Leitsatz (amtlich)
Auch bei wörtlicher Übereinstimmung der Bezeichnungen für Renten- und für das Todesleiden ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm zu prüfen, ob das Todesleiden dem Rentenleiden entspricht.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein durch den Tod einer Partei unterbrochenes Verfahren kann nicht nur von der Erbengemeinschaft, sondern auch von jedem einzelnen Miterben aufgenommen werden.
2. Die Rechtsvermutung des BVG § 38 Abs 1 S 2, und darin erschöpfen sich ihr Sinn und Zweck, bezieht sich allein auf die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen anerkannten Schädigungsleiden und dem Tod des Beschädigten.
Normenkette
BVG § 38 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1950-12-20; SGG § 68 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1963 und des Sozialgerichts München vom 14. November 1957 aufgehoben, die Klage gegen den Bescheid vom 15. Januar 1954 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 1954 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Witwe des ... 1953 im Alter von 69 Jahren verstorbenen L P. Diesem war in Ausführung eines Urteils des Bayerischen Versorgungsgerichts in München vom 13. November 1922 der Rentenbescheid vom 27. Januar 1923 erteilt worden, mit dem das Versorgungsamt (VersorgA) II München nach den Vorschriften des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) wegen "Typhus, Magenleidens und Vergrößerung der Vorsteherdrüse", hervorgerufen durch Dienstbeschädigung infolge gesundheitsschädigender Einflüsse beim Feldheer, eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H. bewilligt hatte. Das Urteil des Versorgungsgerichts hatte sich auf ein ärztliches Gutachten des Dr. S (vom 1. November 1922) gestützt, der neben den als Dienstbeschädigung anzuerkennenden Gesundheitsstörungen "Typhus und Magenleiden" auch "die Vergrößerung der Vorsteherdrüse - mit zeitweiligen Urinbeschwerden - auf die Strapazen des Kriegsdienstes" zurückgeführt hatte, da diese Erkrankung durch Erkältungen oder Infektionskrankheiten hervorgerufen werde. Mit Benachrichtigung vom 12. Juli 1923 wurden die laufenden Rentenzahlungen mit Ende Juli 1923 eingestellt, dem Verstorbenen wurde anstelle der Versorgungsbezüge eine einmalige Abfindung gewährt.
Auf den im Jahre 1927 gestellten Antrag auf Wiedergewährung der Rente holte die Versorgungsbehörde die ärztlichen Gutachten des Dr. F (vom 20. April/27. Juni 1927) und des Urologen Dr. B (vom 31. Mai 1927 und 1. Mai 1928) ein, die die Auffassung vertraten, daß bei dem Beschädigten eine Vergrößerung der Prostata nicht vorliege, bei den von Dr. S im Jahre 1922 festgestellten Krankheitserscheinungen könne es sich allenfalls um eine - inzwischen abgeheilte - akute Entzündung der Vorsteherdrüse gehandelt haben. Trotzdem wurden - im Wege des Anerkenntnisses und durch Benachrichtigung vom 18. Juli 1928 - "überstandener Paratyphus, Magenleiden und Vergrößerung der Vorsteherdrüse" als Dienstbeschädigungen im Sinne der Entstehung mit einer MdE um 25 v. H. erneut anerkannt, nachdem der ärztliche Dienst des Hauptversorgungsamts M (Dr. R) in seiner abschließenden Stellungnahme zu den Gutachten der Dres. F und B ausgeführt hatte, "daß die Erscheinungen von seiten der Vorsteherdrüse noch DB-Folgen seien." Weitere Anträge auf Rentenerhöhung wurden abgelehnt, wobei die dazu gehörten Gutachter in ihren Gutachten vom 14. März 1930, 27. Januar 1931 und 12. November 1935 wiederum keine Vergrößerung der Vorsteherdrüse, sondern lediglich eine Entzündung derselben hatten feststellen können.
Mit Bescheiden vom 10. Juni 1949 nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) und vom 4. Februar 1951 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) übernahm die Versorgungsbehörde die alten Leidensbezeichnungen (überstandener Paratyphus, Magenleiden und Vergrößerung der Vorsteherdrüse) und bewilligte nach diesen Gesetzen Rente nach einer MdE um 30 v. H.
Im Dezember 1952 stellte der Verstorbene wiederum einen Antrag auf Neufeststellung seiner Versorgungsbezüge, weil "im anerkannten Versorgungsleiden - gemeint war die Vergrößerung der Vorsteherdrüse - eine Verschlimmerung" eingetreten sei. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 14. Juni 1953 abgelehnt, weil das nun bestehende Prostataleiden mit der schon früher anerkannten Vergrößerung der Vorsteherdrüse nicht im Zusammenhang stehe; es handele sich vielmehr um ein ausgesprochenes Altersleiden, wie es im höheren Lebensalter häufig beobachtet werde. Der Bescheid stützte sich im wesentlichen auf ein fachärztliches Gutachten des Urologen Dr. S (vom 20. März 1953), der zwar eine Prostatahypertrophie festgestellt, dazu aber auch ausgeführt hatte, wenn ein solches Leiden "tatsächlich als WDB anerkannt sei, so sei jedoch jede weitere Verschlimmerung nicht mehr als WDB anzuerkennen, zumal es sich um ein ausgesprochenes alters- und anlagebedingtes Leiden handele". Der Bescheid vom 14. Juni 1953 wurde damals nicht angefochten, es fehlt allerdings auch ein Nachweis darüber, daß er zugestellt worden ist.
Am 29. Oktober 1953 ist der Beschädigte gestorben; bei der Eintragung im Leichenschauscheinregister ist als Grundleiden eine Prostatahypertrophie, als Begleit- und Nebenkrankheit ein Magengeschwür, als Todesursache Urämie vermerkt. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme (Dr. M) vom 28. Dezember 1953 ist zur Zusammenhangsfrage ausgeführt: es könne zwar nicht angegeben werden, warum die Vergrößerung der Vorsteherdrüse 1922 als Schädigungsleiden anerkannt worden sei; als sicher erscheine aber, daß ein Zusammenhang der vor dem Ableben bestehenden, dem Lebensalter des Verstorbenen entsprechenden Prostatahypertrophie mit dem anerkannten Schädigungsleiden nicht mehr bestehe; die zum Tode führende Urämie sei die Endphase eines chronischen Altersleidens. Mit Bescheid vom 15. Januar 1954 lehnte daraufhin die Versorgungsbehörde den Antrag auf Gewährung von Witwenrente ab. Die Witwe erhob Widerspruch und legte einen Sektionsbericht des Pathologischen Instituts des Städtischen Krankenhauses M (vom 17. November 1953) vor, nach dem die Leichenöffnung als Grundleiden eine hochgradige allgemeine Verkalkung des Schlagadersystems mit Herzerweiterung bei Überbleibseln einer alten Herzklappenentzündung und als Todesursache eine allgemeine Harnvergiftung bei Schrumpfnieren und einer vorgeschrittenen knolligen Vergrößerung der Vorsteherdrüse ergeben hatte.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1954 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren hörte das Sozialgericht (SG) den Urologen Dr. S (Gutachten vom 14. November 1957) als Sachverständigen. Dieser führte aus, bei der als Folge des ersten Weltkrieges anerkannten Prostataerkrankung habe es sich nach den - früheren - ärztlichen Gutachten um eine entzündliche Erkrankung des Organs, um eine Prostatitis gehandelt; die Prostatahypertrophie, die sich erst im höheren Alter als eine altersbedingte Erkrankung entwickelt habe, habe mit der als Wehrdienstbeschädigung (WDB) anerkannten Erkrankung nichts gemein. Mit Urteil vom 14. November 1957 verurteilte das SG den Beklagten zur Zahlung von Witwenrente; nach dem Sektionsbericht sei der Beschädigte an der bis zum Tode als Schädigungsleiden anerkannt gewesenen Vergrößerung der Vorsteherdrüse gestorben, deshalb müsse die Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG Platz greifen.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt und eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. B (vom 28. November 1957) vorgelegt; danach sei der Beschädigte an den Folgen neuer, wehrdienstunabhängiger Prostataveränderungen gestorben. Auf Anregung des Dr. B. hat das Landessozialgericht (LSG) ein urologisches Gutachten des Prof. Dr. M in M eingeholt (Gutachten vom 3. August 1963). Dieser hat ausgeführt, die bei dem Verstorbenen nach dem ersten Weltkrieg fälschlicherweise als Prostatahypertrophie anerkannte Prostatitis habe mit der zum Tode führenden Vergrößerung der Vorsteherdrüse nichts zu tun; diese sei vielmehr alters- und schicksalsbedingt in den letzten 10 bis 15 Jahren vor dem Ableben aufgetreten.
Mit Urteil vom 29. Oktober 1963 hat das LSG die Berufung des Beklagten zurückgewiesen: Der Anspruch der Witwe des Verstorbenen auf Witwenrente sei deshalb begründet, weil die unwiderlegbare Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG Anwendung zu finden habe. Der Ehemann sei an dem Leiden gestorben, für das er im Zeitpunkt seines Todes Rente bezogen habe, denn unstreitig habe eine Prostatahypertrophie zum Tode geführt, also die Erkrankung, für die zuletzt auf Grund des Umanerkennungsbescheides nach dem BVG Rente nach einer MdE um 30 v. H. bewilligt worden sei. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei unerheblich, daß nach den in den Akten befindlichen medizinischen Gutachten sowohl bei der Erstanerkennung nach dem RVG als auch bei der Wiedergewährung der Rente noch keine Vorsteherdrüsenvergrößerung, sondern nur eine Prostataentzündung vorgelegen habe, denn im Bescheid vom 27. Januar 1923 und in der Benachrichtigung vom 18. Juli 1928 sei das Versorgungsleiden als Vorsteherdrüsenvergrößerung bezeichnet und als solches auch in die Rentenfeststellungen nach dem KBLG und BVG übernommen worden. Im übrigen sei für eine gegen ihren Wortlaut vorzunehmende Auslegung des Erklärungsgehalts der nach dem RVG, dem KBLG und dem BVG ergangenen Verwaltungsakte deshalb kein Raum, weil der Beklagte in diesen eine medizinisch genau bestimmte und gegenüber anderen Gesundheitsstörungen abgrenzbare Erkrankung anerkannt habe. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 21. November 1963 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1963, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 19. Dezember 1963, Revision eingelegt. Die Begründung der Revision im Schriftsatz vom 17. Februar 1964 ist - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 21. Februar 1964 - am 19. Februar 1964 eingegangen. Mit ihr rügt der Beklagte die Verletzung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG und trägt vor, die Anspruchsvoraussetzung dieser Vorschrift gelte nur dann nach der Rechtsvermutung als erfüllt, wenn das Leiden, das zum Tode geführt habe, auch das Leiden sei, für das die Zuerkennung der Rente bestimmt gewesen sei; eine Rechtsvermutung, daß der Tod mit dem anerkannten Leiden ursächlich zusammenhänge, gebe es nicht. Eine Anerkennung beziehe sich auch nicht auf das Leiden, wie es im Verwaltungsakt bezeichnet sei, und auch nicht auf die Diagnose, die der Feststellung als Schädigungsfolge zugrunde liege, sondern allein auf den Leidenszustand, den die Versorgungsbehörde im Hinblick auf seinen Zusammenhang mit den Folgen des Wehrdienstes beurteilt habe. Dieser Leidenszustand sei im Falle des Verstorbenen der Zustand gewesen, den der ärztliche Sachverständige Dr. S im November 1922 befundmäßig als Folge allgemeiner wehrdienstlicher Belastungen und durchgemachter Infektionen im ersten Weltkrieg festgestellt habe, nämlich eine schmerzhafte Verhärtung und Schwellung der Prostata auf der Grundlage einer akuten Entzündung. Demnach sei eine "Prostatahypertrophie als entzündlicher Leidenszustand" als Dienstbeschädigung nach dem RVG anerkannt und berentet gewesen und auch - nach dem KBLG und BVG - umanerkannt worden. Damit sei aber auch noch im Zeitpunkt des Ablebens nur der Leidenszustand als Schädigungsfolge anerkannt und berentet gewesen, der bei Erlaß des RVG-Bescheides vorgelegen habe, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie das Leiden in diesem Bescheid damals bezeichnet worden sei. Todesursache sei - nach übereinstimmender ärztlicher Auffassung - eine Urämie als Ausdruck alters-physiologischer Veränderungen an der Prostata gewesen, die in den letzten 10 bis 15 Jahren vor dem Ableben aufgetreten seien. Nach allem sei der Beschädigte nicht an seinem "Rentenleiden" gestorben, sondern an einem Leiden, für das die Zuerkennung der Rente nicht bestimmt gewesen sei. Da somit die Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG nicht Platz greife, stehe Witwenrente nicht zu.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1963 und des Sozialgerichts München vom 14. November 1957 aufzuheben und die Klage im vollen Umfange abzuweisen.
Die Witwe des Verstorbenen hat beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das angefochtene Urteil sei zutreffend, denn es dürfe nicht übersehen werden, daß ihr Ehemann an den Folgen einer Prostatavergrößerung gestorben sei, und daß gerade dieser Leidenszustand seit 1923 als Schädigungsfolge im Sinne der Versorgungsgesetze anerkannt gewesen sei; der Verstorbene habe im Zeitpunkt seines Ablebens gerade auch für dieses Leiden Rente bezogen.
Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 17. Februar 1964 sowie auf den Schriftsatz der Witwe des Beschädigten vom 17. März 1964 wird verwiesen.
Während des Revisionsverfahrens ist die Witwe des verstorbenen Beschädigten am 21. Mai 1965 ebenfalls gestorben. Das dadurch nach §§ 68 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 239 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochene Verfahren ist von der Schwester der Verstorbenen, der jetzigen Klägerin, mit Schriftsatz vom 28. September 1965, eingegangen am 29. September 1965, als Rechtsnachfolgerin aufgenommen worden; nach dem Erbschein des Amtsgerichts München vom 31. August 1965 ist sie - neben vier weiteren Erben - Erbin zu einem Fünftel am Nachlaß der ursprünglichen Klägerin geworden.
Die vom LSG zugelassene und deshalb nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164 Abs. 1, 166 SGG) und somit zulässig. Die jetzige Klägerin hat das durch den Tod der ursprünglichen Klägerin unterbrochene Revisionsverfahren ordnungsgemäß aufgenommen, so daß der Fortsetzung des Verfahrens und seiner Beendigung durch Urteil nichts im Wege steht. Daran ändert nichts, daß die Klägerin nicht Erbin des gesamten Nachlasses ihrer verstorbenen Schwester ist, sondern daß sie nur zu einem Fünftel als Miterbin am Nachlaß beteiligt ist. Nach den Grundsätzen der Gesamthand könnten eine Leistung an die Erbengemeinschaft zwar nur alle Miterben gemeinschaftlich fordern; dieser Grundsatz wird jedoch für Ansprüche, die wie der von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachte zum Nachlaß gehören, dahingehend durchbrochen, daß jeder einzelne Miterbe solche Ansprüche allein geltend machen kann (§ 2039 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); er kann sie durch Feststellungs- oder Leistungsklage einklagen, zur Sicherung Arrest und einstweilige Verfügung erwirken u. ä. Das aber bedeutet auch, daß ein durch den Tod einer Partei unterbrochenes Verfahren nicht nur von der Erbengemeinschaft, sondern auch von jedem einzelnen Miterben aufgenommen werden kann (vgl. Palandt, BGB, 25. Aufl., § 2039 Anm. 1).
Die Revision des Beklagten ist begründet. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG wird Hinterbliebenenrente gewährt, wenn ein Beschädigter an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gestorben ist; dabei gilt- nach § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG - der Tod stets dann als Folge einer Schädigung, wenn ein Beschädigter an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Die Auffassung des LSG (wie auch des SG und der Klägerin), die Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG zur Gewährung von Witwenrente seien im vorliegenden Fall erfüllt, trifft nicht zu.
Wie aus dem Wortlaut der Vorschrift ersichtlich, kommt es nach ihr nicht darauf an, ob der Tod des Beschädigten tatsächlich die Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG ist; diese Anspruchsvoraussetzung "gilt" vielmehr dann nach unwiderlegbarer Rechtsvermutung als erfüllt, wenn das Leiden, das zum Tode geführt hat, auch das Leiden ist, das - als rechtsverbindlich anerkanntes Schädigungsleiden - für die Zuerkennung der Rente bestimmend gewesen ist. Die Gründe für die Aufnahme dieser unwiderlegbaren Rechtsvermutung in das Gesetz liegen auf der Hand; ohne sie wäre es, weil der Anspruch der Hinterbliebenen auf eigenem Recht beruht und vom Recht des Beschädigten grundsätzlich unabhängig ist, zum Nachteil der Hinterbliebenen in jedem Fall möglich, die im Beschädigtenverfahren bejahte Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen Schädigung und Gesundheitsstörung erneut nachzuprüfen und gegebenenfalls zu verneinen. Das soll der Verwaltungsbehörde verwehrt sein; die Rechtsvermutung schränkt eine Prüfung insofern ein, als die Schädigungsfrage, d. h. die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen anerkanntem Versorgungsleiden und schädigendem Vorgang, nicht mehr geprüft werden darf. Daraus ergeben sich aber auch Sinn und Zweck der Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG: Sie reicht nicht soweit, daß zugunsten der Hinterbliebenen schon eine Rechtsvermutung dahingehend bestünde, daß der Tod eines Beschädigten mit dem bei ihm anerkannten Schädigungsleiden ursächlich zusammenhängt (BSG 7, 53, 57); sie schließt deshalb auch die Feststellung der Todesursache nicht aus, wenn aus dem Ableben eines rentenberechtigten Beschädigten Versorgungsansprüche (der Hinterbliebenen) hergeleitet werden; denn für eine Feststellung, ob ein Beschädigter "an" seinem anerkannten Schädigungsleiden gestorben ist, ist die vorherige Feststellung der Todesursache unabdingbare Voraussetzung. Mithin bezieht sich die Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG, und darin erschöpfen sich ihr Sinn und Zweck, allein auf die Frage des ursächlichen Zusammenhangs zwischen anerkanntem Schädigungsleiden und dem Tod des Beschädigten; sie gilt stets dann, aber auch nur dann, wenn ein Leiden, für das dem Beschädigten im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war, den Tod verursacht hat, d. h., wenn das Todesleiden dem Versorgungsleiden entspricht. Diese Frage ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm zu beantworten (BSG 7, 53, 56). Das bedeutet, daß in den die Versorgung von Hinterbliebenen betreffenden Verfahren in jedem Einzelfall geprüft werden muß, ob der Tod des Beschädigten mit dem anerkannten Schädigungsleiden im ursächlichen Zusammenhang steht, und nur dann, wenn diese Frage bejaht werden muß, ist der Beschädigte "an" seinem anerkannten Rentenleiden gestorben.
Bei richtiger Anwendung dieser Grundsätze hätte das Berufungsgericht, wie der Beklagte zutreffend vorträgt, im vorliegenden Falle zu der Auffassung gelangen müssen, daß der Beschädigte L. P. nicht "an" seinem anerkannten Rentenleiden gestorben ist und deshalb Witwenrente nach § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG nicht gewährt werden kann. Zwar trifft zu, daß das anerkannte Schädigungsleiden "Vergrößerung der Vorsteherdrüse", für das der Beschädigte im Zusammenhang mit anderen anerkannten Schädigungsleiden (Paratyphus und Magenleiden) im Zeitpunkt seines Ablebens Rente nach einer Gesamt-MdE um 30 v. H. bezogen hat, in seiner Bezeichnung mit dem zum Tode an Urämie führenden Leiden "Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostatahypertrophie)" übereinstimmt. Diese Übereinstimmung in den Bezeichnungen allein aber reicht nicht aus, um aus ihr nun auch ohne weiteres den Ursachenzusammenhang zwischen Todesleiden und anerkanntem Schädigungsleiden zu bejahen, auch wenn das LSG glaubte, aus ihnen den Schluß ziehen zu müssen, das Todesleiden "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" entspreche dem Versorgungsleiden "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" schon deshalb, weil der Beklagte in seinen - den Beschädigten erteilten - Bescheiden "eine medizinisch genau bestimmte und gegenüber anderen Gesundheitsstörungen abgrenzbare Erkrankung anerkannt habe". Denn einmal hat es hierbei übersehen, daß eine Entscheidung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG allein vom Wort, von der Bezeichnung her nicht möglich ist; eine Anerkennung im Sinne dieser Vorschrift bezieht sich nicht ohne weiteres auf das Leiden, wie es in dem Bescheid bezeichnet worden ist, und auch nicht auf die Diagnose, die der Feststellung der Schädigungsfolge zugrunde gelegen hat, sondern ausschließlich auf den Leidenszustand, den die Versorgungsbehörde im Hinblick auf seinen Zusammenhang mit Folgen des Wehrdienstes beurteilt hat (BSG im SozR BVG § 1 Nr. 66). Darüber hinaus aber hätte sich das LSG nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, die Bezeichnung des Todesleidens entspreche der Bezeichnung des anerkannten Rentenleidens, deshalb sei der Beschädigte "an" seinem Schädigungsleiden gestorben; vielmehr hätte es bei richtiger Anwendung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG prüfen müssen, ob trotz übereinstimmender Bezeichnungen das Leiden, für das der Beschädigte im Zeitpunkt seines Todes Beschädigtenrente bezogen hat, tatsächlich nun auch das Leiden gewesen ist, das den Tod verursacht hat. Dabei kann den - insoweit nicht ganz klaren - rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts immerhin entnommen werden, daß auch es diese Frage für rechtserheblich gehalten hat.
Nach allem rügt der Beklagte mit Recht, daß das LSG das Rentenleiden des Beschädigten und sein Todesleiden- ohne zulängliche Begründung - einander gleichgesetzt hat, ohne auch die ihm vorliegenden Gutachten der medizinischen Sachverständigen in dem hier erforderlichen Umfang in seine Erwägungen einzubeziehen und ausreichend zu würdigen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war die "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" als Versorgungsleiden des Beschädigten in Ausführung des Urteils vom 13. November 1922 anerkannt worden; dabei hatte dem erkennenden Gericht ein Gutachten des Dr. S (vom 1. November 1922) vorgelegen, in dem dieser auf Grund des von ihm erhobenen Befundes "Vorsteherdrüse hart, vergrößert, bei der Untersuchung schmerzempfindlich", ausgeführt hatte: "Die Vergrößerung der Vorsteherdrüse, welche zuweilen Urinbeschwerden hervorruft, kann auf die Strapazen des Kriegsdienstes zurückgeführt werden, da diese Erkrankung durch Erkältungen oder Infektionskrankheiten hervorgerufen wird". Es kann nicht zweifelhaft sein, daß danach Gericht und ausführende Verwaltungsbehörde den damaligen Leidenszustand des Beschädigten, den sie mit "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" bezeichneten, als gesundheitsschädigende Folge von Erkältungen oder Infektionskrankheiten während des Kriegsdienstes beurteilt haben. Nach dem Ableben des Beschädigten an einer Urämie sind alle zur Zusammenhangsfrage gehörten medizinischen Sachverständigen (Dr. M, Stellungnahme vom 28. Dezember 1953; Facharzt für Chirurgie Dr. S, Gutachten vom 14. November 1957; Dr. B, Stellungnahme vom 28. November 1957; Prof. Dr. M, Gutachten vom 3. August 1963) unter Berücksichtigung aller seit der Erstanerkennung vorliegenden Vorgänge und auch des Sektionsberichtes vom 17. November 1953 übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, daß das Grundleiden für die zum Tode führende Urämie eine Prostatahypertrophie gewesen ist; ebenso übereinstimmend ist aber auch ihre medizinisch-wissenschaftliche Auffassung, daß es sich bei der Prostatahypertrophie, die entsprechend ihrem schicksalhaften Ablauf zu der tödlichen Urämie geführt hat, um ein unabhängig von dem anerkannten Schädigungsleiden (mit gleicher Bezeichnung) entstandenes, mit Sicherheit alters- und anlagebedingtes Leiden gehandelt hat, ohne mit der als Schädigungsleiden anerkannt gewesenen "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" - als Folge von Erkältungs- oder Infektionskrankheiten während des Kriegsdienstes - das geringste gemein zu haben. Der Urologe Prof. Dr. M insbesondere hat dazu ua ausgeführt, daß es sich bei dem jugendlichen Alter, in dem sich der Verstorbene im Zeitpunkt der Erstanerkennung der "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" befunden habe, noch gar nicht um eine Prostatahypertrophie (eine sog. Prostataadenom) wie diejenige gehandelt haben könne, die zum Tode geführt habe; diese habe sich vielmehr, wie sich aus allen Unterlagen und ärztlichen Untersuchungen (zu Lebzeiten des Beschädigten) einwandfrei ergebe, entsprechend dem Lebensalter erst in den letzten 10 bis 15 Jahren vor dem Ableben - im Zeichen einer zunehmenden Miktionsbehinderung - entwickelt und schließlich zum Tode geführt, sie habe mit dem anerkannten Schädigungsleiden nichts zu tun. Im übrigen habe es sich bei diesem, wie schon von dem Gutachter Dr. B ausgeführt worden sei, allenfalls um eine Prostatitis gehandelt, die, wie sie es wohl bei dem Verstorbenen getan habe, wegen der entzündlichen Veränderungen an der Vorsteherdrüse zu einer vorübergehenden ödematösen Schwellung, zu Harnträufeln und Miktionsbeschwerden führen könne (der Urologe Dr. B hatte bereits im Jahre 1927 eine Vergrößerung der Vorsteherdrüse bei der Befunderhebung nicht mehr feststellen können). All dies hat das LSG unberücksichtigt gelassen und für seine Auffassung, daß die offenbar auch von ihm selbst als zutreffend angesehenen Ansichten der Gutachter für die Beurteilung der Zusammenhangsfrage unerheblich seien, als allein entscheidend die Übereinstimmung in den Bezeichnungen des Schädigungs- und des Todesleidens angeführt. Damit aber hat es § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG verletzt, denn in Anwendung der eingangs der Entscheidungsgründe dargelegten Grundsätze hätte es ebenso wie der erkennende Senat zu der Rechtsauffassung gelangen müssen, daß die als Rentenleiden des verstorbenen Beschädigten anerkannte Gesundheitsstörung "Vergrößerung der Vorsteherdrüse" mit dem zum Tode führenden Leiden (Vergrößerung der Vorsteherdrüse, Prostatahypertrophie) nicht identisch ist, daß sie somit den Tod des Beschädigten nicht im tatsächlichen Sinne verursacht hat und mithin auch nicht als wesentliche Ursache des Todes im Rechtssinne angesehen werden kann.
Das bedeutet, daß der Beschädigte nicht "an" dem Leiden gestorben ist, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Das bedeutet gleichzeitig, daß sein Tod auch nicht als Folge einer Schädigung "gilt", Mangels Vorliegens der Anspruchsvoraussetzung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG steht deshalb ein Anspruch auf Witwenrente nicht zu, so daß der Revision des Beklagten der Erfolg nicht versagt werden konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen