Leitsatz (redaktionell)
Bescheide, durch die Leistungen für die Zeit vor dem 1955-04-01 bewilligt worden sind, können nach Inkrafttreten des KOV-VfG über KOV-VfG §§ 41, 42 im Regelfall rechtswirksam nicht mehr zurückgenommen werden, es sei denn, die Voraussetzungen des KOV-VfG § 52 sind gegeben.
Anhängige Sachen iS des KOV-VfG § 52 sind diejenigen, über die beim Inkrafttreten des KOV-VfG im Verwaltungsverfahren entweder auf einen Antrag hin oder von Amts wegen eine Entscheidung zu treffen war oder getroffen werden sollte, das Verfahren aber am 1955-04-01 noch nicht bis zur Erteilung eines Bescheides gediehen war.
Normenkette
KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 42 Fassung: 1955-05-02, § 52 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts in Hamburg vom 2. März 1960 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger beantragte im August 1945 die Gewährung von Fürsorge und Versorgung. Bei der Begutachtung am 2. März 1948 gab er u. a. an, daß er 1944 bei der Explosion einer Mine in die Luft geschleudert worden sei und dabei einen linksseitigen Unterschenkelbruch, einen Kreuzbeinbruch, eine Schulterblattquetschung und eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Er habe neun Monate in Wien im Lazarett gelegen, sei anschließend 32 Wochen in einem Kurlazarett bei Wien gewesen und im Juli 1945 aus einem Lazarett in Klagenfurt entlassen worden. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) der Hansestadt Hamburg erkannte mit Bescheid vom 13. März 1948 Zustand nach Unterschenkelfraktur links, Steißbeinbruch mit operativer Entfernung, geringe Muskelatrophie des linken Unterschenkels im Sinne der Entstehung als Schädigungsfolgen an, ohne Rente zu gewähren. Zur Frage der Anerkennung von Gehirnerschütterungsfolgen ist in diesem Bescheid nichts vermerkt.
Mit einem bei der LVA am 3. Juni 1949 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger die Feststellung einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), weil er bei der Bombardierung eines Lazaretts in Klagenfurt Anfang 1945 schwere Quetschungen und eine weitere Gehirnerschütterung erlitten habe. Mit Bescheid vom 26. Oktober 1949 erkannte die Versorgungsbehörde nunmehr 1. Zustand nach Unterschenkelfraktur links und operativer Entfernung des Steißbeines nach Steißbeinbruch, Teilversteifung des linken Sprunggelenks bis zum rechten Winkel sowie 2. Restbeschwerden nach Gehirnerschütterung als Schädigungsfolgen an und gewährte Rente nach einer MdE um 30 v. H.. Diese Schädigungsfolgen und die Höhe der MdE wurden mit Umanerkennungsbescheid vom 19. Januar 1952 nach dem Bundesversorgungsgesetz übernommen. Auf Anforderung des Versorgungsamtes (VersorgA) vom 1. April 1953 erhielt dieses am 8. Mai 1953 vom Zentralarchiv des Landesinvalidenamtes in Wien ein Krankenblatt über den Kläger vom Reservelazarett XI Wien. Danach befand er sich vom 29. Februar 1944 bis 8. März 1944 in diesem Lazarett wegen einer Contusion der linken Flanke und einer Partie des linken Kreuzbeines. Nach der Vorgeschichte in diesem Krankenblatt hat der Kläger angegeben, er habe während der Dienstzeit keine Erkrankungen gehabt und sei am 28. Februar um 10,30 Uhr vormittags im Dienst im Arsenal von der Stiege gestürzt, wobei er sich Verletzungen am Steißbein und linken Fuß zugezogen habe. Das VersorgA ließ den Kläger am 4. August 1954 erneut untersuchen. Wegen der widersprechenden Angaben des Klägers forderte das VersorgA weitere Unterlagen an. Eine Auskunft der Deutschen Dienststelle in Berlin-Wittenau ergab, daß sich der Kläger wegen seiner am 28. Februar 1944 erlittenen Verletzungen ab 11. März 1944 im Luftwaffen-Lazarett Wien 4/XVII befunden hat. Aus dem am 18. April 1955 beim VersorgA eingegangenen Krankenblatt des Reservelazaretts Klagenfurt ergibt sich, daß er dort vom 12. Dezember 1944 bis 18. April 1945 wegen eines Schrägbruches am unteren Fibularende des linken Fußes behandelt worden ist. Bei einer erneuten Begutachtung (Gutachten vom 30. Juni 1955) gab der Kläger wiederum an, im Jahre 1944 eine schwere Gehirnerschütterung erlitten zu haben. Er sei im Lazarett Klagenfurt im Keller verschüttet worden und habe hier erneut eine Gehirnerschütterung davongetragen.
Das VersorgA Hamburg erließ mit Zustimmung des LandesversorgA Hamburg unter dem 31. August 1955 einen Berichtigungs- und Rückforderungsbescheid, den es auf § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) stützte. Mit dem Bescheid wurden die Bescheide vom 13. März 1948, 26. Oktober 1949 und 19. Januar 1952 aufgehoben und als Schädigungsfolgen nunmehr weiterhin nur noch die unter Ziffer 1 des Umanerkennungsbescheides aufgeführten Gesundheitsstörungen anerkannt. Die Rentenzahlungen wurden am 1. Juli 1949 eingestellt. Gleichzeitig forderte das VersorgA einen Betrag von 1.644,- DM gemäß § 47 Abs. 1 und 3 VerwVG zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, daß die Anerkennung von "Restbeschwerden nach Gehirnerschütterung" zu Unrecht erfolgt sei. In den Krankenblättern des Reservelazaretts Wien und Klagenfurt sei von Gehirnerschütterungen nicht die Rede, vielmehr sei ausdrücklich vermerkt, daß der Kläger während des Wehrdienstes keine Krankheiten durchgemacht habe bis auf einen Sturz von der Stiege mit Quetschungen der linken Flanke und des Kreuzbeines. Für die noch anerkannten Leiden liege eine MdE von mindestens 25 v. H. nicht mehr vor. Der hiergegen eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1957).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 25. Februar 1959 die Bescheide vom 31. August 1955 und 31. Juli 1957 aufgehoben.
In ihrer Berufung hat die Beklagte die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auch auf § 42 VerwVG gestützt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG Hamburg vom 25. Februar 1959 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß eine Abänderung der Bescheide vom 13. März 1948, 26. Oktober 1949 und 19. Januar 1952 durch die angefochtenen Bescheide nicht nach § 41 VerwVG gerechtfertigt sei. Die Feststellung, daß die Anerkennung der Restbeschwerden nach Gehirnerschütterung tatsächlich und rechtlich offensichtlich zu Unrecht erfolgt sei, könne nur hinsichtlich der vom Kläger behaupteten zweiten Gehirnerschütterung während des Lazarettaufenthaltes in Klagenfurt Anfang 1945 getroffen werden, da sich aus den vorhandenen und vollständigen Originalkrankenblättern kein Hinweis auf eine solche Erkrankung ergebe. Wenn der Kläger während dieser Zeit durch Feindeinwirkung oder auf andere Weise eine Gehirnerschütterung oder Kopfverletzung erlitten hätte, so wäre dies in dem Krankenblatt vermerkt worden.
Bezüglich der ersten Gehirnerschütterung enthalte das Krankenblatt des Reservelazaretts XI in Wien ebenfalls keine Angaben. Die Behauptung des Klägers, er sei in Griechenland bei einer Minenexplosion verletzt und bewußtlos in dieses Lazarett eingewiesen worden, müsse als zweifelsfrei unrichtig angesehen werden. Dagegen lasse es sich nicht mit Sicherheit ausschließen, daß der Kläger anläßlich des in diesem Krankenblatt erwähnten Sturzes von der Stiege am 28. Februar 1944 auch möglicherweise eine Gehirnerschütterung oder Gehirnprellung erlitten habe. Bei der Unvollständigkeit der Krankenpapiere der Lazarette in Wien lasse sich die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, daß beim Kläger nach der Entlassung aus dem Reservelazarett XI in Wien erneut Beschwerden und möglicherweise auch solche einer bei dem Sturz am 28. Februar 1944 erlittenen Gehirnerschütterung aufgetreten seien, so daß bei der Anerkennung am 26. Oktober 1949 Restbeschwerden einer derartigen Gehirnerschütterung vorhanden gewesen sein könnten. Diese Anerkennung, auf der auch der Umanerkennungsbescheid vom 19. Januar 1952 beruhe, sei somit nicht zweifelsfrei unrichtig gewesen.
Der Bescheid vom 31. August 1955 finde jedoch seine Stütze im § 42 Abs. 1 Ziff. 9 VerwVG. Zwar habe der Beklagte den Bescheid zunächst nur auf § 41 VerwVG gestützt und sich zur Rechtfertigung des Bescheides erst im Berufungsverfahren auf § 42 VerwVG bezogen. Dies sei jedoch zulässig, denn der Bescheid werde dadurch in seinem Ausspruch oder in seinem Wesen nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Klägers werde durch das Nachschieben dieses neuen Grundes nicht erschwert. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Ziff. 9 VerwVG seien gegeben. Beide Krankenblätter seien bereits zur Zeit der ersten Anerkennung vorhanden gewesen. Ihre Kenntnis hätte dazu geführt, daß eine Anerkennung von Restbeschwerden nach Gehirnerschütterung nicht erfolgt wäre, denn die Angaben des Klägers hätten, wie ausgeführt, in diesen Krankenblättern keine Stütze gefunden. Andere Beweisunterlagen für eine Gehirnerschütterung seien nicht vorhanden, insbesondere hätten sich medizinisch keine Anhaltspunkte für eine Dauerschädigung des Gehirns finden lassen. Die LVA hätte also auf Grund dieser Unterlagen dem Kläger nicht geglaubt und somit keine Anerkennung von Restfolgen einer Gehirnerschütterung vorgenommen.
Die Unterlagen seien auch nachträglich gefunden worden, bzw. sei die Beklagte nachträglich in den Stand gesetzt worden, sie zu verwenden, da sie bei der Erstanerkennung nicht vorgelegen hätten. Die Neufeststellung gemäß § 42 Abs. 1 Ziff. 9 VerwVG sei auch nicht durch § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG ausgeschlossen. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG sei das Überprüfungsverfahren schon anhängig gewesen. Die nach § 43 Abs. 2 VerwVG vorgeschriebene Fünfjahresfrist sei gewahrt.
Die Rückforderung nach § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG sei zulässig. Die Angaben des Klägers, daß er im Abstand von etwa einem Jahr zwei schwere Gehirnerschütterungen mit langer Bewußtlosigkeit erlitten habe, seien wissentlich falsch. Die sich widersprechenden Angaben könne er nicht auf eine Erinnerungslücke zurückführen, um so weniger, als er den Hergang jeweils nur von Kameraden oder anderen dritten Personen erfahren haben wolle.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 25. März 1960 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 13. April 1960, beim Bundessozialgericht (BSG) am 14. April 1960 eingegangen, Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11. Mai 1960, beim BSG am 13. Mai 1960 eingegangen, begründet. Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Hamburg vom 2. März 1960 der Klage stattzugeben und die Bescheide der Beklagten vom 31. August 1955 und 31. Juli 1957 aufzuheben.
Er rügt die Verletzung von Denkgesetzen und von Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, eine Verletzung der allgemeinen Beweisgrundsätze des § 118 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. §§ 358 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO) und eine Verletzung der Vorschriften der §§ 41 ff VerwVG, insbesondere des § 42 VerwVG. Er trägt hierzu vor, das angefochtene Urteil stelle zu Unrecht fest, daß der Kläger wissentlich falsche Angaben gemacht habe und die Widersprüchlichkeiten nicht mit einer Erinnerungslücke begründet werden könnten. Gerade wenn der Kläger seine Kenntnisse der Vorgänge nur aus Berichten Dritter ableite, liege es auf der Hand, daß er bewußt keine falschen Angaben gemacht habe. Ein Verstoß gegen Denkgesetze bedeute auch die Feststellung des LSG, eine zweite Gehirnerschütterung im Lazarett in Klagenfurt habe nicht stattgefunden und auch die erste Gehirnerschütterung sei nicht in Griechenland erfolgt. Das Urteil leite diese Feststellungen offenbar aus den Krankenblättern her. Während das SG festgestellt habe, daß die Krankenblätter unzulänglich und unvollständig seien, habe das LSG diesen Punkt völlig übergangen. Zumindest das Krankenblatt des Reservelazaretts XI in Wien sei unvollständig oder falsch. Bei einer so offenkundigen Fehlerhaftigkeit auch nur eines Krankenblattes habe das LSG nicht zu der Überzeugung gelangen dürfen, daß eine Gehirnerschütterung oder sonstige Kopfverletzungen auf jeden Fall im Krankenblatt eingetragen worden wären. Diese Folgerung verstoße sowohl gegen die Denkgesetze als auch gegen § 118 SGG i. V. m. §§ 358 ff ZPO. Die Grenzen der zulässigen Beweiswürdigung seien dadurch überschritten, daß bei den offensichtlich unvollständigen Krankenblättern das LSG den Schluß gezogen habe, der Kläger habe keine Gehirnerschütterung erlitten und habe bewußt falsche Angaben gemacht.
Im übrigen sei die Auffassung des LSG unrichtig, daß der angefochtene Bescheid nunmehr auf § 42 VerwVG gestützt werden könne. Durch das Nachschieben eines anderen Rechtsgrundes werde der angefochtene Bescheid in seinem Wesen verändert. Der § 41 und der § 42 VerwVG seien wesensverschiedene Normen. Schon durch die Formulierung in zwei Normen habe der Gesetzgeber die Wesensverschiedenheit zum Ausdruck gebracht. Aus dieser Verschiedenheit folge notwendig auch eine Wesensveränderung des Bescheides, wenn er auf eine andere als die in ihm angegebene Norm gestützt werde. Erst recht sei offenbar, daß die Rechtsverteidigung des Klägers durch das Nachschieben des neuen Rechtsgrundes wesentlich erschwert werde. Während im Rahmen des § 41 VerwVG eine zweifelsfreie Unrichtigkeit der seinerzeit ausgesprochenen Anerkennung festgestellt werden müsse, genüge es nach § 42 VerwVG, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung und dem behaupteten schädigenden Ereignis nicht mehr als hinreichend wahrscheinlich angesehen werde. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision aus den in dem angefochtenen Urteil des LSG Hamburg vom 2. März 1960 dargelegten Gründen zurückzuweisen.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 Abs. 2 SGG). Sie ist somit zulässig, jedoch nicht begründet.
Angefochten ist der Teilberichtigungs- und Rückforderungsbescheid vom 31. August 1955 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1957, mit dem der Beklagte die Bescheide vom 13. März 1948, 26. Oktober 1949 und 19. Januar 1952 aufgehoben und die Rentenzahlung vom 1. Juli 1949 an eingestellt hat. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig angesehen. Es ist davon ausgegangen, daß die seit dem Bescheid vom 26. Oktober 1949 erfolgte Anerkennung von Restbeschwerden nach Gehirnerschütterung nur insoweit tatsächlich und rechtlich zweifelsfrei unrichtig nach § 41 VerwVG gewesen ist, als sie auf den Angaben des Klägers über erlittene Gehirnerschütterungen in Griechenland bei einer Minenexplosion und während des Lazarettaufenthaltes in Klagenfurt im Jahre 1944 beruhte. Soweit es sich jedoch um Folgen einer Gehirnerschütterung beim Sturz von der Stiege am 28. Februar 1944 handelt, ist nach Ansicht des LSG der Beklagte berechtigt, die Teilberichtigung noch im Berufungsverfahren auf § 42 VerwVG zu stützen. Die in diesem Zusammenhang mit der Revision vorgetragene Rechtsansicht des Klägers, das LSG habe §§ 41 und 42 VerwVG dadurch verletzt, daß es das Nachschieben von Gründen durch den Beklagten im Laufe des Berufungsverfahrens als zulässig angesehen habe, bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung. Der Bescheid vom 31. August 1955 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1957 ist nämlich seinem Inhalte nach auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG gestützt. Zwar hat die Beklagte in dem Bescheid auf § 41 VerwVG Bezug genommen. Jedoch wird die Teilberichtigung damit begründet, daß der Beklagten die in den Jahren 1953 und 1954 aufgefundenen und aus den Jahren 1944/45 stammenden Krankenpapiere von Wien und Klagenfurt zur Verfügung gestanden hätten, deren Inhalt die Teilberichtigung rechtfertige. Die Beklagte beruft sich also ausdrücklich auf den Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG. Das ergibt sich weiter aus dem Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1957, in dem ebenfalls die erwähnten Krankenpapiere zur Begründung angeführt sind. Aus dem Inhalt des Bescheides vom 31. August 1955 wie des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1957 ergibt sich demnach, daß die Beklagte die Teilberichtigung der voraufgegangenen Bescheide von Anfang an auf § 42 VerwVG gestützt hat. Die Anführung des § 41 VerwVG als Rechtsgrundlage ist unschädlich und berührt die Rechtmäßigkeit des den angeführten Tatsachen nach auf § 42 VerwVG gestützten Bescheides nicht.
Nach § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG hat die Verwaltungsbehörde von Amts wegen erneut zu entscheiden, wenn nachträglich eine zur Zeit der Entscheidung bereits vorhandene Urkunde, die eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde, gefunden wird oder verwertet werden kann. Nach den Feststellungen des LSG, die insoweit mit begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen und daher das Revisionsgericht nach § 163 SGG binden, sind die Krankenblätter der Lazarette Wien, Klagenfurt und Feldkirchen sowie die Aufzeichnungen der Deutschen Dienststelle bereits zur Zeit der ersten Entscheidung im Jahre 1948 vorhanden gewesen. Die Beklagte konnte erst nachträglich diese Unterlagen verwerten. Das LSG hat weiterhin festgestellt, daß die vom Kläger behauptete Gehirnerschütterung durch eine Minenexplosion in Griechenland und gleichermaßen die vom Kläger behauptete Gehirnerschütterung bei einem Bombenangriff auf das Lazarett in Feldkirchen nicht nachgewiesen sind. Wenn der Kläger hierzu vorträgt, das LSG habe deshalb gegen Denkgesetze verstoßen, weil es wegen der Unvollständigkeit der Krankenblätter diese Feststellung nicht habe treffen dürfen, so ist die in diesem Vortrag liegende Rüge einer Verletzung des § 128 SGG durch das LSG nicht substantiiert. Abgesehen von der unangefochtenen Feststellung des LSG, daß die Krankenblätter der Lazarette Klagenfurt und Feldkirchen vollständig sind, ist nicht dargetan, warum das LSG ohne die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung zu überschreiten oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens zu verstoßen (BSG 2, 236) nicht zu der Feststellung kommen durfte, daß der Kläger während seines Aufenthalts im Lazarett Klagenfurt und Feldkirchen keine Gehirnerschütterung erlitten hat. Jedenfalls kann nicht, wie der Kläger offenbar meint, aus der Unvollständigkeit der Krankenblätter über den Lazarettaufenthalt in Wien notwendigerweise geschlossen werden, daß auch die Krankenblätter der Lazarette Klagenfurt und Feldkirchen unvollständig sind. Der Kläger hat keine Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG angegeben, aus denen sich ergibt, daß allein die von ihm gezogene Schlußfolgerung zwingend auch vom LSG hätte gezogen werden müssen (siehe dazu auch BSG in SozR SGG § 164 Bl. Da 10 Nr. 28). Soweit das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, daß eine Gehirnerschütterung durch eine Minenexplosion in Griechenland nicht nachgewiesen ist, ist auch diese Feststellung nicht wirksam angegriffen, denn auch insoweit hat der Kläger keine Tatsachen und Beweismittel (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) bezeichnet, aus denen sich ergibt, daß diese Feststellung verfahrensrechtlich nicht einwandfrei zustandegekommen ist.
Das LSG konnte ferner bei der Unvollständigkeit der Krankenblätter des Lazaretts in Wien schließen, daß der Kläger möglicherweise bei dem Sturz von der Stiege am 28. Februar 1944 eine Gehirnerschütterung erlitten hat, wenn diese auch nicht in den vorhandenen Unterlagen erwähnt ist. Das LSG hat dann aber dazu auf Grund der medizinischen Gutachten festgestellt, daß mit Wahrscheinlichkeit von dieser Gehirnerschütterung keine Folgen mehr bei der Erstanerkennung im Bescheid vom 26. Oktober 1949 vorhanden gewesen sind. Diese Feststellung hat der Kläger nicht angegriffen; sie ist daher für den Senat bindend (§ 163 SGG). Die Verwaltungsbehörde wäre demnach, wenn die nachträglich aufgefundenen Urkunden im Zeitpunkt der Bescheiderteilung vom 26. Oktober 1949 und 19. Januar 1952 bereits vorgelegen hätten, zu einer anderen Entscheidung gelangt. Der angefochtene Bescheid vom 31. August 1955 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1957 ist somit gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG hinsichtlich der Teilberichtigung der "Restfolgen nach Gehirnerschütterung" und der Höhe der MdE rechtmäßig.
Der Beklagte hat die Berichtigung auch innerhalb der in § 43 VerwVG bestimmten Fristen vorgenommen. Nach dieser Vorschrift, wie sie im Zeitpunkt der Bescheiderteilung galt, mußte die Verwaltungsbehörde im vorliegenden Falle, da es sich um ein Verfahren von Amts wegen handelte, innerhalb einer Frist von drei Monaten die erneute Prüfung einleiten. Nach Abs. 2 des § 43 VerwVG beginnt die Frist mit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Die erneute Prüfung von Amts wegen ist nach Ablauf von fünf Jahren vom Tage der Entscheidung an nicht mehr zulässig. Diese Fristen sind gewahrt, weil der Beklagte durch die Beiziehung der Krankenpapiere am 1. April 1953 den Anfechtungsgrund kennengelernt hat, so daß die Einleitung der Prüfung und das Kenntniserhalten des Anfechtungsgrundes zusammenfallen. Auch die Frist von fünf Jahren nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG war noch nicht abgelaufen.
Der Beklagte durfte mit dem angefochtenen Bescheid rückwirkend über den 1. April 1955, den Tag des Inkrafttretens des VerwVG hinaus die vorangegangenen Bescheide berichtigen. Nach der Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 24. April 1963 (11 RV 1096/61) wirkt zwar ein Rücknahmebescheid (Berichtigungsbescheid), der nach dem Inkrafttreten des VerwVG ergangen ist, grundsätzlich nicht über den Zeitpunkt, in dem das VerwVG in Kraft getreten ist, also nicht über den 1. April 1955 (siehe dazu auch BSG in SozR VerwVG § 41 Bl. Ca 3 Nr. 9 und BSG 13, 232, 238) zurück. Ein solcher Bescheid ist daher im Regelfall nur insoweit rechtswirksam, als darin ganz oder teilweise Bescheide zurückgenommen werden, durch die Leistungen für die Zeit vom 1. April 1955 an bewilligt worden sind. Bescheide, durch die Leistungen für die Zeit vor dem 1. April 1955 bewilligt worden sind, können insoweit nach Inkrafttreten des VerwVG im Regelfall rechtswirksam nicht mehr zurückgenommen werden, es sei denn, die Voraussetzungen des § 52 VerwVG sind gegeben. Nach dieser Vorschrift sind in den am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Sachen für das weitere Verfahren die Vorschriften des VerwVG maßgebend. Anhängige Sachen im Sinne dieser Vorschrift sind diejenigen, über die beim Inkrafttreten des VerwVG im Verwaltungsverfahren entweder auf einen Antrag hin oder von Amts wegen eine Entscheidung zu treffen war oder getroffen werden sollte, das Verfahren aber am 1. April 1955 noch nicht bis zur Erteilung eines Bescheides gediehen war. Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen des LSG, die insoweit nicht angegriffen und daher für das BSG bindend sind (§ 163 SGG), das Verfahren am 1. April 1953 durch die Beiziehung der Krankenpapiere über den Lazarettaufenthalt in Wien eingeleitet und erst mit Erlaß des Teilberichtigungs- und Rückforderungsbescheides vom 31. August 1955 entschieden worden, so daß es sich bei Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 um eine anhängige Sache im Sinne des § 52 VerwVG gehandelt hat. Die Verwaltungsbehörde war demnach berechtigt, die vorangegangenen Bescheide auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 zurückzunehmen.
Gleichermaßen ist der Beklagte berechtigt, den für die Zeit vom 1. Juli 1949 an überzahlten Betrag von DM 1.644,- nach § 47 Abs. 3 VerwVG von dem Kläger zurückzufordern. Nach dieser Vorschrift in der zur Zeit des angefochtenen Bescheides gültigen Fassung des VerwVG ist die Rückforderung der gewährten Leistungen bei Berichtigungsbescheiden nach § 41 oder § 42 VerwVG zwar ausgeschlossen, dies gilt jedoch nicht, wenn die Unrichtigkeit darauf beruht, daß der Empfänger Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat, oder wenn er beim Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden (§ 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG). Das LSG hat hierzu festgestellt, daß der Kläger wissentlich falsche Angaben über Ort und Zeit der Entstehung der Gehirnerschütterung gemacht hat, für die sich der Kläger nicht auf eine Gedächtnislücke berufen könne. Die gegen diese Feststellungen von der Revision vorgetragenen Angriffe einer Verletzung des § 128 SGG durch das LSG greifen nicht durch. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger, der seine Kenntnisse über die Vorgänge lediglich aus Berichten Dritter herleitet, nicht bewußt falsche Angaben gemacht haben kann, weil er die Berichte Dritter falsch wiedergegeben haben könnte. Die aus seinem Gesamtverhalten gezogene Schlußfolgerung des LSG, der Kläger habe hinsichtlich der erlittenen Gehirnerschütterungen gegenüber der Beklagten wissentlich falsche Angaben gemacht, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens. Da somit die Feststellung des LSG, die Unrichtigkeit der berichtigten Bescheide beruhe darauf, daß der Kläger die für die Entscheidung wesentlichen und bedeutsamen Tatsachen wissentlich falsch angegeben hat, wirksam nicht angegriffen ist, ist sie für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Die Voraussetzungen einer Rückforderung nach § 47 Abs. 3 Nr. 1 VerwVG liegen somit vor, und zwar auch soweit es sich um die Rückforderung von Leistungen handelt, die vor dem 1. April 1955, dem Inkrafttreten des VerwVG dem Kläger gewährt worden sind.
Da somit die Entscheidung des LSG zu Recht ergangen ist, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen