Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 13. Januar 1982 bis zum 31. Dezember 1983 die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zusteht.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist als Deutscher in Oberschlesien aufgewachsen. Er legte das Abitur ab und besuchte anschließend die Staatliche Bergbauschule, die er mit der Diplomprüfung als Bergbau-Techniker abschloß. Von da an ist er in Oberschlesien im dortigen Bergbau bis zu einem am 12. April 1980 erlittenen Arbeitsunfall tätig gewesen, zuletzt als Abteilungssteiger unter Tage. Seitdem ist er nicht mehr berufstätig. Der Kläger übersiedelte am 21. Juli 1980 in die Bundesrepublik Deutschland und ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 23. Juni 1982 und Widerspruchsbescheid vom 16. September 1982 ab.
Das Sozialgericht (SG) Kiel hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, dem Kläger vom Beginn der 27. Woche an (22. Juli 1981 bis zum 31. Dezember 1983) Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren und die Berufung zugelassen (Urteil vom 10. Juli 1985). Auf die Berufung der Beklagten hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 11. Februar 1987 das Urteil des SG geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt, der Kläger könne zwar aus gesundheitlichen Gründen die Tätigkeit eines Abteilungssteigers nicht mehr ausüben. Er sei aber sowohl gesundheitlich als auch nach seinen fachlichen Fertigkeiten in der Lage, zumutbare Arbeiten nach der Tarifgruppe 13 für technische Angestellte über Tage nach der Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus zu verrichten. Die einem beruflichen Einsatz bis Ende 1983 entgegenstehende mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (SozR 2200 § 1246 Nr. 61 und Urteile vom 6. Oktober 1982 - 4 RJ 91/81 - und vom 29. Juni 1984 - 4 RJ 3/84 -) unbeachtlich.
Gegen das Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision des Klägers. Er ist der Auffassung, das Versäumnis des Gesetzgebers, Bestimmungen über die Behandlung "sprachlich Geschädigter" zu treffen, müsse durch die Rechtsprechung korrigiert werden. Deshalb seien die mangelnden Sprachkenntnisse bei der Feststellung noch vorhandener beruflicher Einsatzmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Der Kläger stellte keinen förmlichen Antrag; er begehrt sinngemäß, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig. Sie genügt, obwohl weder die Revisionsschrift noch die Revisionsbegründungsschrift einen förmlichen Antrag enthalten, den Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ein "bestimmter Antrag" i.S. der genannten Vorschrift ist jedenfalls dann gestellt, wenn sich Umfang und Ziel der Revision aus der Revisionsbegründung eindeutig entnehmen lassen (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 8, 10). Der Kläger wendet sich gegen die Abweisung der Klage durch das LSG in dem Umfang, wie ihr das SG stattgegeben hat. Damit ist in der Revisionsbegründung ein hinreichender Antrag gestellt.
Die Revision ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit.
Anknüpfungspunkt für die Knappschaftsrente wegen BU i.S. des § 46 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) ist der bisherige Beruf des Klägers, hier die zuletzt in seiner Heimat verrichtete Tätigkeit eines Abteilungssteigers. Dieser Annahme steht es nicht entgegen, daß der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit nicht im Geltungsbereich des RKG, sondern ausschließlich im Ausland ausgeübt hat. Die in Oberschlesien zurückgelegten Beschäftigungszeiten fallen unter den Geltungsbereich des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) vom 9. Oktober 1975 (BGBl. II 1976, 396). Diese Zeiten sind nach Art 4 Abs. 2 DPSVA so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet des ersten Staates (hier der Bundesrepublik) zurückgelegt worden wären. Hierbei mag es sich, wofür insbesondere die Gesetzesmaterialien zum DPSVA sprechen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Vertragsgesetzes BT-Drucks 7/4310 S. 6 zu Art 2; Denkschrift zum Abkommen und zur Vereinbarung S. 15 unter …und S. 15/16 unter A II), lediglich um eine Regelung zur Gleichstellung von Zeiten, nicht jedoch auch hinsichtlich einer Gleichstellung des bisher ausgeübten Berufes in fachlicher Hinsicht handeln. Dies braucht der Senat jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Denn nach Art 2 Abs. 1 des Gesetzes zum DPSVA vom 12. März 1976 (BGBl. II 1976, S. 393) in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung (vgl. die Änderung durch das Rentenreformgesetz vom 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2375 zu Art 20) sind Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung Berücksichtigung finden, gemäß Art 4 Abs. 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrentenund Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I S. 93) zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich des Gesetzes wohnt. Damit sind auf die vom Kläger in Polen zurückgelegte Versicherungszeit die §§ 14ff. des Fremdrentengesetzes (-FRG- = Art 1 FANG) entsprechend anwendbar.
Der erkennende Senat teilt die vom 5a Senat mit Urteil vom 13. März 1985 (BSG SozR 2600 § 46 Nr. 15 S. 36; vgl. auch BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158) vertretene Auffassung, daß der in § 15 FRG zum Ausdruck gekommene Eingliederungsgrundsatz, von dem auch das DPSVA ausgeht (vgl. Denkschrift hierzu: BT-Drucks 7/4310 vom 14. November 1975), es erfordert, neben den im Ausland zurückgelegten Versicherungszeiten auch die dort ausgeübte Tätigkeit so zu berücksichtigen, als wäre sie im Geltungsbereich des RKG zurückgelegt. Anders als seine Vorläuferregelungen wird das seit dem 1. Januar 1959 geltende FRG vornehmlich von dem Gedanken der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge in die neue Heimat beherrscht und ersetzt damit die ehemals reine Entschädigungsregelung (BSG-GS-E 49, 175, 184 = SozR 5050 § 15 Nr. 13 S. 40). Das Prinzip der Eingliederung bestimmt auch den Anwendungsbereich des § 1 FRG (BSG-GS-E 60, 100, 106, 107 = SozR 5050 Nr. 32 S. 104). Dieser die fremdrentenrechtliche Gesamtregelung der §§ 14ff. FRG tragende Rechtsgedanke besagt, daß die in den Geltungsbereich des FRG zuziehenden Berechtigten rentenrechtlich so gestellt werden sollen, als ob sie im Inland beschäftigt gewesen wären und hier ihr Arbeits- und Versicherungsleben zurückgelegt hätten (BSG - GS - E 49, 175, 184 = SozR 5050 § 15 Nr. 13; BSG - GS - E 60, 100, 106 = SozR a.a.O. Nr. 32; BSG - GS - E 62, 255, 266 = SozR a.a.O. § 15 Nr. 35; BSG SozR 3 2200 § 1291 Nr. 1). Dieser Grundgedanke wäre nur unvollständig verwirklicht, wenn § 15 FRG ausschließlich als Regelung zur Gleichstellung von Beitragszeiten für die Erfüllung der Wartezeit und die Rentenberechnung verstanden würde. Vielmehr ist, worauf schon die Bewertung der Zeiten bei der Rentenberechnung nach Leistungsgruppen, die der Qualität der bisherigen Beschäftigung entsprechen, hinweist (§ 22 FRG mit Anlage 1), der bisherige Beruf beim Berufsschutz auch in fachlicher Hinsicht zu berücksichtigen.
Der Zuerkennung des qualifizierten Berufsschutzes steht es nicht entgegen, daß der Kläger, wie seitens des LSG festgestellt, den bisherigen Beruf im streitigen Zeitraum nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern allein schon wegen unzureichender deutscher Sprachkenntnisse nicht konkurrenzfähig hätte ausüben können. Denn es ist von der Berufstätigkeit auszugehen, die der Kläger außerhalb des Geltungsbereiches des RKG verrichtet hatte. Demgegenüber kann es nicht darauf ankommen, daß die von ihm erworbenen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zwar im Inland verwertbar sind, der berufliche Einsatz aber, bedingt durch seine Sprachkenntnisse, auf den polnischen Sprachraum begrenzt ist. Wären hinreichende deutsche Sprachkenntnisse als allgemeines Qualitätsmerkmal für die Zuerkennung eines qualifizierten Berufsschutzes erforderlich, so liefe die Zielvorstellung des Gesetzgebers, die zugewanderten Personen durch die in §§ 14ff. FRG getroffene Regelung rentenrechtlich so zu stellen, "als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären" (Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf eines FANG, BT-Drucks 3/1109, Allgemeiner Teil S. 36), für den betroffenen Personenkreis hinsichtlich der Erlangung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit weitgehend leer. Zudem käme es zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß zwar bei der Rentenberechnung eine Berücksichtigung der zurückgelegten Zeiten nach qualitativen Merkmalen erfolgt, dieselbe fachliche Qualifikation jedoch bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 46 RKG unberücksichtigt bleibt. Es entspricht deshalb der Gleichstellungsregelung des § 15 FRG, es als unbeachtlich anzusehen, ob der Fremdrentner über ausreichende Kenntnise der deutschen Sprache zur Ausübung des Hauptberufes verfügt.
Für die Gleichstellung ist allerdings eine gleichartige Bezeichnung des Berufes in beiden Staaten nicht ausreichend. Sie erfordert vielmehr eine qualitative Prüfung und Einordnung in das innerstaatliche Mehrstufenschema, um einer Überbewertung der ausländischen Beschäftigung entgegenzuwirken (BSG SozR 2600 § 46 Nr. 15 S. 36). Die Feststellungen des LSG bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Tätigkeit des Klägers in Polen nicht dem Berufsbild eines Abteilungssteigers der Tarifgruppe 05 der Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der ab 1. Oktober 1981 gültigen Fassung entsprochen hätte. Zur Ausübung dieser Tätigkeit ist der Kläger indessen nicht mehr in der Lage. Davon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus.
Gleichwohl steht dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu. Nach der zutreffenden Entscheidung des Berufungsgerichts ist er auf Tätigkeiten nach der Tarifgruppe 13 für technische Angestellte über Tage nach der Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus verweisbar. Ausgangspunkt für die Beurteilung eines gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG zumutbaren und damit des die Berufsunfähigkeit ausschließenden Verweisungsberufs ist der bisherige Beruf des Versicherten, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ein abgestuftes Berufsgruppenschema zugrunde zu legen und grundsätzlich von der Tätigkeit auszugehen ist, die im Arbeitsleben des Versicherten den qualitativ höchsten Wert verkörpert (vgl. u.a. BSG SozR 2600 § 46 Nrn 3, 5, 7 sowie zu der § 46 Abs. 2 Satz 2 RKG wortgleichen Vorschrift des § 1246 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 140, 143, 151 m.w.N.). Dieses Mehrstufenschema gliedert die Angestelltenberufe nach verschiedenen "Leitberufen", nämlich demjenigen des unausgebildeten Angestellten, des Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und des Angestellten mit einer längeren Ausbildung (BSGE 55, 45, 50 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107; BSGE 57, 291, 297ff. = SozR a.a.O. Nr. 126). Schließlich sind in einer obersten Gruppe der Angestelltenberufe Berufe von hoher Qualität zusammengefaßt worden, die regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht, und in denen ein Arbeitsentgelt oberhalb, an oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt wird (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1). Insoweit hatte die Rechtsprechung zur knappschaftlichen Rentenversicherung bereits früher entschieden, daß leitende Angestellte, insbesondere solche in Führungspositionen, bei die Beitragsbemessungsgrenze überschreitendem Bruttoarbeitsentgelt, in eine Gruppe zusammenzufassen sind (für den Grubeninspektor im Bergbau: BSGE 48, 202, 204f. = SozR 2600 § 46 Nr. 3; BSG-Urteile vom 20. Juni 1979 - 5 RKn 25/75 und vom 27. März 1988 - 5a RKn 22/83 -).
Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden. Denn das Gesetz sieht den Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Es verlangt vielmehr, daß der Versicherte, ausgehend von diesem Beruf, einen "zumutbaren" beruflichen Abstieg in Kauf nimmt. Erst wenn der Versicherte in diesem Sinne nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann - sei es, daß es eine solche Tätigkeit (objektiv) nicht gibt, sei es, daß er (subjektiv) aus gesundheitlichen Gründen oder wegen fehlender (nicht ausreichender) Kenntnisse und Fähigkeiten eine solche Tätigkeit nicht zu verrichten vermag -, ist er berufsunfähig (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.).
Der Kläger ist nach den Feststellungen des LSG gesundheitlich in der Lage, den o.a. Verweisungsberuf auszuüben. Er besitzt auch die für diese Tätigkeit erforderlichen Fertigkeiten. Die in Gruppe 13 genannten Tätigkeiten erfordern in der Regel eine Meisterausbildung oder eine Fachausbildung mit zusätzlicher Ausbildung oder eine entsprechende Berufserfahrung. Diese Angestellten beaufsichtigen mit gewisser Selbständigkeit einen begrenzten Bereich mit vorwiegend Facharbeiten oder einen nach Umfang größeren Bereich einfacher Art. Die genannten Tätigkeiten sind unter Berücksichtigung des hohen qualitativen Wertes des bisherigen Berufes für den Kläger sozial zumutbar (vgl. zur Prüfung der Verweisung bei Angestelltenberufen BSGE 48, 202, 204f. = SozR 2600 § 46 Nr. 3; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1). Aufgrund dessen hat das BSG schon mehrfach entschieden, daß der Abteilungssteiger der Tarifgruppe 04 (Anlage A zum Manteltarifvertrag für die Angestellten des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der bis zum 30. September 1981 gültigen Fassung) auf Tätigkeiten der Tarifgruppe 13 zumutbar verwiesen werden kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 114; Urteil vom 6. August 1986 - 5a RKn 10/85 - m.w.N.). Die Neuordnung der Gruppen durch den Tarifvertrag vom 23. Juni 1981 führt zu keiner anderen Beurteilung.
Entgegen der Auffassung der Revision ist Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht etwa deswegen zuzuerkennen, weil der Kläger die genannten Tätigkeiten wegen der mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache tatsächlich nicht hätte verrichten können. Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß der als Vertriebener anerkannte Kläger vor der Stellung des Rentenantrages ausschließlich Beschäftigungszeiten nach polnischem Recht zurückgelegt hatte. Damit unterscheidet er sich wesentlich von den Sachverhalten, die den Urteilen des 4. Senats (vom 23. April 1980 - 4 RJ 29/79 - in SozR 2200 § 1246 Nr. 61, vom 6. Oktober 1982 - 4 RJ 91/81 - und vom 29. Juni 1984 - 4 RJ 3/84 -) zur Bedeutung der Sprachkenntnisse für den Umfang der Verweisungsmöglichkeiten zugrunde lagen. Der 4. Senat hatte jeweils über die Frage zu entscheiden, ob ein Ausländer, der die im Geltungsbereich der RVO bisher ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten kann, auf Tätigkeiten verwiesen werden darf, für die er die erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht besitzt. Dies hat er bejaht.
Der zugrunde liegende Sachverhalt rechtfertigt es indessen ebenso, die mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache unberücksichtigt zu lassen, obwohl sie den Kläger tatsächlich an der Ausübung der genannten Verweisungstätigkeit hindern. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG stehen bisheriger Beruf und Verweisungstätigkeit in einer Wechselwirkung zueinander (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 1 und 2). Der Umstand, daß neben der Gleichstellung der zurückgelegten Beitragszeiten und der ihnen zugrunde liegenden Beschäftigung aus dem Eingliederungsgedanken auch Besonderheiten bei der Zuerkennung qualifizierten Berufsschutzes abzuleiten sind, kann bei der Bestimmung des Maßstabes für mögliche inländische Verweisungstätigkeiten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Wechselwirkung zwischen bisherigem Beruf und Verweisungstätigkeit ist dadurch gekennzeichnet, daß der qualitative Wert der bisherigen Berufstätigkeit den Kreis der qualitativ zumutbaren Verweisungstätigkeiten innerhalb des Mehrstufenschemas bestimmt. Sowohl die Bewertung des bisherigen Berufes als auch der Verweisungstätigkeit hat im Prinzip nach den gleichen Maßstäben zu erfolgen (so ausdrücklich BSGE 56, 72, 74 = SozR 2200 § 1246 Nr. 111 S. 356). Hingegen führt ein unterschiedlicher Bewertungsmaßstab hinsichtlich des bisherigen Berufs sowie der Verweisungstätigkeit zu einer Mißachtung der Wechselwirkung und im Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten bei der Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit. Hieraus folgt, daß der Kläger, dem allein aufgrund seiner fachlichen Kenntnisse ein qualifizierter Berufschutz zukommt, obwohl er die für eine inländische Beschäftigung ausreichenden Sprachkenntnisse nicht besitzt, auch auf der Verweisungsebene so zu behandeln ist, als wenn er die erforderlichen Sprachkenntnisse eines vergleichbaren deutschen Versicherten mitbrächte. Der ihm zukommende Berufsschutz bezieht sich mit anderen Worten nur auf seine fachlichen Kenntnisse, nicht jedoch auf die nicht vorhandenen Kenntnisse der deutschen Sprache.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Eingliederungsgedanken des FRG. Danach soll zwar eine Schlechterstellung der Vertriebenen vermieden werden. Das Prinzip der Eingliederung darf andererseits nicht zu einer systemfremden Begünstigung ihrer Rechtsposition im Verhältnis zu inländischen Versicherten herangezogen werden (BSGE 61, 267, 270 = SozR 5050 § 15 Nr. 33 S. 111; BSG SozR a.a.O. § 15 Nr. 37 S. 131). Diesem Grundsatz wird bereits dadurch Rechnung getragen, daß dem Rentenantragsteller die im Ausland erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse bei der Bewertung des "bisherigen Berufs" zugerechnet werden. Würden darüber hinaus alleine bei der Verweisungstätigkeit die unzureichenden deutschen Sprachkenntnisse berücksichtigt, so erlangte der aus dem Ausland zuziehende Rentenantragsteller nur wegen seiner mangelnden Sprachkenntnisse eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, die ein inländischer Versicherter unter sonst gleichen Voraussetzungen nicht erwerben könnte.
Auch das in § 15 FRG enthaltene Entschädigungsprinzip (BSG - GS E 60, 100, 106 = SozR 5050 § 15 Nr. 32 S. 104; BSG - GS - E 62, 255, 260 = SozR a.a.O. Nr. 35 S. 120) führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Eingliederung ist bereits dadurch genügt, daß Beitragszeiten insoweit angerechnet werden, wie sie auch nach Reichsoder Bundesrecht zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus bleibt dem Berechtigten nach § 15 FRG die Rechtsposition erhalten, die sich aus der Anrechnung der im Herkunftsland anzurechnenden Beitragszeiten ergibt. Wie der Große Senat des BSG in den Entscheidungen vom 4. Juni 1986 - GS 1/85 - (BSGE 60, 100, 107 = SozR 5050 § 15 Nr. 32 S. 105) und vom 25. November 1987 - GS 2/85 (BSGE 62, 255, 261 = SozR 5050 § 15 Nr. 35 S. 120) zur Gleichstellung anrechenbarer Zeiten betont hat, wird die Entschädigung von im Herkunftsland erworbenen Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften durch den das FRG insgesamt prägenden Eingliederungsgedanken begrenzt und darf deshalb nicht zu einer Bevorzugung gegenüber den im Inland tätig gewesenen Versicherten führen. Dieser Grundsatz ist gleichfalls auf den vom Kläger im Rahmen der Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Berufsunfähigkeit zu gewährenden Berufsschutz anzuwenden. Eine Berücksichtigung der fehlenden Sprachkenntnisse nur im Rahmen der Verweisungsmöglichkeiten würde - wie bereits ausgeführt wurde - zu einer systemwidrigen Privilegierung führen, die mit dem inländischen Tatbestand der Rentengewährung wegen Berufsunfähigkeit nicht zu vereinbaren ist.
Die Kostenscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518212 |
BSGE, 87 |