Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Versorgungsbehörde im Verfahren über die Waisenrente nach bisherigem versorgungsrechtlichen Vorschriften den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des BVG § 1 bindend anerkannt, ist diese Entscheidung im Verfahren über die Witwenrente nach dem BVG nicht rechtsverbindlich.
2. Zur Frage, welche Umstände zur Auslegung eines Verwaltungsaktes der Versorgungsbehörde herangezogen werden können.
3. Auch ein Bescheid, der die Gewährung eines Versorgungsanspruches nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften wegen Fehlens einer persönlichen Voraussetzung ablehnt, kann den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Gesundheitsstörung mit einem schädigend Vorgang im Sinne des BVG § 1 bejahen und damit rechtsverbindlich nach BVG § 85 S 1 sein.
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Verfahren wegen Witwenrente und im Verfahren wegen Waisenrente handelt es sich um materiellrechtlich verschiedene Ansprüche verschiedener Berechtigter.
Eine rechtliche Gemeinschaft der Hinterbliebenen ist weder im Gesetz festgelegt noch ergibt sie sich notwendig aus den Ansprüchen und der Stellung der Hinterbliebenen zueinander. Die verschiedenen Hinterbliebenenrenten können den Hinterbliebenen auch nicht gemeinschaftlich zustehen (vergleiche BGB §§ 420, 741), denn die Voraussetzungen für ihre Entstehung sind verschieden; zB für die Witwen- und Witwerrente die beim Tod des Beschädigten bestehende Ehe, für die Eltern- und Waisenrente die Abstammung, für die Elternrente die Ernährereigenschaft usw. Nur der ursächliche Zusammenhang zwischen Tod und Wehrdiensteinwirkung ist allen diesen Ansprüchen auf Hinterbliebenenrenten als Voraussetzung gemeinsam. Dieses eine übereinstimmende Tatbestandsmerkmal genügt aber nicht, um eine rechtliche Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Hinterbliebenen zu schaffen.
Der Rentenanspruch der einzelnen Hinterbliebenen entsteht vielmehr - abgesehen von der Anmeldung - für jede Person gesondert, und zwar erst dann, wenn alle materiell-rechtlichen Versorgungsvoraussetzungen in dieser Person erfüllt sind. Deshalb ist auch bei einer Überzahlung die Aufrechnung des einen Rentenanspruchs mit der Rückforderung aus dem Rentenanspruch eines anderen Hinterbliebenen nicht zulässig (BGB § 387).
2. Ein Verwaltungsakt ist seinem Wesen nach kein Urteil. Sein Inhalt ist daher nicht allein aus der Entscheidungsformel abzuleiten, sondern aus den gesamten Umständen der getroffenen Regelung unter besonderer Berücksichtigung der Begründung festzustellen.
Normenkette
BVG § 85 S. 1 Fassung: 1950-12-20; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; BVG § 1 Abs. 3 Fassung: 1950-12-20; BGB §§ 420, 741, 387; SGG § 54 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 7. November 1956 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Juni 1956 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der ... 1900 geborenen Klägerin hat von Herbst 1939 bis Oktober 1942 Wehrdienst geleistet. 1943 wurde bei ihm Bronchialasthma als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung nach dem Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsgesetz (WFVG) anerkannt. Er ist am 21. Oktober 1946 an Asthma bronchiale, Herzschwäche und Lungenödem im Krankenhaus E gestorben. Aus der Ehe ist der am 7. Oktober 1936 geborene Sohn A hervorgegangen.
Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) als Versorgungsbehörde lehnte mit Bescheid vom 18. August 1948 Witwenrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 ab, weil keine der in Nr. 7 der SVD Nr. 27 aufgezählten subjektiven Anspruchsvoraussetzungen (Gebrechlichkeit, Vollendung des 60. Lebensjahres, Kinder bestimmten Alters) gegeben seien. Mit weiterem Bescheid vom 18. August 1948 erkannte die LVA. für den Sohn A Waisenrente an und zahlte sie laufend. Beide Bescheide blieben unangefochten.
Im Juli 1950 beantragte die Klägerin Witwenrente nach dem Überbrückungsgesetz und im Mai 1951 Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das Versorgungsamt (VersorgA.) zog die Krankengeschichte des Krankenhauses E bei, holte ein ärztliches Gutachten ein und prüfte, ob der Tod des Ehemannes Schädigungsfolge sei. Mit Benachrichtigung vom 20. Januar 1952 wurde eine laufende Abschlagszahlung für die Klägerin und die Waise festgesetzt. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1954 lehnte das VersorgA. die Witwenrente ab, weil der Tod nicht Schädigungsfolge sei. Der Waisenrentenanspruch wurde mit Bescheid vom gleichen Tage "aus formalrechtlichen Gründen (§ 85 BVG)" anerkannt.
Das Landesversorgungsamt (LVersorgA.) wies den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, die Rechtsverbindlichkeit früherer Entscheidungen nach § 85 BVG beziehe sich nur auf den Anspruchsberechtigten selbst und nicht auch auf die Hinterbliebenen. Das Sozialgericht (SG.) Schleswig verurteilte den Beklagten zur Gewährung von Witwenrente ab 1. Oktober 1950, weil die frühere Entscheidung über das für alle Versorgungsansprüche gemeinsame Tatbestandsmerkmal des ursächlichen Zusammenhangs ein für alle Mal verbindlich sei.
Das Landessozialgericht (LSG.) Schleswig-Holstein hob auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 7. November 1956 das Urteil des SG. auf und wies die Klage ab. Es führte aus: Eine rechtskräftig gewordene Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG sei nach § 85 Satz 1 BVG nur für die Parteien des jeweiligen Verfahrens bindend. Zu Gunsten des Versorgungsberechtigten solle im Fall des § 85 Satz 1 BVG die erneute Nachprüfung des Ursachenzusammenhangs unterbleiben, wenn nach den bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften eine Entscheidung darüber bereits ergangen sei. Auch für die Bindung an die Entscheidung über den Kausalzusammenhang gelte der allgemeine prozeßrechtliche Grundsatz, wonach eine Entscheidung nur die jeweiligen Prozeßparteien binde. Daher sei im Witwenrentenverfahren erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Witwenrente gegeben seien, wenn auch im Verfahren über die Waisenrente der Ursachenzusammenhang anerkannt wurde. Nach dem Krankenblatt des Krankenhauses E sei eine Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens erst mehrere Jahre nach dem Wehrdienst eingetreten. Bei Anerkennung eines Leidens nur im Sinne der Verschlimmerung werde nur die Nachprüfung verhindert, ob die Verschlimmerung zu Recht anerkannt worden sei, nicht jedoch, ob die Verschlimmerung so geartet war, daß sie dem Krankheitsverlauf eine entscheidende neue, ungünstige Wendung gegeben habe.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des Urteils des LSG. Schleswig vom 7. November 1956 die Berufung gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 20. Juni 1956 zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts. Wenn der Ursachenzusammenhang nach den bei Inkrafttreten des BVG geltenden versorgungsrechtlichen Bestimmungen bejaht worden sei, müsse § 85 BVG für alle Hinterbliebenen Platz greifen. Die Witwenrente sei 1948 nicht abgelehnt worden, weil der Tod des Ehemannes nicht als Schädigungsfolge angesehen worden sei, sondern wegen Fehlens der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen der Klägerin. Deshalb sei anzunehmen, daß der Beklagte den ursächlichen Zusammenhang bejaht habe. Es sei der Klägerin auch anheimgestellt worden, einen neuen Antrag auf Hinterbliebenenrente zu stellen, wenn die Voraussetzungen erfüllt seien. § 85 BVG treffe daher zu.
Der Beklagte hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie ist infolge Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und daher zulässig. Sie ist sachlich begründet.
Nach § 85 Satz 1 BVG ist eine neue selbständige Prüfung und Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang ausgeschlossen, soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG entschieden worden ist. In solchen Fällen ist die bisherige Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich (§ 85 Satz 1 BVG). Diese Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut zwar nur Entscheidungen über die Versorgung eines Beschädigten; sie ist jedoch auch anwendbar, wenn in einem Verfahren wegen Hinterbliebenenversorgung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den ursächlichen Zusammenhang des Todes mit einem schädigenden Vorgang entschieden worden ist (BSG. 8 S. 16; SozR. BVG § 85 Bl. Ca 6 Nr. 10).
