Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch auf Versorgungsbezüge nach dem BVG ruht gemäß BVG § 65 Abs 1 Nr 2 auch dann nur in Höhe des Unterschiedes zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, wenn der Versorgungsberechtigte in den Genuß seiner gesamten beamtenrechtlichen Versorgung (hier: Unfallruhegehalt nach G131) allein wegen der durch die nach dem BVG anerkannten Schädigungsfolgen herbeigeführten Dienstunfähigkeit gekommen ist.
Normenkette
BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-08-07; G131 § 6 Abs. 2, § 29 Abs. 1, § 53 Abs. 1; BBG §§ 135, 140
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 4. Juni 1959 wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der am 23. Januar 1914 geborene Kläger ist am 2. Mai 1935 als Berufssoldat in die frühere deutsche Wehrmacht eingetreten und hat zuletzt den Rang eines Oberfeldwebels bekleidet. Durch Umanerkennungsbescheid vom 28. Mai 1951 wurde ihm wegen
1. Verlusts des linken Oberschenkels in der Mitte und des rechten Unterarms im unteren Drittel sowie reizloser Weichteilnarben am rechten Oberschenkel,
2. erheblicher Innenohrschwerhörigkeit links
Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. zuerkannt. Mit Erlaß des Direktors des Landespersonalamts H... vom 19. Februar 1952 wurde seine Dienstunfähigkeit als Beamter festgestellt und deren Beginn auf den 8. Mai 1945 festgesetzt.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 1951 und 1. Oktober 1952 teilte der Regierungspräsident - Pensionsregelungsbehörde - in W... dem Versorgungsamt (VersorgA) G... mit, daß der Kläger nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes - GG - (G 131) rückwirkend vom 1. April 1951 an ein monatliches Ruhegehalt erhalte, und stellte in der letzten Mitteilung das Ruhegehalt des Klägers mit und ohne beamtenrechtliche Unfallfürsorge gegenüber. Durch Bescheid vom 17. Oktober 1952 stellte das VersorgA G... daraufhin gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG das Ruhen der Grund- und Ausgleichsrente in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften und dem Unfallruhegehalt fest und kündigte die Einbehaltung des überzahlten Betrages in Höhe von 1.588,40 DM durch den Regierungspräsidenten an. Dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten. Da der überzahlte Betrag vom Regierungspräsidenten nur zu einem kleinen Teil erstattet wurde, benachrichtigte das VersorgA G... den Kläger mit Schreiben vom 24. November 1952 und 13. Januar 1953 dahin, daß zur Deckung der noch bestehenden Restforderung monatlich 40.-- DM von den laufenden Bezügen einbehalten würden. Der Kläger ließ auch diese Mitteilungen unangefochten.
Mit Schreiben vom 23. Juli 1953 berichtigte der Regierungspräsident in W... seine Mitteilung vom 1. Oktober 1952 dahin, daß der Kläger als Oberfeldwebel a.D. bei einer Dienstzeit von rund zehn Jahren ohne die Dienstbeschädigung gemäß § 53 G 131 überhaupt kein Ruhegehalt erhalten würde, und stellte in einer berichtigten Übersicht das vom 1. April 1951 an gezahlte Ruhegehalt dem Mindestruhegehalt gegenüber. Das VersorgA beschied daraufhin den Kläger am 21. November 1953 dahin, daß angesichts dieser Mitteilung des Regierungspräsidenten die Versorgungsbezüge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG bis zur vollen Höhe des dem Kläger gezahlten Ruhegehaltes ruhen müßten, setzte die Höhe der weiterhin zu zahlenden Pflege- und Kleiderzulage fest, errechnete eine Überzahlung von 2.593,70 DM und teilte mit, daß zur Deckung dieses Betrages monatlich 40.-- DM von den weiterzuzahlenden Bezügen einbehalten würden.
Auf die gegen diesen Bescheid nach altem Recht eingelegte Berufung, die am 1. Januar 1954 als Klage auf die Sozialgerichtsbarkeit übergegangen ist, hat das Sozialgericht (SG) Gießen am 16. März 1955 das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 21. November 1953 verurteilt, dem Kläger "ab 1. April 1951 Rente in Höhe von 129,96 monatlich, ab 1. April 1952 Rente in Höhe von 119,53, ab 1. Januar 1953 Rente in Höhe von 127,36, ab 1. April 1953 Rente in Höhe von 118.-- DM und ab 1. August 1953 Rente in Höhe von 144.-- DM zu zahlen", da nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG die Versorgungsbezüge des Klägers nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Unfallruhegehalt und dem Mindestruhegehalt ruhen dürften; die danach mit 496,2 DM festgestellte Überzahlung sei durch die früheren Einbehaltungen von monatlich 40.-- DM wahrscheinlich bereits gedeckt, eine weitere Einbehaltung von laufenden Bezügen gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei unzulässig. Das SG hat die Berufung gemäß § 150 Nr. 1 SGG zugelassen.
Das Hessische Landessozialgericht (LSG), Darmstadt, hat die hiergegen gerichtete Berufung des beklagten Landes mit Urteil vom 4. Juni 1959 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des dort angefochtenen Urteils dahin geändert wurde, der Beklagte dürfe bei der Rentenzahlung nur die sich aus der Mitteilung des Regierungspräsidenten in Wiesbaden vom 23. Juli 1953 ergebenden Unterschiedsbeträge zwischen dem Mindestruhegehalt und einer Versorgung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG zum Ruhen bringen. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, daß die Ansicht des Beklagten, dem Kläger stünde nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen überhaupt keine beamtenrechtliche Versorgung zu, angesichts des § 6 Abs. 2 G 131 nicht zutreffe, da der Kläger nach dieser Vorschrift auch dann Versorgung in Höhe des Mindestruhegehaltes erhalten hätte, wenn er nicht durch die Verwundung, sondern wegen Krankheit oder sonstiger Dienstbeschädigung dienstunfähig geworden wäre. Das SG habe daher im Ergebnis zu Recht erkannt, daß die Versorgungsbezüge gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Unfallruhegehalt und dem Mindestruhegehalt des Klägers ruhen. Aber auch dann, wenn man die Vorschrift des § 6 G 131 hier nicht anwenden wolle, müsse man zu dem gleichen Ergebnis kommen; denn falls mangels Bestehens eines Versorgungsanspruchs nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften ein Unterschiedsbetrag nicht festgestellt werden könnte, würden sowohl die Anrechnung des vollen Ruhegehaltes aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge wie auch die völlige Nichtanrechnung dieser Bezüge bei der Anwendung der Ruhensvorschriften zu einem unbilligen Ergebnis führen, so daß die Gegenüberstellung von Unfallruhegehalt und Mindestruhegehalt in entsprechender Anwendung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG bzw. im Wege der richterlichen Ausfüllung einer Gesetzeslücke entsprechend dem Gesamtsinn des Gesetzes erfolgen müsse. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 22. Juni 1959 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 15. Juli 1959 Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 4. Juni 1959 und des Sozialgerichts Gießen vom 16. März 1955 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 4. Juni 1959 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
In seiner Revisionsbegründung rügt der Beklagte die Verletzung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG. Er trägt vor, dem Kläger stehe angesichts seiner Dienstzeit von nur rund zehn Jahren ohne die Dienstverletzung gemäß § 53 Abs. 2 G 131 überhaupt kein Ruhegehalt zu, da nach dieser Vorschrift Berufsunteroffiziere erst nach Ableistung einer Mindestdienstzeit von zwölf Jahren Anspruch auf Ruhegehalt haben. Die gesamten Ruhegehaltsbezüge des Klägers seien daher solche aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, so daß nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG die Versorgungsbezüge des Klägers in Höhe des gesamten Ruhegehaltes ruhen müßten.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Er schließt sich im wesentlichen den Gründen des angefochtenen Urteils an.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist daher zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge nach dem BVG in Höhe des Unterschieds zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen.
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, ruhen nach dieser Vorschrift die Versorgungsansprüche des Klägers nach dem BVG lediglich in Höhe des Unterschieds zwischen dem von der Pensionsregelungsbehörde festgestellten Mindestruhegehalt und dem tatsächlich bezogenen Unfallruhegehalt. Dieses Mindestruhegehalt ist die Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen, die der Kläger erdient hat und die er erhalten würde, wenn nicht seine Verwundung die Voraussetzung eines Dienstunfalls erfüllen und wenn er daher kein Unfallruhegehalt nach den Vorschriften über die beamtenrechtliche Unfallfürsorge beziehen würde. Denn der Kläger ist vor dem 8. Mai 1935 erstmalig berufsmäßig in den Wehrdienst eingetreten und galt angesichts seines letzten Ranges als Oberfeldwebel und einer abgeleisteten Dienstzeit von weniger als 18 Jahren nach § 53 Abs. 1 G 131 als Beamter auf Widerruf. Da er durch eine Verwundung, die er sich ohne grobes Verschulden bei Ausübung seines Dienstes zugezogen hat, dienstunfähig geworden ist, gilt er gemäß § 6 Abs.. 2 G 131 als mit Ablauf des 8. Mai 1945 in den Ruhestand getreten mit der Folge, daß er gemäß § 29 Abs. 1 G 131 in Verbindung mit §§ 105 ff des Bundesbeamtengesetzes (BBG) nach Maßgabe des § 53 Abs. 3 G 131 Anspruch auf Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen hat; dieses bezieht er nur deswegen nicht, weil seine Verwundung Dienstunfall im Sinne des § 135 BBG ist und sich seine beamtenrechtliche Versorgung daher nach den Bestimmungen über die beamtenrechtliche Unfallfürsorge (§§ 140 ff BBG) richtet.
Dem steht nicht, wie die Revision meint, entgegen, daß der Kläger ohne seine Verwundung gemäß §§ 53 Abs. 1, 6 Abs. 1 G 131 als am 8. Mai 1945 aus dem Beamtenverhältnis entlassen gelten würde und keinen Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung hätte. Bei der hieraus gezogenen Folgerung, daß der Versorgungsanspruch des Klägers nach dem BVG in Höhe seines gesamten Unfallruhegehalts ruhe, verkennt die Revision, daß es für die Feststellung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ruhenden Versorgungsansprüche nach diesem Gesetz nicht darauf ankommt, welche beamtenrechtlichen Bezüge der Versorgungsberechtigte erhalten hätte, wenn die Schädigung, die sowohl Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung wie auch auf eine solche nach dem BVG ausgelöst hat, nicht eingetreten wäre, sondern darauf, welche beamtenrechtliche Versorgung er erhalten würde, wenn die Schädigung Unfallfürsorgeleistungen nicht ausgelöst hätte. Durch die Verwendung des Begriffs "Versorgung" in § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, daß die nach Eintritt der Schädigung bestehenden Ansprüche auf Bezüge nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen zur Berechnung der ruhenden Ansprüche nach dem BVG von den Leistungen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge in Abzug zu bringen sind. Denn der Begriff "Versorgung" setzt voraus, daß bereits ein Ereignis eingetreten ist, das zu einer Versorgung Anlaß gibt. Als ein solches Ereignis kann hier aber nur die Schädigung, deren Folgen auch den Versorgungsanspruch nach dem BVG ausgelöst haben, angesehen werden. Diese Auslegung erfordert auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck dieser Vorschrift, eine Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln für einen Schaden zu verhindern. Eine solche Doppelversorgung kann aber nur insoweit eintreten, als der Versorgungsberechtigte für die erlittene Schädigung bereits nach beamtenrechtlichen Vorschriften besondere Leistungen erhält, die - wie die Versorgungsbezüge nach dem BVG - ausschließlich zum Ausgleich der bestehenden Schädigungsfolgen bestimmt sind. Das Unfallruhegehalt, wie es der Kläger bezieht, ist nicht als Ganzes als eine derartige, nur dem Schadensausgleich dienende Leistung anzusehen. Es ist lediglich ein nach Maßgabe des § 140 BBG wegen der Unfallfolgen verbessertes Ruhegehalt und setzt seiner Natur nach den Anspruch auf ein solches nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen voraus. Besondere, nur zum Ausgleich der bestehenden Schädigung bestimmte Leistungen sind daher in ihm nur in Höhe des Betrages enthalten, um den das Unfallruhegehalt das dem Kläger nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen zustehende Ruhegehalt - das Mindestruhegehalt - übersteigt; denn das letztere hat sich der Kläger, wie bereits ausgeführt, nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen erdient, so daß nur der Unterschied zwischen dem Unfallruhegehalt und dem Mindestruhegehalt, nicht aber das gesamte Unfallruhegehalt der auf die Versorgungsbezüge nach dem BVG anrechenbare Ausgleich für die erlittene Schädigung nach beamtenrechtlichen Vorschriften ist. Die Versorgungsbezüge des Klägers nach dem BVG ruhen daher auch nur in Höhe dieses Unterschiedsbetrages.
Da demnach das angefochtene Urteil zu Recht ergangen ist, war die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen