung des Senats zur Wahrung der Frist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 FremdRG ebensowohl wie dies für die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen nach § 1549 RVO zutrifft. Dies muß im vorliegenden Falle um so mehr gelten, als der Kläger im Dezember 1952, also vor der Verkündung des FremdRG, nicht wissen konnte, welcher Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Lande Berlin zur Regelung seines Anspruchs für zuständig erklärt werden würde, und die Feststellung des für die Zuständigkeit maßgebenden Gewerbezweiges seines Betriebes auch noch nach der Verkündung des Gesetzes, wie die Verwaltungsakten der Beklagten ergeben, erheblichen Schwierigkeiten begegnete. Der Senat trug auch keine Bedenken, den vor Verkündung des Gesetzes gestellten Antrag als einen solchen im Sinne des Gesetzes anzusehen (vgl. auch Hoernigk-Jahn-Wickenhagen a.a.O. § 1 Anm. 4).
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2324394 |
BSGE, 24 |
NJW 1959, 597 |