Die Vorschrift des § 85 Satz 1 BVG will in der positiven und negativen Feststellung des Ursachenzusammenhangs eine gewisse Kontinuität erreichen (BSG. 4 S. 116 (120)). Die Verbindlichkeit der früheren Entscheidung setzt aber voraus, daß die Entscheidung selbst verfahrensrechtlich bindend geworden ist (BSG. 4 S. 116). Die frühere Entscheidung hindert dann eine abweichende Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs in einem späteren Verfahren. § 85 Satz 1 BVG ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß alle Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem BVG neu, selbständig und unabhängig vom früheren Verfahren zu prüfen sind (s. auch Urt. des erkennenden Senats in BSG. 5 S. 34 (39) und vom 19.9.1958 - 9 RV 168/55 - in BVBl. 1959 S. 46).
Nach diesen Grundsätzen ist zu entscheiden, ob den Bescheiden vom 18. August 1948 die in § 85 Satz 1 BVG vorgeschriebene bindende Wirkung zukommt. Hierbei ist wesentlich, ob in diesen Bescheiden über den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Tod des Ehemannes der Klägerin und einer Schädigung im Sinne des BVG entschieden worden sowie in welchem Umfang diese Feststellung für die Entscheidung nach dem BVG rechtsverbindlich ist.
Die Bescheide vom 18. August 1948 über die Gewährung von Waisenrente und über die Ablehnung von Witwenrente sind getrennt zu beurteilen. Im Verfahren wegen Witwenrente und im Verfahren wegen Waisenrente handelt es sich um materiell-rechtlich verschiedene Ansprüche verschiedener Berechtigter. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin als gesetzliche Vertreterin der Waise auftrat und mit ihren Erklärungen zur Witwenrente auch die für die Waise zur Waisenrente abgab und sonstige Verfahrenshandlungen gleichzeitig für sich und die Waise vornahm; denn diese Doppelstellung beruht darauf, daß sich auch im Verfahren nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Prozeßfähigkeit einer Person - abgesehen von der hier nicht in Frage kommenden Ausnahme des § 1546 Abs.1 Satz 2 RVO - nach deren Geschäftsfähigkeit richtet (vgl. AN. 04 S. 415 Nr. 1125 für das Invalidenversicherungsverfahren mit Hinweis auf die Unfallversicherung, ferner Mitglieder-Komm., Bd. I Anm. 5 e zu § 1583 RVO).
Die Bescheide vom 18. August 1948 richten sich an verschiedene leistungsbegehrende Personen und entschieden materiell-rechtlich über getrennte und selbständige Versorgungsansprüche. In SVD Nr. 27 Nr. 1 ist zwar ausgesprochen, daß die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung an Kriegsbeschädigte und an Hinterbliebene gewährt werden. Auch bei der Aufzählung der anspruchsberechtigten Personen in SVD Nr. 27 Nr. 4 sind die Hinterbliebenen allgemein genannt. In SVD Nr. 27 Nr. 7 sind die einzelnen Änderungen hinsichtlich der Rente für Witwen und Witwer, Waisen und Verwandte der aufsteigenden Linie gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung aufgeführt. Trotz der zusammenfassenden Erweiterung in SVD Nr. 27 Nr. 1 und Nr. 4 stehen aber die Hinterbliebenen in Bezug auf Hinterbliebenenrente in keiner Rechtsbeziehung zueinander, wegen derer etwa ein Rentenanspruch nur für alle Hinterbliebenen einheitlich festgestellt werden könnte (vgl. § 62 ZPO, der nach der Rechtspr. auch auf dem Gebiet der RVO galt, AN. 15 S. 529 Nr. 2807). Eine rechtliche Gemeinschaft der Hinterbliebenen ist weder im Gesetz festgelegt noch ergibt sie sich notwendig aus den Ansprüchen und der Stellung der Hinterbliebenen zueinander. Die verschiedenen Hinterbliebenenrenten können den Hinterbliebenen auch nicht gemeinschaftlich zustehen (vgl. §§ 420, 741 BGB), denn die Voraussetzungen für ihre Entstehung sind verschieden; z.B. für die Witwen- und Witwerrente die beim Tod des Beschädigten bestehende Ehe, für die Eltern- und Waisenrente die Abstammung, für die Elternrente die Ernährereigenschaft usf. Nur der ursächliche Zusammenhang zwischen Tod und Wehrdiensteinwirkung ist allen diesen Ansprüchen auf Hinterbliebenenrenten als Voraussetzung gemeinsam. Dieses eine übereinstimmende