Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 24a BVG. Gleichheitsprinzip in Durchführungsverordnung. Behindertensport, Versehrtensport. orthopädische Hilfsmittel. negative Vereinigungsfreiheit Handlungsfreiheit. beliehener Unternehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 4 Abs 13 S 3 der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs 3 und des § 13 Bundesversorgungsgesetz (BVG§11Abs3§13DV) ist insoweit mit Gesetz nicht vereinbar, als Beschädigte, die regelmäßig nur eine Krücke oder Stockstütze gebrauchen müssen, von der Lieferung gefütterter Lederhandschuhe für den Wintergebrauch ausgeschlossen werden.

2. Die Lieferung orthopädischer Turnschuhe darf von der Teilnahme an Versehrtenleibesübungen abhängig gemacht werden (§ 4 Abs 2 Nr 4 BVG§11Abs3§13DV).

 

Orientierungssatz

1. Zur verfassungsrechtlichen Bestimmtheit, Umfang und Begrenzung der gesetzlichen Ermächtigung in § 24a BVG.

2. Zur Wahrung des Gleichheitsprinzips (Art 3 Abs 1 GG) bei der Konkretisierung eines Gesetzes durch eine Durchführungsverordnung (hier: BVG§11Abs3§13DV).

3. Zur Unterscheidung zwischen Behindertensport iS der Sozialversicherung und Versehrtensport.

4. Als orthopädische Hilfsmittel zur Erleichterung der Schädigungsfolgen können nicht schlechthin alle derart wirkenden Gegenstände, die dem technisch-wissenschaftlichen Standard sowie den persönlichen Bedürfnissen des Berechtigten entsprechen und damit den Anforderungen des § 13 Abs 2 BVG genügen, uneingeschränkt beansprucht werden (vgl BSG 1981-03-05 9 RV 47/80 = unveröffentlicht). Das liegt im Prinzip der - begrenzten - sozialen Entschädigung iS der §§ 5 und 24 Abs 1 SGB 1. In gewissem Umfang hat der Beschädigte den Mehraufwand, der ihm durch die Schädigungsfolgen entsteht, aus seiner Grundrente zu finanzieren. Die einkommensunabhängige Grundrente wird unter anderem gerade wegen solcher schädigungsbedingter Mehraufwendungen gewährt (vgl BSG vom 1980-09-10 11 RK 1/80 = SozR 5420 § 2 Nr 20).

5. Zur Aufgabe und Ausrichtung des Versehrtensports.

6. Die durch Art 2 Abs 1 GG grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit wird nicht dadurch verletzt, daß der Staat die kostenlose Lieferung orthopädischer Turnschuhe von der Teilnahme an Versehrtenleibesübungen abhängig macht.

7. Die Bindung der begehrten Leistung an eine organisierte Sportausübung gemäß § 11a BVG verletzt auch nicht die sogenannte negative Vereinigungsfreiheit; sie tastet diese nicht einmal an.

8. Beauftragt der Staat aus vernünftigen praktischen Gründen zur Entlastung seiner Verwaltungskräfte private Sportvereine, als "beliehene Unternehmer" den Versehrtensport zu organisieren, dann kann den Beschädigten, die einen Rechtsanspruch auf diese Versorgungsleistung haben, die Beteiligung an derart geleiteten Veranstaltungen ohne Mitgliedschaft zugemutet werden. Der ausgeübte Druck ist sozialadäquat und verletzt deshalb nicht die negative Koalitionsfreiheit.

 

Normenkette

BVG§11Abs3§13DV § 4 Abs 13 S 3 Fassung: 1976-08-23; BVG§11Abs3§13DV § 4 Abs 2 Nr 4 Fassung: 1976-08-23; BVG §§ 11a, 13 Abs 1, § 24a; GG Art 3 Abs 1; RehaAnglG § 12 Abs 5; BVG § 13 Abs 2; SGB 1 §§ 5, 24 Abs 1; GG Art 2 Abs 1; GG Art 9 Abs 1; GG Art 9 Abs 3

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 30.10.1980; Aktenzeichen L 15 V 189/79)

SG Regensburg (Entscheidung vom 20.04.1979; Aktenzeichen S 10 V 88/78)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten orthopädische Turnschuhe, die er im Rahmen einer losen Betriebssportgemeinschaft beim Tischtennis, Kegeln und Schwimmen benutzen will. Außerdem fordert er gefütterte Handschuhe, weil er einen Gehstock gebraucht. Er bezieht Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH wegen eines in leichter Valgusfehlstellung knöchern verheilten Schien- und Wadenbeinbruchs, eines linksseitigen Wackelknies sowie wegen Bewegungseinschränkung im linken oberen und unteren Sprunggelenk mit arthrotischen Veränderungen und Muskelminderung des linken Beines; außerdem werden ihm orthopädische Schuhe für den Straßengebrauch geliefert. Nachdem die Orthopädische Versorgungsstelle den Kläger vergeblich gebeten hatte, sich die regelmäßige Teilnahme an Versehrtenleibesübungen bestätigen zu lassen, lehnte das Landesversorgungsamt die Gewährung der beiden Leistungen ab (Bescheid vom 14. Februar 1978). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 20. April 1979 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 30. Oktober 1980). Das Berufungsgericht hält es für vertretbar, daß die Lieferung orthopädischer Turnschuhe von der Teilnahme des Beschädigten an Versehrtenleibesübungen abhängig gemacht wird (§ 1 Satz 1 Nr 6, § 4 Abs 2 Nr 4 der Verordnung zur Durchführung -DV- des § 11 Abs 3 und des § 13 Bundesversorgungsgesetz -BVG-). Nur eine solche Art der Sportausübung könne die ärztliche Überwachung sichern. Eine gleiche Voraussetzung sei für die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln im Rahmen der Krankenversicherung vorgesehen. Durch die vom Kläger angegriffene Regelung werde weder das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art 2 Abs 1 Grundgesetz -GG-) noch die aus Art 9 Abs 1 GG abzuleitende negative Koalitionsfreiheit beeinträchtigt; der Kläger könne an Versehrtenleibesübungen teilnehmen, ohne Mitglied einer Versehrtensportgemeinschaft zu werden. Er könne die orthopädischen Turnschuhe auch nicht als Heilmittel beanspruchen. Gefütterte Lederhandschuhe für den Wintergebrauch könnten ihm deshalb nicht geliefert werden, weil er nicht auf den Gebrauch von zwei Stockstützen oder Krankenstöcken angewiesen sei (§ 4 Abs 13 Satz 3 DV). Diese Einschränkung sei nicht gleichheitswidrig iS des Art 3 GG. Sie stelle sachgemäß auf die Schwere der Gehbehinderung ab. Wer nur mit Hilfe von zwei Stöcken oder Stützen gehen könne, nütze seine Handschuhe schneller ab als ein Beschädigter, der einen einzigen Stock benötige. Das Sozialstaatsprinzip gebiete keinen Ausgleich jeglicher durch eine Kriegsbeschädigung verursachten wirtschaftlichen Einbuße.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision die unrichtige Anwendung der einschlägigen Vorschriften. Die Bundesregierung habe mit ihnen einen fehlerhaften Gebrauch von der gesetzlichen Ermächtigung gemacht. Die für orthopädische Turnschuhe festgelegte Voraussetzung zwinge praktisch zum Beitritt zu einer Versehrtensportgemeinschaft. Nichtmitglieder würden nämlich in der Praxis bei Veranstaltungen solcher Gemeinschaften häufig benachteiligt. Das ab 1. Januar 1981 geltende Recht verpflichte im übrigen die anerkannten Versehrtensportgemeinschaften überhaupt nicht, jedem Beschädigten Gelegenheit zum Versehrtensport zu geben. Der Zweck der orthopädischen Versorgung erfordere auch nicht eine ständige ärztliche Überwachung. Im übrigen könnte jeder Beschädigte sich vor der Sportausübung und in regelmäßigen Abständen untersuchen lassen. Daß Beschädigte, die nur einen Stock benützen, vom Bezug gefütterter Handschuhe ausgeschlossen seien, sei nicht vernünftig begründet. Die Handschuhe würden nicht wegen des Verschleißes benötigt, sondern zum Schutz der Hände gegen Kälte. Dafür sei es unerheblich, ob ein einziger Stock oder ob zwei Stöcke benutzt werden müßten.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid

des Beklagten aufzuheben und den Beklagten zu

verurteilen, dem Kläger ein Paar orthopädische

Turnschuhe und ein Paar gefütterte Handschuhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beklagte und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) als Vertreter der Beigeladenen treten der Begründung des Berufungsurteils in vollem Umfang bei. Der BMA hat insbesondere näher begründet, warum Personen in der Lage des Klägers vom Bezug gefütterter Handschuhe ausgeschlossen sind.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet, soweit sie die Anfechtungsklage wegen gefütterter Lederhandschuhe betrifft. Im übrigen hat sie keinen Erfolg.

Der Beklagte und die Vorinstanzen haben dem Kläger gefütterte Lederhandschuhe für den Wintergebrauch aufgrund einer rechtswidrigen Verordnungsvorschrift versagt. Solche Handschuhe als Hilfsmittel der orthopädischen Versorgung (§ 1 S 1 Nr 19 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG idF vom 23. August 1976 - BGBl I 2422) werden nach § 4 Abs 13 Satz 3 DV allein Blinden, Inhabern von Krankenfahrzeugen mit Handhebelantrieb für den Straßengebrauch und solchen Beschädigten geliefert, die wegen ihrer Gesundheitsstörung regelmäßig auf den Gebrauch von zwei Krücken, zwei Stockstützen oder zwei Krankenstöcken angewiesen sind. Zu diesen Personen gehört der Kläger nicht, ebensowenig zu denjenigen, die solche Handschuhe nach § 4 Abs 13 Satz 1 DV als Kälte- oder Narbenschutz für durchblutungsgestörte, versteifte, verstümmelte oder gelähmte Hände beanspruchen können. Der Ausschluß von Beschädigten in der Lage des Klägers, die lediglich auf einen einzigen Stock oder eine einzige Krücke oder Stütze, aber ständig angewiesen sind, ist mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht vereinbar. § 13 BVG (in der hier maßgebenden, später nicht mehr einschlägig geänderten Fassung vom 22. Juni 1976 - BGBl I 1633 -) schreibt nicht im einzelnen vor, was an Hilfsmitteln im Rahmen der orthopädischen Versorgung zu gewähren ist. Durch § 24a BVG wird die Bundesregierung ermächtigt, näher festzulegen, was als Hilfsmittel in diesem Sinn gilt (Buchstabe b), und nicht nur Art und Umfang, sondern auch besondere Voraussetzungen dieser Versorgung näher zu bestimmen (Buchstabe a). Die hinreichende verfassungsrechtliche Bestimmtheit dieser Ermächtigung (Art 80 Abs 1 GG) hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung für gegeben erachtet (zB BSG vom 5. März 1981 - 9 RV 47/80 -). Wenn nach § 13 Abs 3 Satz 1 BVG die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig gemacht werden kann, daß der Berechtigte sie sich anpassen läßt oder daß er sich für den sachgemäßen Gebrauch einer Ausbildung unterzieht, so sind dadurch nicht die einzigen Voraussetzungen im Sinne des § 24a Buchstabe a BVG gesetzlich festgelegt. Damit wird die Verwaltung nur für bestimmte Fälle zu einem erheblichen Eingriff in die Freiheit des Anspruchsberechtigten gesetzlich ermächtigt. Über weitere "besondere Voraussetzungen" iS des § 24a Buchstabe a BVG sagt das Gesetz aber nichts aus. Diese Ermächtigung wird aber durch eine andere Vorschrift begrenzt. Da die orthopädische Versorgung zur versorgungsrechtlichen Heilbehandlung gehört (§ 9 Nr 1, § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8 BVG), muß sie deren allgemeinen Zwecken dienen.

Hier kommt nach § 10 Abs 1 Satz 1 BVG als Zweckbestimmung in Betracht, daß die Schädigungsfolgen erleichtert werden sollen (vgl dazu zB BSG SozR 3614 § 1 Nr 2 S 2 f). Dazu dienen fraglos warme Handschuhe bei Beschädigten mit Handverletzungen der in § 4 Abs 13 Satz 1 DV bezeichneten Art. Solche Funktionsstörungen gebieten schon bei kühleren Temperaturen einen Schutz gegen Kälte, und zwar selbst dann, wenn Personen mit gesunden Händen nicht zum Tragen von gefütterten Handschuhen genötigt sind. Von Handverletzten wird nicht generell erwartet, daß sie sich angemessen schützen, indem sie die Hände in die Jacken-, Mantel- oder Hosentaschen stecken. Der Verordnungsgeber könnte das gleiche tatsächliche Schutzbedürfnis bei den in § 4 Abs 13 Satz 3 DV aufgeführten Beschädigten vorausgesetzt haben, die nach der Art ihrer Schädigungsfolgen bestimmt werden; es sind dies außer Blinden solche Personen, die die Handhebel eines Krankenfahrzeuges außerhalb des Hauses bedienen oder mit ihren Händen zwei Krücken, Stützen oder Stöcke festhalten und deshalb die Arme in einer festgelegten Weise halten müssen. Nach der Stellungnahme des BMA ist bei dieser Abgrenzung entscheidend auf die schädigungsbedingte Funktionsbeeinträchtigung abgehoben worden. Dieser Grund für die Gewährung gefütterter Lederhandschuhe trifft aber auch für die Beschädigten zu, die nur auf eine einzige Krücke oder einen Stock angewiesen sind.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Auswirkung des § 4 Abs 13 Satz 3 DV auf den Kläger verfassungswidrig ist. Auch das LSG hat eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG geprüft; es hat sie verneint. Indes ist in diesem Zusammenhang auf den Maßstab der Willkür wie bei einer gerichtlichen Kontrolle der Gesetzgebung abgehoben worden. Das verfehlt die Streitfrage des gegenwärtigen Verfahrens. Gesetzliche Normen sind von den Gerichten nach Art 3 Abs 1 GG darauf zu prüfen, ob sie gleiche Tatbestände willkürlich ungleich behandeln (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- und des BSG; vgl BVerfGE 55, 114, 128). Von diesem weiten verfassungsrechtlichen Kontrollrahmen unterscheiden sich aber Fälle wie der gegenwärtige, in denen ein Gesetzesvollzug durch die Verwaltung streitig ist. Deren Regelungen sind nach einer engeren "Vergleichsdichte" und "Kontrolldichte  auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Der Kontrollmaßstab wird in erster Linie von den erkennbaren Wertungen und Zielen des ermächtigenden Gesetzes bestimmt (Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Band I Art 3 Abs I Rz 414, 415, 416, 418). Die Leistungsverwaltung hat bei der Konkretisierung eines Gesetzes durch eine DV naturgemäß auch allgemeine und damit gleiche Regelungen zu schaffen, jedoch innerhalb des vorgegebenen Ermächtigungsrahmens dem Gleichheitsprinzip in einer engeren Begrenzung als durch jenes verfassungsrechtliche Willkürverbot zu genügen (Dürig aaO, Rz 415, 420, 461, 466). Trotz gewisser Gestaltungsfreiheiten im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit darf der Verordnungsgeber ebensowenig wie der Gesetzgeber (BVerfGE 39, 148, 153) den begünstigten Personenkreis sachwidrig abgrenzen. Dies folgt im Sozialrecht speziell aus dem Gebot, "soziale Gerechtigkeit" zu verwirklichen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - -SGB 1- vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 3015). Der allgemeine Hintergrund dessen ist der oberste Rechtswert Gerechtigkeit; sie ist Quelle und zugleich Maßstab der Gleichheit (vgl zB BVerfGE 1, 264, 276; 2, 118, 119 f; 21, 362, 374; 23, 12, 24).

Diesem Rechtsmaßstab widerspricht die vom Kläger für unzureichend gehaltene Regelung. Wenn gefütterte Handschuhe zum Wärmen als einem Zweck der Heilbehandlung und damit der orthopädischen Versorgung an Personen gewährt werden, die wegen der Schädigungsfolgen Stöcke oder ähnliche Hilfen benutzen müssen, dann ist kein zwingender Grund erkennbar, der die Versagung an die bloß einseitig mit Stock gehenden Beschädigten rechtfertigen könnte.

Im Unterschied zu den in § 4 Abs 13 Satz 1 DV genannten Personen erhalten die in Satz 3 aufgeführten Beschädigten warme Handschuhe nicht unmittelbar zum Schutz beschädigter Hände, sondern wegen der Folgen ihrer andersartigen schädigungsbedingten Behinderung beim Fortbewegen.

Diesen Zweck hat der BMA in seiner Stellungnahme klargestellt. Demnach sollen die Winterhandschuhe diese weiteren Auswirkungen erleichtern. Im Unterschied zu gesunden Personen, die auch bei Kälte auf Handschuhe angewiesen sind, soll ein solcher gefütterter Schutz verhindern, daß die besondere Art der Bewegung nicht durch Erkalten der Hände beeinträchtigt wird. Der vom BMA herausgestellte Gesichtspunkt, daß Beschädigte, die nur einen einzigen Handstock benötigen, in größerem Umfange als die in § 4 Abs 13 Satz 3 DV genannten Personen, die zwei Stöcke benützen müssen, öffentliche Verkehrsmittel benutzen können, trifft nach allgemeiner Erfahrung nicht zu. Diese Beschädigten können auch naturgemäß nicht in der Regel die Stütze von Zeit zu Zeit zur Abwechslung in die andere Hand nehmen. Ob Beschädigte in der Lage des Klägers im Unterschied zu Krankenstuhlfahrern und Benutzern von zwei Stöcken nicht ihr volles Körpergewicht abstützen müssen, ist sehr fraglich. Jedenfalls änderte ein solcher nur begrenzter Funktionsausgleich nicht das Gebundensein an die Krücke oder an den Stock. Der Ausschluß der sich einseitig stützenden Personen vom Bezug der Winterhandschuhe kann schließlich nicht damit gerechtfertigt werden, daß er bei ihnen im Unterschied zu den Rollstuhlfahrern und den beiderseitig sich stützenden Behinderten nicht das Fortbewegen unmöglich macht und sie keinem erhöhten Unfallrisiko aussetzt. Es ist nicht einzusehen, daß diesen Personen das Anhalten und das Stehenbleiben wesentlich geringere Schwierigkeiten bereitet als den in § 4 Abs 13 Satz 3 DV ausdrücklich bezeichneten Beschädigten.

Die Schwere des Funktionsausfalles, hier unterschieden nach Ein- oder Beidseitigkeit, berechtigt nicht zur Versagung von Winterhandschuhen im einen und zur Gewährung im anderen Fall. In anderen Fällen mag die gleiche Schwere der Behinderung ein sachgerechter Beurteilungsmaßstab für die Voraussetzungen einzelner orthopädischer Hilfsmittel oder Ersatzleistungen sein (vgl dazu BSG SozR 3100 § 11 Nr 11; Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 1981 - 9 RV 47/80 -). Dies kann aber nur in jeweils konkreter Funktionsbeziehung zwischen dem einzelnen Mittel und der besonderen Schädigungsart festgelegt werden. Bezogen auf den zuvor bezeichneten Zweck dienen warme Handschuhe, wie dargelegt, in beiden Fällen gleichermaßen dem notwendigen Schutz gegen Kälte. In welchem Maße die vom Kläger mit Recht beanstandete Regelung sachwidrig ist, zeigt ein Vergleich mit Fällen, in denen Beschädigte eine Hand oder einen Arm verloren haben und sich mit der anderen Hand abstützen müssen. Auch sie könnten, wenn man § 4 Abs 13 Satz 3 DV folgt, keine Winterhandschuhe erhalten.

Anders ist die Rechtslage auch nicht, wenn man die Leistung mit einem erhöhten schädigungsbedingten Verschleiß der Handschuhe begründet. Dann wäre ebenfalls die in § 4 Abs 13 Satz 3 DV vorgezeichnete Lösung dieses Falles gleichheitswidrig. Zwar wird beim einseitigen Abstützen nur ein einzelner Handschuh vermehrt abgenutzt. Aber praktisch kommt das der gleichen Auswirkung auf je das gesamte Paar gleich; denn die beiderseitigen Handschuhe können nicht ausgetauscht werden.

Nach alledem sind die angefochtenen Entscheidungen wegen Verletzung des Gleichheitssatzes vom Zweck der orthopädischen Versorgung her sachlich nicht gerechtfertigt; sie können nicht aufrechterhalten bleiben, soweit sie sich auf die jetzige Fassung des § 4 Abs 13 Satz 3 DV stützen. Damit ist die Anfechtungsklage erfolgreich.

Im übrigen kann aber die Revision nicht zum unmittelbaren vollen Erfolg führen. Ebenso wie bei der Verfassungswidrigkeit einer unvollständigen Gesetzesregelung, die unter Verletzung des Art 3 Abs 1 GG eine betroffene Personengruppe unausgesprochen nicht berücksichtigt (BVerfGE 18, 288, 301 f; 22, 349, 359; 48, 327, 340 f), ist lediglich die Unvollständigkeit der DV als rechtswidrig zu beanstanden. Hingegen kann der Beklagte nicht zur Gewährung von gefütterten Handschuhen verurteilt werden. Wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) muß es dem Verordnungsgeber überlassen bleiben, im Rahmen einer gewissen Gestaltungsfreiheit eine andere, rechtmäßige Regelung zu treffen, die eine Gleichheitswidrigkeit der dargelegten Art vermeidet.

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs 13 Satz 3 DV zugunsten des Klägers scheidet dagegen aus. Aber auch eine den zitierten Vorschriften genügende Analogie kommt nicht in Betracht.

Wenn eine neue, rechtmäßige Regelung über gefütterte Lederhandschuhe durch die DV geschaffen sein wird, wird es dem Beklagten obliegen, erneut über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden.

Orthopädische Turnschuhe hat der Beklagte, bestätigt durch die Vorinstanzen, dem Kläger hingegen zu Recht versagt.

Ein solches orthopädisches Hilfsmittel könnte der Kläger, der orthopädisches Schuhwerk für den Straßengebrauch bezieht, nach § 1 Satz 1 Nr 6 iVm § 4 Abs 2 Nr 4 DV nur dann beanspruchen, wenn er regelmäßig an Versehrtenleibesübungen teilnähme und die Schuhe für die von ihm ausgeübte Sportart benötigte. Die erste der beiden tatsächlichen Voraussetzungen ist nach der verbindlichen Feststellung des LSG (§ 163 SGG) nicht gegeben. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß seine Betriebssportgruppe Versehrtenleibesübungen iS des § 10 Abs 3 iVm § 11a BVG betreibe. Wenn ihm deshalb bislang Spezialturnschuhe verweigert werden, ist das mit der gesetzlichen Ermächtigung vereinbar und nicht verfassungswidrig.

Eine gleichlautende Voraussetzung ist für ein solches Hilfsmittel als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung vorgeschrieben (§ 182 Abs 1 Nr 1 Buchstabe c, § 182b Reichsversicherungsordnung -RVO-; Vereinbarung der gesetzlichen Krankenversicherungsträger über die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27. Juni 1978, Seite 21). Allerdings rechtfertigt dies nicht ohne weiteres nach dem Gleichheitsgrundsatz, auch die in diesem Fall umstrittene Anforderung für rechtlich zulässig zu erachten. Der Behindertensport der Sozialversicherung ist als ergänzende Leistung der Rehabilitation auf Heilzwecke im engeren Sinn beschränkt und unterscheidet sich dadurch vom Versehrtensport des § 10 Abs 3 BVG (§ 12 Nr 5 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen für die Rehabilitation -RehaAnglG- vom 7. August 1974 -BGBl I 1881- § 29 Abs 1 Nr 4 Buchstabe f SGB 1; § 2 Abs 1 Satz 1 und 2, Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 2, § 3 Abs 2 Satz 2, § 8 Abs 4 Satz 1 und Abs 5 der Gesamtvereinbarung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation über Behindertensport, Betriebskrankenkasse 1981, 41). Ebenso sind Hilfsmittel in der Krankenversicherung nach einem engeren Maßstab als in der Kriegsopferversorgung zu gewähren (BSGE 50, 77, 78 f = SozR 2200 § 182b Nr 17). Immerhin bietet jene sozialversicherungsrechtliche Regelung deshalb einen Anhalt für einen allgemein sozialrechtlich anerkannten Zusammenhang zwischen orthopädischen Turnschuhen und Behinderten- oder Versehrtensport, weil das RehaAnglG solche Leistungen in allen Sozialrechtsbereichen prinzipiell vereinheitlichen will.

Mit dem Zweck der orthopädischen Versorgung verträgt es sich, daß orthopädische Turnschuhe allein für die Beteiligung an Versehrtenleibesübungen iS des § 10 Abs 3 iVm § 11a BVG bewilligt werden. Von den Heilbehandlungszwecken des § 10 Abs 1 Satz 1 BVG kommt als Leistungsgrund für solch ein Hilfsmittel ebenfalls allein die Erleichterung der Schädigungsfolgen in Betracht. Indes sind nicht alle Mittel, die für eine Heilbehandlung in diesem Sinn geeignet sind, aus der Kriegsopferversorgung zu gewähren. Eine Selbstfinanzierung kommt insbesondere auch bei besonderen Bedürfnissen, die über den üblichen notwendigen Lebensbedarf hinausgehen, zB für orthopädische Turnschuhe, in Frage, während orthopädisches Schuhwerk für den Straßengebrauch stets ohne Einschränkung beansprucht werden kann.

Als orthopädische Hilfsmittel zur Erleichterung der Schädigungsfolgen können nicht schlechthin alle derart wirkenden Gegenstände, die dem technisch-wissenschaftlichen Standard sowie den persönlichen Bedürfnissen des Berechtigten entsprechen und damit den Anforderungen des § 13 Abs 2 BVG genügen, uneingeschränkt beansprucht werden (BSG 5. März 1981 - 9 RV 47/80 -). Das liegt im Prinzip der - begrenzten - sozialen Entschädigung iS der §§ 5 und 24 Abs 1 SGB 1. In gewissem Umfang hat der Beschädigte den Mehraufwand, der ihm durch die Schädigungsfolgen entsteht, aus seiner Grundrente zu finanzieren. Die einkommensunabhängige Grundrente wird unter anderem gerade wegen solcher schädigungsbedingter Mehraufwendungen gewährt (BSGE 30, 21, 25 = SozR Nr 39 zu § 30 BVG; BSGE 33, 112, 117 = SozR Nr 43 zu § 62 BVG; SozR 3100 § 30 Nr 13 S 64 f; 5420 § 2 Nr 20). Geringfügige wirtschaftliche Folgen der Schädigung werden bei einer geringeren MdE als von 25 vH sogar überhaupt nicht durch Geldleistungen ausgeglichen (§ 31 Abs 1 und 2 BVG), im beruflichen Bereich ebenfalls nicht (§ 30 Abs 2 ff BVG). Dann ist es auch gerechtfertigt, gewisse wirtschaftliche Nachteile aus einer gewährten Grundrente finanzieren zu lassen.

Wenn demnach die Mehrkosten der orthopädischen Ausführung von Sportschuhen grundsätzlich einem Beschädigten angelastet werden könnten, so darf der Verordnungsgeber ihre Gewährung aus öffentlichen Mitteln von einer sachlich gerechtfertigten Einschränkung abhängig machen. Das hat er mit der Koppelung an Versehrtenleibesübungen getan.

Natürlich sollen auch und gerade Beschädigte über die alltägliche Bewegung hinaus durch Sportausübung ihre allgemeine Leistungsfähigkeit stärken oder wiedergewinnen. Dafür werden ihnen sinnvollerweise mit Rücksicht auf ihre eingeschränkte Belastbarkeit und auf eine naheliegende besondere Gefährdung, die durch Sportbetätigung droht, institutionalisierte Versehrtenleibesübungen angeboten. Diese haben damit eine ähnliche Aufgabe wie orthopädische Hilfsmittel, die die Folgen der Schädigung erleichtern sollen. Die organisierte Sportausübung ist speziell auf das Wohl der Beschädigten ausgerichtet. Sie wird ärztlich "überwacht" (§ 11a Abs 1 Satz 1 BVG), in der Sprache der Neuregelung, die an das oben skizzierte Recht angeglichen ist: ärztlich "betreut" und "fachkundig geleitet" (§ 11a Abs 1 idF des Art II § 15 Nr 3 SGB Verwaltungsverfahren - 10. Buch - SGB 10 - vom 18. August 1980 - BGBl I 1469, 1980; vgl dazu Begründung des SGB 10, BT-Drucks 8/4022, Seite 94, zu § 15 Nr 2 a). Die neuen Vorschriften über die Zielsetzung, über die ausgeschlossenen Sportarten und über die ärztlichen Kontrollen lassen noch deutlicher die sinnvolle Gestaltung des Versehrtensports erkennen (§§ 1, 2, 6 und 7 DV zu § 11a BVG vom 29. Juli 1981 - BGBl I 779 -). Durch diese Regelungen ist gewährleistet, daß die Beschädigten sich weder überanstrengen noch selbst schädigen. Wenn die Verwaltung orthopädische Turnschuhe allein für diese begrenzte sportliche Betätigung gewährt, um auf solche Weise die Auswirkungen von Schädigungsfolgen zu mildern, wenn sie dadurch unmittelbar einen Anreiz schafft, an gesetzlich vorgeschriebenen Versehrtenleibesübungen teilzunehmen, so liegt das gerade im Interesse der Beschädigten. Angesichts dieses Aufwandes für den Versehrtensport ist es vertretbar, orthopädische Turnschuhe ebenfalls nur insoweit aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren, als ihr sachdienlicher Gebrauch im Rahmen organisierter Sportveranstaltungen gesichert erscheint. Falls Beschädigte ohne solche Aufsicht, wie sie ihnen nach § 11a BVG geboten wird, sich sportlich betätigen, liegt die Gefahr näher, daß im Ergebnis der Heilbehandlungszweck vereitelt wird und größerer Schaden entsteht. Die Verwaltung braucht aber die Möglichkeit eines solchen Fehlgebrauchs orthopädischer Mittel nicht durch die uneingeschränkt kostenlose Lieferung orthopädischer Turnschuhe zu verstärken.

Die umstrittene Beschränkung ist nicht verfassungswidrig. Sie mag die freie Entfaltung der Persönlichkeit allenfalls mittelbar berühren. Jedoch verletzt sie nicht die durch Art 2 Abs 1 GG grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit mit der Folge, daß deshalb die Einschränkung der DV als verfassungswidrig unbeachtet bleiben müßte. Jegliche Sportausübung außerhalb der organisierten Versehrtenleibesübungen bleibt dem einzelnen Beschädigten freigestellt. Nur hat er einen geringen Mehraufwand gegenüber den Kosten normaler Turnschuhe selbst zu tragen, falls er sich nicht an einer ärztlich und sportfachlich geleiteten Veranstaltung beteiligt, die auf seine besonderen Beschädigtenverhältnisse abgestellt ist. Das ist aber, wie dargelegt, zumutbar. Damit ist ein verfassungswidriger Eingriff in den durch Art 2 Abs 1 GG geschützten Rechtsbereich ausgeschlossen. Dieses Grundrecht wird ua durch die verfassungsrechtliche Ordnung eingeschränkt. Zu dieser gehört auch die Rechtsstaatlichkeit (Art 20 GG) und damit als eines ihrer Elemente die Verhältnismäßigkeit als Rechtsmaßstab (vgl zB BVerfGE 39, 302; 47, 239, 248; Friauf in: Festschrift für Rudolf Reinhardt, 1972, 389, 396, 397). Wenn der Staat die kostenlose Lieferung orthopädischer Turnschuhe von der Teilnahme an Versehrtenleibesübungen abhängig macht, dann steht diese Bedingung, die im gewissen Umfang die Betätigungsfreiheit berührt, in einem vertretbaren Verhältnis zu dem gewährten Vorteil.

Die Bindung dieser begehrten Leistung an eine organisierte Sportausübung gem § 11a BVG verletzt auch nicht die sog negative Vereinigungsfreiheit; sie tastet diese nicht einmal an.

Aus dem allgemeinen Grundrecht zur Bildung von Vereinen und Gesellschaften (Art 9 Abs 1 GG) und aus dem speziellen Recht, "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden" (Art 9 Abs 3 GG), wird die Freiheit abgeleitet, bestehenden Zusammenschlüssen dieser oder jener Art fernzubleiben (Scholz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetzkommentar, Art 9, Rz 42 und 88; für das Arbeitsrecht: BVerfGE 55, 7, 21; Bundesarbeitsgericht, Juristenzeitung 1980, 771; Müller, Recht der Arbeit 1979, 361, 362 f; zurückhaltend: BSGE 38, 98, 100 = SozR 4100 § 69 Nr 1). Der Kläger sieht dieses negative Grundrecht dadurch als verletzt an, daß der Beschädigte, der orthopädische Turnschuhe von der Allgemeinheit finanziert bekommen will, durch die umstrittene Regelung mittelbar gezwungen werde, an gesetzliche organisierten Sportveranstaltungen teilzunehmen. Diese Rechtsansicht kann schon mit dem LSG und mit dem Beklagten durch den Hinweis auf die Organisation des Versehrtensportes widerlegt werden. Der Kläger braucht gerade nicht Mitglied der Sportorganisation oder -gemeinschaft zu werden, die solche ihm passenden Leibesübungen nach § 11a BVG im Auftrag der Versorgungsverwaltung durchführt (vgl dazu BSGE 47, 214, 218 f = SozR 3100 § 24 Nr 1). Damit bleibt sein Recht, sich solchen Vereinigungen nicht anzuschließen, unangetastet.

Die für einen derartigen Zweck anerkannte Sportgemeinschaft oder -organisation hat nach § 11a Abs 2 Satz 3 BVG (in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung) "jedem Beschädigten", also auch anderen als ihren Mitgliedern Gelegenheit zu Versehrtenleibesübungen zu geben, sofern nicht zwingende Gründe dem entgegenstehen. Die Anerkennung kann nach Satz 4 aF zurückgenommen werden, wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Das sind nicht bloß die in Satz 2 aF genannten Bedingungen, wie zB Größe und sportliche Leistung. Vielmehr gehört dazu auch die Bereitschaft, Beschädigte, die nicht Mitglied der Sportgemeinschaft sind, an den Veranstaltungen teilnehmen zu lassen. Wenn nach tatsächlichen Erfahrungen, auf die der Kläger hinweist, in manchen Fällen Nichtmitglieder bei solchen Versehrtenleibesübungen ungern gesehen und benachteiligt werden sollten, so ändert dies nichts an der dargelegten Rechtslage. Derartige Mißstände können, falls sie praktisch einzelnen Beschädigten die Teilnahme erschweren, so gewertet werden wie eine ausdrückliche Verweigerung des Zutritts. Sie hätten dann zur Folge, daß die Anerkennung widerrufen wird. Mit Wirkung ab 1. Januar 1981 (Art II § 40 SGB 10) wird allerdings ins der neuen Fassung des § 11a BVG jene Verpflichtung, Nichtmitglieder zu den Sportveranstaltungen zuzulassen, nicht mehr ausdrücklich ausgesprochen. Aus welchen Gründen diese Vorschrift entfallen ist, läßt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Gleichwohl besteht kein Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber die Versehrtenleibesübungen, auf die weiterhin jeder Beschädigte nach § 10 Abs 3 BVG einen Anspruch hat, durch die Organisationsvorschrift des § 11 a BVG auf Mitglieder der beauftragten Sportgemeinschaften oder -organisationen hätte beschränken wollen. Das wäre als unverständlicher Widerspruch innerhalb des Gesetzes zu werten; das BVG schränkt sonst weder in § 10 Abs 3 noch in § 11a Abs 1 den Anspruch in irgendeiner Weise ein. Auch § 11a Abs 1 BVG nF beschreibt die Beziehung zu den Organisationen so, daß die Übungen "im Rahmen regelmäßiger örtlicher Übungsveranstaltungen geeigneter Sportgemeinschaften durchgeführt" werden, mithin ohne eine wenigstens andeutende Begrenzung auf Vereinsmitglieder. Die Versorgungsverwaltung kann demnach ihre Beauftragung weiterhin davon abhängig machen, daß die Sportgemeinschaft oder -organisation sich durch die Bereitschaft und die sachgemäße Übung, Nichtmitglieder zuzulassen, als geeignet erweist. Das soll auch in einer Ausführungsvorschrift vorgesehen werden, wie der zuständige Bundesminister als Vertreter der Beigeladenen mitgeteilt hat.

Ungeachtet dieses organisatorischen und praktischen Gesichtspunktes wird die negative Vereinigungsfreiheit durch einen mittelbaren Zwang, gemeinsam mit beauftragten Sportgruppen Versehrtenleibesübungen zu betreiben, aus einem anderen rechtlichen Grund nicht geschmälert.

Der Versehrtensport ist eine staatliche Aufgabe im Rahmen der sozialen Entschädigung (§§ 5, 12, 24 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 Satz 1, Art II § 1 Nr 11 SGB 1, § 1 Abs 1, § 9 Nr 1 BVG). Wenn diese Leistung dem Beschädigten gewährt wird, muß er sich mit der vom Gesetzgeber geschaffenen Organisation, in der das geschehen soll, abfinden. Die darauf bezogene Regelung belastet die Begünstigten nicht unzumutbar, wie bereits dargetan worden ist. Selbst wenn berücksichtigt wird, daß der Beschädigte auch als Nichtmitglied durch die Beteiligung am Versehrtensport praktisch weitgehend in Vereinsveranstaltungen eingegliedert wird, so bleibt dieser Kontakt doch rechtlich auf einen Bereich beschränkt, der nicht vom Grundrecht auf negative Vereinigungsfreiheit geschützt wird. Nach unbestrittener Rechtsansicht bezieht sich diese Freiheit, Vereinigungen fernzubleiben, ebenso wie das ausdrücklich in Art 9 GG geschützte Recht zur Bildung und zum Beitritt lediglich auf private Vereine, dagegen nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften (BVerfGE 38, 281, 297 f; Scholz, aaO, Art 9, Rz 73, 74, 90 mwN). Der Zwang, sich an den letztgenannten Zusammenschlüssen zu beteiligen, wird allein durch Art 2 Abs 1 GG eingeschränkt. Dieses Grundrecht wird aber nach den vorausgegangenen Ausführungen durch die hier umstrittene Bedingung nicht angetastet. Der Ausschluß des öffentlich-rechtlichen Bereiches vom Schutz des Art 9 Abs 1 GG ist weniger durch die Organisationsform als durch die öffentliche Aufgabe begründet, die von einer Körperschaft wahrzunehmen ist (BVerfGE 38, 299; Friauf aaO, 395). Deshalb kann der Staat die negative Vereinigungsfreiheit nicht dadurch leerlaufen lassen, daß er ohne dringende Notwendigkeit andere als hoheitliche Aufgaben auf öffentlich-rechtliche Körperschaften mit Zwangsmitgliedschaft überträgt (Friauf, aaO, 395 ff; Götz in: Götz/Laber, Zur Rechtsstruktur der Technischen Überwachungsvereine, 1975, II, 25; Rode, Die öffentliche Verwaltung 1976, 841; Scholz, aaO, Rz 90 mit Begründung aus Art 9 GG). Dann müssen umgekehrt im Verhältnis zu privaten Vereinigungen, die solche öffentlichen Aufgaben im Auftrage des Staates wahrzunehmen haben, die Betroffenen eine gewisse Freiheitsbeschränkung in vertretbarem Umfange hinnehmen. Das gilt zB fraglos für die Unterwerfung unter Kontrollen durch privatrechtliche Technische Überwachungsvereine im Verkehrswesen, natürlich noch eher in den Ländern Hessen und Hamburg, wo für diese öffentlichen Aufgaben staatliche Behörden zuständig sind (§§ 11 und 29 Straßenverkehrszulassungsordnung, § 24c Abs 1 Satz 2 und Abs 4 Gewerbeordnung; Scholz, aaO, Rz 66; Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Band 1 I, Stand: Februar 1981, § 24c, Rz 2 - 5, 9, 13, 14; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl 1978, 136). Ebenso ist es hier. Der Staat beauftragt aus vernünftigen praktischen Gründen zur Entlastung seiner Verwaltungskräfte private Sportvereine, als "beliehene Unternehmer" den Versehrtensport zu organisieren. Dann kann den Beschädigten, die einen Rechtsanspruch auf diese Versorgungsleistung haben, die Beteiligung an derart geleiteten Veranstaltungen ohne Mitgliedschaft zugemutet werden. Der ausgeübte Druck ist sozialadäquat und verletzt deshalb nicht die negative Koalitionsfreiheit (so auch zu Art 9 Abs 3 GG; BVerfGE 20, 312, 321 f; BAGE 20, 175, 226 ff).

Orthopädische Turnschuhe sind auch nicht als ein Heilmittel gem § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BVG ohne die hier umstrittene Einschränkung zu gewähren; denn sie sollen nicht einer ärztlich verordneten Heilmaßnahme zur Einwirkung auf den Körper dienen (BSGE 28, 158, 159 f = SozR Nr 30 zu § 182 RVO; SozR 2200 § 182 Nr 60). Vielmehr sollen sie als Bekleidungsstücke beim privaten Sport verwendet werden.

Schließlich kann der umstrittene Anspruch weder aus dem allgemeinen Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) noch aus dem Grundsatz der sozialen Entschädigung, der bei der Auslegung sozialrechtlicher Vorschriften zu beachten ist (§ 5 iVm § 2 Abs 1 SGB 1), unmittelbar hergeleitet werden, falls - wie hier - das geltende Recht nicht ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage enthält (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB 1).

Mithin können dem Kläger orthopädische Turnschuhe nicht zugesprochen werden, während seine Anfechtungsklage wegen gefütterter Lederhandschuhe Erfolg hat.

Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1982, 694

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