Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Witwenausgleichsrente. Vorverlegung des Rentenbeginns
Orientierungssatz
Art 6 § 1 Abs 2 Satz 3 des KOVNOG 2 läßt es nicht zu, die Ausgleichsrente einer Klägerin, die diese im Juli 1965 beantragt hatte, schon vom 1. Januar 1964 an zu zahlen. Die Auffassung, daß der neue Anspruch auf Ausgleichsrente erst auf Grund der DVO zu § 33 BVG in der im Juli 1964 verkündeten Fassung vom 22. Juli 1964 festgestellt werden kann, trifft nicht zu. Die Vorschrift verlangt, daß der neue Anspruch "erst" auf Grund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden kann. Um eine erst auf Grund einer solchen Rechtsverordnung möglichen Feststellung handelt es sich nur, wenn die Feststellung des Anspruchs der Klägerin auf Ausgleichsrente nach § 41 BVG idF des KOVNOG 2 von einer durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Rechtsverordnung abhängig ist und vor Erlaß dieser Verordnung über den Anspruch der Klägerin überhaupt noch nicht hat entschieden werden können (Anschluß BSG 1968-06-11 10 RV 537/66 = KOV 1969, 47).
Normenkette
KOVNOG 2 Art. 6 § 1 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1964-02-21; BVG§33DV1961ÄndV 2 Fassung: 1964-07-22; BVG § 41 Abs. 3 Fassung: 1964-02-21; BVG§33DV Fassung: 1961-01-11; BVG§33DV 1961 Fassung: 1961-01-11
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 12.07.1967) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 15.02.1967) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 1967 und des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Februar 1967 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 2. Februar 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1966 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezieht Witwenrente aus der Invalidenversicherung und Witwenversorgung auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach ihrem im 2. Weltkrieg als Soldat gefallenen Ehemann. Gemäß dem 1. Neuordnungsgesetz (NOG) erhielt sie wegen der Erhöhung der Witwenrente aus der Invalidenversicherung durch die Rentenanpassungsgesetze (RAG) keine Witwenausgleichsrente mehr.
Im Juli 1965 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenausgleichsrente. Durch den Bescheid vom 2. Februar 1966 gewährte die Beklagte vom Beginn des Antragsmonats, dem 1. Juli 1965 an, eine Ausgleichsrente in Höhe von 4,- DM monatlich. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 1966), weil der Klägerin Ausgleichsrente nach dem 2. NOG nur auf Grund eines Antrags gewährt werden könne und dieser erst nach Ablauf eines Jahres seit der Verkündung des 2. NOG gestellt worden sei.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 15. Februar 1967 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Ausgleichsrente "ab 1. Januar 1964" zu zahlen. Es ist der Ansicht gewesen, die Ansprüche der Klägerin seien erst nach Erlaß der Rechtsverordnung zur Durchführung des § 33 BVG idF des 2. NOG klar zu beurteilen gewesen. Mithin komme es auf die Verkündung dieser Verordnung an. Die Frist zur Anmeldung sei erst am 31. Juli 1965 abgelaufen gewesen.
Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 12. Juli 1967 zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des SG bestätigt. Es hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Februar 1967 sowie das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 1967 aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.
Sie rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des Art. VI § 1 Abs. 2 des 2. NOG.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 1967 als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Ihr zulässiges Rechtsmittel mußte Erfolg haben.
Der Streit geht um die Auslegung des Art. VI § 1 Abs. 2 des 2. NOG. Dieser lautet:
"Im übrigen werden neue Ansprüche, die sich aus diesem Gesetz ergeben, nur auf Antrag festgestellt. Wird der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung dieses Gesetzes gestellt, so beginnt die Zahlung mit dem 1. Januar 1964, frühestens mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind. Sie beginnt mit demselben Zeitpunkt, wenn die neuen Ansprüche erst aufgrund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden können und der Antrag binnen eines Jahres nach Verkündung der Rechtsverordnung gestellt wird."
Wie das LSG zu Recht ausgeführt hat und zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenausgleichsrente ein neuer Anspruch, welcher auf den Bestimmungen des 2. NOG - der Neufassung des § 41 Abs. 3 BVG über die Anrechnung von Einkünften - beruht. Die Rechtsänderung führt auf Antrag zu einer Neufeststellung des Anspruchs gemäß § 62 BVG; die Leistung beginnt gemäß § 60 BVG mit dem Antragsmonat. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich die Ansprüche der Klägerin erst durch die zu erlassende und inzwischen erlassene Rechtsverordnung zu § 33 BVG abschließend haben beurteilen lassen. Mit dieser Auffassung befindet sich das LSG im Gegensatz zu den Entscheidungen des 9. Senats vom 22. Juni 1967 (9 RV 386/66) und des 10. Senats vom 11. Juni 1968 (10 RV 537/66).
Der 10. Senat hat hierzu folgendes ausgeführt:
"Art. VI § 1 Abs. 2 Satz 3 des 2. NOG läßt es nicht zu, die Ausgleichsrente der Klägerin schon vom 1. Januar 1964 an zu zahlen. Ihre Auffassung, daß der neue Anspruch auf Ausgleichsrente erst auf Grund der DVO zu § 33 BVG in der im Juli 1964 verkündeten Fassung vom 22. Juli 1964 habe festgestellt werden können, trifft nicht zu. Die Vorschrift verlangt, daß der neue Anspruch "erst" auf Grund einer nach diesem Gesetz zu erlassenden Rechtsverordnung festgestellt werden kann. Um eine erst auf Grund einer solchen Rechtsverordnung mögliche Feststellung würde es sich nur handeln, wenn die Feststellung des Anspruchs der Klägerin auf Ausgleichsrente nach § 41 BVG idF des 2. NOG von einer durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Rechtsverordnung abhängig gewesen wäre und vor Erlaß dieser Verordnung über den Anspruch der Klägerin überhaupt noch nicht hätte entschieden werden können. Die Ausgleichsrente der Klägerin hat aber nicht "erst" auf Grund einer nach dem 2. NOG noch zu erlassenden Rechtsverordnung, sondern schon nach dem § 41 BVG idF des 2. NOG und der zur Zeit des Inkrafttretens des 2. NOG noch geltenden DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19) festgestellt werden können; der neue Anspruch der Klägerin (Ausgleichsrente) konnte schon nach dem durch das 2. NOG neugefaßten § 41 festgestellt werden, insofern dieser eine Erhöhung der Ausgleichsrente und eine Vergünstigung bei der Anrechnung von Einkünften mit sich gebracht hatte. Bei der Beurteilung der Frage, ob der neue Anspruch von der Verwaltungsbehörde festgestellt werden kann, ist selbstverständlich nicht von den Rechtsvorstellungen der Klägerin auszugehen, so daß deren Meinung, wegen der unübersichtlichen Rechtslage hätte noch die Rechtsverordnung abgewartet werden müssen, unerheblich ist. Daß der neue Anspruch der Klägerin schon ohne die später erlassene DVO zu § 33 BVG vom 22. Juli 1964 festgestellt werden konnte, bestätigt letztlich die Tatsache, daß die Versorgungsbehörde den angefochtenen Bescheid ohne Anwendung irgendwelcher Vorschriften der DVO vom 22. Juli 1964 erlassen hat und die Klägerin gegen diesen Bescheid - abgesehen vom Beginn der Versorgungsleistung - auch keinerlei Vorstellungen erhoben hat.
Demnach sind die Voraussetzungen nach Art. VI § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 des 2. NOG für eine ausnahmsweise Vorverlegung des Rentenbeginns auf den 1. Januar 1964 nicht gegeben."
Der erkennende Senat tritt diesen Ausführungen bei und macht sie sich zu eigen.
Sowohl das SG als auch das LSG haben also zu Unrecht den Erlaß der Rechtsverordnung als maßgebenden Zeitpunkt angesehen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen konnten nicht aufrechterhalten bleiben. Vielmehr mußten die Verwaltungsbescheide, da sie richtig sind, wiederhergestellt werden, so daß die gegen sie gerichtete Klage - wie geschehen - abgewiesen werden mußte.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Fundstellen