Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger durch einen fast zwei Jahre vor dem Rentenbeginn - nur zur Sicherung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KUR) - so frühzeitig gestellten Rentenantrag Pflichtmitglied der Beklagten geworden ist. Der Kläger (geboren am 23. April 1915) war im wesentlichen als Angestellter mit einem über der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung liegenden Einkommen tätig. Nach seinen Angaben sind er und seine Ehefrau nicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert. Am 26. Juni 1978 beantragte er bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres und gab u.a. an, daß er beabsichtige, mit dem 30. April 1980 seine berufliche Arbeit zu beenden und die Rente in Anspruch zu nehmen. Er reiche seinen Rentenantrag so früh ein, weil aufgrund der Änderungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) nur noch bei Rentenantragstellung bis 30. Juni 1978 ein Anspruch auf Krankenversicherungsschutz bestehe. Gleichzeitig meldete er sich zur KVdR an.
Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse -AOK- teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 1978 mit, daß er wegen seines Rentenantrages dem Grunde nach krankenversicherungspflichtig sei und den Beginn der Krankenversicherung selbst bestimmen könne. Der Kläger erklärte hierauf, daß die Krankenversicherung mit Ablauf des Monats, in dem der Rentenbescheid zugestellt werde oder falls die Rente nach Zustellung des Rentenbescheides beginne, mit dem Rentenbeginn einsetzen solle. Die BfA lehnte den Rentenantrag des Klägers zunächst ab, weil eine Rentenberechnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für das Jahr 1980 aus verwaltungsmäßigen Gründen nicht möglich sei (Bescheid vom 17. Juli 1978). In seinem Widerspruch (eingegangen am 17. August 1978), der dem Sozialgericht München (SG) als Klage zugeleitet wurde, machte der Kläger geltend, daß er Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres habe. Daneben wurde vom Kläger eine Nachversicherung und die Nachentrichtung von Beiträgen betrieben (womit er letztlich auch erfolgreich war). Während des Klageverfahrens bewilligte die BfA mit Bescheid vom 4. Dezember 1980 das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. Mai 1980. Dabei sah sie ein bei ihr am 23. April 1980 eingegangenes Schreiben des Klägers als erneuten Antrag an. Das Klageverfahren (zunächst Az.: S 17 An 467/79, später S. 38 An 467/79) endete am 5. Mai 1881 mit einer Klagerücknahme, nachdem die (dort beigeladene, im vorliegenden Verfahren beklagte) AOK München erklärt hatte, daß der angefochtene Bescheid der BfA für die Entscheidung über die KVdR ohne Bedeutung sei. Gleichwohl stellte die AOK gegenüber dem Kläger fest, daß Versicherungspflicht in der KVdR nicht bestehe (Bescheid vom 9. März 1981; Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1981).
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Urteil des SG vom 21. Oktober 1982; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 22. März 1984).
Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.d.F. durch das KVKG nicht vorlägen, weil der Kläger die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfülle. Das frühere Recht, das Vorversicherungszeiten nicht erfordert habe, sei auf den Kläger nicht mehr anzuwenden. Zwar sehe Art 2 § 1 Abs. 1 KVKG vor, daß für die Zeit des Bezuges einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten als versichert gilt, wer bis 30. Juni 1978 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt. Dabei sei jedoch nur an solche Rentenbewerber gedacht, die aus sachlichen Gründen den Antrag schon vor Eintritt ihres Versicherungsfalles stellten, insbesondere wegen der zu erwartenden Bearbeitungszeit. Nur bei diesen Antragstellern habe Veranlassung bestanden, ihnen die Mitgliedschaft in der KVdR noch nach altem Recht einzuräumen, nicht hingegen auch bei solchen Personen, die weit vor dem Zeitpunkt des Versicherungsfalles ihren Antraft stellten, nur um die Voraussetzungen der Mitgliedschaft auch ohne Vorversicherungszeit zu erfüllen. Der Kläger habe den Antrag schon fast zwei Jahre vor dem Versicherungsfall gestellt und dies erklärtermaßen auch nur, um sich die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR zu sichern. Weder sei ein früherer Beginn des Altersruhegeldes angestrebt gewesen noch die Gewährung von Berufs - oder Erwerbsunfähigkeitsrente, da er erklärt habe, seine Berufstätigkeit bis April 1980 fortsetzen zu wollen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß er bereits bei Antragstellung die Voraussetzungen für den Bezug von Altersruhegeld wegen Erreichung des 63. Lebensjahres erfüllt gehabt habe und sein Antrag die Gewährung des Altersruhegeldes zu einem früheren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen habe. Die Antragstellung sei auch nicht rechtsmißbräuchlich gewesen; denn er habe den Antrag in zeitlich absehbarem Zusammenhang mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben gestellt.
Der Kläger beantragt
die Urteile des LSG und des SG aufzuhebensowie unter Aufhebung des Bescheides vom März 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Max 1981 festzustellen, daß er seit dem 1. Mai 1980 Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner ist.
Die Beklagte beantragt
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 124. Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision ist unbegründet. Dem Urteil des LSG ist im, Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen.
Für die Auffassung des Klägers spricht allerdings der Gesetzeswortlaut; denn gemäß Art 2 § 1 KVKG gelten in der KVdR auch diejenigen Rentner für die Dauer des Rentenbezuges als versichert, die nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO n.F. nicht mehr versichert sind, aber bis 30. Juni 1978 einen Rentenantrag gestellt haben.
Bedenken gegen die Auffassung des Klägers bestehen auch nicht deswegen, weil die B. o. a. erklärt hat, sie gewähre das Altersruhegeld, welches der Kläger erhält, nicht aufgrund des von ihm im Juni 1973 gestellten Antrags, sondern aufgrund eines späteren, im Laufe des Verfahrens in Form einer Erinnerung gestellten neuen Antrags. Diese Auffassung der BfA ist rechtlich nicht zutreffend. Der Rentenantrag von Juni 1978 war, obwohl ungewöhnlich früh gestellt, als solcher wirksam und blieb dies, solange das Verfahren über diesen Antrag noch anhängig war. Die spätere Erinnerung enthielt keinen neuen Antrag unter Rücknahme des alten, sondern bestätigte im Gegenteil, daß dieser aufrechterhalten werde. Eine andere Auffassung würde auch zu willkürlichen Unterschieden führen, je nachdem, ob der Versicherte im Laufe des Verfahrens weitere Erklärungen (auch in Form von "Erinnerungen") abgibt, die als neuer Antrag angesehen werden könnten, oder ob dies nicht der Fall ist. Es maßte hier also der alte Antrag, auch wenn er zunächst unbegründet war, als weiterhin wirksam angesehen werden, und es mußte aufgrund dieses Antrags auch Rente gewährt werden, sobald die materiellen und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung erfüllt waren (vgl. BSGE 12, 127; BSG SozR Nr. 4 zu § 1293 RVO aF, B1 Aa 3 Rückseite; BSG SozR 4100 § 19 Nr. 16 S. 58).
Obwohl der im Juni 1978 gestellte Antrag somit Grundlage der Rentengewährung geworden ist, gilt der Kläger dennoch nicht nach Art 2 § 1 KVKG als versichert. Vielmehr ist dem LSG darin zu folgen, das der Wirkungsbereich einer Norm durch ihren Zweck begrenzt ist und Fälle wie der vorliegende durch den Zweck des Art 2 § . 1 Abs. 1 KVKG nicht mehr gedeckt werden. Allerdings ist nicht ersichtlich, welche Vorstellungen der Gesetzgeber im einzelnen mit dieser Norm verbunden hat, da in der Begründung nur der Inhalt der Norm referiert wird (BT-Drucks. 8/166, S. 37 Art 2 zu § 1). Es läßt sich aber von der Sache her kein verständiger Grund dafür finden, warum der Gesetzgeber sich veranlaßt gesehen haben sollte, allen Versicherten unabhängig davon, ob und wann ein Versicherungsfall eintritt oder in Betracht kommt, die Möglichkeit zu eröffnen, noch bis zum 30. Juni 1978 einen Rentenantrag zu stellen, nur um sich dadurch die Mitgliedschaft in der KVdR zu sichern. Das gilt jedenfalls für Anträge, die, wie im Falle des Klägers, fast 2 Jahre aller noch früher vor dem Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wurden. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Rentenversicherungsträger noch keine Entscheidung über den Antrag treffen, weil entweder der Versicherungsverlauf noch nicht abgeschlossen war oder sonstige wesentliche Faktoren für die Feststellung der Rente noch nicht bekannt waren, häufig sogar nicht einmal abzusehen war, ob und wann der Versicherungsfall eintreten würde.
Mit der fraglichen Übergangsregelung in Art 2 § 1 KVKG kann der Gesetzgeber kaum beabsichtigt oder auch nur in Kauf genommen haben, daß die Rentenversicherungsträger mit Anträgen belastet wurden, die sie im Zeitpunkt der Antragstellung und selbst noch eine geraume Zeit danach nicht bearbeiten konnten. Es bestand auch kein sozialpolitisches Bedürfnis dafür, die alte Rechtslage, die der Gesetzgeber gerade beseitigt sehen wollte, noch weit in die Zukunft hinein aufrechtzuerhalten. Zweck der Übergangsregelung war vielmehr dem Gedanken des Vertrauensschutzes gerecht zu werden und Übergangshärten zu vermeiden. Dieses Ziel wurde bereits weitgehend dadurch erreicht, daß der Gesetzgeber den Versicherten eine lange "Vorwarnzeit" einräumte. Der Entwurf des KVKG war mit der BT-Drucks. 8/165 vom 11. März 1977 vorgelegt worden. Bereits in diesem Entwurf war die heutige Fassung des Art 2 § 1 KVKG enthalten, einschließlich des Datums des 30. Juni 1978. Dementsprechend wurden auch im späteren Gesetz denjenigen Versicherten, die ihren Antrag erst nach dessen Inkrafttreten, aber noch bis 30. Juni 1978 stellten, die Vorteile des alten Rechtes gesichert. Das kann indessen nach dem Zweck der Vorschrift nicht für Anträge gelten, die aus anderen als rentenrechtlichen Gründen lange Zeit vor Rentenbeginn gestellt wurden, nur um noch in den Genuß des alten Rechts zu gelangen. Triftige Gründe, insbesondere solche verfassungsrechtlicher Art auch solche verfrühten Anträge in die Vorschrift einzubeziehen, sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden.
Richtig ist allerdings, daß aus dem Anwendungsbereich des Art 2 §1 KVKG nicht sämtliche Rentenanträge auszuscheiden sind, die früher gestellt wurden, als dies wegen der zu erwartenden Bearbeitungszeit objektiv erforderlich war. Erfaßt wurden vielmehr auch Fälle, in denen aufgrund einer Fehleinschätzung oder eines Irrtums über den Eintritt des Versicherungsfalles oder die Erfüllung der Wartezeit lange vor Rentenbeginn ein Rentenantrag gestellt wurde und erst im Laufe eines Gerichtsverfahrens die fehlenden Voraussetzungen für eine Rentengewährung eintraten. Der Senat verkennt nicht, daß auch in solchen Fällen Manipulationen möglich waren. Die Einbeziehung der genannten Fälle läßt sich aber damit rechtfertigen, daß hierdurch eine sachgerechte Durchführung der Streitverfahren ermöglicht wurde. Es wurde vermieden, daß diese nur wegen des Art 2 § 1 KVKG bis zur letzten Instanz und unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten weiter betrieben wurden (z.B. Fortführung des Rechtsstreits trotz inzwischen nachgewiesener gegenwärtiger Unbegründetheit, um die Wirkung des Antrags bis zum später erwarteten Rentenbeginn aufrechtzuerhalten). Daraus ist jedoch eine noch weitere Ausdehnung der Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden nicht abzuleiten.
Auch der Einwand des Klägers, daß er bereits bei Rentenantragstellung Anspruch auf Altersruhegeld wegen Erreichens des 63. Lebensjahres gehabt habe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß das LSG rechtsfehlerfrei festgestellt hat, daß der Kläger ausschließlich Altersruhegeld wegen Erreichens des 65. Lebensjahres beantragt hatte. Dies ist klar aus dem ersten Antrag ersichtlich und mit dem später eingereichten Formularantrag nochmals bestätigt worden. Für eine besondere Privilegierung von Anträgen, die von Personen gestellt wurden, die an sich auch einen Antrag auf Altersruhegeld wegen Erreichens des 63. Lebensjahres hätten stellen können, einen solchen Antrag tatsächlich aber nicht gestellt haben, enthält das Gesetz keine Anhaltspunkte.
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.12 RK 31/84
BSG
Bundessozialgericht
Fundstellen