Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der orthopädischen Hilfsmittel. andere Hilfsmittel
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Beschränkung der Kostenerstattung wird von der Ermächtigung des BVG § 13 Abs 5 gedeckt.
2. Unter den Begriff der orthopädischen Hilfsmittel fallen diejenigen Hilfsmittel, welche den Bewegungsapparat des menschlichen Körpers der Funktion und möglichst auch der Form nach ersetzen sollen. Als "andere Hilfsmittel" sind demnach alle sonstigen Hilfsmittel außer den Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln anzusehen, die im weitesten Sinne dazu dienen, die Folgen einer Schädigung zu beseitigen oder das Tragen dieser Folgen zu erleichtern. Diesem letztgenannten Zweck dienen die besonderen Bedienungseinrichtungen eines Motorfahrzeuges für einen Beschädigten.
Normenkette
BVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, § 13 DV § 2 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1961-06-06, § 13 DV § 5 Abs. 3 Nr. 1 Fassung: 1961-06-06
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 18. Juni 1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Bei dem Kläger sind als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. anerkannt: "Verlust beider Arme, rechts im Oberarm, links im Unterarm; nichtentzündliche, bzw. nicht eiternde Hautkanäle nach Sauerbruch."
Im August 1962 beantragte der Kläger die Erstattung der Kosten in Höhe von 974,70 DM für die Änderung der Bedienungseinrichtungen an seinem Motorfahrzeug, die von der Verkehrsbehörde angeordnet und in seinen Führerschein eingetragen sind. Die Versorgungsbehörde bewilligte einen Betrag von 590,- DM und lehnte unter Hinweis auf die in § 5 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 13 BVG vom 6. Juni 1961 (DVO zu § 13 BVG - BVBl I 669) festgesetzten Höchstbeträge die Erstattung der darüber hinaus geltend gemachten Kosten mit Bescheid vom 26. Oktober 1962 ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. April 1963).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 18. Juni 1964 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Erstattung der Kosten für die Änderung von Bedienungseinrichtungen an Motorfahrzeugen über den in der DVO zu § 13 BVG festgesetzten Höchstbetrag von 590,- DM hinaus komme nicht in Betracht. Einen Härteausgleich sehe das Gesetz nicht vor. Die Höchstbeträge des § 5 Abs. 3 der DVO zu § 13 BVG seien bindend. Sie seien auch nicht überaltert oder nicht mehr angemessen und stünden nicht in einem Mißverhältnis zu den tatsächlichen Kosten.
Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen dieses ihm am 1. Juli 1964 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Juli 1964, beim Bundessozialgericht (BSG) am 29. Juli 1964 eingegangen, Revision eingelegt und die Zustimmungserklärung des Beklagten zur Sprungrevision beigefügt. Er hat die Revision mit einem am 31. Juli 1964 beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 29. Juli 1964 begründet. Er beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den Bescheid des Beklagten vom 22. April 1963 aufzuheben, den Bescheid vom 26. Oktober 1962 abzuändern und den Beklagten zur Erstattung weiterer 384,70 DM für die Beschaffung von Hilfsmitteln zu verurteilen und dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.
Der Kläger rügt eine Verletzung des § 13 Abs. 1 BVG in der Fassung des 1. Neuordnungsgesetzes (1. NOG) sowie die fehlerhafte Anwendung des § 5 Abs. 3 Ziff. 2 der DVO zu § 13 BVG durch das SG. Er trägt insbesondere vor, daß § 5 Abs. 3 Ziff. 2 der DVO zu § 13 BVG über den Rahmen der Ermächtigung des § 13 Abs. 5 BVG hinausgehe und rechtsunwirksam sei. Grundsätzlich sei zwar diese DVO zu beachten; soweit aber in § 5 Abs. 3 Ziff. 2 der DVO gewisse Höchstbeträge für die Kostenerstattung bei der Änderung von Bedienungseinrichtungen an Motorfahrzeugen festgesetzt seien, dürfe diese Vorschrift nicht angewendet werden, weil damit der Rechtsanspruch der Beschädigten auf orthopädische Versorgung in unzulässiger Weise eingeschränkt werde. Die Ermächtigung nach § 13 Abs. 5 BVG bestimme nur, daß die Bundesregierung "Art und Umfang" der Hilfsmittel in der DVO regeln könne. Sie sei also nur ermächtigt, den "gegenständlichen Umfang" festzulegen, nicht aber eine kostenmäßige Leistungsbegrenzung zu normieren. Da der Beschädigte nach § 13 Abs. 1 BVG einen Rechtsanspruch auf "andere Hilfsmittel" im Rahmen der orthopädischen Versorgung habe, so müßten ihm die Kosten in vollem Umfang erstattet werden, die er wegen der Änderung von Bedienungseinrichtungen an Motorfahrzeugen gehabt habe. Auch diese Kostenerstattung sei eine echte Versorgungsleistung, auf die ein Rechtsanspruch nach §§ 9, 11 Abs. 1 Nr. 4 und 13 Abs. 1 BVG bestehe. Dieser Rechtsanspruch könne nicht durch eine Verordnung der Bundesregierung in kostenmäßiger Hinsicht beschränkt werden. Das ergebe sich auch aus der jetzigen Fassung des § 13 Abs. 1 BVG durch das 2. NOG, in der nunmehr ausdrücklich vorgesehen sei, daß für Änderungen von Bedienungseinrichtungen an Motorfahrzeugen nur Zuschüsse zu gewähren seien. Da eine derartige Beschränkung im § 13 Abs. 1 BVG in der Fassung des 1. NOG nicht vorgenommen worden sei, müsse angenommen werden, daß jedenfalls im Zeitpunkt der Gültigkeit dieser Bestimmungen eine volle Kostenerstattung gewollt gewesen sei. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Da die Voraussetzungen für die Einlegung der Sprungrevision nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegeben sind, die Revision form- und fristgerecht unter Beifügung der Zustimmungserklärung des Beklagten eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden ist (§§ 164, 166 SGG), ist sie statthaft. Sie ist jedoch unbegründet.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 26. Oktober 1962 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1963, mit dem der Beklagte die Erstattung der vollen Kosten für die Änderung der Bedienungseinrichtungen an dem Motorfahrzeug des Klägers abgelehnt hat. Dieser Bescheid ist rechtmäßig.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Änderung von Bedienungseinrichtungen an seinem Motorfahrzeug richtet sich nach § 13 Abs. 1, 5 BVG in der Fassung des 1. NOG in Verbindung mit der DVO zu § 13 BVG vom 6. Juni 1961, weil der Kläger während des zeitlichen Geltungsbereichs dieser DVO die den Erstattungsanspruch begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt hat.
Nach § 13 Abs. 1 BVG sind die Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel in erforderlicher Zahl ..., dauerhafter Ausführung und Ausstattung zu gewähren; sie müssen den persönlichen und beruflichen Bedürfnissen des Beschädigten und dem allgemeinen technischen Entwicklungsstand angepaßt sein. Nach Abs. 5 dieser Vorschrift wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über Art und Umfang der Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln ... zu erlassen. Dieser Ermächtigung ist die Bundesregierung durch den Erlaß der Verordnung zur Durchführung des § 13 BVG vom 6. Juni 1961 nachgekommen. Darin ist bestimmt, daß nach Maßgabe des § 5 die Kosten für die durch Schädigungsfolgen bedingten Änderungen der Bedienungseinrichtungen eines Motorfahrzeuges, für die Beschaffung der dazu erforderlichen Zusatzgeräte und für deren Einbau bis zu 740,- DM ... übernommen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 DVO zu § 13 BVG). Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 der DVO setzt die Übernahme dieser Kosten voraus, daß sich das Fahrzeug im Besitze des Beschädigten befindet und die Änderungen von der Verkehrsbehörde zur Auflage gemacht und in den Führerschein eingetragen worden sind. Die Kosten werden nach § 5 Abs.3 Nr. 2 Buchst. c der DVO bei Doppelarmamputierten bis zu einer Höhe von 590,- DM übernommen. Diesen Betrag hat der Beklagte an den Kläger auch erstattet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Restbetrag von 384,70 DM gegen den Beklagten. Die Auffassung des Klägers, die Bundesregierung habe die ihr in § 13 Abs. 5 BVG erteilte Ermächtigung überschritten, weil nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c der DVO zu § 13 BVG die Erstattung der Kosten der Änderung von Bedienungseinrichtungen eines Motorfahrzeuges der Höhe nach beschränkt worden ist, geht fehl; denn diese Beschränkung der Kostenerstattung wird von der Ermächtigung des § 13 Abs. 5 BVG gedeckt.
Als Hilfsmittel, deren Art und Umfang die Bundesregierung nach § 13 Abs. 5 BVG in der Rechtsverordnung bestimmen kann, bezeichnet das Gesetz Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel. Körperersatzstücke sind nach dem Sprachgebrauch solche Hilfsmittel, die dazu bestimmt sind, fehlende oder beschädigte Gliedmaßen oder Körperteile der Form und möglichst auch der Funktion nach zu ersetzen. Unter den Begriff der "orthopädischen Hilfsmittel" fallen diejenigen Hilfsmittel, welche den Bewegungsapparat des menschlichen Körpers der Funktion und möglichst auch der Form nach ersetzen sollen. Als "andere Hilfsmittel" sind demnach alle sonstigen Hilfsmittel außer den Körperersatzstücken und orthopädischen Hilfsmitteln anzusehen, die im weitesten Sinne dazu dienen, die Folgen einer Schädigung zu beseitigen oder das Tragen dieser Folgen zu erleichtern (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG). Diesem letztgenannten Zweck dienen die besonderen Bedienungseinrichtungen eines Motorfahrzeuges, die der Beschädigte auf Grund der Anordnung einer Verkehrsbehörde in das Motorfahrzeug einbauen lassen muß; denn durch diese besonderen Bedienungseinrichtungen wird der Beschädigte, der wegen der anerkannten Schädigungsfolgen ein serienmäßig ausgestattetes Motorfahrzeug nicht mit der im Straßenverkehr gebotenen Sicherheit führen kann, in die Lage versetzt, diese Folgen seiner Beschädigung weitgehendst zu beseitigen und somit trotz seiner Schädigung ein Motorfahrzeug verkehrssicher führen zu können. Über die Art und den Umfang der Ausstattung mit Hilfsmitteln im Sinne des § 13 Abs. 5 BVG ist in der hierzu erlassenen DVO vom 6. Juni 1961 vorgeschrieben, daß bestimmte Hilfsmittel von der Versorgungsbehörde selbst beschafft und dem Beschädigten geliefert werden (§ 1 der DVO zu § 13 BVG), während andere Hilfsmittel (§ 2 der DVO zu § 13 BVG) von dem Beschädigten selbst beschafft werden können und die Versorgungsbehörde hierfür unter bestimmten Voraussetzungen einen Kostenersatz leistet; zu diesen gehören auch Änderungen der Bedienungseinrichtungen von Motorfahrzeugen. Diese von der Bundesregierung in der DVO vorgenommene Aufgliederung der Ausstattung des Beschädigten mit Hilfsmitteln deckt sich mit der Ermächtigung des § 13 Abs. 5 BVG, denn es gehört zum Recht der Bestimmung der "Art der Ausstattung", daß gesagt werden kann, ob die Hilfsmittel von der Versorgungsbehörde in einer von ihr bestimmten Ausführung und Anfertigung selbst geliefert werden ... oder ob die Hilfsmittel vom Beschädigten in einer von ihm gewählten Ausführung oder Anfertigung beschafft werden können. Die vorgenommene Aufgliederung - Lieferung der Hilfsmittel durch die Versorgungsbehörde einerseits und Selbstbeschaffung durch den Beschädigten andererseits - erscheint hinsichtlich der in § 2 der DVO zu § 13 BVG erwähnten Hilfsmittel, insbesondere auch wegen der dort erwähnten Bedienungseinrichtungen zweckmäßig, da eine Lagerhaltung oder Beschaffung der Bedienungseinrichtungen durch die Versorgungsbehörde bei der Vielzahl unterschiedlicher Kraftfahrzeugtypen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten machen würde. Die Bundesregierung konnte aber nicht nur die Art der Ausstattung eines Beschädigten mit einem Hilfsmittel bestimmen, vielmehr war sie auch ermächtigt, den "Umfang" der Ausstattung zu bestimmen. Da bei einem nach Maßgabe der DVO zulässigerweise von dem Beschädigten selbst beschafften Hilfsmittel die Gewährung des Hilfsmittels (§ 13 Abs. 1 BVG) nur in einer Kostenerstattung bestehen kann, so muß in der Berechtigung der Bundesregierung, den "Umfang der Ausstattung" zu bestimmen, das Recht verstanden werden, den Umfang der Kostenerstattung zu bestimmen, d.h. diese Kostenerstattung auch ihrer Höhe nach begrenzen zu dürfen. Insoweit verkennt der Kläger den Begriff des "Umfanges der Ausstattung" in § 13 Abs. 5 BVG, wenn er ausführt, damit sei nur die Anzahl der von der Versorgungsbehörde zu liefernden Hilfsmittel gemeint. Die Berechtigung der Bundesregierung, die Ersatzleistungen (Geldleistungen) in der DVO zu § 13 BVG der Höhe nach zu beschränken, ergibt sich aber noch aus einer anderen Erwägung. Da die Bundesregierung nach § 13 Abs. 5 BVG ermächtigt worden ist, "Art und Umfang der Ausstattung mit Hilfsmitteln" zu bestimmen, war sie grundsätzlich auch ermächtigt, die Ausstattung eines Motorfahrzeuges mit einer bestimmten Bedienungseinrichtung gänzlich zu versagen; denn in der Ermächtigung zur Bestimmung derjenigen Hilfsmittel, die der Beschädigte im Rahmen der §§ 11 Abs. 1 Nr. 4 und 13 Abs. 1 BVG erhalten kann, liegt gleichermaßen das Recht zur Bestimmung derjenigen Hilfsmittel, die nicht gewährt werden. Konnte aber die Bundesregierung die Ausstattung des Beschädigten mit einem bestimmten Hilfsmittel, wie hier die Ausstattung eines Motorfahrzeuges mit einer besonderen Bedienungseinrichtung, gänzlich versagen oder völlig gewähren, so umfaßt dieses Recht auch das Recht zur Bestimmung darüber, daß ein Kostenersatz für eine besondere Bedienungseinrichtung nur in bestimmter Höhe gewährt wird. Dem steht auch nicht entgegen - wie der Kläger weiter meint -, daß der Beschädigte einen Rechtsanspruch auf orthopädische Versorgung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 BVG hat. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf orthopädische Versorgung besteht nur in dem vom Gesetz bestimmten Umfang. Welchen Umfang dieser Anspruch hat, ergibt sich im vorliegenden Fall aber gerade aus § 13 Abs. 5 BVG in Verbindung mit der dazu erlassenen DVO. Ist also davon auszugehen, daß die Beschränkung der Kostenerstattung nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 der DVO zu § 13 BVG innerhalb des Rahmens der Ermächtigung liegt, welche der Bundesregierung in § 13 Abs. 5 BVG erteilt ist, so steht dem doppelarmamputierten Kläger für die Änderung der Bedienungseinrichtungen an seinem Motorfahrzeug kein höherer Betrag als 590,- DM zu. Ob und inwieweit durch die Neufassung des § 13 BVG durch das 2. NOG eine von der Fassung dieser Vorschrift im 1. NOG abweichende Regelung getroffen worden ist, kann deshalb dahinstehen, weil die Neuregelung dieser Bestimmungen durch das 2. NOG im vorliegenden Fall keine Anwendung findet.
Das SG hat somit weder § 13 BVG noch die §§ 2 und 5 der DVO zu dieser Vorschrift verletzt, seine Entscheidung entspricht dem Recht. Die Revision des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen