Leitsatz (amtlich)
Soweit Vertretungszwang besteht, kann die Wiederaufnahmeklage beim BSG nur durch einen nach SGG § 166 Abs 2 bei diesem Gericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten erhoben werden.
Normenkette
SGG § 179 Fassung: 1953-09-03, § 166 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen das Urteil des Reichsversorgungsgerichts vom 9 . Dezember 1937 wird als unzulässig verworfen .
Die Beteiligten haben außergerichtliche Kosten einander nicht zu erstatten .
Von Rechts wegen .
Gründe
Der Kläger bezog nach dem ersten Weltkrieg Rente wegen Nervenschwäche mit Herzneurose als Folgen einer Verschüttung . Mit Berichtigungsbescheid vom 17 . Februar 1937 hob das Versorgungsamt K ... gemäß Art . 2 des 5 . Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 3 . Juli 1934 (RGBl . I S . 544) die früheren Bescheide über die Anerkennung der genannten Leiden auf und entzog die Rente , weil es sich beim Kläger von Anfang an um hypochondrische Vorstellungen und hysterische Reaktionen gehandelt habe . Das Reichsversorgungsgericht wies mit Urteil vom 9 . Dezember 1937 die Berufung des Klägers zurück .
Am 16 . Oktober 1948 hat der Kläger beim Oberbürgermeister K ..., Abt . KOV ., ein Wiederaufnahmeverfahren gegen den Bescheid vom 17 . Februar 1937 beantragt . Das Landesversorgungs- und Fürsorgeamt hat mit Schreiben vom 15 . Oktober 1949 die Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt , weil die Voraussetzungen des § 66 des Verfahrensgesetzes nicht gegeben seien und auch die Voraussetzungen für einen Zugunstenbescheid nach § 71 des Verfahrensgesetzes nicht vorlägen .
Auf den Einspruch des Klägers hat das Versorgungsgericht Koblenz mit Urteil vom 16 . Juli 1951 , zugestellt am 11 . August 1951 , entschieden : "Der Bescheid der Beklagten vom 15 . Oktober 1949 wird aufgehoben . Über das Wiederaufnahmeverfahren entscheidet das künftige Bundesversorgungsgericht . " Es hat ausgeführt , nach § 69 des Verfahrensgesetzes entscheide über die Wiederaufnahme die Stelle , die die aufzuhebende Entscheidung erlassen habe . Der Kläger begründe den Wiederaufnahmeantrag damit , das Reichsversorgungsgericht habe das Gutachten eines Arztes nicht richtig ausgelegt und deshalb auch nicht zutreffend verwertet (§ 66 Nr . 5 Verfahrensgesetz) . Das Landesversorgungsamt Rheinland-Pfalz sei für die Entscheidung über die Wiederaufnahme nicht zuständig . Der Bescheid vom 15 . Oktober 1949 sei deshalb aufzuheben .
Mit Schreiben vom 30 . August 1951 an das Versorgungsgericht hat der Kläger gebeten , seinen Wiederaufnahmeantrag vom 16 . Oktober 1948 an das Obere Bundesversorgungsgericht weiterzuleiten . Das Versorgungsgericht hat am 10 . September 1951 beim Kläger rückgefragt , ob er mit dem Schreiben vom 30 . August 1951 habe Rekurs einlegen oder nur die Wiederaufnahme des Verfahrens habe beantragen wollen . Der Kläger hat vor der Geschäftsstelle des Versorgungsgerichts am 13 . September 1951 erklärt , er habe nicht Rekurs einlegen , sondern lediglich seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens erneuern wollen . Die Geschäftsstelle hat ihm auf seine Bitte das Schreiben vom 30 . August 1951 ausgehändigt . Dieses , jetzt vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Schreiben vom 30 . April 1956 an das Bundessozialgericht übersandte Schreiben vom 30 . August 1951 trägt den Eingangsstempel des Versorgungsgerichts vom 14 . September 1951 . Nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht Koblenz den Kläger mit Schreiben vom 11 . Februar 1954 nach § 214 Abs . 4 SGG dahin belehrt , sein Rechtsmittel könne nur verfolgt werden , wenn er einen entsprechenden Antrag innerhalb von zwei Monaten stelle . Der Kläger hat daraufhin mit Schreiben vom 19 . Februar 1954 dem Sozialgericht mitgeteilt , er lege in seinem "Rechtsmittelverfahren (Versorgungsstreitsache vom 16 . Juli 1951) als Rechtsmittelkläger weiterhin Rekurs (Berufung) ein" . In einem anschließenden Schriftwechsel mit dem Landessozialgericht hat das Landesversorgungsamt (29 . Februar 1956) mitgeteilt , es sehe den Schriftsatz des Klägers vom 30 . August 1951 nicht als Berufung gegen das Urteil des Versorgungsgerichts vom 16 . Juli 1951 , sondern als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens an . Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 13 . März 1956 erklärt , er betreibe mit seinem Antrag vom August 1951 die Geltendmachung seines Wiederaufnahmeantrags vom 16 . Oktober 1948 .
Das Landessozialgericht hat die Sache am 30 . April , eingegangen am 2 . Mai 1956 , dem Bundessozialgericht übersandt mit der Stellungnahme , der Kläger wolle die Wiederaufnahme seines durch Urteil des Reichsversorgungsgerichts vom 9 . Dezember 1937 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens betreiben .
Der Beklagte beantragt ,
den Wiederaufnahmeantrag des Klägers wegen Fristversäumnis als unzulässig zu verwerfen ,
hilfsweise , ihn als unbegründet zurückzuweisen .
Die im Verfahren vor dem Bundessozialgericht vom Kläger zu seiner Vertretung beauftragten Rechtsanwälte haben mitgeteilt , sie hätten dem Kläger geraten , den Wiederaufnahmeantrag zurückzunehmen , er habe sich diesem Rat nicht angeschlossen und ihnen den Auftrag entzogen . Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben einen Antrag zur Sache nicht gestellt .
Die Klage auf Wiederaufnahme war als unzulässig zu verwerfen .
Nach § 166 Abs . 1 SGG müssen sich die Beteiligten , soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt , vor dem Bundessozialgericht durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen . Als Prozeßbevollmächtigte sind neben den in § 166 Abs . 2 SGG genannten Mitgliedern und Angestellten bestimmter Organisationen auch Rechtsanwälte zugelassen . § 166 steht zwar im SGG unter dem Abschnitt Revision , doch ist aus seinem allgemein gehaltenen Wortlaut - "vor dem Bundessozialgericht" - zu entnehmen , daß der Vertretungszwang auch für andere Verfahren vor dem Bundessozialgericht gilt . Ein unter Vertretungszwang stehender Beteiligter kann daher Prozeßhandlungen jeder Art vor dem Bundessozialgericht wirksam nur durch einen nach § 166 Abs . 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vornehmen (vgl . Baumbach , ZPO , 25 . Aufl ., 1 A zu § 78) .
Das Begehren des Klägers ist nach seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 13 . März 1956 und in seinen Eingaben an das Bundessozialgericht vom 6 . Dezember 1957 und 28 . Januar 1958 als Klage auf Wiederaufnahme des durch Urteil des Reichsversorgungsgerichts vom 9 . Dezember 1937 abgeschlossenen Verfahrens nach § 179 SGG aufzufassen . Hierauf sind die Vorschriften der §§ 578 bis 591 der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden .
Nach § 585 ZPO gelten für die Erhebung der Wiederaufnahmeklage und das weitere Verfahren die allgemeinen Vorschriften entsprechend , sofern sich nicht aus den Vorschriften des Gesetzes eine Abweichung ergibt . Das Verfahren richtet sich somit grundsätzlich nach den für die Instanz geltenden Vorschriften , bei der die Wiederaufnahmeklage zu erheben ist . Das bedeutet , daß auch für ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Bundessozialgericht Vertretungszwang besteht (vgl . Baumbach , a . a . O ., 1 zu § 585) . Nach § 589 ZPO hat das Gericht zu prüfen , ob die Wiederaufnahmeklage in der gesetzlichen Form erhoben ist . Der Kläger hat die Wiederaufnahmeklage nur durch von ihm selbst unterzeichnete Schriftsätze , nicht durch einen nach § 166 Abs . 2 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten erhoben . Die zeitweilige Vertretung durch Rechtsanwälte , ohne daß diese einen bestimmenden Schriftsatz eingereicht hätten , ist rechtlich ohne Belang . Die Wiederaufnahmeklage entspricht somit nicht den Vorschriften des § 585 ZPO in Verbindung mit §§ 179 , 166 SGG . Sie ist deshalb unzulässig und war aus diesem Grunde zu verwerfen , ohne daß geprüft werden konnte und brauchte , ob die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Bundessozialgericht nach §§ 578 , 580 , 584 , 586 , 587 ZPO überhaupt vorliegen .
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .
Fundstellen
Haufe-Index 2324336 |
BSGE, 55 |