Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt für die Zeit vom 1. Oktober 1946 bis zum 30. September 1948 im wesentlichen die Feststellung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung (AnV), hilfsweise die Zulassung der nachträglichen Entrichtung. Er war vom 1. Oktober 1945 bis zum 31. Dezember 1949 bei der Firma V… in B… als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. In der im Juli 1946 ausgestellten Versicherungskarte Nr. 1 (später berichtigt in Nr. 4, im folgenden VK) sind für die Zeit bis September 1946 Marken eingeklebt; für die restliche Zeit hat der Arbeitgeber auf einem Einlageblatt für jedes Jahr die Beschäftigungszeiten und Arbeitsverdienste und als Krankenkasse, an die die Beiträge abgeführt worden seien, die Handelskrankenkasse eingetragen.
In den Jahren 1955 und 1956 ermittelte die Beklagte, daß für die Zeit von Oktober 1946 bis September 1948 weder an diese noch an eine andere Krankenkasse Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt worden sind; sie stempelte deshalb in der VK die Verdiensteintragungen für die Jahre 1946 und 1947 ungültig und änderte für das Jahr 1948 den Beschäftigungsbeginn vom 1. Januar auf den 1. Oktober; zugleich vermerkte sie auf der VK: "Beiträge von 10/45 bis 9/48 wurden nicht entrichtet" (weitere Korrekturen betrafen die folgende Zeit). Mit Schreiben vom 20. Juli 1956 gab sie dem Kläger die (aus anderem Anlaß vorgelegte) "berichtigte A.B. Nr. 411 (Aufrechnungsbescheinigung) mit dem Zusatz zurück, für die Zeit vom 1. Oktober 1945 bis zum 30. September 1948 seien vom Arbeitgeber keine Beiträge entrichten worden; eine Nachentrichtung sei nicht mehr zulässig.
Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 23. September 1956 u.a., daß er mit der "Nichtanrechnung der zwar einbehaltenen, aber nicht abgeführten Beiträge … nicht einverstanden" sei. In der Antwort vom 17. Oktober 1956 bedeutete ihm die Beklagte, daß "wie am 20.7.1956 mitgeteilt", die Entrichtung von Pflichtbeiträgen vom 1. Oktober 1945 bis 30. September 1948 unterblieben sei; insoweit seien die Entgelteintragungen in der VK zu Unrecht erfolgt, zumal der Beitragsanteil nicht vom Gehalt abgezogen worden sei; der Kläger habe (im Schreiben vom 21. Februar 1956) ausdrücklich betont, daß der Arbeitgeber die Angestelltenversicherungsbeiträge voll übernommen habe; infolgedessen könne § 11 Abs. 3 der DVO zur 2. Lohnabzugsverordnung (LAV) vom 15. Juni 1942 keine Anwendung finden. Auf eine spätere Rückfrage legte die Beklagte im Schreiben vom 22. Oktober 1964 dar, daß wegen der nicht abgezogenen Arbeitnehmeranteile auch § 119 Abs. 6 AVG nicht anwendbar sei; sie verweise auf den Bescheid vom 17. Oktober 1956.
Auf einen Antrag des Klägers vom 17. Oktober 1976 auf Kontenklärung erteilte die Beklagte dann den - erstmals mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen - Bescheid vom 20. April 1977, in dem es heißt: "Eine Anerkennung der Zeit Ihrer Beschäftigung vom 1.10.1945 bis 30.9.1948 ist uns aus den Ihnen mit Bescheid vom 17.10.56 und 22.10.64 mitgeteilten Gründen nicht möglich. Eine Ihren Fall betreffende Rechtsänderung ist zwischenzeitlich nicht erfolgt". Auf den dagegen erhobenen Widerspruch lehnte die Beklagte auch die Zulassung einer Nachentrichtung nach § 140 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ab (Bescheid vom 2. Juni 1977), was einen erneuten Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf den ersten auslöste. Die Beklagte wies am 1. März 1978 den "Widerspruch gegen den Bescheid vom 2.6.1977" zurück.
In der daraufhin eingereichten Klageschrift begehrte der Kläger die "Anerkennung" seines "Beschäftigungsverhältnisses beider Fa. V…", das ihm die Beklagte in seinem Sammelbuch "zu Unrecht gestrichen" habe, "schließlich" sei er nach wie vor zur Nachentrichtung bereit. Das Sozialgericht (SG) hat in der Verhandlung vom 19. April 1979 den Antrag protokolliert, "1. den Bescheid vom 2. Juni 1977 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1978 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verurteilen, eine Entrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Oktober 1946 bis 30. September 1948 … zuzulassen". In seinem klageabweisenden Urteil hat sich das SG nur mit dem Nachentrichtungsbegehren befaßt.
Mit der Berufung machte der Kläger u.a. geltend, es gehe ihm "ja eigentlich gar nicht um die Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen …, sondern vielmehr um Anerkennung seiner Beschäftigungszeit aus den Jahren 1946 bis 1949". Nach den vom Landessozialgericht (LSG) protokollierten Anträgen hat er beantragt, auch "den Bescheid vom 20. April 1977 aufzuheben" und "die Beklagte zu verurteilen, die Beschäftigungszeit vom 1. Oktober 1946 bis 31. Dezember 1949 als Beitragszeit anzuerkennen und die Streichung dieser Zeit rückgängig zu machen". Das LSG sah hierin eine sachdienliche Klageänderung, auf die hin es erstinstanzlich über die Klage gegen den Bescheid vom 20. April 1977 zu entscheiden habe; dieser sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewesen und durch die allerdings unvollständige Entscheidung über den Widerspruch mit erledigt worden (Hinweis auf SozR Nrn. 10 und 16 zu § 78 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Die Klage sei jedoch unbegründet, weil die Streichungen und Änderungen in der VK gerichtlich nicht mehr überprüft werden könnten. Mit ihnen habe die Beklagte die materielle Richtigkeit des Karteninhalts angefochten und damit eine "Beanstandung" der bescheinigten Entgelte vorgenommen, die entgegen BSGE 24, 13 einen Verwaltungsakt darstelle; dieser sei ein Jahr nach Zugang des abschließenden Bescheides vom 17. Oktober 1956 bindend geworden. Der angefochtene Bescheid vom 20. April 1977 stelle keinen Zweitbescheid dar; die Beklagte habe sich dort vielmehr auf die Bindungswirkung berufen. Die Beanstandung sei erfolgt, weil "tatsächlich (und unstreitig)" keine Beiträge von dem Arbeitgeber entrichtet worden seien und nach Auffassung der Beklagten die Beitragsfiktion des § 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV wegen der vereinbarten Nettovergütung nicht eingegriffen habe; insoweit sei durch § 119 Abs. 6 AVG keine Rechtsänderung eingetreten. Im übrigen (hinsichtlich des weiter angefochtenen Bescheides vom 2. Juni 1977) wurde die Berufung zurückgewiesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision beantragt der Kläger(Nr. 1) die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide vom 20. April und 2. Juni 1977, dieser i.d.F. des Widerspruchsbescheides, aufzuheben und festzustellen, (Nr. 2) daß in der Zeit vom 1. Oktober 1946 bis 30. September 1948 ein gültiges Versicherungsverhältnis in der AnV bestanden habe, (Nr. 3) daß die Beklagte diese Zeit als mit Pflichtbeiträgen belegte Beitragszeit anzurechnen habe, (Nr. 4) daß sie die in den Entgeltbescheinigungen der VK für die Zeit vom 1. Oktober 1946 bis 30. September 1949 vom Arbeitgeber eingetragenen Arbeitsentgelte bei der Rentenberechnung anzurechnen habe, und (Nr. 5) die Berichtigung der VK vom 25. Juli 1956 aufzuheben,hilfsweise (anstelle von Nrn. 2 bis 5) die Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Oktober 1946 bis 30. September 1948 zuzulassen.
Der Kläger rügt formell Verletzung der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 77, 103, 106, 128 Abs. 1 SGG und materiell Verletzung der §§ 119 Abs. 6, 123 Abs. 1 und 2, 133 Abs. 1, 134 Abs. 2, 140 Abs. 3, 145 Abs. 1 bis 3 AVG sowie des § 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV. Die Revisionsgründe sind im einzelnen im Schriftsatz vom 13. Mai 1980 dargelegt, auf den hier Bezug genommen wird (Bl. 21 bis 48 der Revisionsakten).
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist im Ergebnis weitgehend begründet. Dies ergibt bereits die Prüfung seines Hauptbegehrens, so daß der Hilfsantrag - in den die (in Nr. 1) mitbeantragte Aufhebung des Bescheides vom 2. Juni 1977 einzuordnen ist - keiner Entscheidung bedarf.
Das Hauptbegehren hat zum Ausgang eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20. April 1977. Dieser Bescheid betraf die Beschäftigungszeit vom 1. Oktober 1945 bis 30. September 1948. Demzufolge sind spätere Zeiten bei der Entscheidung über die Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen, weil es für sie an einem anfechtbaren Verwaltungsakt fehlt. Das gilt auch, soweit solche Zeiten (wie im Antrag Nr. 3 die Zeit von Oktober 1948 bis September 1949) Gegenstand einer mit der Anfechtungsklage verbundenen Feststellungsklage sind. Insoweit sind die verbundenen Klagen unzulässig; die Revision ist in diesem Teile unbegründet. Da sich andererseits die Revisionsanträge nur auf die Zeit ab dem 1. Oktober 1946 beziehen, kann somit in der Revisionsinstanz allein die Zeit vom 1. Oktober 1946 bis zum 30. September 1948 streitig sein.
Die in diesem Umfang noch streitige Anfechtungsklage ist, was der Senat aufgrund eigener tatsächlicher Feststellungen beurteilen kann, zulässigerweise in die Revisionsinstanz gelangt. Sie war schon vor dem SG erhoben, nachdem das Vorverfahren auch für den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. April 1977 als durchgeführt galt. Der Kläger hatte im Widerspruchsverfahren, insbesondere in seinem Schreiben vom 21. November 1977, deutlich zu erkennen gegeben, daß er diesen Widerspruch aufrechterhält. Die Beklagte hat das zwar verkannt, gleichwohl aber im Widerspruchsbescheid das gesamte Widerspruchsverfahren beenden wollen, so daß das in § 78 Abs. 1 SGG geforderte Vorverfahren als durchgeführt anzusehen ist. Die vom SG dann protokollierte Antragstellung kann nicht als Rücknahme der Klage gegen den Bescheid vom 20. April 1977 ausgelegt werden. In einer Beschränkung des Klageantrages kann zwar eine Klagerücknahme liegen (SozR Nr. 10 zu § 102 SGG); auch in einem solchen Falle muß die Klagerücknahme aber unmißverständlich und unzweifelhaft sein (SozR Nr. 8 zu § 102 SGG). Das ist hier nicht der Fall; weder in dem Urteil des SG noch sonst findet sich ein Anhalt, geschweige denn eine Erklärung dafür, daß der Kläger sein Hauptbegehren nicht mehr habe verfolgen wollen. Das Urteil des SG ist daher auch auf dieses zu beziehen; es hat den Anspruch - ähnlich wie der Widerspruchsbescheid den Widerspruch - mit erledigt, also nicht i.S. des § 140 SGG übergangen (d.h. versehentlich nicht beachtet). Das LSG mußte somit auch über die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20. April 1977 als Berufungsinstanz entscheiden. Es hat die Anfechtungsklage zu Unrecht für unbegründet erachtet.
Der Regelungsgehalt dieses Bescheides erschließt sich nicht schon aus dem Wortlaut des Satzes, daß eine "Anerkennung der Zeit der Beschäftigung nicht möglich" sei. Gemeint ist, daß die Beklagte das Vorhandensein von Beitragszeiten für die streitige Zeit verbindlich verneinen wollte. Solche Beitragszeiten konnten entweder tatsächlich zurückgelegte oder fiktive Beitragszeiten sein.
Tatsächlich zurückgelegte Beitragszeiten entstehen aus wirksam entrichteten Beiträgen. Für ihre Feststellung gibt es im Lohnabzugsverfahren besondere Vorschriften. In der streitigen Zeit bestimmte § 10 Abs. 1 der 2. LAV, daß der Arbeitgeber zum Nachweis der Entrichtung der Beiträge in die VK die Zeit der entgeltlichen Beschäftigung und das gesamte Entgelt einträgt. Die ordnungsgemäße Bescheinigung begründete nach § 11 Abs. 1 der DVO zur 2. LAV die Vermutung, daß ein die Versicherungspflicht begründendes Beschäftigungsverhältnis mit dem angegebenen Entgelt bestanden hat und die dafür zu entrichtenden Beiträge rechtzeitig geleistet sind. Gemäß Abs. 2 konnte nach Ablauf von zehn Jahren seit Aufrechnung der VK die "Rechtsgültigkeit der Eintragung der Beschäftigungszeit und der Arbeitsverdienst" grundsätzlich nicht mehr "angefochten" werden. Diesen Vorschriften entsprechen seit der Rentenreform von 1957 im wesentlichen die §§ 123 Abs. 1 (wo auch die Angabe des Namens der Krankenkasse verlangt wird, an die die Beiträge abgeführt worden sind) und 145 Abs. 1 und 2 AVG.
Fiktive Beitragszeiten konnten in der streitigen Zeit aufgrund des § 11 Abs. 3 der DVO zur 2. LAV erworben werden (eine weitere Beitragsfiktion hat später § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung -WGSVG- geschaffen). Danach gilt der Beitrag als entrichtet, wenn glaubhaft gemacht wird, daß "dem Versicherten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sein Beitragsanteil abgezogen" worden ist. Die Parallelvorschrift hierzu seit der Rentenreform von 1957 ist § 119 Abs. 6 AVG, dessen Satz 1 im wesentlichen gleichlautet. Das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 hat dort als Satz 2 angefügt, daß es (für die Beitragsfiktion) einer Eintragung in die VK nicht bedarf. Hierin hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) - SozR Nr. 3 zu § 1397 Reichsversicherungsordnung (RVO) - zu Recht eine authentische Interpretation mit rückwirkender Kraft für alle Versicherungszeiten (Beschäftigungszeiten) seit Juli 1942 erblickt; die noch eine Entgeltbescheinigung fordernde Entscheidung SozR Nr. 1 zu § 1397 RVO war damit überholt. Demzufolge sind die Entgeltbescheinigungen in der VK für die Beitragsfiktion unerheblich; dies leuchtet auch ein, weil der abgezogene, aber nicht abgeführte Anteil nicht mit dem Anteil identisch sein muß, der einem in der VK bescheinigten Entgelt entspräche.
Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt hat der Arbeitgeber, was auch der Kläger nicht bestreitet, in der streitigen Zeit keine Beiträge für den Kläger entrichtet. Damit fehlt es an tatsächlich zurückgelegten Beitragszeiten, so daß es keine Rolle mehr spielt, ob ihr Fehlen schon in einem früheren Verwaltungsakt bindend festgestellt gewesen ist; dies kann hier unerörtert bleiben. Jedenfalls wegen der festgestellten Nichtentrichtung bleibt ebenso die (jetzt) in § 145 Abs. 1 AVG enthaltene Vermutung der Beitragsleistung ohne Bedeutung.
Die Beklagte muß auch nicht aufgrund des § 145 Abs. 2 Nr. 1 AVG eine Beitragsentrichtung für nachgewiesen erachten; sie hat nämlich innerhalb von zehn Jahren nach Aufrechnung der VK die Richtigkeit der Eintragungen "angefochten", wie es in der insoweit veralteten Gesetzessprache heißt; das trifft selbst dann zu, wenn die Streichungen und Änderungen in der VK - wohl zutreffend (vgl. BSGE 49, 51, 52 f.) - als Verwaltungsakt und spätere Schreiben des Klägers als rechtzeitig hiergegen eingelegter Rechtsbehelf gewertet werden. Daß die Beklagte hinsichtlich der "Anfechtung" am 20. April 1977 einen "Zweitbescheid" habe erlassen wollen, verbietet schon die Erwägung, daß die Zehnjahresfrist für eine wirksame "Anfechtung" verstrichen gewesen wäre. Die rechtzeitige "Anfechtung" kam der Kläger auch nicht mit dem Antrag (Nr. 5) beseitigen, die Berichtigung der VK vom 25.7.1950 (gemeint: 20.7.) aufzuheben. Auf eine Anfechtungsklage kann das Gericht nur den angefochtenen, nicht einen früheren Verwaltungsakt aufheben; dies gilt auch dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt als ein Zweitbescheid zum früheren Verwaltungsakt angesehen werden müßte (in diesem Falle hätte er den früheren Verwaltungsakt ersetzt). Hinsichtlich dieses (schon im Berufungsverfahren anhängigen) Antrages ist die Revision deshalb unbegründet.
Obzwar das LSG hiernach im Ergebnis zu Recht das Vorhandensein tatsächlich zurückgelegter Beitragszeiten verneint hat, durfte es andererseits für fiktive Beitragszeiten Gleiches dagegen nicht tun. Zu Unrecht hat sich das LSG dabei auf eine Bindungswirkung früherer Bescheide der Beklagten berufen. Die Korrekturen in der VK hatten, wie dargelegt, für die Frage der Beitragsfiktion keine Bedeutung. Das der Rückgabe der berichtigten Aufrechnungsbescheinigung (AB) angeschlossene Schreiben der Beklagten vom 20. Juli 1956 befaßte sich nur mit der tatsächlichen Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber. Erst die Schreiben der Beklagten vom 17. Oktober 1956 und 22. Oktober 1964, auf die übrigens der Bescheid vom 20. April 1977 allein Bezug genommen hat, haben außerdem fiktive Beitragszeiten verneint. Darin kann jedoch nicht mehr als eine Meinungsäußerung der Beklagten gesehen werden. Ein Versicherungsträger muß klare Verhältnisse schaffen, wenn er Stellungnahmen feststellender Art, die für den Versicherten ungünstig sind, nicht nur als seine Auffassung, sondern darüber hinaus als eine für den Versicherten verbindliche Regelung gelten lassen will. Aus den Schreiben vom 17. Oktober 1956 und 22. Oktober 1964 ergibt sich jedoch kein Anhalt dafür, daß die Äußerung der Beklagten als eine verbindliche Verneinung fiktiver Beitragszeiten - d.h. als eine dahingehende "Regelung" - zu verstehen war. Der Inhalt der Mitteilung deutete nicht darauf hin; die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung sprach vielmehr hier nahezu eindeutig dagegen. Infolgedessen kann unerörtert bleiben, ob vom Kläger eingelegte Rechtsbehelfe überdies den Eintritt einer Bindungswirkung verhindert hätten; auf die insoweit erhobenen Verfahrensrügen braucht der Senat nicht einzugehen.
Der Senat muß deshalb prüfen, ob dem Kläger § 119 Abs. 6 Satz 1 AVG zugute kommen kann, der gem. Art. 2 § 46 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) auf Zeiten nach dem 30. Juni 1942 und damit auch auf die streitige Zeit anzuwenden ist. Das ist aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts zu bejahen. In dem Urteil des LSG heißt es, daß die Entgelte des Klägers ein "vereinbartes Nettoeinkommen" waren. Das entspricht dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 21. Februar 1956, worin er darlegte, daß der Arbeitgeber zwar nicht die Lohnsteuer, wohl aber die Sozialabgaben, also auch den Arbeitnehmeranteil zur AnV "voll … übernommen" habe. Hiernach ist dem Kläger aber i.S. des § 119 Abs. 6 Satz 1 AVG "der auf ihn entfallende Beitragsanteil vom Gehalt abgezogen worden". Im Schrifttum wird zwar die Ansicht vertreten, bei einer Nettolohnvereinbarung fehle es an einem Abzug vom Gehalt (Koch/Hartmann/v. Altrock, AVG, § 119 Anm. D III; anderer Auffassung aber: Verbandskommentar, § 1397 Anm. 20; Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, § 1397 Abschn. III). Dabei wird jedoch übersehen, daß der Arbeitgeber auch bei einer sogenannten Nettolohnvereinbarung einen aus dem Nettolohn zu berechnenden Bruttolohn schuldet und dieser daher "das Gehalt" des Arbeitnehmers darstellt; das entspricht auch der nunmehr vom Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) getroffenen Klarstellung (vgl. BT-Drucks. 7/5457 auf S. 4). Von diesem Gehalt (Bruttogehalt) ist der Beitrag zur Rentenversicherung und damit auch der Beitragsanteil des Versicherten zu berechnen. Dieser Anteil wird mit jeder Auszahlung des Nettolohnes "vom Gehalt abgezogen". Damit ist der Tatbestand des § 119 Abs. 6 Satz 1 AVG erfüllt. Die Vorschrift bedarf keiner entsprechenden Anwendung, so daß sich nicht die von der Beklagten erörterte Frage stellt, ob eine entsprechende Anwendung notwendig auf die Fälle zu erstrecken wäre, in denen der Arbeitgeber kraft Gesetzes allein den vollen Beitrag zu tragen hat.
Da der Kläger hiernach zwar nicht tatsächlich zurückgelegte, wohl aber fiktive Beitragszeiten in der streitigen Zeit aufzuweisen hat, ist die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20. April 1977 begründet und dieser demnach aufzuheben. Zugleich ist (entsprechend dem Revisionsantrag Nr. 3) festzustellen, daß für die streitige Zeit Pflichtbeiträge als entrichtet gelten, was bedeutet, daß sie auch "anzurechnen" sind. Eine solche Feststellung kann gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. auch Abs. 2) mit einer Feststellungsklage begehrt werden, da wirksam entrichtete oder als entrichtet geltende Beiträge ein Rechtsverhältnis zum Versicherungsträger begründen; der Versicherungspflichtige oder Versicherungsberechtigte wird mit der Beitragsentrichtung zum "Versicherten".
Mit den weiteren Feststellungsanträgen (Nr. 2 und 4) kann der Kläger dagegen keinen Erfolg haben; seine Revision ist insoweit unbegründet. Die Beklagte hat nicht bestritten, daß in der streitigen Zeit "ein gültiges Versicherungsverhältnis" im Sinne einer Versicherungspflicht bestanden hat; auch die Streichungen in der VK hatten nicht das Ziel, eine entgeltliche Beschäftigung mit Versicherungspflicht zu verneinen. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse der Kläger neben der Feststellung von Beitragszeiten noch an der Feststellung des damaligen Versicherungsverhältnisses haben sollte. Eine Feststellung, daß die in der VK eingetragenen Entgelte bei der Rentenberechnung anzurechnen sind, kann bei fiktiven Beitragszeiten nicht verlangt werden, weil die Eintragungen nur für tatsächlich zurückgelegte Beitragszeiten Bedeutung haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.11 RA 39/81
Bundessozialgericht
Fundstellen