Orientierungssatz
Im Falle einer noch nicht aufgelösten Erbengemeinschaft ist nicht die Gemeinschaft, sondern jeder einzelne Miterbe als Unternehmer anzusehen. Es kann auch nur jeder einzelne Miterbe und nicht etwa die Erbengemeinschaft als solche anspruchsberechtigt werden. Daraus ergibt sich die Beitragspflicht jedes Miterben. Die gesetzliche Regelung beruht offensichtlich darauf, daß das Betreiben eines landwirtschaftlichen Unternehmens durch eine Erbengemeinschaft in der Regel nur ein vorübergehender Zustand ist.
Normenkette
GALNReglG § 1 Abs. 2 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG 1961 § 1 Abs. 2 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG § 9 Abs. 4 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG 1961 § 9 Abs. 4 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG § 1 Abs. 2 Fassung: 1961-07-03; GALNReglG 1961 § 1 Abs. 2 Fassung: 1961-07-03; GALNReglG § 9 Abs. 1 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG 1961 § 9 Abs. 1 Fassung: 1963-05-23; GALNReglG § 9 Abs. 1 Fassung: 1961-07-03; GALNReglG 1961 § 9 Abs. 1 Fassung: 1961-07-03
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. März 1966 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht der Kläger zur landwirtschaftlichen Alterskasse.
Die Kläger sind in (ungeteilter) Erbengemeinschaft mit sieben in Belgien lebenden Miterben Miteigentümer eines forstwirtschaftlichen Unternehmens (rund 135 ha Wald), dessen Nutzflächen in den Gemeindebezirken S und Wuppertal liegen. Der den Erbanspruch der Kläger auslösende Erbfall ist im Jahre 1948 durch den Tod des in Deutschland wohnhaft gewesenen P P eingetreten; 1963 wuchsen ihnen durch den Tod der Frau D P noch weitere Anteile zu. Das Unternehmen, das auf Grund der Vorschläge des Forstamts R, mit dem ein Betreuungsvertrag besteht, geführt wird, arbeitet seit 1960 mit Verlust; nach dem vom zuständigen Finanzamt festgesetzten ha-Satz (149,- DM) bildet es eine Existenzgrundlage im Sinne von § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 - BGBl I S. 845 - (GAL 1961). Keiner der Miterben arbeitet überwiegend in dem Unternehmen und keinem ist vorwiegend die Leitung oder der Betrieb des Unternehmens übertragen.
Die Beklagte zog die Klägerin zu 1) mit Bescheid vom 5. Dezember 1962, abgeändert und ergänzt durch Bescheid vom 23. Dezember 1963, und die Kläger zu 2) bis 7) mit gleichlautenden Bescheiden vom 30. Dezember 1963 zur Beitragsleistung auf Grund des GAL 1961/63 ab 1. Januar 1962 heran. Sie veranlagte die Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 1957 bis zum 31. Dezember 1961 mit zusammen einem Beitrag für jeden Kalendermonat als Gesamtschuldner. Für die Zeit ab 1. Januar 1962 beanspruchte die Beklagte von jedem der Kläger je Kalendermonat einen Beitrag. Mit einem weiteren Bescheid vom 30. Dezember 1963 verlangte sie von den Klägern als Gesamtschuldner außerdem für die Zeit vom 1. Januar 1962 bis zum 31. Oktober 1963 die Beiträge, die von der am 30. Oktober 1963 verstorbenen Frau D P zu zahlen gewesen wären. Die von den Klägern für die Zeit ab 1. Januar 1962 erhobenen Widersprüche wies die Beklagte durch Bescheide vom 1. April 1964 mit der Begründung zurück, daß das von der Erbengemeinschaft betriebene Unternehmen eine Existenzgrundlage im Sinne von § 1 Abs. 4 GAL 1961 darstelle und daher ein jeder der Miterben ab 1. Januar 1962 den vollen Beitrag zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu zahlen habe.
Auf die hiergegen erhobenen Klagen entschied das Sozialgericht (SG), daß die Kläger für die Zeit ab 1. Januar 1962 in dem Unternehmerverzeichnis zu löschen seien. Auf die einzelnen Berufungen der Beklagten änderte das Landessozialgerichtgericht (LSG) die Urteile des SG und wies die Klagen - unter Zulassung der Revision - ab (Urteil vom 30. März 1966). Es führte aus: Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 2 GAL 1961 sei derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen betrieben werde. Auf die aktive Tätigkeit der einzelnen Landwirte im oder für den Betrieb komme es nicht an. Die Kläger gehörten als Miterben zu einer Gesamthandsgemeinschaft und seien nach Maßgabe ihrer ideellen Anteile am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt, das für ihre Rechnung geführt werde. Die Miterbengemeinschaft besitze keine eigene Rechtspersönlichkeit; vielmehr sei jeder der Kläger als Unternehmer anzusehen. Das folge insbesondere aus der Vorschrift des § 9 Abs. 4 GAL 1961, nach der von der Unternehmereigenschaft der einzelnen Miterben auszugehen sei. Die Beitragspflicht gelte auch für forstwirtschaftliche Unternehmer (§ 1 Abs. 3 GAL 1961). Für die Frage der Existenzgrundlage komme es nur auf die Lebensbedürfnisse eines - gedachten - Unternehmers und seiner Familie, nicht aber auf die Anzahl der Mitunternehmer an. Der Umstand, daß die Kläger gegenüber der Beklagten auf spätere Gewährung von Altersgeld verzichtet hätten, sei ohne rechtliche Bedeutung. Auch die Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht scheide für die Kläger aus, weil sie nur für die ersten beiden Jahre nach dem Erbfall in Betracht komme, hier aber diese Zeit nicht in Streit sei. Durch die späteren Änderungen des GAL in den Jahren 1963 und 1965 seien die anzuwendenden Vorschriften nicht berührt worden; letztere verstießen auch nicht gegen höherwertige Normen, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Kläger legten frist- und formgerecht Revision ein mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufungen der Beklagten gegen die erstinstanzlichen Urteile zurückzuweisen.
Sie rügen die unrichtige Anwendung der §§ 1 und 9 GAL 1961 (jetzt § 14 GAL 1965). Sie meinen, das LSG lasse ohne Begründung den Leitgedanken des Sozialversicherungsrechts außer acht, daß die Versicherungspflicht von der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung abhängt; an dieser Voraussetzung fehle es bei den Klägern.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision; sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
II
Die Revision der Kläger ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Streitig ist die Beitragspflicht der Kläger ab 1. Januar 1962; diese ist nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 GAL in den Fassungen vom 3. Juli 1961 und 23. Mai 1963 (GAL 1961/63) zu beurteilen; die Vorschriften entsprechen den §§ 14 Abs. 1, 1 Abs. 2 des GAL 1965 in der Neufassung vom 14. September 1965. Hiernach ist - vorbehaltlich der im Gesetz vorgesehenen Befreiungsmöglichkeiten - grundsätzlich jeder landwirtschaftliche Unternehmer, also derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen geht (vgl. § 1 Abs. 2 GAL), beitragspflichtig. Die Kläger meinen, das sei in ihrem Falle die ungeteilte Erbengemeinschaft, der das Unternehmen gehöre. Diese Ansicht ist irrig. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits wiederholt entschieden (vgl. BSG-Urteile vom 26. Februar 1969 - 7 RLw 26/66, vom 29. Juli 1969 - 11/7 RLw 9/68 und 10/68 sowie vom 12. Dezember 1969 - 11/7 RLw 22/68), daß die einer ungeteilten Erbengemeinschaft angehörenden Miterben grundsätzlich auch landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des Gesetzes und damit "an sich" beitragspflichtig sind, wenn das Unternehmen für Rechnung der Erbengemeinschaft geht; ob sie selbst im Unternehmen mitarbeiten, ist insoweit nicht entscheidend. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Grund. Ihre Richtigkeit wird durch die Möglichkeit der Befreiung von der Beitragspflicht nach § 9 Abs. 4 GAL 1961/63 (jetzt § 14 Abs. 4 GAL 1965) bestätigt. Denn diese Vorschrift läßt erkennen, daß - worauf schon das LSG mit zutreffender Begründung hingewiesen hat - das Gesetz grundsätzlich von der Unternehmereigenschaft jedes einzelnen Miterben ausgeht; sonst hätte es dieser Vorschrift nicht bedurft. Zwar muß ein Miterbe nicht schon allein wegen seines Miteigentums an dem zum Nachlaß gehörenden Unternehmen Unternehmer bzw. Mitunternehmer im Sinne von § 1 GAL sein; vielmehr kommt es immer auch auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse an, insbesondere darauf, wer das Unternehmer-Risiko (Gewinn und Verlust) zu tragen hat. Das ist in der Regel die das Unternehmen betreibende Erbengemeinschaft; es kann zwar auch Fälle geben, in denen bis zur Auseinandersetzung nur ein bestimmter oder einige der Miterben - möglicherweise auch ein Dritter - das Unternehmen betreiben und dann nur diese, nicht aber die übrigen Miterben landwirtschaftliche Unternehmer im Sinne des Gesetzes sind (vgl. BSG aaO). Ein derartiger Fall liegt indes hier nicht vor; denn nach den vom LSG getroffenen, mit der Revision nicht angegriffenen und deshalb (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) für das BSG bindenden Feststellungen liegt keine besondere Abrede über die Führung des Unternehmens vor; auch ist das Unternehmen von keinem der Miterben auf seine Rechnung betrieben worden. Das LSG hat auch zu Recht dem "Betreuungsvertrag" zwischen der Erbengemeinschaft und dem zuständigen Forstamt insoweit keine entscheidende Bedeutung beigemessen; denn dadurch ist das Unternehmer-Risiko nicht auf einen anderen übertragen worden. Das LSG hat deshalb zutreffend angenommen, daß das Unternehmen für Rechnung der Miterben geführt wird, die Kläger nach Maßgabe ihrer ideellen Erbanteile am Gewinn und Verlust beteiligt und deshalb alle auch Unternehmer sind. Die erbrechtlichen Vorschriften der §§ 2032 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) stehen dem nicht entgegen.
Das von der Erbengemeinschaft betriebene Unternehmen bildet auch "eine Existenzgrundlage" im Sinne von § 1 Abs. 4 GAL. Hierbei ist - wie das BSG schon wiederholt entschieden hat (BSG-Urteile vom 21. März 1962 - 7/3 RLw 4/59 - vgl. SozR Nr. 3 zu § 1 GAL und vom 3. April 1963 - 7 RLw 2/62 - vgl. Nr. 7 zu § 1 GAL) - von einer abstrakten Betrachtungsweise auszugehen und nur darauf abzustellen, ob ein typisches Normalunternehmen dieser Größe mit seinem Ertrag ausreicht, eine (bäuerliche) Familie zu ernähren. In § 1 Abs. 3 GAL heißt es unmißverständlich "... unabhängig vom jeweiligen Unternehmer ...". Das LSG hat daraus zu Recht gefolgert, daß es nicht darauf ankommen kann, ob das Unternehmen von mehreren Unternehmern betrieben wird. Da es zwischen den Beteiligten unstreitig ist, daß das von der Erbengemeinschaft betriebene forstwirtschaftliche Unternehmen eine Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes bildet, ist das LSG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß sämtliche Voraussetzungen für die Beitragspflicht der Kläger ab 1. Januar 1962 gegeben sind, und zwar auch insoweit, als sie für die Beiträge der inzwischen verstorbenen Frau D P als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden.
Daß die Kläger im Jahre 1959 auf spätere Altersgeldansprüche verzichtet haben, ändert nichts an ihrer Beitragspflicht. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Beitragspflicht nach § 9 Abs. 2 GAL 1961/63 liegen nicht vor. Ebenso scheidet die Möglichkeit einer Befreiung von der Beitragspflicht nach § 9 Abs. 4 GAL 1961/63 aus. Zwar hat das Dritte Änderungsgesetz vom 13. August 1965 (BGBl I 801) die frühere Vorschrift, daß ein Antrag von Miterben auf Beitragsbefreiung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall zu stellen ist, aufgehoben (vgl. § 14 Abs. 4 GAL 1965); das ist jedoch auf die Beitragspflicht der Kläger ab 1. Januar 1962 ohne Einfluß; wie schon das LSG dargelegt hat, beruht ihre Unternehmereigenschaft und damit ihre Beitragspflicht auf dem bereits 1948 eingetretenen Erbfall, und die Beitragspflicht für die ersten beiden Jahre nach dem Erbfall (1949 bis 1950) ist nicht streitig.
Die Bedenken der Revision gegen die Rechtsauffassung des LSG sind nicht begründet. Nach dem eindeutigen Wortlaut der in Betracht kommenden Gesetzesvorschriften und der ihn bestätigenden Amtlichen Begründungen - auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des LSG verwiesen - kann im Falle einer noch nicht aufgelösten Erbengemeinschaft nicht etwa der ideelle Anteil des einzelnen Miterben als "Unternehmen", sondern nur jeder einzelne Miterbe als Mit-Unternehmer angesehen werden. Es kann auch nur jeder einzelne Miterbe und nicht etwa die Erbengemeinschaft als solche anspruchsberechtigt werden. Daraus folgt die Beitragspflicht jedes Miterben. Dieses Ergebnis mag zwar in Fällen wie dem vorliegenden nicht ohne weiteres einleuchten; es darf indes nicht übersehen werden, daß nach § 9 Abs. 5 GAL 1961/63 (jetzt § 14 Abs. 5 GAL 1965) jeder landwirtschaftliche Unternehmer immer nur einen Beitrag zu entrichten hat, also auch dann, wenn er mehrere landwirtschaftliche Unternehmen betreibt. Die gesetzliche Regelung beruht offensichtlich und verständlicherweise darauf, daß das Betreiben eines landwirtschaftlichen Unternehmens durch eine Erbengemeinschaft in der Regel nur ein vorübergehender Zustand ist (vgl. Amtliche Begründung des Gesetzentwurfs zu § 9 Abs. 4 GAL 1961 - BT-Drucks. 1110, 3. Wahlper. zu Nr. 8 d S. 10). Es steht der Erbengemeinschaft frei, die Beitragspflicht jedes einzelnen Miterben dadurch zu verhindern, daß sie sich auflöst.
Die Revision der Kläger ist sonach unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen