Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 30.09.1992) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. September 1992 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) im Hinblick auf einen bei der Scheidung vereinbarten Unterhaltsverzicht.
Die Ehe der im Jahre 1919 geborenen Klägerin mit dem am 2. März 1981 verstorbenen Versicherten wurde am 5. Oktober 1948 aus beiderseitigem Verschulden der Eheleute geschieden. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die im Zeitpunkt der Scheidung fünf und sieben Jahre alt waren (geboren am 29. Juli 1941 und 15. September 1943). Im Scheidungsverfahren haben die Eheleute am 2. September 1948 für den Fall der Scheidung aus beiderseitigem Verschulden einen Vergleich geschlossen, in dem sie ua gegenseitig auf Unterhalt für Vergangenheit und Zukunft verzichteten. Der Versicherte verpflichtete sich ferner, den Kindern einen Unterhalt von mtl 30,– DM zu zahlen.
Die Klägerin ist in der Folgezeit keine weitere Ehe eingegangen. Der Versicherte hingegen hat im Jahre 1951 wieder geheiratet. Die Ehe hat bis zum Tode des Versicherten bestanden. Aus dieser Ehe ist ein Kind hervorgegangen, das im Zeitpunkt des Todes des Versicherten 19 Jahre alt war. Die Witwe erhielt eine Witwenrente, die infolge ihrer Wiederverheiratung im Juli 1989 abgefunden wurde.
Vom 24. Februar 1948 bis zum Ende dieses Jahres erzielte der Versicherte insgesamt ein Arbeitsentgelt in Höhe von 2.471,– DM (mtl durchschnittlich ca 242,35 DM). Im Zeitpunkt seines Todes erhielt er eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 701,20 DM ohne Kinderzuschuß. Die Klägerin erhielt im Zeitpunkt der Scheidung (seit 1. Oktober 1948) Fürsorgeunterstützung und im Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 529,90 DM. Die Witwe des Versicherten hatte im Jahre 1980 ein Bruttoerwerbseinkommen von 27.294,– DM und im Jahre 1981 von 29.389,– DM. Der Sohn aus zweiter Ehe des Versicherten bezog 1980/81 eine Ausbildungsvergütung von 305,– DM mtl.
Den im Februar 1984 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenrente lehnte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz durch Bescheid vom 8. Mai 1984 ab; ein Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO bestehe nicht, da der Versicherte vor seinem Tode weder zur Zahlung von Unterhalt an die Klägerin verpflichtet gewesen sei noch tatsächlich Unterhalt gezahlt habe. § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO komme nicht zur Anwendung, da Witwenrente an die zweite Ehefrau zu gewähren sei. Im November 1989 stellte die Klägerin erneut einen Rentenantrag, den die Beklagte durch Bescheid vom 27. März 1990 unter Hinweis auf den im Scheidungsverfahren erklärten Unterhaltsverzicht ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Oldenburg ≪SG≫ vom 14. Juni 1991). Das SG hielt – nachdem nunmehr wegen der Wiederheirat der zweiten Ehefrau des Versicherten Witwenrente nicht mehr zu gewähren war –, die Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO für erfüllt; der Unterhaltsverzicht stehe dem nicht entgegen, da er zu Lasten der Sozialhilfe abgeschlossen worden und damit sittenwidrig und nichtig sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) durch Urteil vom 30. September 1992 das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Infolge des Unterhaltsverzichts habe auch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO kein Rentenanspruch bestanden; denn der Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht nur aus den Gründen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO entfallen, sondern in erster Linie wegen des Unterhaltsverzichts vom 2. September 1948. Der Unterhaltsverzicht sei wirksam zustande gekommen. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß ihn die früheren Ehepartner bewußt zu Lasten des Sozialhilfeträgers abgeschlossen hätten und er deshalb gem § 72 Satz 3 Ehegesetz (EheG) nichtig sei. Zwar sei nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Unterhaltsverzicht unbeachtlich, wenn er nur eine „leere Hülse” sei. Das setze aber voraus, daß 1. im Zeitpunkt der Scheidung kein Unterhaltsanspruch bestanden habe, 2. nicht zu erwarten gewesen sei, daß der Versicherte unterhaltspflichtig werde und 3. im Zeitpunkt des Todes tatsächlich kein Unterhaltsanspruch bestanden habe. Ein Unterhaltsverzicht sei außerdem nur dann unbeachtlich, wenn der Umstand, daß der Versicherte bei Abgabe des Unterhaltsverzichts nicht unterhaltspflichtig war und voraussichtlich auch nicht wieder werden würde, den dominierenden Grund für den Verzicht gebildet habe. Dies sei hier nicht der Fall. Zum einen spreche nichts dafür, daß der Versicherte im Zeitpunkt des Unterhaltsverzichts nach seinen Einkommensverhältnissen nicht leistungsfähig gewesen sei. Zum anderen habe die Klägerin im Zeitpunkt der Verzichtserklärung vernünftigerweise nicht davon ausgehen können, daß der seinerzeit erst einunddreißigjährige, arbeitsfähige Versicherte in der Folgezeit nicht mehr leistungsfähig werden würde.
Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Klägerin mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision. Sie trägt vor, das erstinstanzliche Urteil habe zutreffend die Nichtigkeit des Unterhaltsverzichts festgestellt. Die vom LSG geforderte Vorausschau der Entwicklung der Einkommensverhältnisse nach der Scheidung könne erst nach der Stellung des Hinterbliebenenrentenantrags und damit rückschauend überprüft werden. Diese Überprüfung müsse nach objektiven Kriterien vorgenommen werden. Dabei ergebe sich, daß der Versicherte nie leistungsfähig gewesen sei. Ihr habe deshalb ohnehin kein Unterhalt zugestanden, so daß sie hierauf habe verzichten können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 30. September 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 14. Juni 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem gemäß § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) im vorliegenden Fall weiter anwendbaren § 1265 RVO.
Nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO hat eine frühere Ehefrau Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt tatsächlich geleistet hat. Letzteres ist nicht der Fall. Unabhängig von der Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts der Klägerin bestand ihr gegenüber nach den Vorschriften des EheG auch keine Unterhaltspflicht des Versicherten. Da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten aus beiderseitigem Verschulden geschieden worden war, richtete sich der Unterhaltsanspruch nach § 60 EheG. Hiernach hätte der Versicherte nur einen Unterhaltsbeitrag nach Grundsätzen der Billigkeit zu leisten gehabt. Ein solcher kann zwar auch Grundlage eines Anspruchs auf Rente nach § 1265 RVO sein (BSGE 48, 146; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 59), kam hier aber nach den vom LSG für die Zeit vor dem Tode des Versicherten festgestellten Einkommensverhältnissen der früheren Eheleute keinesfalls in einer Höhe in Betracht, die rentenrechtlich von Bedeutung ist. Ein Rentenanspruch setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, daß ein Unterhaltsanspruch bestand, der mindestens 25 % des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe ausmacht (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 51 und 65). Da in Niedersachsen der Regelsatz für Alleinstehende im Jahre 1981 328,– DM betrug (vgl RdErl vom 18. November 1980, Niedersächsisches Ministerialblatt 1980, 1466), 25 % davon also 82,– DM ausmachten, konnte eine Unterhaltsforderung bis zu 81,90 DM keinen Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO auslösen. Nach den Feststellungen des LSG bezog der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes eine Rente in Höhe von 701,20 DM (zuzüglich Kinderzuschuß), die Klägerin eine Rente von 529,90 DM. Unterstellt man, daß gegenüber dem Sohn aus zweiter Ehe keine Unterhaltsverpflichtung bestand, die den Kinderzuschuß überstieg, und daß die zweite Ehefrau nicht unterhaltsbedürftig war, so standen insgesamt 1.231,10 DM für den Unterhalt der früheren Eheleute zur Verfügung. Unterstellt man ferner, daß das Einkommen des Versicherten weiterhin den Lebensverhältnissen zur Zeit der Scheidung entsprach und daß im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten weder beim Versicherten noch bei der Klägerin ein außergewöhnlicher Bedarf bestand (die Feststellungen des LSG bieten dafür keinen Anhalt), so wäre bei Berechnung des hier nicht geschuldeten angemessenen Unterhalts (im günstigsten Falle) diese Gesamtsumme hälftig auf die früheren Eheleute zu verteilen; denn beide waren Rentner, so daß auf keiner Seite ein Erwerbstätigkeitsbonus in Betracht kam (vgl BGH NJW 1982, 683; NJW 1982, 2442; FamRZ 1982, 894; siehe auch Urteile des erkennenden Senats vom 17. Juni 1993 – 13 RJ 63/91 – und vom 12. Oktober 1993 – 13 RJ 55/92 –). Hieraus ergäbe sich ein Betrag von 615,55 DM, auf den die Rente der Klägerin anzurechnen wäre. Der vom Versicherten geschuldete Unterhalt nach Billigkeitsgrundsätzen ist aber niedriger: in der Regel wird die Hälfte des angemessenen Unterhalts angesetzt (OLG Hamm FRES 1980, 425; OLG Düsseldorf FamRZ 82, 934), was hier einen Betrag von 308,– DM ausmachen würde, der durch die eigenen Einkünfte der Klägerin gedeckt wäre. Selbst wenn man aus Billigkeitserwägungen den Anspruch höher ansetzt, wäre kein rentenrechtlich relevanter Aufstockungsanspruch zu errechnen, denn erst dann, wenn ihr Bedarf so hoch angesetzt würde, daß er 3,60 DM unterhalb des angemessenen Unterhalts liegt, könnte ein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch herauskommen: 615,55 DM – 3,60 DM = 611,95 DM – 529,90 DM (eigene Rente) = 82,05 DM (fünf Pfennig über 25 % des Sozialhilfesatzes). Für einen so hohen Anspruch gibt es aber keine Anhaltspunkte.
Da somit auch ohne den Unterhaltsverzicht ein Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO nicht begründet ist, könnte die Klägerin ihren Anspruch allenfalls noch auf § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO stützen; auch die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind jedoch nicht unmittelbar erfüllt. In § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO wird vorausgesetzt, daß der Unterhaltsanspruch (nur) wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat. Dies ist hier nicht der Fall, da ein Unterhaltsanspruch der Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten, unabhängig von den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO vorausgesetzten wirtschaftlichen Verhältnissen, an dem vereinbarten Verzicht scheitert (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 6).
Der Verzicht ist nicht deshalb unbeachtlich, weil er nicht ausdrücklich auch Fälle des Notbedarfs einbezieht. Ein Unterhaltsverzicht bezieht sich grundsätzlich auf jeglichen Unterhalt; er soll auch finanziell eine endgültige Trennung der Eheleute bewirken. Der vielfach verwendete Zusatz „auch für Fälle des Notbedarfs” ist lediglich auf eine Unsicherheit zurückzuführen, die zeitweise in der Rechtsprechung aufgetreten ist (vgl Urteil des LG Bonn ZfS 1953, 89) und auch in der Literatur teilweise weiterhin zugrunde gelegt wurde (vgl zB Göppinger, Unterhaltsrecht, 4. Aufl 1981, Rdz 1659). Desungeachtet kann jedoch auch für die damalige Zeit als herrschende Meinung angesehen werden, daß es besonderer Umstände bedurfte, um einen Unterhaltsverzicht dahin auszulegen, daß er Fälle des Notbedarfs nicht einschloß (vgl OLG Düsseldorf FamRZ 1955, 293; Bay ObLG FamRZ 1967, 2024; s auch BGH NJW 1981, 51; zum Ganzen ausführlich Hampel, FamRZ 1960, 421 mwN, auf den sich auch in der Folgezeit die Kommentarliteratur bezieht; so Palandt, BGB, 33. Aufl 1974, § 72 EheG Anm 2 aE; Erman, BGB, 5. Aufl 1972, § 72 EheG Rz 15; dito, 7. Aufl 1981; Soergel/Siebert/Donau, BGB, Stand: 1971, § 72 EheG, Rz 23 aE; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 1977, Rz 414 und 169). Das LSG ist deshalb zutreffend von einem Unterhaltsverzicht ausgegangen, der auch Fälle des Notbedarfs einschließt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin war – jedenfalls im hier entscheidungserheblichen Zeitraum vor dem Tode des Versicherten – der Unterhaltsverzicht auch nicht nach § 72 EheG unwirksam. Das LSG hat festgestellt, es spreche nichts dafür, daß der Klägerin und dem Versicherten schon bei Abschluß des Vergleichs die Belastung des Sozialhilfeträgers bewußt gewesen sei oder sie diese jedenfalls ohne weiteres hätten erkennen können.
Diese Festellungen mögen zwar im einzelnen angreifbar sein; begründete Verfahrensrügen sind jedoch nicht erhoben worden.
Allerdings hat das LSG damit nicht alle Gesichtspunkte abgeklärt, die die Nichtigkeit begründen könnten. Es hat übersehen, daß die Nichtigkeit nicht nur bei Belastung des Sozialhilfeträgers eintreten kann, sondern generell bei einem Verzicht zu Lasten Dritter, wozu insbesondere auch die Kinder gehören können. Die Zivilgerichte haben deshalb in Fällen, in denen Kinder zu betreuen waren, stets die Alternative gesehen, daß bei dem Unterhaltsverzicht einer Mutter minderjähriger Kinder, die kein oder unzureichendes Einkommen hat, entweder der Sozialhilfeträger belastet wird oder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden muß, die zu Lasten der Kinderbetreuung geht. In beiden Fällen ist wegen Verzichts zu Lasten Dritter Sittenwidrigkeit nach § 72 EheG angenommen worden (vgl BGH FamRZ 1983, 137, OLG Köln FamRZ 1990, 634). Ein Verzicht zu Lasten der Kinder liegt auch hier nahe. Das LSG verneint ein Bewußtsein der Vertragsschließenden, den Sozialhilfeträger zu belasten, mit der Begründung, der Klägerin sei möglich gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und währenddessen die Kinder von einer dritten Person betreuen zu lassen. Es prüft dabei aber nicht, wie sich dies auf das Wohl der Kinder ausgewirkt hätte, insbesondere wann und in welchem Umfang die Klägerin wegen einer Erwerbstätigkeit hätte abwesend sein müssen und welche konkrete dem Wohl der Kinder angemessene Betreuungsmöglichkeit (durch wen?) bestanden hätte.
Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits ist dennoch nicht erforderlich, weil eine aus diesen Gründen eingetretene Nichtigkeit des Unterhaltsverzichts sich nicht auf die Zeit vor dem Tode des Versicherten erstrecken könnte. Da es sich bei dem Unterhaltsverzicht um eine auf Dauer angelegte Vereinbarung handelt, die Nichtigkeit aber nur an absehbar vorübergehende Verhältnisse anknüpft, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Parteiwillen auch dann noch unbeachtet zu lassen, wenn die die Nichtigkeit begründenden Umstände durch (vorhersehbaren) Zeitablauf erledigt sind. Diese Situation war in der Zeit vor dem Tode des Versicherten seit langem eingetreten, denn die Kinder waren damals bereits 39 und 37 Jahre alt, so daß es hier nicht darauf ankommt, die genaue zeitliche Grenze festzulegen.
Der Schutzzweck des § 138 BGB geht in diesem Zusammenhang nur dahin, die Vereinbarung eines Verzichts zu verhindern, soweit er ersichtlich zu Lasten eines Dritten geht. Es gibt keine Rechtfertigung, darüber hinaus eine solche Vereinbarung auch für Zeiten auszuschließen, in denen eine Belastung Dritter nicht erwartet wird; die Sittenwidrigkeit liegt nicht in der Art des Vertrages und nicht einmal darin, daß er uU auch Dritte belasten könnte, sondern allein im bewußten Handeln zu Lasten Dritter.
Ob in solchen Fällen von vornherein gemäß § 139 BGB nur eine Teilnichtigkeit für die voraussehbare Dauer der Belastung Dritter angenommen werden muß (was fraglich erscheint), ob § 139 BGB analog anzuwenden ist oder ob eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung erfolgen kann, weil die Vertragsparteien bei Kenntnis der Nichtigkeit den Unterhaltsverzicht auf spätere Zeiträume beschränkt hätten (vgl dazu zB BGHZ 105, 213, 212; 107, 351, 355; ferner die Übersichten über die verschiedenen Ansätze und den Meinungsstand bei Hager, JuS 1985, 264, und Roth, JZ 1989, 411, sowie zur Rspr des BAG: Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, § 12), kann hier dahinstehen. Nach allen diesen Ansätzen kommt es darauf an, ob der Unterhaltsverzicht nach dem hypothetischen Parteiwillen für spätere Zeiträume aufrechterhalten worden wäre, wenn den Parteien klar gewesen wäre, daß er nur für Zeiträume wirksam werden konnte, in denen sich die Klägerin voraussichtlich ohne Belastung der Sozialhilfe und ohne Vernachlässigung des Wohls ihrer Kinder durch Erwerbstätigkeit würde selbst unterhalten können (vgl Medicus, BGB, Allgemeiner Teil, 4. Aufl, Rz 505 ff).
Ein derartiger Wille ist grundsätzlich im einzelnen zu ermitteln. In der Situation eines Hinterbliebenenrentenstreitverfahrens ist dies indes nur noch begrenzt möglich, da der Versicherte nicht mehr gehört werden kann und die Klägerin ein Interesse daran hat, einen Geltungswillen zu verneinen. Deshalb kann insoweit nur von den objektiven Gegebenheiten ausgegangen werden, wie sie sich aus dem festgestellten Vertragsinhalt und sonstigen Feststellungen zu den Umständen seines Abschlusses ergeben. Der Vertragsinhalt und der Umstand, daß er im Scheidungsverfahren abgeschlossen wurde, läßt grundsätzlich erkennen, daß eine endgültige Trennung der Eheleute auch in finanzieller Hinsicht beabsichtigt war. Ein solcher Wille bezieht sich dann nicht nur auf einige Jahre nach der Scheidung, sondern auf den gesamten Lebenszeitraum, was grundsätzlich dafür spricht, daß die Parteien den Verzicht auch für den Fall wollten, daß er erst später wirksam wird. Nur in außergewöhnlichen Fällen, zB wenn vorhersehbar war, daß dann, wenn die Pflege der Kinder durch die Mutter nicht mehr erforderlich sein würde, eine Unterhaltspflicht des Versicherten wegen eigenen hohen Einkommens der geschiedenen Ehefrau oder sonstiger Umstände nicht in Betracht kommen würde, könnte ein anderer hypothetischer Wille der Beteiligten erwogen werden. Für derartige Überlegungen gibt der vorliegende Fall jedoch keinen Anlaß.
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BGH die Berufung auf einen wirksamen Unterhaltsverzicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn und solange der Unterhaltsberechtigte durch die Betreuung eines gemeinsamen Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist und ohne Leistung von Unterhalt auf Sozialhilfe angewiesen wäre (s ua BGH FamRZ 1987, 46; FamRZ 1991, 306; FamRZ 1992, 1403). Eine solche Konstellation lag aber in der Zeit vor dem Tode des Versicherten nicht mehr vor; die gemeinsamen Kinder waren zu diesem Zeitpunkt bereits 39 und 37 Jahre alt.
Der somit jedenfalls im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten wirksame Unterhaltsverzicht kann allerdings ausnahmsweise dann für den Rentenanspruch unbeachtlich sein, wenn er nur deklaratorischen Charakter hatte „leere Hülse”) und bei Außerachtlassung des Verzichts die Voraussetzungen des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO gegeben wären.
Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 72, 39, 45 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 Seite 51 unten ff) hat der Unterhaltsverzicht nur deklaratorischen Charakter, wenn 1. der Versicherte im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tode nicht zur Zahlung eines rentenrechtlich relevanten Unterhalts an die frühere Ehefrau verpflichtet war,
2. zur Zeit der Scheidung kein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch bestand und 3. nach den bei Abschluß des Unterhaltsverzichts gegebenen objektiven Umständen vernünftigerweise auch in Zukunft nicht mit dem Entstehen von rentenrechtlich relevanten Unterhaltsansprüchen der früheren Ehefrau gerechnet werden konnte.
Hierzu ist klarzustellen, daß es jeweils nur auf rentenrechtlich relevante Unterhaltsansprüche ankommt, dh also Unterhaltsansprüche, die zumindest 25 % des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe erreichen oder überschreiten (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 51 und 65). Dies hat bereits der 4. Senat des BSG in bezug auf den Zeitpunkt der Scheidung (SozR 2200 § 1265 Nr 93 S 328) und neuerdings der 5. Senat in bezug auf die Prognose (Urteil vom 8. September 1993 – 5 RJ 8/93 –) zum Ausdruck gebracht. Der erkennende Senat schließt sich dem hinsichtlich aller drei Voraussetzungen an.
Die Unbeachtlichkeit des Verzichts unter den drei genannten Voraussetzungen rechtfertigt sich aus folgenden Überlegungen:
§ 1265 Abs 1 Satz 2 RVO enthält eine erweiternde Bestimmung, die auf Satz 1 dieser Vorschrift basiert. Der Grundsatz, daß nur Hinterbliebenenrente erhalten soll, wer zuvor einen rentenrechtlich relevanten Unterhaltsanspruch hatte (Unterhaltsersatzfunktion), wird unter bestimmten Voraussetzungen (vgl § 1265 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 3 RVO) für die Fälle durchbrochen, in denen nur wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder der Einkünfte der früheren Ehefrau aus Erwerbstätigkeit kein Unterhaltsanspruch bestand.
Ein Verzicht auf Unterhalt kann in jedem Fall nur dann unbeachtet bleiben, wenn er Ansprüche betrifft, die sich in diesem Konzept rentenrechtlich nicht auswirken.
Hätte die Klägerin im Zeitpunkt des Todes des Versicherten einen Unterhaltsanspruch in rentenrechtlich bedeutsamer Höhe gehabt, so scheitert der Hinterbliebenenrentenanspruch daran, daß allein wegen des Verzichts der Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes nicht mehr bestand. Der Verzicht könnte hier nicht unbeachtet bleiben, weil er das Risiko der Rentenversicherung vermindert und somit auch rentenrechtlich keinen rein deklaratorischen Charakter hat. Ein Außerachtlassen des Verzichtes würde das versicherte Risiko bezogen auf § 1265 RVO wieder erhöhen. Nach der gesetzlichen Regelung hat aber die geschiedene Ehefrau in diesem Fall die Folgen ihres Unterhaltsverzichts voll zu tragen, was deutlich darin zum Ausdruck kommt, daß ihr auch § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO insofern keine Erleichterung verschafft. Die Vorschrift betrifft nämlich nur die Fälle, in denen allein aus den in Nr 1 genannten wirtschaftlichen Gründen kein Unterhaltsanspruch bestand.
Anders ist die Situation, wenn ohnehin nach materiellem Eherecht in der Zeit vor dem Tode des Versicherten aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse, sei es wegen der Einkünfte der geschiedenen Ehefrau aus Vermögen, sei es wegen der in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründe, kein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch bestand. In diesen Fällen wirkt sich der Verzicht praktisch nicht aus, sondern trägt lediglich der materiellen Situation Rechnung. Er bringt also keinen Unterhaltsanspruch zum Erlöschen, der eine Rente hätte auslösen können. Die Unbeachtlichkeit des Verzichts hat in diesen Fällen keinen Einfluß auf das Risiko der Rentenversicherung. Es erfolgt keine Ausdehnung auf Fälle, die nach dem gesetzlichen Konzept nicht zum Risiko der Rentenversicherung gehören.
Bereits durch Beachtung dieser gesetzlichen Vorgaben wird sichergestellt, daß die Unbeachtlichkeit eines Verzichtes keinesfalls dazu beitragen kann, das Risiko der Rentenversicherung zu erhöhen (vgl dazu BSGE 72, 39, 46 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 52). Für die Absicherung gegenüber einer Risikoverschiebung spielt es auch keine Rolle, ob der durch den Verzicht untergegangene Unterhaltsanspruch überhaupt nicht bestand, aus welchen Gründen er nicht gegeben war oder ob er (aus welchen Gründen auch immer) der Höhe nach unterhalb von 25 % des zeitlich und örtlich maßgebenden Sozialhilfesatzes lag. Die Rentenversicherungsträger hätten in allen diesen Fällen Rente genau so zahlen oder nicht zahlen müssen, wenn kein Verzicht vereinbart worden wäre.
In der älteren Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1265 Nrn 3 und 6) wurde noch eng am Wortlaut darauf abgestellt, daß im Falle eines Verzichts die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse nicht alleinige Ursache waren, sondern von dem Verzicht überlagert wurden. Dabei wurde jedoch übersehen, daß der Verzicht die Risikolage der Rentenversicherung nicht verändert hat, sondern dem Nichtbestehen eines rentenrechtlich relevanten Unterhaltsanspruchs lediglich Rechnung getragen hat und insofern aus dem Risikogesichtspunkt heraus keine Veranlassung bestand, dem Verzicht Bedeutung beizumessen.
Unter dem Risikogesichtspunkt wären auch die weiteren Voraussetzungen der „leeren Hülse” nicht erforderlich; denn die Rentenversicherungsträger sind allein schon durch die oben genannte Voraussetzung (kein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt des Todes) davor gesichert, daß das Konzept des § 1265 RVO verändert wird (vgl Buschmann, SGb 1993, 536, 537 f). Die weiteren oben unter 2. und 3. genannten Voraussetzungen der „leeren Hülse” sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung erforderlich. Zwar kommt es dann darauf an, ob „zufällig” in der Zeit vor dem Tode des Versicherten aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründen kein Unterhaltsanspruch bestand. Diese „Zufälligkeiten” sind aber in der Konstruktion des § 1265 RVO angelegt; auch in Fällen, in denen kein Verzicht ausgesprochen wurde, kommt es darauf an, ob „zufällig” die Voraussetzungen der Nr 1 aaO im Zeitpunkt des Todes des Versicherten vorlagen.
Die für eine „leere Hülse” geforderten weiteren Voraussetzungen – Nichtbestehen eines rentenrechtlich relevanten Unterhaltsanspruchs im Zeitpunkt der Scheidung und die Erwartung, daß ein solcher auch in Zukunft nicht entstehen werde – sind mithin nicht aus der Unterhaltssituation im Zeitpunkt des Todes des Versicherten zu begründen; sie beruhen vielmehr auf der Überlegung, daß der Gesetzgeber auch in den Fällen des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO die Unterhaltsersatzfunktion nicht ganz aufgegeben hat, sondern Rente gewährt, weil abstrakt gesehen latent die Möglichkeit bestand, daß sich die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse ändern und deshalb bei längerer Lebenszeit des Versicherten uU doch noch Unterhaltsansprüche entstehen konnten. Hierauf hat bereits der 11. Senat des BSG in einer älteren Entscheidung (SozR 2200 § 1265 Nr 6 S 18) hingewiesen. Er hat ausgeführt, der Verzicht könne dem Nichtbestehen von Unterhaltsansprüchen iS von § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO nicht gleichgestellt werden, weil ein Verzicht den Unterhaltsanspruch von vornherein und endgültig beseitige, bei dem Nichtbestehen von Unterhaltspflichten wegen der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse aber immerhin – abstrakt gesehen – möglicherweise in Zukunft ein solcher Anspruch noch hätte in Betracht kommen können und insoweit die Rente möglichen späteren Unterhaltsansprüchen Rechnung trage. Auch wenn die Unterhaltsersatzfunktion der Geschiedenenwitwenrente nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO durch dessen Nr 1 ausgedünnt ist, besteht sie im Prinzip fort (BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr 8 S 36 f). Folglich darf sie bei der Beurteilung des Unterhaltsverzichts nicht unbeachtet bleiben.
Mit der Forderung, daß auch im Zeitpunkt der Scheidung kein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch bestanden haben darf und eine entsprechende Prognose negativ ausfallen muß, wird dem Gedanken der Unterhaltsersatzfunktion insoweit Rechnung getragen, als ein Verzicht nur dann unbeachtet bleibt, wenn er zumindest im konkreten Einzelfall bei vernünftiger Betrachtung keine Unterhaltsansprüche betroffen hat, die später hätten auftreten können, und insoweit – auch bezogen auf die Unterhaltsersatzfunktion – die Verhältnisse gegenüber den gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich nicht verändert hat. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß auch insoweit das Konzept des § 1265 RVO durch Nichtbeachtung des Verzichts nicht verändert wird, und zwar gleichviel, aus welchen wirtschaftlichen Gründen ein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch bei der Scheidung nicht bestand und auch in Zukunft nicht zu erwarten war. Lag dies an den Vermögensverhältnissen der Berechtigten, so käme ein Rentenanspruch auch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO mit und ohne Verzicht nicht in Betracht. Bestand aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründen kein Unterhaltsanspruch, so hat der Verzicht dieser Situation lediglich Rechnung getragen und kann deshalb unbeachtet bleiben.
Auf die subjektiven Überlegungen der früheren Ehepartner kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl auch BSGE 72, 39, 46 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 9 S 52). Insoweit ist es auch unbedeutend, daß die früheren Ehepartner bei Vereinbarung des Verzichts weder die spätere Gesetzesentwicklung noch die spätere Rechtsprechung vor Augen haben konnten. Es kommt hier allein darauf an abzusichern, daß durch den Verzicht objektiv die Risikogrenzen nicht verschoben werden und, zumindest für den konkreten Fall, keine Veränderung der Unterhaltsersatzfunktion herbeigeführt wird.
Nach alledem bleibt der erkennende Senat daher bei seiner Rechtsauffassung, daß der Tatbestand der „leeren Hülse” grundsätzlich voraussetzt, daß im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch nicht vorlag, ein solcher auch im Zeitpunkt der Scheidung nicht gegeben und aus damaliger Sicht auch in Zukunft nicht zu erwarten war.
Im vorliegenden Fall käme es allerdings nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Scheidung ein rentenrechtlich relevanter Unterhaltsanspruch vorlag, wenn ergänzende Feststellungen ergeben würden, daß der Verzicht zunächst unwirksam war und erst in einem späteren Zeitpunkt „in Kraft getreten” ist, in dem die Betreuung der Kinder eine Erwerbstätigkeit der Klägerin nicht mehr ausschloß. Dementsprechend wäre dann für den Tatbestand der „leeren Hülse” nur bedeutsam, ob nach den objektiven Umständen zur Zeit der Scheidung zu erwarten war, daß in diesem (späteren) Zeitraum vernünftigerweise nicht mit einem rechtlich relevanten Unterhaltsanspruch gerechnet werden konnte. Daraus würden sich aber – wie noch gezeigt wird – hinsichtlich der Prognose keine Abweichungen ergeben. Deshalb braucht dann auch auf die in der Entscheidung des LSG möglicherweise problematische Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckungsschwierigkeiten im Zeitpunkt der Scheidung dem Nichtbestehen von Unterhaltsansprüchen gleichgestellt werden konnten, nicht eingegangen zu werden. (Ginge man indes von der Ansicht des LSG aus, daß der Verzicht von Anfang an wirksam war, käme es auch auf den Zeitpunkt der Scheidung und die Zeit danach an.)
Das LSG hat seine Feststellung, daß im Zeitpunkt der Scheidung objektiv in Zukunft mit dem Entstehen von Unterhaltsansprüchen zu rechnen war, darauf gestützt, daß der Versicherte bei der Scheidung noch relativ jung und arbeitsfähig war. Dagegen sind wirksame Verfahrensrügen nicht erhoben worden. Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich diese Feststellung allein auf den Zeitraum bezog, in dem die Klägerin wegen der Betreuung ihrer Kinder an einer Erwerbstätigkeit gehindert war. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß der Versicherte nur ein Einkommen erzielen konnte, das unter Beachtung des Selbstbehalts keinen rentenrechtlich relevanten Unterhaltsbeitrag mehr zuließ.
Zwar sind Zweifel angebracht, ob das LSG das angeblich hohe Einkommen des Versicherten im Jahre 1948 richtig gedeutet hat. Es handelte sich immerhin um das Jahr 1948, in dessen Mitte die Währungsreform fiel. Betrachtet man den letzten Monat des offenbar letzten Arbeitsverhältnisses dieses Jahres, das nach dem Versicherungsverlauf im Januar 1949 endete, so ergibt sich aus dem Januarlohn ein anderes Bild. Dennoch ist kein Anhalt dafür gegeben, daß nur Niedrigstlöhne zu erwarten waren (was auch im nachhinein durch den Versicherungsverlauf bestätigt wird).
Das LSG hat allerdings keine Feststellungen zur Bedürftigkeit der Klägerin in dem Zeitraum nach Beendigung der Kinderbetreuung getroffen. Es hat nicht im einzelnen festgestellt, welche Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erwarten waren und inwieweit die Klägerin durch diese oder andere Einkünfte ausreichend gesichert war.
Gleichwohl ist eine Zurückverweisung der Sache an das LSG entbehrlich. Aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG kann gefolgert werden, daß mit anderen Einkünften der Klägerin als denen aus Erwerbstätigkeit nicht gerechnet werden konnte. Auch gibt es in den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin für die Zeit nach Beendigung der Kinderbetreuung lückenlose Einkünfte erwarten konnte, die einen Anspruch auf Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG von vornherein auf Dauer ausschlossen.
Insofern ist letztlich die Frage entscheidend, ob im Rahmen der anzustellenden Prognose der mögliche Eintritt von Krankheit und Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden muß. Da während solcher Zeiten das Einkommen regelmäßig mehr oder weniger stark sinkt (uU bis zum Betrag der Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe), kann dadurch ein Anspruch auf einen rentenrechtlich relevanten Unterhaltsbeitrag entstehen.
Der erkennende Senat ist hierzu der Auffassung, daß solchen einkommensmindernden Wechselfällen grundsätzlich Rechnung getragen werden muß, weil sie zum normalen Ablauf eines Arbeitslebens gehören und nur unter besonderen Umständen ausgeschlossen werden können. Das Vorliegen von in dieser Hinsicht abgesicherten Verhältnissen bildet die Ausnahme und muß deshalb gesondert festgestellt werden. Zu denken wäre zB an ein im Vergleich zum Versicherten sehr hohes Einkommen der früheren Ehefrau, das auch bei Krankheit und Arbeitslosigkeit eine Unterhaltsbedürftigkeit ausschließt, oder auch an einen besonders gesicherten Arbeitsplatz der früheren Ehefrau (zB im öffentlichen Dienst oder bei tarifvertraglichem Ausschluß der ordentlichen Kündigung). Zwar könnte auch in solchen Fällen durch besondere unvorhersehbare Entwicklungen doch noch einmal ein Unterhaltsanspruch entstehen. Eine so weitgehende Forderung würde aber die Unterhaltsersatzfunktion, die in § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO nur noch eine stark abgeschwächte Bedeutung hat, überbetonen (vgl auch BSG, Urteil vom 8. September 1993 – 5 RJ 8/93 –).
Der vorliegende Fall enthält indes keine Anhaltspunkte für derartige Absicherungen der Klägerin. Mithin konnte im Zeitpunkt der Scheidung weder aus dem Gesichtspunkt unzureichender Leistungsfähigkeit des Versicherten noch fehlender Bedürftigkeit auf seiten der Klägerin ein Unterhaltsanspruch auf Dauer als ausgeschlossen angesehen werden. Die Voraussetzungen für eine Nichtbeachtung des Unterhaltsverzichts „leere Hülse”) sind dementsprechend nicht erfüllt.
Die Klage konnte aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen