Leitsatz (redaktionell)
Vor dem BSG besteht auch für Wiederaufnahmeklagen entsprechend der Vorschrift des SGG § 166 Vertretungszwang.
Normenkette
SGG § 166 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen das Urteil des Versorgungsgerichts in Mainz vom 14. Mai 1929 wird als unzulässig abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Das Versorgungsgericht in Mainz hat durch das rechtskräftig gewordene Urteil vom 14. Mai 1929 die Berufung der Klägerin gegen den Bescheid des Versorgungsamts Mainz vom 31. Juli 1928, mit welchem der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung nach ihrem am 24. Juni 1927 an Multipler Sklerose verstorbenen Ehemann abgelehnt worden war, als unbegründet abgewiesen. Es hat in der Begründung seiner Entscheidung auf das in der Versorgungssache des Ehemannes ergangene Urteil des Reichsversorgungsgerichts vom 16. November 1928, in dem der ursächliche Zusammenhang zwischen der Multiplen Sklerose und dem Wehrdienst des verstorbenen Ehemannes der Klägerin verneint worden war, Bezug genommen und auch den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Tod und einer Wehrdienstbeschädigung verneint.
Durch einen Schriftsatz ihres bevollmächtigten Sohnes vom 24. Juni 1960 hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG.) die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Hinterbliebenenversorgung beantragt. Sie hat demnach die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil des Versorgungsgerichts in Mainz vom 14. Mai 1929 geschlossenen Verfahrens begehrt. Die Wiederaufnahme begründet sie damit, daß ihr in jenem Verfahren keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu verteidigen; ihrer Berufung sei deshalb der Erfolg versagt geblieben, weil sie ohne Rechtsschutz war. Im übrigen aber habe das Gericht seine Entscheidung auf medizinische Theorien gestützt, die Art und den Ablauf der Krankheit aber nicht beachtet.
Die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens, die sich gemäß § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V. mit § 585 Zivilprozeßordnung nach den für das Verfahren vor dem BSG. allgemein geltenden Vorschriften richtet, ist unzulässig und mußte daher abgewiesen werden. Nach § 166 Abs. 1 SGG müssen sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, vor dem BSG. durch zugelassene Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen. Zu diesen gehören gem. § 166 Abs. 2 SGG die durch Vollmacht oder Satzung zur Prozeßvertretung befugten Mitglieder und Angestellten von Gewerkschaften und anderer in dieser Vorschrift genannten Vereinigungen sowie Rechtsanwälte. Diese Vorschrift gilt auch für Wiederaufnahmeklagen vor dem BSG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 166 SGG unmittelbar oder lediglich entsprechend bei Wiederaufnahmeklagen vor dem BSG. anzuwenden ist. Für eine unmittelbare Anwendung spricht, daß diese Vorschrift trotz ihrer Stellung im Unterabschnitt "Revision" dem Wortlaut nach nicht auf Revisionsverfahren beschränkt ist (SozR. SGG § 166 Bl. Da 9 Nr. 23). Selbst wenn Bedenken gegen die unmittelbare Anwendung bei Wiederaufnahmeklagen bestehen sollten, dann ist diese Vorschrift jedenfalls entsprechend anzuwenden, weil in ihr der allgemeine Gedanke des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, daß vor dem BSG. der Vertretungszwang für alle Streitverfahren bestehen soll und Prozeßhandlungen jeder Art wirksam nur durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vorgenommen werden können.
Die Klägerin hat die Wiederaufnahmeklage nur durch einen von ihrem Sohn unterzeichneten Schriftsatz und nicht durch einen nach § 166 SGG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eingelegt. Die Wiederaufnahmeklage entspricht somit nicht der Vorschrift des § 166 SGG. Sie ist deshalb unzulässig und war aus diesem Grunde abzuweisen, ohne daß weiter geprüft zu werden brauchte, ob sie noch aus anderen Gründen abzuweisen war und insbesondere ob das BSG. überhaupt für die Wiederaufnahmeklage zuständig war.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht in Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen