Leitsatz (amtlich)

Bei Wiederbewilligung der bis zur vollen Höhe abgefundenen Witwenrente vor Ablauf von 10 Jahren gegen Rückzahlung der Abfindungssumme nach RVO § 614 Abs 1 iVm RVO § 611 Abs 2 ist unter den Beschränkungen des RVO § 612 Abs 1 und 2 der Betrag zurückzuzahlen, den die Witwe ursprünglich tatsächlich als Abfindung erhalten hat - Nennbetrag der Abfindungssumme (RVO § 609 Abs 2 S 2). Eine zum Zwecke der Rückzahlung rechnerische Anpassung der Abfindungssumme nach RVO § 579 findet nicht statt.

 

Normenkette

RVO § 579 Fassung: 1963-04-30, § 609 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1963-04-30, § 611 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 614 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 612 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, Abs. 2 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Mai 1973 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin bezog von der Beklagten eine Witwenrente, zuletzt nach einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 7.256,13 DM in Höhe von jährlich 2.902,45 DM. Auf Antrag der Klägerin gewährte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 23. April 1964 eine Abfindung der vollen Witwenrente für die Dauer von 10 Jahren zum Erwerb einer Eigentumswohnung. Die Abfindungssumme betrug das Neunfache des Jahresbetrages der Witwenrente von 2.902,45 DM = 26.122,10 DM. Der Anspruch auf Witwenrente erlosch mit Ablauf des Monats Mai 1964.

Im Jahre 1970 beantragte die Klägerin die Wiederbewilligung der durch die Abfindung erloschenen Witwenrente gegen Rückzahlung der Abfindungssumme. Diesem Antrag gab die Beklagte ab 1. April 1971 statt. Die zurückzuzahlende Abfindungssumme stellte sie durch Bescheid vom 15. Oktober 1970 auf 14.223,60 DM fest. Die Beklagte vervielfältigte die der Klägerin gezahlte Abfindungssumme von 26.122,10 DM mit den für die Anpassung von Geldleistungen maßgebenden Faktoren der seit der Auszahlung der Abfindungssumme in Kraft getretenen Rentenanpassungsgesetze (jeweils § 10 Abs. 1 des 7. bis 13. Rentenanpassungsgesetzes - RAG -). Von dem mit 42.248,22 DM errechneten Betrag forderte sie gemäß § 612 der Reichsversicherungsordnung (RVO) im Hinblick auf die seit Auszahlung der Abfindungssumme abgelaufene Zeit von 6 Jahren und 10 Monaten 42 v.H. weniger 10/12 von weiteren 10 v.H. zurück. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich gegen die Berechnung des Rückzahlungsbetrages nach vorheriger Erhöhung der Abfindungssumme aufgrund der RAGe wandte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1971 zurück.

Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat Bescheid und Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Rückzahlung der Abfindung nur nach dem Vom-Hundert-Satz der tatsächlich ausgezahlten Abfindungssumme ohne Berechnung der zeitlichen Anpassung entsprechend § 612 RVO entgegenzunehmen. Die Berufung hat es zugelassen (Urteil vom 14. November 1971). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland zurückgewiesen (Urteil vom 17. Mai 1973). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Sowohl in der Vorschrift des § 611 RVO über die Rückzahlung der Abfindung als auch in der Vorschrift des § 612 RVO über die Beschränkung der Rückzahlungsverpflichtung verwende das Gesetz den Begriff "Abfindungssumme". Im Zusammenhang mit § 609 Abs. 2 RVO, wonach als Abfindungssumme das Neunfache des der Abfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages der Rente gezahlt wird, könne darunter begrifflich nur der Geldbetrag verstanden werden, der dem Berechtigten ursprünglich als Abfindung ausgezahlt worden sei. Das ergebe sich auch aus der gleichlautenden Verwendung des Begriffs "Abfindungssumme" in den §§ 609 Abs. 2, 610 und 611 Abs. 1 und 2 RVO. Der nach § 612 RVO festgelegte Prozentsatz der Abfindungssumme, auf den sich die Verpflichtung zur Rückzahlung nach Ablauf bestimmter Zeiträume seit Auszahlung der Abfindungssumme beschränke, könne daher nur aus der ursprünglichen Abfindungssumme errechnet werden. Eine am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis, insbesondere fordere sie nicht, daß bei der Berechnung nach § 612 RVO die Vorschrift des § 579 RVO über die Anpassung der vom JAV abhängigen Geldleistungen an die veränderten Durchschnittseinkommen angewandt werde. Es sei unstreitig, daß die Verletztenrente, an deren Stelle nach § 609 Abs. 2 Satz 3 RVO die Abfindung trete, in dem Zeitraum, auf den sich die Abfindung erstrecke, nicht an der Rentenanpassung gemäß § 579 RVO teilnehme. Der durch die Zahlung der Abfindungssumme für den Empfänger eintretende Zinsgewinn und etwaige sonstigen Vorteile würden dadurch pauschal ausgeglichen, daß bei der Abfindung für einen Zeitraum von zehn Jahren nur das Neunfache des der Abfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages der Rente gezahlt werde. Da die Anwendung des § 579 RVO im Zusammenhang mit der Abfindung bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages behandelt worden sei, gleichwohl sich in § 612 RVO kein Hinweis auf die Anwendung dieser Vorschrift bei der Rückzahlung der Abfindungssumme finde, könne daraus nur geschlossen werden, daß dieser Hinweis bewußt unterlassen worden sei. Gegen diese Auslegung spreche nicht, daß § 579 RVO unter den allgemeinen Vorschriften des III. Abschnitts "Entschädigung durch Rente und sonstige Leistungen in Geld" stehe. Denn die Abfindung sei in einem besonderen Abschnitt, dem IV. geregelt, auf den der allgemeine Teil des III. Abschnitts ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung keine Anwendung finde. Zu einem anderen Ergebnis führe auch nicht die Vorschrift des § 609 Abs. 3 RVO, wonach sich die Kinderzulage nach der Rente richte, die der Verletzte vor der Abfindung bezogen habe. Ihr Sinn und Zweck sei es, den Verletzten hinsichtlich der Kinderzulage so zu stellen, als ob eine Abfindung nicht erfolgt wäre. Dies erfordere, für die Berechnung der Kinderzulage die Rentenanpassung gemäß § 579 RVO auch insoweit vorzunehmen, als sie den abgefundenen Rententeil betreffe. Wegen ihrer völlig anderen sozialpolitischen Zielsetzung könne diese Regelung auf die Auslegung des § 612 Abs. 1 RVO keinen Einfluß haben. Auch § 615 Abs. 3 RVO rechtfertige nicht die Auffassung der Beklagten. Hier sei, anders als in § 612 Abs. 1 RVO, ausdrücklich bestimmt, daß bei Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe einer wiederverheirateten Witwe (oder Witwers) die Zurückzahlung der bei der Wiederverheiratung gewährten Abfindungssumme sich um den Betrag mindere, den die Witwe (oder der Witwer) bis zum Wiederaufleben der Rente hätte beanspruchen können, wenn die neue Ehe nicht geschlossen worden wäre. Die Rechtsauffassung der Beklagten werde auch nicht durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. September 1971 - 7/2 RU 47/68 - BSG 33, 145 gestützt. Dort habe es sich um die Anpassung einer zur Hälfte kapitalisierten Rente gehandelt. Während der damalige Kläger die Meinung vertreten habe, daß zunächst der der Abfindung zugrunde liegende ursprüngliche Jahresbetrag der Rente anzupassen, davon die Hälfte des ursprünglichen Jahresbetrages abzuziehen und der Rest als neue Rente zu zahlen sei, sei die damalige Beklagte der auch vom BSG geteilten Auffassung gewesen, daß lediglich die nicht abgefundene Rentenhälfte an der Anpassung teilnehme. Aus diesem Urteil könne nicht geschlossen werden, daß § 612 RVO nur im Zusammenhang mit § 579 RVO auszulegen sei. In dem Verlangen der Klägerin nach Berechnung der zurückzuzahlenden Abfindungssumme ohne vorherige Anpassung nach § 579 RVO könne kein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden, selbst wenn sie durch die Rückzahlung vor Ablauf von 10 Jahren einen gewissen finanziellen Vorteil haben würde.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet. Dem LSG sei zuzugeben, daß die Rückzahlungsverpflichtung der Abfindungssumme nach dem Wortlaut des § 612 Abs. 1 RVO ohne Bezugnahme auf die Vorschrift des § 579 RVO über die Aktualisierung der Renten geregelt sei. Der Sinn beider Vorschriften und insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl I 241) verlange jedoch ihre Verknüpfung und rechtfertige die Berechnung der Rückzahlungssumme nicht lediglich nach der 1964 gezahlten Abfindungssumme, sondern nach dem Betrag, welchen die Abfindungssumme aufgrund der Aktualisierungsvorschrift des § 579 RVO durch das 7. bis 13. RAG im Jahre 1971 erreicht haben würde. Der im Jahre 1964 der Klägerin gewährte Betrag von 26.122,10 DM habe im Jahre 1971 einem Betrag von 42.248,22 DM entsprochen. Die Rückzahlung nach § 612 RVO müsse von dem tatsächlichen Wert der Abfindungssumme im Jahre 1971 ausgehen. Die Klägerin habe ja auch an der Steigerung der Abfindungssumme durch die wertbeständige Anlage in einer 1964 erworbenen Eigentumswohnung teilgenommen. In welcher Weise die früher erfolgte Abfindung einer Verletztenrente im Falle der wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen und bei der Neuberechnung der Rente aufgrund der Umrechnungsgesetzes zu berücksichtigen sei, habe das BSG bereits dahin entschieden, daß nicht der ziffernmäßige Betrag der Abfindung, sondern deren wirklicher Geldwert anzurechnen sei, obwohl beispielsweise § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF nur schlechthin die Kürzung um den Betrag regelt, der bei der Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt worden war (BSG 12, 116; 33, 145; BSG BG 1964, 417). Die in § 612 RVO bezeichnete Abfindungssumme sei eine vom JAV abhängige Geldleistung.

Sie unterliege daher der Anpassung nach § 579 RVO. Würde dies nicht der Fall sein, dürfe auch beim Hinzutritt eines Kindes während des Abfindungszeitraumes nach § 609 Abs. 3 RVO die Kinderzulage nur aus der nicht angepaßten Rente berechnet werden. Ihre Rechtsauffassung werde zudem durch § 615 Abs. 3 RVO gestützt. Die praktische Anwendung dieser Vorschrift ergebe, daß eine Abfindungssumme mit den Faktoren der seit ihrer Auszahlung ergangenen RAGe anzupassen sei, soweit die Abfindungssumme bei der Wiedergewährung von Leistungen eine Rolle spiele. Einem Antrag nach § 611 Abs. 2 RVO auf Rentenwiedergewährung gegen Rückzahlung der Abfindungssumme könne sie unter dem Gesichtspunkt des pflichtmäßigen Ermessens nur zustimmen, wenn der Antragsteller damit einverstanden sei, daß auch der Kapitalbetrag der Rentenanpassung aus § 579 RVO unterliege.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Mai 1973 sowie des Sozialgerichts für das Saarland vom 14. Dezember 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

II.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der von der Klägerin gemäß den §§ 611 Abs. 2, 612 RVO zurückzuzahlende Betrag sich aus dem Nennbetrag der ursprünglich gezahlten Abfindungssumme errechnet.

Für die Abfindung von Witwenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung gelten gemäß § 614 Abs. 1 RVO die Vorschriften über die Abfindung sonstiger Dauerrenten Verletzter (30 v.H. der Vollrente oder mehr) mit der Besonderheit, daß Witwenrenten nicht nur bis zur Hälfte, sondern bis zur vollen Höhe abgefunden werden können. Die Abfindung ist auf die Witwenrente für einen Zeitraum von 10 Jahren beschränkt (§ 609 Abs. 2 Satz 1 RVO). Als Abfindungssumme wird das Neunfache des der Abfindung zugrunde liegenden Jahresbetrages der Rente gezahlt (§ 609 Abs. 2 Satz 2 RVO). Entsprechend einem Jahresbetrag der vollen Witwenrente von 2.902,45 DM zahlte die Beklagte der Klägerin als Abfindungssumme 26.122,10 DM. Mit Ablauf des Monats der Auszahlung der Abfindungssumme (Mai 1964) war damit der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente für 10 Jahre erloschen (§ 609 Abs. 2 Satz 3 RVO).

Nach § 611 Abs. 2 RVO konnte der Klägerin jedoch auf ihren Antrag die durch Abfindung erloschene Witwenrente vor Ablauf von 10 Jahren gegen Rückzahlung der Abfindungssumme wieder bewilligt werden. Zu Unrecht hat aber dabei die Beklagte im Bescheid vom 15. Oktober 1970 den Nennbetrag der ursprünglich gezahlten Abfindungssumme mit den Faktoren vervielfältigt, die nach § 10 Abs. 1 des 7. bis 13. RAG für die Anpassung von Geldleistungen maßgebend sind, die vom JAV abhängen. Im Unterschied zu der Auffassung der Beklagten (vgl. Podzun in "Der Unfallsachbearbeiter", Kennzahl 640 S. 8 e) ist die zurückzuzahlende Abfindungssumme der Betrag, welcher der Witwe als Abfindung tatsächlich ausbezahlt worden ist (Nennbetrag der Abfindungssumme).

Für diese Auffassung spricht bereits der in den §§ 607 ff. RVO einheitlich gebrauchte Begriff der Abfindungssumme. In § 609 Abs. 2 Satz 2 RVO ist Abfindungssumme der Betrag, der dem Berechtigten als Abfindung tatsächlich gezahlt wird. Mit demselben Wort bezeichnet das Gesetz in § 611 Abs. 2 RVO den Betrag, der bei der Wiederbewilligung der Rente vor Ablauf von 10 Jahren zurückzuzahlen ist, und in § 612 RVO wird bestimmt, auf welchen Vomhundertsatz der Abfindungssumme sich die Verpflichtung zur Rückzahlung nach Ablauf bestimmter Zeiträume seit Auszahlung der Abfindungssumme beschränkt. Die einheitliche Verwendung des Begriffs "Abfindungssumme" in den angeführten Vorschriften - er findet sich auch in § 614 Abs. 2 RVO (Rückzahlung der Abfindungssumme bei Eheschließung einer abgefundenen Witwe) und § 615 Abs. 3 RVO (Rückzahlung der Abfindungssumme bei Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe einer abgefundenen Witwe) - rechtfertigt es mangels abweichender Vorschriften nicht, dort, wo es um die Rückzahlung der Abfindungssumme geht, von einer um Rentenanpassungen erhöhten Abfindungssumme auszugehen. Die Vorschrift des § 579 Abs. 1 RVO, nachdem die vom JAV abhängigen Geldleistungen (und das Pflegegeld) bei Veränderung der durchschnittlichen Bruttolohn- und Gehaltssumme durch Gesetz angepaßt werden (vgl. die dazu ergangenen RAGe), wurde zusammen mit den oben erwähnten Vorschriften über die Abfindung von Renten durch das UVNG in Kraft gesetzt. Wäre vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, auch die Abfindungssummen für die Rückzahlung über § 579 RVO zu aktualisieren, hätte es eines ausdrücklichen Hinweises auf § 579 RVO in den anzuwendenden Vorschriften bedurft, zumal da nach dem schriftlichen Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages über den Entwurf eines UVNG (BT-Drucksache IV/938 - neu) zu § 606 (jetzt § 609 RVO) der Antrag, § 579 RVO auch für abgefundene Rententeile anzuwenden, keine Mehrheit gefunden hatte.

Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BSG rechtfertigt keine andere Auffassung. Der 5. Senat des BSG hat entschieden (BSG 12, 116), daß eine abgefundene und wegen wesentlicher Verschlimmerung der Unfallfolgen nach einem höheren JAV wiedergewährte Rente nach § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF um den Betrag zu kürzen sei, den der abgefundene Rententeil hätte, wenn er gleichfalls nach dem der neuen Rente zugrunde liegenden JAV berechnet worden wäre. Dieser Auffassung haben sich der 2. und 7. Senat des BSG in Fällen der Umstellung teilabgefundener Renten bei Erhöhung des JAV im Grundsatz angeschlossen (BG 1964, 417; BSG 33, 145). Da, wie die drei Senate ausgeführt haben, die abgefundenen Rententeile an den Rentenanpassungen nicht teilnehmen und den Abgefundenen aus diesen Rententeilen keine geldlichen Vorteile erwachsen sollen, wäre es nicht gerechtfertigt, bei Änderung des der Rentenberechnung zugrunde zu legenden JAV, die gesamte Rente (abgefundener und nicht abgefundener Teil) nach dem Höheren JAV zu berechnen, davon aber nur den nominellen Betrag des abgefundenen Rententeils abzuziehen. Dies würde entgegen den dargelegten Grundsätzen zu einer Aktualisierung auch des abgefundenen Rententeils führen. Der Hinweis in der Rechtsprechung des BSG, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF unter den "Betrag, der bei Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt war", damals nicht eindeutig einen ein für allemal festliegenden nominellen Betrag, sondern einen jeweils über einen für beide Seiten der Rentenberechnung gleichen JAV wertmäßig ausgeglichenen Abfindungsbetrag habe verstanden wissen wollen (BSG 12, 116, 120), entspricht der damaligen Rechtslage. Ein Anspruch auf Rente trotz Abfindung wurde erst durch § 616 Abs. 3 RVO idF des Zweiten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung - 2. ÄndG - vom 14. Juli 1925 (RGBl I 97) begründet. Die Vorschrift regelte den Fall einer nachträglichen wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen und eine dadurch bedingte weitere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Verletzten um mindestens 10 v.H.. Sie betrifft somit die Erhöhung der abgefundenen Rente infolge einer Erhöhung des Grades der MdE, nicht jedoch auch eine Erhöhung der Rente infolge regelmäßiger Anpassung des der Rentenberechnung zugrunde liegenden JAV. Diese hatte der Gesetzgeber damals nicht vorausgesehen und deshalb das Wort "Betrag" in § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF nicht mit einem diesen Fall regelnden Zusatz versehen. Soweit damals eine Erhöhung des JAV in Betracht kam, weil § 616 Abs. 3 RVO aF auch für Renten galt, die vor dem Inkrafttreten des 2. ÄndG abgefunden waren, wurde in Art. 156 des 2. ÄndG ausdrücklich bestimmt, daß in solchen Fällen bei Kürzung der Rente nach § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO aF als der der Abfindung zugrunde zu legende Betrag der Betrag gilt, den die abgefundene Rente hätte, wenn sie nach dem für die neue Rente berechneten JAV berechnet worden wäre. Hieraus ist für das jetzt geltende Recht nicht die Auffassung herzuleiten, eine Abfindungssumme sei nicht mit ihrem Nennbetrag, sondern jeweils mit dem Wert, den die Abfindungssumme im Zeitpunkt der Rückzahlung unter Anwendung der RAGe hätte, zurückzuzahlen.

Auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Abfindungssumme eine Geldleistung ist, und die vom JAV abhängigen Geldleistungen regelmäßig nach § 579 RVO der Anpassung unterliegen, wird dieser Auffassung nicht zugestimmt. Da der Anspruch auf den Teil der Rente erloschen ist, an deren Stelle die Abfindung tritt (§ 609 Abs. 2 Satz 3 RVO), und demnach abgefundene Rententeile an Rentenanpassungen nicht teilnehmen (vgl. BSG 33, 145, 148), erhöht sich während des Abfindungszeitraumes auch die Abfindungssumme nicht. Es wäre nicht recht verständlich, daß dies aber bei einer vorzeitigen Rückzahlung der Fall sein soll. Dort, wo nach dem Willen des Gesetzgebers die Rentenanpassungen auch während des Abfindungszeitraumes wirksam werden sollen, ist dies ausdrücklich bestimmt worden. So wird bei einer Verletztenrente die Kinderzulage nicht mit abgefunden (§ 609 Abs. 1 RVO); die Kinderzulage für Kinder, die während des Abfindungszeitraumes hinzukommen, richtet sich nach der Rente, die der Verletzte vor der Abfindung bezogen hat. Für die Berechnung der Kinderzulage wird somit fingiert, als sei die Abfindung nicht erfolgt. Rentenanpassungen sind für die Berechnung der Kinderzulage auch insoweit zu berücksichtigen, als sie den abgefundenen Rententeil betreffen. Ähnliche, auf die vorzeitige Rückzahlung der Abfindungssumme bezogene Vorschriften fehlen jedoch. Ausgangspunkt für die Berechnung der nach den §§ 611 Abs. 2, 612 RVO zurückzuzahlenden Abfindungssumme ist daher der im bindenden Bescheid vom 23. April 1964 festgestellte Nennbetrag der Abfindungssumme von 26.122,10 DM.

Nach § 612 Abs. 1 und 2 RVO beschränkt sich die Rückzahlungspflicht der Klägerin nach der von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 1970 insoweit richtig vorgenommenen Berechnung auf 42 v.H. der Abfindungssumme, vermindert um weitere 10/12 von 10 v.H. der Abfindungssumme.

Das LSG hat daher die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen; ihre Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 95

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