Leitsatz (redaktionell)

Die Begrenzung des Kostenaufwandes von 300 DM in DV § 13 BVG § 5 Abs 3 Nr 2 vom 1961-06-06 widerspricht nicht der Vorschrift des BVG § 13 Abs 5 idF des 1. NOG KOV.

 

Normenkette

BVG § 13 Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, § 13 DV § 5 Abs. 3 Nr. 2 Fassung: 1961-06-06

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1966 und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. Oktober 1963 aufgehoben.

Die Klage gegen die Bescheide des Landesversorgungsamts Bayern vom 10. Januar und 23. Mai 1962 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger bezieht wegen Teilverlust des rechten Oberschenkels, Trommelfellnarben, Mittel- und Innenohrschwerhörigkeit beiderseits Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 %. Er beantragte im Juni 1961, die Versorgungsverwaltung wolle die Kosten für die Ausstattung seines Volkswagens (VW) mit einer automatischen Kupplung und anderen Zusatzgeräten im Gesamtbetrag von 343,80 DM tragen. Nachdem die Verwaltung einen Teilbetrag in Höhe von 300,- DM übernommen hatte, begehrte der Kläger die Übernahme auch der Restkosten in Höhe von 43,80 DM durch die Versorgungsverwaltung. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Bayern lehnte mit Bescheid vom 10. Januar 1962 den Antrag ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 1962). Auf die Klage hob das Sozialgericht (SG) Nürnberg mit Urteil vom 15. Oktober 1963 die angefochtenen Verwaltungsbescheide auf. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 18. Januar 1966 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG als unbegründet zurück. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 13. Juli 1961 zum Ausdruck gebracht, daß er die Kosten für die automatische Kupplung, Handabblendung und Verlegung der Fußbremse nur in Höhe von 300,- DM tragen werde. Damit habe er von dem ihm zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht. Die Festlegung des Höchstbetrages in § 5 Abs. 3 Nr. 2 b der Durchführungsverordnung (DVO) vom 6. Juni 1961 (BGBl I 669) mit 300,- DM sei jedoch ungesetzlich gewesen, der Bescheid daher unrechtmäßig. Der Umfang der Ausstattung (§ 13 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) könne nicht im Sinne eines festgesetzten Höchstbetrages verstanden werden, weil sonst die Weisung des Gesetzes in § 13 Abs. 5 BVG idF des 1. Neuordnungsgesetzes (NOG) eingeschränkt werden würde. Der Begriff "Umfang" habe deshalb nicht einen Höchstbetrag zum Inhalt, weil die Leistung in Natur zu gewähren sei. Die Festlegung eines Höchstbetrages würde daher dem Zweck des BVG in §§ 9 und 13 BVG widersprechen.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte mit näherer Begründung eine Verletzung des § 13 BVG und des § 5 DVO vom 6. Juni 1961 (BGBl I 669).

Er beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1966 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 15. Oktober 1963 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Er tritt dem angefochtenen Urteil mit ergänzenden Ausführungen bei.

Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist zulässig und mußte auch Erfolg haben.

Streitig ist, ob § 5 Abs. 3 Nr. 2 b der DVO vom 6. Juni 1961 durch § 13 Abs. 5 BVG idF vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) gedeckt ist. Die DVO vom 6. Juni 1961 (BGBl I 669) ist durch die Verordnung vom 30. Oktober 1964 (BGBl I 842) neu gefaßt. § 13 Abs. 5 BVG ist durch § 13 Abs. 6 idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) neu geregelt worden. Grundsätzlich hat das Revisionsgericht auch Rechtsänderungen, die vor seiner Entscheidung wirksam geworden sind, zu berücksichtigen, wenn das streitige Rechtsverhältnis von ihnen erfaßt wird (BSG 16, 260; 19, 261). Die Gewährung einer einmaligen Leistung ist nach dem Gesetz zu beurteilen, das für den Bewilligungszeitraum gilt. Bei Zeitabschnittsgesetzen, die einander ablösen, ist die Entscheidung aus demjenigen Gesetz zu entnehmen, in dessen Geltungsdauer das Ereignis fällt, aus dem sich der vermeintliche Anspruch ableitet (BSG in SozR DVO zu § 13 BVG § 2 Nr. 1). Da der Beklagte die Übernahme der über 300,- DM hinausgehenden Kosten mit den Bescheiden vom 10. Januar und 23. Mai 1962, also vor der Änderung der maßgebenden Vorschriften im Jahre 1964, abgelehnt hat, ist der streitige Anspruch nach § 13 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG und § 5 Abs. 3 der DVO vom 6. Juni 1961 zu beurteilen.

Nach Art. 80 des Grundgesetzes (GG) kann die Bundesregierung ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei muß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Ob die Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend begrenzt ist, läßt sich nur von Fall zu Fall entscheiden (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung - BVerfGE - 1, 60; 7, 301; 15; 160). Art. 80 Abs. 1 GG besagt nicht, daß Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung in jedem Fall im Text des Gesetzes ausdrücklich bestimmt sein muß, und es fehlerhaft wäre, die Ermächtigungsvorschrift auszulegen (BVerfGE 8, 307; 10, 51, 15, 160). Die Verfassung verlangt nur eine hinreichende Bestimmtheit des Ermächtigungsgesetzes (BVerfGE 8, 312). Bei Anwendung dieses Grundsatzes darf der Inhalt eines für die Leistungsverwaltung geltenden Gesetzes weniger bestimmt sein als der eines Eingriffsgesetzes (BVerfGE 7, 302; Leibholz/Rinck, GG 1966 Art. 80 Randzeile 7 Abs. 4 S. 422). § 13 Abs. 5 BVG ist ein Ermächtigungsgesetz im Bereich der gewährenden Verwaltung; es muß also den Inhalt der Ermächtigung nur hinreichend bestimmen. Dazu sagt § 13 Abs. 1 BVG, daß die Hilfsmittel in erforderlicher Zahl, in technisch-wissenschaftlich anerkannter, dauerhafter Ausführung und Ausstattung zu gewähren sind. Sie müssen den persönlichen und beruflichen Bedürfnissen des Beschädigten und dem allgemeinen technischen Entwicklungsstand angepaßt sein. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, daß der Beschädigte einen Rechtsanspruch auf derartige Hilfsmittel hat, die von brauchbarer und dauerhafter Qualität sein müssen. Das Gesetz äußert sich aber nicht über alle Qualitätsvorschriften und den Preis, der auch den Maßstab oder doch wichtige Anhaltspunkte für die Art (Beschaffenheit) des Gegenstandes liefert. Da sich der Preis eines Gegenstandes fortgesetzt nach den Gestehungskosten, Angebot und Nachfrage ändern kann, wäre das Ermächtigungsgesetz überfordert, wenn es die Beschaffenheit des Hilfsmittels, hier die Änderung einer Bedienungseinrichtung eines Motorfahrzeuges und die dazu erforderlichen Zusatzgeräte sowie die Kosten ihres Einbaues im Gesetz selbst regeln müßte. Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, daß die orthopädischen und anderen Hilfsmittel dem Beschädigten grundsätzlich in natura zu gewähren sind. Es ist aber, wie der 10. Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 1967 - 10 RV 666/64 - ausgeführt hat, nicht zu beanstanden,

"wenn die DVO zu § 13 Abs. 5 BVG über die Art und den Umfang der Ausstattung mit Hilfsmitteln vorgeschrieben hat, daß bestimmte Hilfsmittel von der Versorgungsbehörde selbst beschafft und dem Beschädigten geliefert werden (§ 1 der DVO zu § 13 BVG), während andere Hilfsmittel (§ 2 der DVO zu § 13 BVG) von dem Beschädigten selbst beschafft werden können und die Versorgungsbehörde hierfür unter bestimmten Voraussetzungen einen Kostenersatz leistet; zu diesen gehören auch Änderungen der Bedienungseinrichtungen von Motorfahrzeugen. Diese von der Bundesregierung in der DVO vorgenommene Aufgliederung der Ausstattung des Beschädigten mit Hilfsmitteln deckt sich mit der Ermächtigung des § 13 Abs. 5 BVG; denn es gehört zum Recht der Bestimmung der "Art der Ausstattung", daß gesagt werden kann, ob die Hilfsmittel von der Versorgungsbehörde in einer von ihr bestimmten Ausführung und Anfertigung selbst geliefert werden oder ob die Hilfsmittel vom Beschädigten in einer von ihm gewählten Ausführung oder Anfertigung beschafft werden können. Die vorgenommene Aufgliederung - Lieferung der Hilfsmittel durch die Versorgungsbehörde einerseits und Selbstbeschaffung durch den Beschädigten andererseits - erscheint hinsichtlich der in § 2 der DVO zu § 13 BVG erwähnten Hilfsmittel, insbesondere auch wegen der dort erwähnten Bedienungseinrichtungen zweckmäßig, da eine Lagerhaltung oder Beschaffung der Bedienungseinrichtungen durch die Versorgungsbehörde bei der Vielzahl unterschiedlicher Kraftfahrzeugtypen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten machen würde. Die Bundesregierung konnte aber nicht nur die Art der Ausstattung eines Beschädigten mit einem Hilfsmittel bestimmen, vielmehr war sie auch ermächtigt, den "Umfang" der Ausstattung zu bestimmen. Da bei einem nach Maßgabe der DVO zulässigerweise von dem Beschädigten selbst beschafften Hilfsmittel die Gewährung des Hilfsmittels (§ 13 Abs. 1 BVG) nur in einer Kostenerstattung bestehen kann, so muß in der Berechtigung der Bundesregierung, den "Umfang der Ausstattung" zu bestimmen, das Recht verstanden werden, den Umfang der Kostenerstattung zu bestimmen, d. h. diese Kostenerstattung auch ihrer Höher nach begrenzen zu dürfen. Insoweit verkennt der Kläger den Begriff des "Umfanges der Ausstattung" in § 13 Abs. 5 BVG, wenn er ausführt, damit sei nur die Anzahl der von der Versorgungsbehörde zu liefernden Hilfsmittel gemeint. Die Berechtigung der Bundesregierung, die Ersatzleistungen (Geldleistungen) in der DVO zu § 13 BVG der Höhe nach zu beschränken, ergibt sich aber noch aus einer anderen Erwägung. Da die Bundesregierung nach § 13 Abs. 5 BVG ermächtigt worden ist, "Art und Umfang der Ausstattung mit Hilfsmitteln" zu bestimmen, war sie grundsätzlich auch ermächtigt, die Ausstattung eines Motorfahrzeuges mit einer bestimmten Bedienungseinrichtung gänzlich zu versagen; denn in der Ermächtigung zur Bestimmung derjenigen Hilfsmittel, die der Beschädigte im Rahmen der §§ 11 Abs. 1 Nr. 4 und 13 Abs. 1 BVG erhalten kann, liegt gleichermaßen das Recht zur Bestimmung derjenigen Hilfsmittel, die nicht gewährt werden. Konnte aber die Bundesregierung die Ausstattung des Beschädigten mit einem bestimmten Hilfsmittel, wie hier die Ausstattung eines Motorfahrzeuges mit einer besonderen Bedienungseinrichtung, gänzlich versagen oder völlig gewähren, so umfaßt dieses Recht auch das Recht zur Bestimmung darüber, daß ein Kostenersatz für eine besondere Bedienungseinrichtung nur in bestimmter Höhe gewährt wird. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Beschädigte einen Rechtsanspruch auf orthopädische Versorgung nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 BVG hat. Ein Rechtsanspruch des Klägers auf orthopädische Versorgung besteht nur in dem vom Gesetz bestimmten Umfang. Welchen Umfang dieser Anspruch hat, ergibt sich im vorliegenden Fall aber gerade aus § 13 Abs. 5 BVG in Verbindung mit der dazu erlassenen DVO."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und macht sie sich zu eigen.

Die Begrenzung des Kostenaufwandes mit 300,- DM in § 5 Abs. 3 Nr. 2 der DVO vom 6. Juni 1961 für Pflicht- und Kann-Leistungen (Einbau einer automatischen Kupplung) widerspricht sonach nicht der Ermächtigung im § 13 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG. Die Kosten der Ersatzleistungen als Pflichtleistungen sind durch den mit DM 300,- begrenzten Betrag gedeckt, so daß dem Kläger keine Pflichtleistung versagt worden ist.

Der Kläger hat mithin als einseitig Beinamputierter keinen Anspruch auf die Änderung der Bedienungseinrichtung seines Kraftfahrzeuges zu einem höheren Preis als 300,- DM. Diese Begrenzung im Preis gehört auch zum Umfang der Ausstattung eines Kraftfahrzeuges. Das angefochtene Urteil hat sonach den Begriff "Umfang der Ausstattung" im Ermächtigungsgesetz zu eng ausgelegt und hat dadurch § 5 Abs. 3 Nr. 2 b der DVO vom 6. Juni 1961 unzutreffend angewandt. Auf die begründete Revision des Beklagten waren daher das angefochtene Urteil des LSG und das gleichlautende Urteil der 1. Instanz aufzuheben. Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG), da der vom LSG festgestellte Sachverhalt nicht angegriffen ist und zur Entscheidung in der Sache ausreicht. Die Klage gegen die Bescheide der Versorgungsverwaltung vom 10. Januar und 23. Mai 1962 war danach als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380323

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