Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf "Geschiedenen-Witwenrente" entsteht weder nach § 42 Abs 1 S 1 AVG (= § 1265 Abs 1 S 1 RVO) noch nach S 2 aaO, wenn die frühere Ehefrau anläßlich der Scheidung endgültig und umfassend auf Unterhalt verzichtet hat, der Versicherte aber ohne den Verzicht zum damaligen Zeitpunkt in einem nach § 42 AVG (= § 1265 RVO) relevanten Umfang zur Unterhaltsleistung verpflichtet gewesen wäre (Anschluß an BSG vom 15.12.1988 - 4/11a RA 42/86 und BSG vom 19.1.1989 - 4 RA 16/88).
Normenkette
AVG § 42 Abs 1 S 1 Fassung: 1985-07-11; RVO § 1265 Abs 1 S 1 Fassung: 1985-07-11; RVO § 1265 Abs 1 S 2 Fassung: 1985-07-11; AVG § 42 Abs 1 S 2 Fassung: 1985-07-11; EheG §§ 72, 58-59
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 10.09.1987; Aktenzeichen L 2 An 26/86) |
SG Bremen (Entscheidung vom 11.08.1986; Aktenzeichen S 14 An 14/85) |
Tatbestand
Streitig ist Hinterbliebenenrente an eine frühere Ehefrau.
Die im März 1924 geborene Klägerin war seit 1945 mit dem 1912 geborenen, bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte versichert gewesenen Grafiker Willi H. verheiratet. Die Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bremen vom 10. Februar 1970 aus dem Verschulden des Versicherten, der zuvor seine Widerklage zurückgenommen hatte, geschieden. Ebenfalls in jenem Termin schlossen die Klägerin und der Versicherte (als Beklagter des Scheidungsverfahrens) "für den Fall der Scheidung aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten" einen Vergleich, in dessen Nr 1 es heißt:
"Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin für die Zeit vom 1.2.1970 bis zum 31.1.1974 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 450,-- DM zu zahlen. Etwaiger Eigenverdienst der Klägerin bleibt bis zur Höhe von 300,-- DM netto monatlich ohne Anrechnung. Der Beklagte verzichtet für den Fall seiner Wiederverheiratung auf seine Rechte aus § 323 ZPO. Für die Zeit ab 1.2.1974 verzichtet die Klägerin auf jegliche Unterhaltsansprüche, und zwar auch für den Fall der Not. Sollte sie sich bereits vor diesem Zeitpunkt wieder verheiraten, so entfallen jegliche Unterhaltsansprüche vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an."
Unter Nr 2 des Vergleichs vereinbarten die Parteien, die elterliche Gewalt über den am 23. Januar 1960 geborenen gemeinsamen Sohn Jens der Klägerin zu übertragen; in Nr 3 verpflichtete sich der Versicherte, für dieses Kind zu Händen der Klägerin einen monatlichen Barunterhalt von 200,-- DM zu leisten. Der (freiberuflich als Gebrauchsgrafiker tätige) Versicherte erklärte zu Protokoll des Gerichts, daß er einen sehr schwankenden Verdienst habe, der durchschnittlich ca 1.500,-- DM netto monatlich betrage; die Klägerin gab an, seit 1970 zu arbeiten und ca 300,-- DM monatlich zu verdienen.
Beide Eheleute heirateten nicht wieder. Der Versicherte verstarb im Oktober 1981.
Im März 1984 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Mannes. Sie gab an, der Versicherte habe zur Zeit seines Todes neben seiner von der Beklagten bezogenen Rente von Mieteinnahmen gelebt; sie selbst sei seit 1975 ganztags bei einer Behörde als Verwaltungsangestellte beschäftigt und habe zur Zeit des Todes des Versicherten monatlich 2.500,-- DM bis 2.700,-- DM brutto verdient. Die Beklagte lehnte den Antrag ab; der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 20. Juni 1984, Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1984).
Das Sozialgericht Bremen (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 11. August 1986 iVm dem Berichtigungsbeschluß vom 4. November 1986 verpflichtet, der Klägerin Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten ab 1. April 1984 zu gewähren. Das Landessozialgericht Bremen (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und in der angefochtenen Entscheidung vom 10. September 1987 ausgeführt: Der Unterhaltsverzicht sei hier für die Klägerin unschädlich (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. März 1985 - 5b RJ 68/84 = SozR 2200 § 1265 Nr 74). Zwar habe sie sicher mit der Einwilligung zum Verzicht verständlicherweise das Scheidungsverfahren zu Ende bringen wollen. Dieses Interesse sei aber nicht die wesentliche Ursache gewesen. Durch den Vergleich habe sich die Klägerin keiner Rechte begeben, die ihr zweifelsfrei zugestanden hätten. Denn ab Februar 1974 sei ihr eine volle Erwerbstätigkeit zuzumuten und sie daran auch nicht durch die Erziehung ihres damals schon vierzehnjährigen Kindes gehindert gewesen. In dieser in Aussicht genommenen vollen Erwerbstätigkeit habe der wesentliche Grund für den Unterhaltsverzicht gelegen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Da der Unterhaltsverzicht bereits eine Unterhaltsverpflichtung nach § 42 Abs 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ausschließe, könne bei Anwendung des Satzes 2 dieser Vorschrift nicht mehr von einer "Unterhaltsverpflichtung" ausgegangen werden; denn diese bestehe schon nach Satz 1 unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Versicherten und der Bedürftigkeit der früheren Ehefrau aufgrund des Verzichts nicht mehr. Im übrigen könne dem Urteil des 5b Senats vom 14. März 1985 nicht gefolgt werden.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Bremen vom 11. August 1986 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Urteile beider Vorinstanzen sind aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem Versicherten als dessen frühere Ehefrau zu.
Anspruchsgrundlage ist § 42 AVG (= § 1265 der Reichsversicherungsordnung - RVO). Nach Satz 1 dieser Vorschrift idF des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421) - seit dem am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetz vom 11. Juli 1985 (BGBl I 1450): Abs 1 Satz 1 - wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden ... worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG; Regelung 1) oder aus sonstigen Gründen (Regelung 2) zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat (Regelung 3). Ist eine Witwenrente nicht zu gewähren, findet gemäß Satz 2 der Vorschrift Satz 1 auch dann Anwendung, 1.
wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat und
2.
wenn die frühere Ehefrau (ua) im Zeitpunkt der Scheidung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen oder das 45. Lebensjahr vollendet hatte und
3.
solange sie (ua) berufsunfähig (§ 23 Abs 2 AVG) oder erwerbsunfähig (§ 24 Abs 2 AVG) ist oder mindestens ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht oder wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet hat.
Im Ergebnis zutreffend hat das LSG erkannt, daß der Klägerin kein Anspruch nach § 42 Abs 1 Satz 1 AVG zusteht. Dafür, daß der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode der Klägerin (tatsächlichen) Unterhalt geleistet hat (Regelung 3), bestehen keine Anhaltspunkte. Er hatte aber auch, wie das Berufungsgericht ohne Begründung ausgeführt hatte, zur Zeit seines Todes der Klägerin weder nach den Vorschriften des EheG noch aus sonstigen Gründen Unterhalt zu leisten (Regelungen 1 und 2). Eine solche Pflicht schied aus, weil die Klägerin im Vergleich (Vertrag) vom 10. Februar 1974 gegenüber dem Versicherten für die Zeit ab 1. Februar 1974 auf jegliche Unterhaltsansprüche, und zwar auch für den Fall der Not, verzichtet hatte (vgl § 72 EheG). Nach ständiger Rechtsprechung schließt ein solcher umfassender, endgültiger Verzicht jegliche Unterhaltsverpflichtung nach dem EheG und der daran anknüpfenden Regelung 1 des § 42 Abs 1 Satz 1 AVG aus (BSG, Urteil des erkennenden Senats vom 28. März 1979 - 4 RJ 3/78 = SozR 2200 § 1265 Nr 40 unter Hinweis auf BSGE 12, 279, 280 = SozR Nr 7 zu § 1265 RVO, BSGE 31, 5 = SozR Nr 54 zu § 1265 RVO und SozR aaO Nr 35; SozR 2200 § 1265 Nr 3). Diese Rechtsprechung stellt - worauf an anderer Stelle noch näher einzugehen sein wird - auch der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 23. November 1988 - 5/5b RJ 100/86 - nicht in Frage, mit dem er die Ausführungen in seinem von den Vorinstanzen genannten Urteil vom 14. März 1985 - 5b RJ 68/84 (= SozR 2200 § 1265 Nr 74) konkretisiert hat. Daher ist unerheblich, ob der Versicherte ohne den Verzicht zur Zeit seines Todes (darunter versteht die Rechtsprechung den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand, vgl zB SozR 2200 § 1265 Nr 82 S 273f mwN) keinen Unterhalt hätte leisten müssen.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann die Klägerin aber auch aus Satz 2 des § 42 Abs 1 AVG keinen Hinterbliebenenrentenanspruch für sich herleiten. Denn es fehlt an den Voraussetzungen der Nr 1 aaO.
Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein umfassender, endgültiger Unterhaltsverzicht nicht nur den Anspruch nach § 42 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 und 2, sondern auch nach Satz 2 aaO ausschließe (SozR 2200 § 1265 Nrn 3, 6, 40 mwN; BSGE 31, 5 = SozR Nr 54 zu § 1265, am Ende, und BSGE 37, 5 = SozR aaO Nr 70 sowie BSG vom 20. Januar 1976 - 5 RJ 91/75). Die Anwendung des § 42 Satz 2 AVG sei ausgeschlossen, so zB der erkennende Senat im Urteil vom 28. März 1979 (SozR aaO Nr 40), weil "unter Nr 1 nicht alle, sondern nur bestimmte Gründe für das Fehlen einer (konkreten) Unterhaltspflicht unschädlich sind, um gleichwohl - beim Vorliegen der unter Nr 2 und 3 normierten weiteren Voraussetzungen - den Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach dem früheren Ehemann entstehen zu lassen". Inzwischen hat der 5. Senat des BSG am 23. November 1988 entschieden (5/5b RJ 100/86), daß ein "deklaratorischer" Unterhaltsverzicht, der im wesentlichen wegen der in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO (= § 42 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AVG) genannten Tatbestandsmerkmale erklärt worden ist, der Rentengewährung nach Satz 2 aaO nicht entgegenstehe. Zuvor hatte der 5. Senat beim 1. und 4. Senat des BSG angefragt (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 74), ob an der Rechtsprechung festgehalten werde, wonach "in jedem Fall ein umfassender, endgültiger Verzicht auf Unterhalt die Anwendung des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO bzw § 42 Abs 1 Satz 2 AVG ausschließt" (Anfrage-Beschluß vom 3. Februar 1988). Der 1. Senat des BSG hat geantwortet, an der bisherigen Rechtsprechung werde "insofern nicht festgehalten", als danach ein derartiger Unterhaltsverzicht die Anwendung der obengenannten Vorschriften "auch dann ausschließt, wenn der Unterhaltsverzicht den dort genannten Verhältnissen Rechnung trägt" (Beschluß vom 6. Oktober 1988). Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 15. November 1988 geantwortet, er halte nicht daran fest, daß ein solcher Verzicht auch dann den Anspruch auf "Geschiedenen-Witwenrente" vereitele, wenn er "ausschließlich wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten ... bzw wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit - also insbesondere nicht auch, um eine sogenannte Konventionalscheidung durch 'Übernahme' der Allein- oder überwiegenden Schuld vom Versicherten zu ermöglichen - erklärt worden ist" (vgl hierzu auch Urteile des Senats vom 15. Dezember 1988 - 4/11a RA 42/86 - und - 4/11a RA 49/87 - sowie vom heutigen Tage - 4 RA 16/88 -). Auch unter Berücksichtigung dieser geänderten Rechtsauffassung des erkennenden Senats schließt im konkreten Fall der Unterhaltsverzicht der Klägerin den Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 42 Abs 1 Satz 2 AVG aus.
Auszugehen ist zunächst von Sinn und Zweck des Satzes 2 aaO in der Fassung, die diese Vorschrift durch das Rentenreformgesetz (RRG) erhalten hat. Mit dieser "Härteregelung" sollte unter bestimmten neuen Voraussetzungen das sog Unterhaltsersatzprinzip abgeschwächt und der geschiedene Ehegatte nicht lediglich unter dem Blickpunkt einer fortwirkenden Unterhaltsverpflichtung in den rentenversicherungsrechtlichen Schutz einbezogen werden; es sollten im Ergebnis ua Haushaltsführung und Kinderbetreuung der Erwerbstätigkeit des Verdieners gleichgestellt werden (vgl BSGE 48, 146, 156 f). Daß der Schutzzweck des Satzes 2 ausnahmsweise die Anwendung des Satzes 1 aaO auch dann soll ermöglichen können, wenn die frühere Ehefrau umfassend und endgültig auf Unterhalt verzichtet hat, ist das Anliegen des 5., 1. und des erkennenden Senats, wie aus den erwähnten Beschlüssen und Urteilen hervorgeht. Der erkennende Senat begrenzt indessen die Ausnahmen auf die Fälle, in denen der Unterhaltsverzicht sich nicht nur von Anfang an, sondern auch im Blick auf den in unbekannter Zukunft liegenden Versicherungsfall des Todes des Versicherten (Satz 2 iVm Satz 1 aaO) als Verfügungsvertrag ohne rechtliche und wirtschaftliche Substanz und Auswirkung, also als "leere Hülse" darstellt und deshalb ungerechtfertigt die Anwendung der Härtefallregelung des Satzes 2 aaO hintanhält (Urteil des Senats vom 15. Dezember 1988 - 4/11a RA 42/86 S 13). Typischerweise haben nämlich die Parteien des Scheidungsprozesses gerade bei einem endgültigen, umfassenden Unterhaltsverzicht durch Abschluß eines Vertrags (Vergleichs) nach § 72 EheG über die aktuellen Gegebenheiten hinaus die von Wechselfällen des Lebens abhängigen künftigen Veränderungen in ihrem Unterhaltsrechtsverhältnis vor Augen (vgl § 323 der Zivilprozeßordnung) und gerade auch dafür privat-autonom eine rechtsgeschäftliche Regelung, die "Vernichtung" des Unterhaltsrechtsverhältnisses, "bereits dem Grunde nach" getroffen. Etwas anderes (ein Fall der "leeren Hülse") mit der Folge der Rentengewährung nach Satz 2 aaO kann daher nur angenommen werden, wenn nachgewiesen ist, daß bereits ohne den Unterhaltsverzicht 1) noch zur Zeit des Todes des Versicherten (Versicherungsfall) und 2) bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Verzichts ausschließlich aus den in Satz 2 Nr 1 aaO genannten Gründen keine Unterhaltsverpflichtung bestanden hat, und wenn 3) es die spätere Hinterbliebene bei Abschluß des Erlaßvertrages vernünftigerweise als ausgeschlossen erachten durfte, die in Satz 2 Nr 1 aaO genannten, einen Unterhaltsanspruch hindernden Gründe könnten bis zum Tode des Versicherten infolge einer in Rechnung zu stellenden Änderung der Verhältnisse wieder entfallen (Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1988 - 4/11a RA 42/86 - S 13 f).
An diesen Voraussetzungen fehlt es jedenfalls deshalb, weil zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vom 10. Februar 1970 eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gerade bestanden hat; denn diese Verpflichtung ist in Nr 1 des Vergleichs für die Dauer von vier Jahren auch hinsichtlich der Höhe des Unterhalts und unter Konkretisierung bestimmter Umstände, die teils den Anspruch entfallen lassen, teils für diesen unschädlich sein sollten, festgelegt worden. Die beiderseitigen monatlichen Nettoeinkommen, die von der Klägerin mit 300,-- DM und vom Versicherten mit 1.500,-- DM damals zu Protokoll des Gerichts angegeben worden waren, vervollständigen das Bild, wonach zum Zeitpunkt der Scheidung - ohne den Vergleich und den Unterhaltsverzicht - der (unterhaltsfähige) Versicherte der (unterhaltsbedürftigen) Klägerin gegenüber auch nach §§ 58, 59 EheG zur Unterhaltsleistung in einem nach § 42 AVG relevanten Ausmaß (wenigstens 25 vH des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Aufwendungen für Unterkunft, BSGE 53, 256 = SozR 2200 § 1265 Nr 63) verpflichtet gewesen wäre. Daß also zur Zeit des Todes des Versicherten - wiederum ohne den Vergleich und ohne den Unterhaltsverzicht - nach §§ 58, 59 EheG keine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten (mehr) bestanden hat, beruhte nicht, erst recht nicht ausschließlich, auf den Vermögens- und Erwerbsverhältnissen des Versicherten oder auf den Erträgnissen der Klägerin aus einer Erwerbstätigkeit, sondern auf dem Vergleich (Vertrag) vom 10. Februar 1970, mit dem die Parteien des Scheidungsverfahrens den nach den Vorschriften des EheG bestehenden Unterhaltsanspruch der Klägerin abschließend geregelt haben und in dem die Klägerin von einem damals in der Zukunft liegenden Zeitpunkt an auf jeglichen Unterhalt verzichtet hat.
Somit besteht wegen des umfassenden, endgültigen Unterhaltsverzichts auch kein Anspruch nach § 42 Abs 1 Satz 2 AVG.
Mit dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht von dem Urteil des 5. Senats des BSG vom 23. November 1988 - 5/5b RJ 100/86 - ab. Dort ist wiederholt darauf abgestellt worden, ob die Ehefrau auf etwas "verzichtet" hat, worauf sie realiter keinen Anspruch hatte; bejahendenfalls handle es sich um einen deklaratorischen Verzicht unter Berücksichtigung von Verhältnissen, die nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO den Hinterbliebenenrentenanspruch gerade nicht ausschlössen (aaO S 5). Noch deutlicher ergibt sich dies aus S 11 aaO, wo es heißt: "Ließen aber die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemannes eine Unterhaltsleistung an die Ehefrau nach der Scheidung zu oder war deren Unterhaltsbedürftigkeit trotz der Erträgnisse aus einer eigenen Erwerbstätigkeit zu bejahen, so ist ein Anspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO ohnedies nicht zu begründen. Es kommt dann nur Satz 1 der Vorschrift in Betracht, nach dem aber - auch nach Auffassung des erkennenden Senats - wegen des Unterhaltsverzichts kein Hinterbliebenenrentenanspruch besteht." In Übereinstimmung mit der Schlußfolgerung im letzten Satz (Unterscheidung von Satz 1 des § 1265 Abs 1 RVO und Satz 2 aaO andererseits) ist zwar im Leitsatz zu diesem Urteil die teilweise Abweichung von BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 3, 6, 12, 40 sowie vom BSG-Urteil vom 7. Dezember 1976 - 1 RA 45/76 - und die teilweise Aufgabe des Urteils vom 20. Januar 1976 - 5 RJ 91/75 - erklärt worden; weder im Leitsatz noch im Urteil des 5. Senats wurde aber das Urteil vom 18. Dezember 1973 - 5 RKn 29/72 - (BSGE 37, 50 = SozR Nr 70 zu § 1265 RVO) genannt, dem ein Sachverhalt mit einem für drei Jahre ausgesprochenen umfassenden Unterhaltsverzicht zugrunde gelegen hatte und wo ebenfalls ein Anspruch nach Satz 2 verneint worden war. Ähnliches gilt ferner für den - allerdings "spiegelbildlich" liegenden - Sachverhalt im Urteil vom 17. Februar 1970 - 1 RA 121/69 (BSGE 31, 5 = SozR Nr 54 zu § 1265), wo der umfassende Unterhaltsverzicht nur für die ersten fünf Jahre ausgesprochen worden, der Versicherte aber nach zwei Jahren und acht Monaten verstorben war; auch dort ist ein Anspruch nach Satz 2 aaO abgelehnt worden. Die Nichterwähnung dieser beiden Urteile kann daher dahin verstanden werden, daß der 5. Senat von diesen nicht hat abweichen und bei derartigen Fallgestaltungen keinen unschädlichen Unterhaltsverzicht hat annehmen wollen.
Nach alldem mußte die Revision der Beklagten Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen