Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung der Unfallrente. Wiederbewilligung. wichtiger Grund

 

Orientierungssatz

1. Die Unterschiede zwischen der Abfindungsregelung alten und neuen Rechts sind bei größeren Renten so tiefgreifend, daß bei einer noch vor dem 1963-07-01 abgefundenen Rente die neue Regelung des RVO § 611 Abs 2 trotz UVNG Art 4 § 2 Abs 1 nicht übernommen werden kann (Anschluß BSG 1973-07-31 5 RKnU 29/71 = BSGE 36, 107).

2. Da die UVAbfV 2 einen ganz andersartigen Abfindungsvorgang als das neue Recht regelte, handelt es sich insoweit nicht um eine iS des UVNG Art 4 § 16 Abs 2 diesem Gesetz entgegenstehende Vorschrift, die mit dem Inkrafttreten des UVNG außer Kraft getreten ist.

3. Als wichtige Gründe iS der UVAbfV § 10 S 1 sind nur solche Umstände anzusehen, die in ihrer Bedeutung jedenfalls annähernd dem Beispielsfall entsprechen, daß der Verletzte zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit das Grundstück weiterveräußert. In den nachträglichen Rentenerhöhungen ist kein Umstand zu sehen, der in seiner Bedeutung für den Verletzten dem Beispielfall eines wichtigen Grundes - Weiterveräußerung des Grundstücks zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit - annähernd entspricht.

 

Normenkette

RVO § 611 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 616 Fassung: 1925-07-14, § 618a Fassung: 1925-07-14; UVAbfV 2 § 10 S. 1 Fassung: 1928-02-10; UVNG Art. 4 § 16 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30, § 2 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 06.04.1977; Aktenzeichen L 2 Ua 163/76)

SG Ulm (Entscheidung vom 18.12.1975; Aktenzeichen S 4 U 1588/72)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 6. April 1977 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin hat als Rechtsnachfolgerin ihres 1907 geborenen und während des Revisionsverfahrens gestorbenen Ehemannes A R (R.) den unterbrochenen Rechtsstreit fortgesetzt.

R. erhielt wegen der Folgen eines 1949 erlittenen Arbeitsunfalles von der Beklagten Dauerrente in Höhe der Vollrente. Durch Bescheid vom 25. August 1953 gewährte ihm die Beklagte - seinem Antrag entsprechend - zur Teilfinanzierung eines Dreifamilienhauses eine Teilabfindung im Betrage des 8,1-fachen von 35 vH der Rente (7.249,50 DM).

Einen im Juli 1963 gestellten Antrag auf Wiederbewilligung der Vollrente lehnte die Beklagte ab; die hiergegen erhobene Klage nahm R. zurück. Im Juli 1969 wiederholte R. diesen Antrag. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag durch Bescheid vom 27.Dezember 1971 und Widerspruchsbescheid vom 26. September 1975 mit der Begründung ab, wichtige Gründe iS des § 10 der Zweiten Verordnung des Reichsarbeitsministers betreffend die Abfindungen von Unfallrenten vom 10. Februar 1928 - RGBl I 22 - (2. UV-AbfindungsVO) lägen nicht vor.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 18.Dezember 1975 abgewiesen, da die Beklagte zu Recht keinen wichtigen Grund als vorliegend erachtet habe, der zur Wiederbewilligung der durch Abfindung erloschenen Rententeile gegen Rückzahlung der Abfindungssumme führen könne.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 6. April 1977 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach § 611 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) könne zwar auf Antrag des Abgefundenen die durch die Abfindung erloschene Verletztenrente gegen Rückzahlung der Abfindungssumme wiederbewilligt werden. Diese Vorschrift gelte gemäß Art 4 § 2 Abs 1 UVNG vom 30. April 1963 - BGBl I 241 - zwar auch für Arbeitsunfälle, die vor dem 1. Juli 1963 eingetreten seien. Dies bedeute aber insbesondere wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen der Abfindung nach neuem und alten Recht nur, daß diese Vorschrift Anwendung finde auf nach dem 30. Juni 1963 erfolgte Abfindungen von Verletztenrenten, die für Unfälle auch aus der Zeit vor dem 1. Juli 1963 gewährt worden seien. Maßgebend für die Wiederbewilligung der Rente sei deshalb im vorliegenden Fall noch § 10 der 2. UV-AbfindungsVO von 1928. Ein wichtiger Grund für die Wiederbewilligung des abgefundenen Rententeils iS dieser Vorschrift liege nicht vor: Die zu Ungunsten des Abgefundenen bestehende Risikoverteilung bei der Abfindung nach altem Recht - Abfindungssumme anstelle einer Rente auf Lebenszeit - sei in der VO ausdrücklich vorgesehen gewesen. Die Verstärkung des von Anfang an erkennbaren ungleichen Risikos dadurch, daß seit der Abfindung die Renten stark erhöht worden seien, werde ua dadurch ausgeglichen, daß der Abgefundene infolge des durch die Abfindung erworbenen Grundbesitzes einen bleibenden Wert erhalten habe, der ebenfalls einen Wertzuwachs erfahre. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Abgefundenen könne zwar einen wichtigen Grund bilden. Diese Voraussetzung sei hier jedoch nicht gegeben. Dies gelte auch, wenn - wie vorgetragen - im Zeitpunkt der Abfindung zwei Kinder und die Ehefrau zum Unterhalt des Abgefundenen hätten beitragen müssen und jetzt hierzu nicht mehr in der Lage wären. Denn diese Entwicklung habe der Abgefundene bereits im Zeitpunkt der Abfindung voraussehen können. Da hiernach ein wichtiger Grund für die Wiederbewilligung des abgefundenen Rententeils nicht vorliege, könne ungeprüft bleiben, ob die Ablehnung iS des § 10 Satz 2 der 2. UV-AbfindungsVO eine unbillige Härte bedeuten würde.

Zur Begründung der vom LSG zugelassenen Revision wird vorgebracht: Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil sei § 611 Abs 2 RVO nF auf den vorliegenden Fall anzuwenden, jedenfalls lägen aber wichtige Gründe iS des § 10 der 2. UV-AbfindungsVO vor, außerdem sei unabhängig davon eine unbillige Härte zu berücksichtigen, die in der Versagung der Wiederbewilligung liege.

Die Revisionsklägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts sowie den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26. September 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Die Berufung ist nicht nach § 145 Nr 4 SGG ausgeschlossen; der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist nicht streitig, wie schon das LSG zutreffend ausgeführt hat. Die Berufung wäre nach dieser Vorschrift allerdings unzulässig, wenn sie die Neufeststellung der Dauerrente "wegen Änderung der Verhältnisse" (s § 622 Abs 1 RVO) beträfe, da weder die Schwerbeschädigteneigenschaft noch die Gewährung der Rente davon abhängt (65 vH der Rente wurden weiterhin gezahlt). Ein Fall des für Abfindungen nach der 2. UV-AbfindungsVO entsprechend geltenden § 616 Abs 3 RVO aF (s § 3 Satz 4 der VO, jetzt § 605 RVO nF), in dem die Berufung ausgeschlossen ist (BSG SozR Nr 12 zu § 145 SGG), liegt jedoch nicht vor; es geht hier nicht um eine wesentliche Verschlimmerung der Unfallfolgen. Die Wiederbewilligung der durch die Abfindung erloschenen Rente gemäß § 611 Abs 2 RVO nF, den die Revision für anwendbar hält, ist von einer Veränderung der Verhältnisse iS der §§ 145 Nr 4 SGG, 622 Abs 1 RVO nicht abhängig. Nach § 10 der 2. UV-AbfindungsVO, der nach der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen im vorliegenden Fall noch anzuwenden ist, kann dem Abgefundenen auf Antrag die erloschene Rente gegen Rückzahlung der Abfindungssumme zwar nur wiederbewilligt werden, wenn er zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit das Grundstück weiterveräußert oder wenn, was hier allein in Betracht kommt, andere wichtige Gründe vorliegen. Welche anderen Gründe für die Wiederbewilligung der Rente wichtig sind, ist jedoch in der VO oder an anderer Stelle nicht umschrieben; es ist auch nicht festgelegt, daß sie nur in einer Änderung der Verhältnisse liegen könnten. Denknotwendig müssen solche Gründe nicht nachträglich eingetreten sein. Die Berufung ist deshalb unabhängig davon zulässig, welche Gründe nach dem Vorbringen des - mit der Rechtslage im einzelnen meist nicht vertrauten - Abgefundenen für die Wiederbewilligung maßgebend sein sollen, zumal da im vorliegenden Fall der Anspruch auch auf § 611 Abs 2 RVO nF gestützt wird.

Mit Recht haben die Vorinstanzen einen Anspruch auf Wiederbewilligung der Rente in Höhe von 35 vH der Vollrente, die durch die Abfindung erloschen ist, verneint.

§ 611 Abs 2 RVO nF sieht vor, daß dem Verletzten vor Ablauf von 10 Jahren gegen Rückzahlung der Abfindungssumme die durch die Abfindung erloschene Rente wieder bewilligt werden kann. Diese Vorschrift ist jedoch, wie das LSG mit Recht angenommen hat, entgegen der Auffassung der Revision auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Nach Art 4 § 2 Abs 1 UVNG gelten ua die §§ 604 bis 618 RVO nF (Vorschriften über Abfindungen) zwar auch für Arbeitsunfälle, die - wie hier - vor dem Inkrafttreten des UVNG eingetreten sind. Die §§ 608 ff RVO beziehen sich aber nur auf Abfindungen nach § 607 RVO, so daß § 611 Abs 2 RVO auf Abfindungen, die nach dem Inkrafttreten des UVNG vorgenommen worden sind, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Arbeitsunfalls, grundsätzlich jedoch nicht auf Renten anwendbar ist, die nach § 618a RVO aF iVm der 2. UV-AbfindungsVO vor dem Inkrafttreten des UVNG abgefunden worden sind (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 9. Aufl, S 595 mN; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, Anm 12 zu § 611, 10 zu § 609; Bereiter-Hahn/Schieke, Unfallversicherung, 4. Aufl, RdNr 1 zu § 607; s auch BSGE 36, 107). Wie der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits in seinem Urteil vom 31.Juli 1973 (aaO) ausgesprochen hat, sind die Unterschiede zwischen der Abfindungsregelung alten und neuen Rechts bei größeren Renten so tiefgreifend, daß bei einer noch vor dem 1. Juli 1963 abgefundenen Rente die neue Regelung des § 611 Abs 2 RVO trotz Art 4 § 2 Abs 1 UVNG nicht übernommen werden kann. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Nach der 2. UV-AbfindungsVO war zum Erwerb von Grundbesitz oder zur wirtschaftlichen Stärkung bereits vorhandenen Grundbesitzes eine volle Kapitalabfindung auf Lebenszeit bei Renten von weniger als der Hälfte der Vollrente, eine Abfindung bis zu zwei Dritteln bei höheren Renten möglich (§ 618a RVO aF iVm § 3 der 2. UV-AbfindungsVO). Demgegenüber kann zu diesen Zwecken nach neuem Recht eine Rente nur bis zur Hälfte abgefunden werden (§§ 607 Abs 1, 609 Abs 1 RVO); auch handelt es sich nach neuem Recht nicht um eine eigentliche Rentenabfindung, sondern um eine nur teilweise und zeitlich beschränkte Rentenkapitalisierung (Brackmann aaO s 594; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 640 S 4); denn nach § 609 Abs 2 RVO ist die Abfindung auf die Verletztenrente für einen Zeitraum von 10 Jahren beschränkt, so daß die Wiederbewilligung nur in den ersten 10 Jahren möglich ist (§ 611 Abs 2 RVO), danach lebt die "erloschene" Rente wieder auf. Anders als bei der Kapitalabfindung nach der 2. UV-AbfindungsVO (Rückzahlung der vollen Abfindungssumme) ist in § 612 Abs 1 RVO folgerichtig auch die Rückzahlungsverpflichtung mit fortschreitendem Zeitablauf zunehmend beschränkt. Diese neue Regelung paßt nicht für die größeren Dauerrenten, die nach früherem Recht - ganz oder zum Teil - auf Lebenszeit abgefunden worden sind (BSG aaO S 109). Da somit die 2. UV-AbfindungsVO einen ganz andersartigen Abfindungsvorgang als das neue Recht regelte, handelt es sich insoweit nicht um eine iS des Art 4 § 16 Abs 2 UVNG diesem Gesetz entgegenstehende Vorschrift, die mit dem Inkrafttreten des UVNG außer Kraft getreten ist (BSG aaO); unter den in Art 4 § 16 Abs 2 UVNG Nrn 1 bis 14 als "insbesondere" außer Kraft getreten bezeichneten Vorschriften ist die 2. UV-AbfindungsVO demgemäß auch nicht angeführt. Die tiefgreifenden Unterschiede zwischen altem und neuem Recht bestehen, wie dargelegt, allgemein und nicht nur hinsichtlich der voll abgefundenen Renten von 45 vH der Vollrente, über deren Wiederbewilligung wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen der 5.Senat des BSG (aaO) zu entscheiden hatte. Der 5. Senat hat die Weitergeltung der 2. UV-AbfindungsVO für Abfindungen vor dem 1. Juli 1963 nicht grundsätzlich in Frage gestellt, ihre Anwendung vielmehr bejaht und lediglich angenommen, daß in § 3 Satz 4 der VO bei Verschlimmerung der Unfallfolgen anstelle der vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 616 Abs 3 RVO aF nunmehr - seit Inkrafttreten des UVNG - die entsprechende Anwendung des § 605 RVO nF als angeordnet anzusehen sei (aaO S 110).

§ 10 Satz 1 der hiernach im vorliegenden Fall noch anzuwendenden 2. UV-AbfindungsVO stellt die Entscheidung in das Ermessen des Versicherungsträgers: dem Abgefundenen kann auf Antrag die durch die Abfindung erloschene Rente gegen Rückzahlung der Abfindungssumme - aus wichtigen Gründen - wiederbewilligt werden (zur Ermessensentscheidung gemäß § 611 RVO nF vgl BSG SozR 2200 § 611 Nr 2; Brackmann aaO, S 596e; Lauterbach aaO, Anm 6 zu § 611). Die Überprüfung des angefochtenen Bescheides ist daher grundsätzlich darauf beschränkt, ob die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs 2 Satz 2 SGG). Allerdings ist die Wiederbewilligung nach Satz 1 des § 10 der VO nur möglich, wenn der Abgefundene zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit das Grundstück weiterveräußert oder wenn andere wichtige Gründe vorliegen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob ein allein hier in Betracht kommender anderer "wichtiger Grund" als unbestimmter Rechtsbegriff von den Gerichten voll nachprüfbar ist oder ob der Begriff in den Ermessensbereich hineinragt und somit lediglich den Inhalt sowie die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens des Versicherungsträgers bestimmt (vgl insoweit zum Begriff des Härtefalles BSGE 34, 269; BSG SozR 2200 § 602 Nr 1; Brackmann aaO S 592; zum Begriff der Unbilligkeit GmS OGB in NJW 1972, 1411 = DVBl 1972, 604). Denn der Bescheid der Beklagten, durch den sie die Wiedergewährung der Rente abgelehnt hat, ist auch, wenn die Frage, ob ein wichtiger Grund vorgelegen hat, gerichtlich in vollem Umfang geprüft wird, nicht rechtswidrig.

In § 10 Satz 1 der 2. UV-AbfindungsVO sind "andere wichtige Gründe" für die Wiederbewilligung der Rente sprachlich verbunden mit dem besonders angeführten Sachverhalt, der nach der Vorstellung des Verordnungsgebers als wichtiger Grund zur Wiedergewährung führen kann. Es ist deshalb davon auszugehen, daß grundsätzlich als wichtige Gründe iS der VO nur solche Umstände anzusehen sind, die in ihrer Bedeutung jedenfalls annähernd dem Beispielsfall entsprechen, daß der Verletzte zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit das Grundstück weiterveräußert. Solche wichtigen Gründe haben nach den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LSG, die nicht wirksam mit Verfahrensrügen angegriffen und deshalb für das BSG bindend sind (§§ 163, 170 Abs 3 Satz 1 SGG), nicht vorgelegen. Hiernach war die wirtschaftliche Existenz des Verletzten durch die Versagung der Wiedergewährung des abgefundenen Rententeils von 35 vH der Vollrente - gegen Rückzahlung der Abfindungssumme - nicht gefährdet. Er war weiterhin Eigentümer des durch die Teilabfindung mitfinanzierten Hauses auf seinem Grundstück. Es ist auch weder festgestellt noch vorgetragen, daß er im Hinblick auf geringe Einkünfte Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen hätte. Auch deshalb hat das LSG im Ergebnis zutreffend darin, daß die Klägerin und zwei der Kinder - anders als noch zur Zeit der Abfindung - nicht mehr zum Unterhalt des Verletzten beitragen konnten, keine wichtigen Gründe gesehen. Solche, den konkreten Fall betreffende wichtige Gründe iS der UV-AbfindungsVO liegen auch nicht in den - allgemeinen - Umständen, die von der Revision unter dem Gesichtspunkt des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" geltend gemacht werden. Dem Verletzten war bekannt, daß es sich um eine Kapitalabfindung eines Teiles der Rente auf Lebenszeit und nicht lediglich um eine teilweise, zeitlich begrenzte Rentenkapitalisierung handelte. Aus dem Abfindungsbescheid war auch zu ersehen, daß bei der Berechnung des Abfindungskapitals das 8,1-fach der abzufindenden Jahresrente zugrunde gelegt wurde (s auch § 4 Satz 1 2. UV-AbfindungsVO iVm § 1 Abschn I der Verordnung des RAM betr Abfindungen für Unfallrenten vom 14. Juni 1926 - RGBl I 555 -). Die Revision ist der Auffassung, es müsse demgegenüber berücksichtigt werden, daß der Verletzte im Jahre 1953 nicht mit den später eingetretenen erheblichen Rentenerhöhungen habe rechnen können und insofern eine erhebliche Verstärkung des von Anfang an erkennbar gewesenen ungleichen Risikos eingetreten sei. Das LSG hat jedoch im Ergebnis zutreffend angenommen, daß auch insoweit kein wichtiger Grund gegeben ist, der zur Wiederbewilligung des abgefundenen Rententeils im vorliegenden Fall führen kann. Daß der Verletzte nur mit dem ihm verbliebenen, nicht aber mit dem abgefundenen Rententeil an den Erhöhungen der Unfallrenten durch laufende Anpassung (s § 579 RVO) teilgenommen hat, ist ein Umstand, der grundsätzlich auf alle Verletzten zutrifft, die nach altem Recht unter vergleichbaren Voraussetzungen abgefunden worden sind. Mit Recht hat das LSG darauf hingewiesen, daß wegen des Risikos des Verletzten, bei längerer Lebensdauer uU einen höheren Betrag als die Abfindungssumme zu verlieren, die Abfindung in diesen Fällen nur zum Erwerb von Grundbesitz oder zur wirtschaftlichen Stärkung bereits vorhandenen eigenen Grundbesitzes zugelassen war, da grundsätzlich zu erwarten war, daß bei einer allgemeinen Teuerung auch der Grundbesitz einen Wertzuwachs erhält. Da in den nachträglichen Rentenerhöhungen kein Umstand zu sehen ist, der in seiner Bedeutung für den Verletzten dem Beispielfall eines wichtigen Grundes - Weiterveräußerung des Grundstücks zur Erlangung einer anderen Erwerbsmöglichkeit - annähernd entspricht, hat die Beklagte die Wiederbewilligung mit Recht abgelehnt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Revision zutrifft, auch ohne Vorliegen wichtiger Gründe dürfe der Antrag nicht abgelehnt werden, wenn dies eine unbillige Härte für den Verletzten bedeuten würde. Selbst wenn dieser Auslegung der Sätze 1 und 2 des § 10 2. UV-AbfindungsVO zu folgen wäre, ist die Ablehnung nicht rechtswidrig, da die hier vorliegenden Verhältnisse, welche die Annahme eines wichtigen Grundes nicht rechtfertigen, auch für das Vorliegen einer unbilligen Härte nicht ausreichen.

Die Revision war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659330

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