Tatbestandsmerkmal genügt aber nicht, um eine rechtliche Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Hinterbliebenen zu schaffen. Der Rentenanspruch der einzelnen Hinterbliebenen entsteht vielmehr - abgesehen von der Anmeldung - für jede Person gesondert und zwar erst dann, wenn alle materiell-rechtlichen Versorgungsvoraussetzungen in dieser Person erfüllt sind. Deshalb ist auch bei einer Überzahlung die Aufrechnung des einen Rentenanspruchs mit der Rückforderung aus dem Rentenanspruch eines anderen Hinterbliebenen nicht zulässig (§ 387 BGB). Somit besteht zwischen Witwe und Waise keine Rechtsbeziehung dergestalt, daß die nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung über den Ursachenzusammenhang im Fall der Waise eine anderslautende Entscheidung der gleichen Frage nach dem BVG im Fall der Witwe ausschließen würde, und umgekehrt, der Bescheid über die Waisenrente nach der SVD Nr. 27 kann daher keine bindende Wirkung für die Entscheidung über die Witwenrente nach dem BVG äußern. Für diese Entscheidung kann nur bindend sein, soweit in einem Verfahren über die Witwenrente selbst nach der SVD Nr. 27 - der bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschrift - über den Ursachenzusammenhang zwischen Wehrdienstschädigung und Tod entschieden ist.
In dem Bescheid über die Ablehnung von Witwenrente nach der SVD Nr. 27 ist über den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Schädigung und dem Tod des Ehemannes in der Entscheidungsformel nicht entschieden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Tod und Wehrdienst ist in dem Bescheid bei der Aufzählung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erwähnt, von deren Vorliegen der Anspruch auf Witwenrente abhängt. Bezüglich der Anwendung dieser Vorschriften auf den vorliegenden Fall ist nur gesagt, daß die Klägerin die Voraussetzungen für den Bezug der Witwenrente nicht erfülle und deshalb keinen Anspruch auf Witwenrente habe. Aus dem Wortlaut des Vordrucks ist indessen schlüssig zu entnehmen, daß die Rente der Klägerin nur deshalb nicht gewährt wurde, weil sie weder erwerbsunfähig noch 60 Jahre alt war, noch ein Kind unter 3 Jahren, noch 2 Kinder unter 8 Jahren betreute. Die Ablehnung der Witwenrente ist ausschließlich auf das Fehlen der persönlichen (subjektiven) Voraussetzungen auf Seiten der Klägerin abgestellt. Bei dieser Sachlage kommt es darauf an, ob eine Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod des Ehemannes aus dem übrigen Bescheidinhalt zu entnehmen ist.
Wie der 3. Senat mit Urteil vom 29. April 1958 (SozR. SGG § 54 Bl. Da 10 Nr. 39) in Übereinstimmung mit der Auffassung des erkennenden Senats entschieden hat, war der Verwaltungsakt seinem Wesen nach auch vor dem 1. Januar 1954 (Inkrafttreten des SGG) kein Urteil. Sein Inhalt ist daher nicht allein aus der Entscheidungsformel abzuleiten, die einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts regeln will. Der Verwaltungsakt erhält vielmehr sein Gepräge durch das Ziel, das in der Neugestaltung eines öffentlich-rechtlichen Sachverhalts besteht. Er ist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 133 BGB auszulegen. Dabei ist sein Inhalt aus den gesamten Umständen der getroffenen Regelung unter besonderer Berücksichtigung der von der Verwaltungsbehörde gegebenen Begründung festzustellen. Im gleichen Sinne hat auch der 8. Senat des Bundessozialgerichts in BSG. 6 S. 288 ausgesprochen, daß der bescheidmäßige Ausspruch nicht für sich allein bindend wirkt, sondern "durch den ihn tragenden Sachverhalt erläutert" bindende Wirkung erhält, so daß "die Feststellungen, die den Ausspruch tragen, an der bindenden Wirkung teilnehmen". Diese Auslegung des Bescheids aus seinen Gründen muß insbesondere bei ablehnenden Bescheiden gelten. Bei diesen kann der Grund der Ablehnung nicht aus dem Ausspruch selbst, sondern nur aus der Begründung entnommen werden; nur diese gibt darüber Aufschluß, welche Anspruchsvoraussetzungen die Verwaltungsbehörde bejaht und welche sie verneint hat.
Die Berücksichtigung aller Teile des Bescheides bei seiner Auslegung ergibt, daß die Versorgungsbehörde hier über den ursächlichen Zusammenhang im bejahenden Sinne entschieden hat. Der Hinweis im Bescheid, es werde der Klägerin anheimgegeben, einen Antrag zu stellen, wenn sie die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Witwenrente erfülle, kann nur so verstanden werden, daß der Antrag auf Witwenrente zur Zeit unbegründet sei, daß aber Witwenrente dann gewährt werden könne, wenn die aufgezählten und jetzt noch nicht erfüllten Voraussetzungen in der Person der Klägerin (Erwerbsunfähigkeit, Alter, Kinderbetreuung) gegeben seien.
Eine erneute Prüfung konnte sinnvoll nur in Aussicht gestellt werden, wenn die Versorgungsbehörde den Tod des Ehemannes als Folge des Wehrdienstes (SVD 27 Nr. 4 Buchst. a) und b)) unterstellte. Der Hinweis auf eine neue Antragstellung im Bescheid erlaubt daher den sicheren Schluß, daß die Verwaltungsbehörde den ursächlichen Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod des Ehemannes bejaht hat. Hinzu kommen zwei dem Erlaß des Witwenrentenbescheids zunächst liegende Vorgänge, die gleichfalls eindeutig erkennen lassen, daß die Verwaltungsbehörde den Tod des Ehemannes der Klägerin als Schädigungsfolge anerkennen wollte. Der innerdienstliche Vermerk in den Akten der Versorgungsbehörde vom 20. August 1948, wonach der Tod des Ehemannes der Klägerin als Folge einer Gesundheitsschädigung im Sinne der Nr. 4 der SVD Nr. 27 anerkannt wird, und der positive Bescheid vom 18. August 1948 über Waisenrente beweisen, daß die Verwaltungsbehörde auch im Witwenrentenbescheid vom gleichen Tage erklären wollte, daß sie bejahe den ursächlichen Zusammenhang entsprechend der gutachtlichen Äußerung des Versorgungsarztes. Nur bei Bejahung dieser Frage war die Gewährung der Waisenrente überhaupt möglich. Durch Heranziehen dieser Umstände im Zusammenhalt mit den im Bescheid selbst enthaltenen Erklärungen ist der Bescheid über die Witwenrente entsprechend dem erkennbaren Willen der Versorgungsbehörde zu ergänzen und auszulegen. Danach hat die Versorgungsbehörde den Tod als Schädigungsfolge anerkannt. Dieser Ausspruch hat gemäß § 85 Satz 1 BVG Bindungswirkung für die Entscheidung nach dem BVG.
Bei dieser Sachlage brauchte der Senat nicht mehr zu prüfen, ob die Versorgungsbehörde etwa auch in der Benachrichtigung vom 30. Januar 1952 durch Gewährung einer laufenden Abschlagszahlung für die Klägerin "bis zur endgültigen Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge" den ursächlichen Zusammenhang des Todes mit einer Schädigung entsprechend § 1587 RVO dem Grunde nach anerkannt hat und daran bei Erlaß des Bescheides vom 4. Oktober 1954 gebunden war.
Die an die positive Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs von Tod und Wehrdienst gebundene Versorgungsbehörde durfte bei der Entscheidung über die Witwenrente nach dem BVG den ursächlichen Zusammenhang nicht abweichend beurteilen. Der ablehnende Bescheid vom 4. Oktober 1954 verletzt daher das Gesetz (§ 85 Satz 1 BVG). Dies hat das LSG. verkannt.
Das Urteil des LSG. war somit aufzuheben. Da die Entscheidung des LSG. nur auf einem Rechtsirrtum bei Anwendung des § 85 Satz 1 BVG beruht und die tatsächlichen Feststellungen des LSG. genügen, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG). Das Urteil des SG. ist im Ergebnis zutreffend. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG. Schleswig vom 20. Juni 1956 war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen