Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachaufklärung. Zeugenvernehmung. Gutachten
Orientierungssatz
Ob ein Geschädigter unsicher beim Gehen und Stehen ist, kann auch von Laien beobachtet werden. Es handelt sich um eine Frage, die nicht nur von medizinischen Sachverständigen beurteilt werden kann.
Normenkette
SGG § 103
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 11.01.1968) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Januar 1968 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Bei dem Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Klägerinnen zu 2) und 3), dem im Jahre 1907 geborenen und am 24. Oktober 1962 verstorbenen Bäckermeister H L - nachfolgend mit L. bezeichnet-, waren als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. anerkannt: "1. Amputation des rechten Vorfußes nach Lisfranc nach Erfrierung 3. Grades, 2. völliger Verlust der linken Großzehe, Verlust des End- und Mittelgliedes der 2. Zehe links, Verlust des Endgliedes der 3. Zehe links nach Erfrierung 3. Grades". Die Versorgungsbehörde lehnte mit Bescheid vom 13. April 1955 den Antrag des L., einen Magenkatarrh, eine Leberschädigung und eine Verengung des Enddarmes als Schädigungsfolgen anzuerkennen, ab. Dieser Bescheid ist verbindlich geworden.
L. verstarb am 24. Oktober 1962 in der Universitäts-Nervenklinik in M. Im Leichenschauschein sind als Todesursache ein subdurales Hämatom, Hirnstammeinklemmung und als weitere Gesundheitsstörung hämorrhagische Diathese bei Leberschaden eingetragen. Aus der von der Klägerin zu 1) gegenüber der Universitäts-Nervenklinik in M mitgeteilten Vorgeschichte und den Aussagen der auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gaststätten von der Polizei vernommenen Zeugen ergibt sich, daß L. am 18. Oktober 1962 mittags geschäftlich von seinem Wohnort W nach M gefahren ist. Wann er von dort zurückgekehrt ist, war nicht zu ermitteln. Gegen 19,15 Uhr besuchte er die Gaststätte H in W und trank dort zwei halbe Liter einfaches dunkles Bier. Zwischen 20 und 21 Uhr verließ er diese Gaststätte und suchte noch die Gaststätte P auf. Nach den Bekundungen der in dieser Gaststätte beschäftigten Kellnerin H P war L. bei dem Betreten der Gaststätte "schon etwas angestochen". Nach Angaben der Kellnerin soll er zwei halbe Liter einfaches dunkles Bier getrunken haben. Die Zeugin fand L. etwa gegen 21.30 Uhr im Hausgang der Gaststätte auf dem Boden liegend vor; sie verständigte daraufhin den Inhaber M P, der den L. zusammen mit dem Zeugen M B nach der etwa 200 m entfernten Wohnung des L. begleitete. Sie verließen L. vor seiner Haustür, bevor dieser das Haus betreten hatte. Die Klägerin zu 1) hörte etwa gegen 22 Uhr ihren Ehemann vor dem Hause schimpfen und glaubte, daß er nunmehr sofort in das Haus kommen würde. Nach kurzer Zeit hörte sie jedoch einen Fall. Als sie daraufhin mit ihrer Tochter J, der Klägerin zu 2), vor die Haustür lief, sahen sie L. auf dem Boden liegen. Sie trugen ihn in die Backstube und legten ihn dort auf den Boden. Ihre Bemühungen, ihn zu veranlassen, sich zu Bett zu legen, waren erfolglos. Gegen 2 Uhr nachts sah die Klägerin zu 1) wieder nach L. Dieser lag noch auf dem Boden der Backstube und schnarchte. Es gelang ihr nicht, L. zu wecken; deshalb ließ sie ihn weiter auf dem Boden der Backstube liegen, schob ihm jedoch ein Kissen unter den Kopf und deckte ihn mit einer Decke zu. Als sie gegen 4.30 Uhr wieder in die Backstube ging, lag L. immer noch auf dem Boden; es sei ihr auch jetzt nicht gelungen, ihn zu wecken. Nunmehr bemerkte sie Verletzungen an Stirn und Wange des L., die sie mit Arnika säuberte. Sodann brachte sie L. mit Hilfe ihres Schwiegersohnes zu Bett. Nachdem ihr der Zustand des L. eigenartig vorgekommen war, benachrichtigte sie etwa gegen 8 Uhr den Arzt, der die Überführung des L. in das Krankenhaus veranlaßte. Die Klägerin zu 1) hat, wie sie angibt, von einer Trunkenheit des L. nichts bemerkt, da er weder nach Bier noch nach anderen alkoholischen Getränken gerochen habe. In der Universitäts-Nervenklinik in M wurde noch ein operativer Eingriff vorgenommen, jedoch verstarb L. am 24. Oktober 1962 morgens.
Die Versorgungsbehörde holte fachärztliche Stellungnahmen zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs des Todes des L. mit schädigenden Einwirkungen i.S. des BVG ein und lehnte den im Februar 1963 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenbezüge mit Bescheid vom 22. Februar 1963 ab. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1964). Das Sozialgericht (SG) hat Facharzt Dr. L als Sachverständigen gehört und mit Urteil vom 20. September 1966 die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 15. Juni 1967 beantragt, verschiedene näher benannte Zeugen darüber zu hören, daß L. wegen der bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen ein schlechtes Gehvermögen gehabt habe und sturzanfällig gewesen sei. Diesen Antrag haben sie in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 1968 wiederholt. Das Landessozialgericht (LSG) hat den Zeugen M B über die Ereignisse in der Gaststätte P und auf dem Nachhauseweg am 18. Oktober 1962 angehört und mit Urteil vom 11. Januar 1968 die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des SG München vom 20. September 1966 zurückgewiesen.
In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, L. sei infolge eines subduralen Hämatoms mit Hirnstammeinklemmung bei Bestehen einer durch Leberschaden bedingten hämorrhagischen Diathese gestorben. Die in § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG enthaltene Rechtsvermutung komme daher den Klägerinnen nicht zugute, denn L. sei nicht an den bei ihm als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörungen verstorben. Der Leberschaden, ohne den es nach Ansicht des Facharztes Dr. Sch trotz der durch den Sturz erfolgten Gewalteinwirkung auf den Schädel nicht zu einem subduralen Hämatom gekommen wäre, sei nicht als Schädigungsfolge anerkannt gewesen, vielmehr sei die Anerkennung des Leberschadens bereits früher bindend abgelehnt worden. Da jedoch die Ablehnung der Anerkennung von Schädigungsfolgen im Beschädigtenrentenverfahren einer abweichenden Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigungen im Sinne des § 1 BVG und dem Todesleiden im Verfahren über den Hinterbliebenenrentenanspruch nicht entgegenstehe, müsse im vorliegenden Fall erneut geprüft werden, ob der Leberschaden ursächlich mit schädigenden Einwirkungen im Sinne des BVG zusammenhänge. Mit näherer Begründung hat das LSG den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Leberschaden des L. und schädigenden Einwirkungen i.S. des BVG verneint. Es hat sodann weiter ausgeführt, daß für das Zustandekommen der tödlichen Hirnblutung nicht nur die durch den Leberschaden bedingte Blutungsneigung verantwortlich sei, sondern wesentliche Ursache seien auch die Stürze des L. am Abend des 18. Oktober 1962. Es sei jedoch nicht wahrscheinlich, daß diese Stürze durch die als Schädigungsfolge anerkannten Fuß- und Zehenamputationen hervorgerufen worden seien, vielmehr sei L. wegen der Auswirkungen des Genusses von Alkohol gestürzt. Er sei bei seiner Ankunft in der Gaststätte P, wie sich die Kellnerin ausgedrückt habe, "schon etwas angestochen" gewesen. Der Umstand, daß er nach Angaben der Zeugen K und P nicht mehr als vier halbe Liter einfaches dunkles Bier getrunken habe, schließe nicht aus, daß der Biergenuß die Ursache für die Stürze des L. gewesen sei. Aber auch dann, wenn die Behauptung der Klägerin zu 1) zutreffe, daß L. nur drei Glas Bier getrunken habe, könne nicht die Feststellung getroffen werden, L. habe nicht unter Alkoholeinfluß gestanden. Die Erfahrung lehre, daß bei manchen Menschen auch schon verhältnismäßig geringe Alkoholmengen zu Störungen im Nervenzentrum führten. Bei L. komme hinzu, daß eine Alkoholunverträglichkeit bestanden habe, wie er selbst bei ärztlichen Untersuchungen zugegeben und die Klägerin zu 1) gegenüber den Ärzten der Universitäts-Nervenklinik bekundet habe. Hinzu komme, daß L. an einem Leberschaden gelitten habe, bei dem bekanntermaßen Alkohol nur sehr schwer vertragen werde.
Aber selbst dann, so führt das LSG weiterhin aus, wenn man unterstelle, daß L. nicht infolge des Alkoholgenusses gestürzt sei, könne nicht festgestellt werden, daß die Stürze Folgen der Fuß- und Zehenamputationen gewesen sind. Aus den in den Versorgungsakten enthaltenen ärztlichen Unterlagen ergebe sich nämlich, daß das Geh- und Stehvermögen des L. gut gewesen sei. Zwar sei im Jahre 1946 bei der ärztlichen Untersuchung festgestellt worden, daß erhebliche statische Beschwerden bei L. bestanden hätten und daß das Gehen behindert gewesen sei; auch im Jahre 1953 habe L. über Unsicherheit beim Gehen, besonders beim Treppensteigen, geklagt. Jedoch sei die Gehbehinderung im Jahre 1953 nicht erheblich gewesen, zumal da L. am rechten Fuß eine schnürschuhähnliche Lederbandage mit Ersatzteil für den fehlenden vorderen Fußabschnitt und einen orthopädischen Schuh getragen habe. Im Jahre 1956 sei im Versorgungskrankenhaus Bad T festgestellt worden, daß ein guter Lisfranc-Stumpf mit guter Auftrittsfläche bestehe; der Gang sei damals mit orthopädischen Schuhen gut gewesen. Allerdings seien 1958 Stumpfbeschwerden aufgetreten, jedoch sei L. nach Behandlung im Versorgungskrankenhaus Bad T und nach Änderung des orthopädischen Schuhes beschwerdefrei und mit gutem Gehvermögen entlassen worden. Das Vorbringen der Klägerinnen, das orthopädische Schuhwerk sei nicht ausreichend gewesen, entspreche somit nicht den Tatsachen. L. habe selbst bei den verschiedenen Untersuchungen nie angegeben, er falle leicht hin. Im Hinblick auf diese Sachlage bestehe für den Senat kein Anlaß, die von den Klägerinnen für eine Sturzanfälligkeit des L. benannten Zeugen zu hören. Gegenüber den ärztlichen Beurteilungen des Geh- und Stehvermögens seien die Bekundungen von Zeugen, die keine medizinischen Fachkenntnisse hätten, als Beweismittel ungeeignet.
Auch der Hinweis auf die nachgewiesenen ärztlichen Behandlungen des L. wegen einer Luxation des Sprunggelenks, Rippenfraktur, Rippenquetschung und einer Schulterdistorsion könne zu keiner anderen Beurteilung führen, da die behandelnden Ärzte nichts über die Ursache dieser Brüche und Quetschungen hätten mitteilen können. Es sei daher nicht wahrscheinlich, daß der Tod des L. durch die Folgen der Fuß- und Zehenamputation mitverursacht worden sei.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen dieses den Klägerinnen am 28. Februar 1968 zugestellte Urteil haben sie mit Schriftsatz vom 19. März 1968, beim Bundessozialgericht (BSG) am 20. März 1968 eingegangen, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. Mai 1968 mit einem an diesem Tage beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom 27. Mai 1968 begründet.
Sie beantragen,
das Urteil des Bayerischen LSG vom 11. Januar 1968 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerinnen rügen eine Verletzung der §§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das LSG und tragen hierzu insbesondere vor, die Feststellung des LSG, die Stürze des L. seien nicht durch die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich mitverursacht worden, sei unter Verletzung des § 103 SGG zustande gekommen. Sie hätten sowohl im Schriftsatz vom 15. Juni 1967 als auch in der mündlichen Verhandlung am 11. Januar 1968 verschiedene Zeugen dafür benannt, daß L. infolge der Schädigungsfolgen sehr unsicher beim Gehen und sturzanfällig gewesen sei. Die Begründung des LSG dafür, daß es nicht erforderlich sei, diese Zeugen zu hören, weil es sich um medizinische Laien handele, könne nicht durchgreifen. Die Beurteilung, ob jemand unsicher auf den Beinen und sturzanfällig sei, sei eine Tatsache, die der Beobachtung auch medizinisch nicht geschulter Personen jederzeit zugänglich sei. Hierfür seien besondere Fachkenntnisse nicht erforderlich; im Gegenteil seien gerade Personen, die L. über längere Zeit hätten beobachten können, besser geeignet, hierüber Auskunft zu geben, als ein Arzt nach einer kurzen Untersuchung. Allerdings müsse eingeräumt werden, daß die Beurteilung darüber, inwiefern eine beobachtete Unsicherheit und Sturzanfälligkeit gerade auf die vorliegenden Schädigungsfolgen zurückgeführt werden könnten, letztlich einem medizinischen Sachverständigen überlassen werden müßte. Dies habe das LSG aber keinesfalls von der Verpflichtung befreit, über die Gehunsicherheit und Sturzanfälligkeit des L. die angebotenen Beweise zu erheben. Die Zeugenaussagen hätten ergeben, daß L. sehr unsicher gegangen und häufig gestürzt sei. Ein Sachverständiger hätte aufgrund dieser Aussagen feststellen können, daß diese Unsicherheit und Sturzanfälligkeit auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Mit weiterer ausführlicher Begründung rügen die Klägerinnen ferner noch eine Verletzung der §§ 62 und 128 SGG durch das LSG.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung der Klägerinnen vom 27. Mai 1968 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 17. Senats des Bayerischen LSG vom 11. Januar 1968 als unzulässig zu verwerfen.
Er ist der Auffassung, daß die von den Klägerinnen gerügten Verfahrensmängel nicht gegeben sind. Zur Darstellung seines Vorbringens wird auf die Revisionserwiderung vom 27. Juni 1968 Bezug genommen.
Die Revision der Klägerinnen ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat und die Klägerinnen auch keine Gesetzesverletzung bei der Anwendung der in der Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG rügen, ist die Revision nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG i.S. des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird und vorliegt (BSG 1, 150). Die Klägerinnen rügen eine Verletzung der §§ 62, 103 und 128 SGG durch das LSG. Werden mehrere wesentliche Mängel des Verfahrens im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt, so ist die Revision schon dann statthaft, wenn nur einer der gerügten Verfahrensmängel vorliegt; in diesem Falle kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die übrigen gerügten wesentlichen Verfahrensmängel gegeben sind (siehe dazu BSG in SozR SGG § 162 Nr. 122).
Die Klägerinnen rügen zutreffend eine Verletzung des § 103 SGG durch das LSG. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen; es ist hierbei an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Für die Frage, ob das LSG seine Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen, nicht erfüllt und dadurch § 103 SGG verletzt hat, kommt es darauf an, ob der Sachverhalt, wie er dem LSG zur Zeit der Urteilsfällung bekannt gewesen ist, von dessen sachlich-rechtlichem Standpunkt aus zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichte oder ob er das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte drängen müssen (BSG in SozR SGG § 103 Nr. 7). Die Frage, ob das Verfahren des LSG an einem wesentlichen Mangel leidet, ist vom sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG aus zu beurteilen, nicht vom Standpunkt des Revisionsgerichts aus (BSG in SozR SGG § 162 Nr. 20). Das LSG ist der Auffassung, daß die Klägerinnen nur dann einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben, wenn L. an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Als Bedingungen für den Tod des L. hat es die durch den Leberschaden bei L. bestehende erhöhte Blutungsneigung und die beiden Stürze des L. am Abend des 18. Oktober 1962, die zu einer Kopfverletzung geführt haben, angesehen. Das LSG hat sodann festgestellt, daß der die Blutungsneigung des L. verursachende Leberschaden nicht durch schädigende Einwirkungen i.S. des BVG verursacht worden ist, so daß auch der Tod des L. insoweit nicht eine Schädigungsfolge darstellt. Hinsichtlich der beiden Stürze des L. am 18. Oktober 1962 hat das LSG mit zwei Begründungen den ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Schädigung i.S. des BVG und diesen Stürzen verneint und auch insoweit festgestellt, daß der Tod des L. keine Schädigungsfolge ist. Zunächst hat es ausgeführt, daß die Stürze durch die Wirkungen des Alkoholgenusses verursacht worden seien und nicht eine Folge der bei L. anerkannten Versorgungsleiden sind. Das LSG hat sodann weiter ausgeführt, daß aber selbst dann, wenn man unterstelle. daß die Stürze nicht durch den Alkoholgenuß verursacht worden seien, nicht festzustellen sei, daß sie durch die bei L. anerkannte Fuß- und Zehenamputation verursacht worden sind. Hierbei hat es sich auf ärztliche Bekundungen aus den Jahren 1946 bis 1958 bezogen und daraus gefolgert, daß bei L. eine gute Steh- und Gehfähigkeit vorhanden gewesen ist, die es ausschließe, daß er wegen seiner als Schädigungsfolgen anerkannten Fuß- und Zehenamputationen am Abend des 18. Oktober 1962 gestürzt ist. Bei dieser Sachlage sei es nicht erforderlich - so meint das LSG weiter -, die von den Klägerinnen benannten Zeugen über eine Gehunsicherheit und Sturzanfälligkeit des L. zu vernehmen, weil Bekundungen von Zeugen, die keine medizinischen Fachkenntnisse haben, gegenüber den ärztlichen Beurteilungen "als Beweismittel ungeeignet" seien. Es hat sodann weiter die Auffassung vertreten, es fehle jeder Anhalt dafür, daß sich das Geh- und Stehvermögen des L. "in der Folgezeit verschlechtert" habe. Aus diesen Ausführungen des LSG ergibt sich, daß es die Frage, ob L. im Zeitpunkt der beiden Stürze - also am 18. Oktober 1962 - in der Lage war, gut zu gehen und zu stehen, oder ob er infolge der anerkannten Versorgungsleiden gehunsicher und sturzanfällig war, für seine Entscheidung als rechtserheblich angesehen hat. Dies folgt auch daraus, daß es bei Dr. D und dem Heilpraktiker A angefragt hat, wodurch die Luxation des Sprunggelenks, die Rippenfraktur, Rippenquetschung und Schulterdistorsion bei L. verursacht worden sind. Wenn das LSG aber es als rechtserheblich angesehen hat, ob L. am 18. Oktober 1962 ein gutes Geh- und Stehvermögen gehabt hat oder gehunsicher und sturzanfällig gewesen ist, so hätte es sich im Rahmen des § 103 SGG gedrängt fühlen müssen, die zu dieser Frage von den Klägerinnen benannten Zeugen zu vernehmen. Die Klägerinnen rügen zu Recht, daß das LSG diese Frage nicht ausschließlich nach den ärztlichen Unterlagen der Jahre 1946 bis 1958 beantworten konnte. Aus diesen Unterlagen konnte es nur Feststellungen darüber treffen, wie die jeweiligen Ärzte die Geh- und Stehfähigkeit des L. in dem Zeitpunkt der ärztlichen Beobachtung beurteilt haben; ob sich das Geh- und Stehvermögen des L. "in der Folgezeit" - also von 1958 bis 1962 - verschlechtert hatte, was die Klägerinnen gerade durch die Zeugenbenennungen unter Beweis stellen wollen, konnte das LSG den ärztlichen Unterlagen aus der Zeit von 1946 bis 1958 aber nicht entnehmen. Zutreffend tragen die Klägerinnen vor, daß es sich insoweit nicht um eine nur von medizinischen Sachverständigen zu beantwortende Frage handelt; denn ob eine Person unsicher beim Gehen und sturzanfällig ist, läßt sich auch von Laien beobachten. Allerdings ist dann nach der Rechtsauffassung des LSG noch weiterhin die Frage zu prüfen, ob eine von den benannten Zeugen bekundete Gehunsicherheit und Sturzanfälligkeit des L. durch die bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen verursacht war. Auf jeden Fall mußte sich das LSG aber gedrängt fühlen, zunächst darüber Beweis zu erheben, ob L. im Zeitpunkt seines Unfalls am 18. Oktober 1962 tatsächlich gehunsicher und sturzanfällig war. Von dieser Verpflichtung war das LSG auch nicht etwa deshalb befreit, weil der Zeuge B von einem schlechten Gehvermögen "nichts bemerkt" hat, als er L. am 18. Oktober 1962 nach Hause begleitet hat. Abgesehen davon, daß sich diese Feststellung des LSG nicht aus dem Inhalt der Niederschrift über dessen Aussage vor dem LSG entnehmen läßt, konnte es einer solchen Bekundung - wenn sie der Zeuge gemacht haben sollte - noch nichts Abschließendes dafür entnehmen, ob L. im Zeitpunkt des Unfalls gut gehen und stehen konnte, nachdem für die Gehunsicherheit und Sturzanfälligkeit des L. mehrere Zeugen benannt worden waren. Die Unterlassung der Anhörung dieser Zeugen stellt eine Verletzung des § 103 SGG durch das LSG dar. Darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, so daß die Revision statthaft ist. Sie ist auch begründet, denn es ist nicht auszuschließen, daß das LSG ohne den bezeichneten Verfahrensmangel zu einer für die Klägerinnen günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Da es nach Auffassung des erkennenden Senats für den Anspruch der Klägerinnen auf Hinterbliebenenrente nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG rechtserheblich ist, ob die bei L. als Schädigungsfolgen anerkannten Fuß- und Zehenamputationen seine Stürze am 18. Oktober 1962 wesentlich mitbedingt haben, in tatsächlicher Beziehung vom LSG aber noch nicht festgestellt ist, ob L. zu diesem Zeitpunkt infolge der anerkannten Versorgungsleiden gehunsicher und sturzanfällig gewesen ist, mußte die Sache an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen