Leitsatz (redaktionell)
1. Ebenso wie bei BVG § 89 Abs 1 (vergleiche BSG 1963-12-18 7 RV 1302/61 und BSG 1968-02-01 10 RV 333/66 = BSGE 27, 286) sind in gleicher Weise auch die in BVG § 89 Abs 2 aF geforderten tatbestandsmäßigen Voraussetzungen zu prüfen, bevor die Ermessensausübung einsetzen kann, die in dem eingeschränkten Rahmen des SGG § 54 Abs 2 S 2 von den Gerichten nachzuprüfen ist.
Liegen bereits die gesetzlichen Voraussetzungen des BVG § 89 Abs 2 aF für das Ermessenshandeln der Verwaltung nicht vor, dann ist die Ablehnung des Versorgungsanspruchs immer rechtmäßig, weil für die Ausübung des Handlungsermessens die Voraussetzungen fehlen und eine Leistung unter keinen Umständen nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörde gewährt werden kann.
2. Zu den Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit die begehrte Hinterbliebenenversorgung als Härteausgleich gewährt werden kann, gehört, daß der Tod "nur deshalb nicht" mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Folge einer Schädigung (BVG § 38) angesehen werden kann, weil über die Ursache der vorhanden gewesenen Leiden in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht (BVG § 89 Abs 2 aF). Ist aber die Ursache des Leidens ungewiß -diese Ungewißheit muß allgemein in der Unklarheit des Leidens und nicht in der Unklarheit der Verhältnisse im konkreten Fall liegen -, dann ist als weiteres Tatbestandsmerkmal des BVG § 89 Abs 2 aF zu prüfen, ob allein wegen der Ungewißheit der Leidensursache ("nur deshalb") die zur Anerkennung des Leidens als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit, oder wie bei der Hinterbliebenenversorgung, die zur Anerkennung des Todes des Beschädigten als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit, nicht gegeben ist.
Der erkennende Senat hätte keine Bedenken, den BVG § 89 Abs 2 aF auch dann anzuwenden, wenn die zur Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil auch über die Verschlimmerung des in seinen Ursachen ungewissen Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht.
Orientierungssatz
Zur Frage der Gewährung von Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs (BVG § 89 Abs 2 aF) bzw als Kannleistung nach BVG § 1 Abs 3 S 2, wenn der Ehemann an Lymphogranulomatose verstorben ist.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1964-02-21, § 89 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27; SGG § 54 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; BVG § 38 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13.Januar 1966 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerinnen sind die Töchter und Rechtsnachfolgerinnen der Witwe E N (N.), die während des Revisionsverfahrens am 4. August 1967 verstorben ist. Diese begehrte die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung im Wege des Härteausgleichs (§ 89 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG - aF) bzw. als Kannleistung (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BVG idF des 2. und 3. Neuordnungsgesetzes - NOG -) nach ihrem am 19. Juni 1960 verstorbenen Ehemann H N. Dieser war im Juli 1941 zum Wehrdienst einberufen worden. Nach etwa sechswöchiger Infanterieausbildung bemerkte er eine Geschwulst an der linken Achselhöhle, welcher der Truppenarzt zunächst keine Bedeutung beimaß. Bei einer weiteren Untersuchung im September 1941 wurde eine Vergrößerung der Geschwulst festgestellt und N. am 26. September 1941 in das Reservelazarett L eingewiesen. Sein Leiden wurde dort als Lymphogranulomatose (LG) diagnostiziert; er wurde am 2. Oktober 1941 operiert und erhielt später noch eine Reihe von Röntgenbestrahlungen. Am 27. März 1942 wurde er aus dem Lazarett entlassen; am 1. April 1942 stellte er einen Antrag auf Versorgung. Der Wehrmachtsarzt führte in seinem Zeugnis vom 17. April 1942 aus, es müsse mit Rücksicht darauf, daß die Entstehung dieser Krankheit noch nicht geklärt sei und N. bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht niemals Beschwerden von seiten der lymphatischen Organe gehabe habe, die LG zumindest als Wehrdienstbeschädigung im Sinne der Verschlimmerung angenommen werden; der weitere Verlauf der Erkrankung sei schicksalsmäßig bestimmt. Daraufhin wurde N. am 9. Juni 1942 als wehrdienstuntauglich (wu) aus dem Wehrdienst entlassen. Durch Bescheid vom 30. Juni 1942 wurde ihm wegen "1) Lymphogranulomatose, 2) ausgedehnte Operationsnarbe in der linken Achselhöhle und Brustseite nach Drüsenentfernung, 3) Bewegungseinschränkung des linken Arms infolge Narbenzugs - im Sinne der Verschlimmerung -" Versehrtengeld nach Stufe II zuerkannt. Durch Bescheid vom 18. April 1950 wurden ihm rückwirkend ab 1. Juli 1945 Versorgungsgebührnisse nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. gewährt. In dem Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 21. Februar 1952, der ohne ärztliche Nachuntersuchung erging, blieben Schädigungsfolgen und MdE-Grad unverändert. Ein im November 1959 gestellter Verschlimmerungsantrag hatte keinen Erfolg (Bescheid des VersorgA L vom 15. März 1960; Widerspruchsbescheid des LVersorgA Rheinland-Pfalz vom 10. Mai 1960). Die dagegen vom Beschädigten erhobene Klage ist später (24. März 1961) von seiner Witwe zurückgenommen worden.
Am 19. Juni 1960 ist N. laut der Todesbescheinigung an LG als zum Tode führendem Leiden und Anämie als Begleiterkrankung verstorben. Den Antrag der Witwe auf Hinterbliebenenversorgung lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) L durch Bescheid vom 13. Juni 1961 ab, weil der Tod nicht die wahrscheinliche Folge des anerkannten Schädigungsleidens sei. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) stützte sich vorwiegend auf die Gutachten und Stellungnahmen von Dr. S, Dr. S Dr. B und Dr. N. Im Berufungsrechtszug wurde die Witwe in der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 1962 darauf hingewiesen, daß sie keinen Rechtsanspruch auf Hinterbliebenenversorgung habe, sondern daß allenfalls ein Härteausgleich gemäß § 89 Abs. 2 BVG in Frage komme. Die Klägerin nahm darauf ihre Berufung zurück und stellte gleichzeitig einen Antrag gemäß § 89 Abs. 2 BVG.
In dem durch diesen Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren wurden Dr. J und Dr. W gehört; die frühere Klägerin verwies auf das von ihr beigebrachte Gutachten von Dr. O. Das VersorgA L lehnte mit Bescheid vom 25. September 1962 die Gewährung eines Härteausgleichs nach § 89 Abs. 2 BVG ab; der Widerspruch wurde durch Bescheid des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) Rheinland-Pfalz vom 7. Februar 1963 zurückgewiesen. Die Klage hat das SG Speyer durch Urteil vom 21. Februar 1964 mit der Begründung abgewiesen, die bei dem Ehemann der Klägerin festgestellte Erkrankung habe schon vor dessen Eintritt in die Wehrmacht begonnen; auch ohne den Wehrdienst würde der zum Tode führende Geschehensablauf kein anderer gewesen sein.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) ein Gutachten von Prof. Dr. H, Oberarzt der Medizinischen Universitätsklinik F, eingeholt. Das LSG hat daraufhin durch Urteil vom 13. Januar 1966 die Berufung zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, nach den Feststellungen in den ärztlichen Gutachten sei zwar erwiesen, daß Todesursache des N. eine LG gewesen sei. Weiter stehe aufgrund der ärztlichen Darlegungen (vgl. auch Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - BMA - vom 22. Februar 1962, abgedruckt in BVBl 1962, 45) fest, daß die LG eine Krankheit sei, über deren Ursache in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit bestehe. Dieser ärztlichen Ungewißheit über die LG komme jedoch im vorliegenden Fall keinerlei Bedeutung zu. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. H existierten drei ärztliche Arbeitshypothesen, die Entstehung und Verlauf der LG zu erklären versuchten. Danach sei die LG entweder ein Tumorleiden oder eine Infektionskrankheit oder eine besondere Reaktionsform des lymphatischen Systems. Mithin wäre im vorliegenden Fall die in der medizinischen Wissenschaft herrschende Ungewißheit über die wahre Ursache der LG nur dann der alleinige Grund für das Fehlen der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG erforderlichen Wahrscheinlichkeit, wenn sich nach irgendeiner dieser Arbeitshypothesen ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang mit Einwirkungen des Wehrdienstes ergäbe. Prof. Dr. H habe überzeugend dargelegt, daß nach keiner dieser Arbeitshypothesen Einwirkungen des Wehrdienstes die LG des N. verursacht haben könnten. Bei N. habe nämlich schon vor dessen Einberufung eine LG bestanden, so daß eine Hervorrufung dieser Krankheit durch den Wehrdienst nicht angenommen werden könne. Auch eine schädigungsbedingte Leidensverschlimmerung, die als Ursache des Todes von N. in Betracht komme, sei nicht anzunehmen; die Krankheit sei nämlich bereits kurze Zeit nach seiner Einberufung zur Wehrmacht erkannt und einer sorgfältigen ärztlichen Behandlung zugeführt worden. Nach ärztlicher Erfahrung gebe es Verlaufsformen der LG, die innerhalb weniger Monate oder Jahre zum Tode führten, während Fälle, in denen der Kranke 18 bis 20 Jahre überlebt habe, nur vereinzelt bekannt seien. Da N. erst 19 Jahre nach Erkennen der LG gestorben sei, sei der Leidensverlauf also sehr günstig gewesen. Auch wenn man berücksichtige, daß die LG des N. als Schädigungsfolge i.S. der Verschlimmerung mit einer MdE um 50 v.H. anerkannt gewesen sei, stehe der Witwe kein Härteausgleich zu. Zwar wäre das Begehren der Klägerin begründet, wenn der Leidensanteil, der für die Zuerkennung einer Beschädigtenrente an N. bestimmend gewesen sei, nur deshalb nicht als wahrscheinliche Todesursache angesehen werden könnte, weil über die Fortentwicklung der LG in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit bestehe. Das sei aber nicht der Fall. Aus den Ausführungen von Prof. Dr. H ergebe sich, daß die LG erst 17 Jahre nach der Entlassung des N. aus dem Wehrdienst, nach sehr günstigem Leidensverlauf, die inneren Organe erfaßt habe. Es fehle somit schon an einem beschleunigten Ablauf der Krankheit schlechthin. Eine Lebensverkürzung um etwa ein Jahr gegenüber anderen an LG Erkrankten sei bei N. überhaupt nicht feststellbar. Da sonach die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen der §§ 89 Abs. 2 BVG aF, § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nF nicht gegeben seien, müsse schon aus diesem Grunde die Berufung der Witwe zurückgewiesen werden, ohne daß geprüft zu werden brauche, ob ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten vorliege.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Witwe hat gegen das ihr am 8. Februar 1966 zugestellte Urteil durch Schriftsatz vom 14. Februar 1966, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am gleichen Tage, Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 8. Mai 1966 durch einen am 4. Mai 1966 beim BSG eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die jetzigen Klägerinnen beantragen,
1) das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Speyer vom 21. Februar 1964 sowie die Bescheide des Beklagten vom 25. September 1962 und 7. Februar 1963 aufzuheben und den Beklagten zur Erteilung eines neuen Bescheides über die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung als Ermessensleistung zu verurteilen,
2) hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
3) die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in allen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.
Zur Begründung tragen sie vor, das LSG habe § 89 Abs. 2 BVG aF und § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nF verkannt, wenn es ausführe, die Ungewißheit über die Ursache der LG in der medizinischen Wissenschaft habe deshalb keine Bedeutung, weil keine der drei medizinischen Arbeitshypothesen die Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines schädigungsbedingten Ursachenzusammenhangs zulasse. Das Tatbestandsmerkmal der Ungewißheit lasse sich nicht dadurch ausräumen, daß an seine Stelle eine andere "Ungewißheit" gesetzt werde, nämlich die Unterstellung der Richtigkeit der bisher aufgestellten Arbeitshypothesen, also einer Annahme im Bereich einer medizinischen terra incognita. Für die Anwendung der strittigen Bestimmungen sei es vielmehr erforderlich, aber auch ausreichend, daß ein zeitlicher Zusammenhang der LG mit dem Wehrdienst und die Möglichkeit schädigender Einwirkungen durch den Wehrdienst gegeben seien. Andernfalls würden diese Bestimmungen ihren Sinn verlieren. Weiter müsse geprüft werden, welche rechtliche Bedeutung dem Umstand zukomme, daß bei N. die LG als Schädigungsfolge iS der Verschlimmerung mit einer MdE um 50 v.H. anerkannt gewesen sei. Im Hinblick auf diesen anerkannten schädigungsbedingten Anteil sei es folgerichtig, Hinterbliebenenversorgung als Ermessensleistung zu gewähren, und zwar ohne die Einschränkungen in dem Rundschreiben des BMA vom 18. Mai 1962 (KOV 1962 S. 158/159).
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Zulassung statthafte Revision ist von der früheren Klägerin Emma N. form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig innerhalb der bis zum 8. Mai 1966 verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet worden. Durch den während des Revisionsverfahrens eingetretenen Tod der Frau N. ist das Verfahren kraft Gesetzes gemäß § 68 SGG iVm § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen worden. Die Vorschrift des § 246 ZPO, wonach bei Vertretung durch einen Prozeßbevollmächtigten eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eintritt, ist ausdrücklich nicht in das sozialgerichtliche Verfahren übernommen worden (§ 68 SGG; vgl. Peters/Sautter/Wolff SGG § 68 Anm. 1 S. 221; BSG in SozR SGG § 68 Nr. 2). Nachdem die Töchter der Frau N. mit Schriftsatz vom 21. Februar 1969 mitgeteilt hatten, daß sie als Rechtsnachfolgerinnen ihrer Mutter den Rechtsstreit aufnehmen, und die Rechtsnachfolge durch gemeinschaftlichen Erbschein des Amtsgerichts Kandel/Pfalz nachgewiesen hatten, war das Verfahren mit den jetzigen Klägerinnen fortzusetzen.
Die Ablehnung des Anspruchs der früheren Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung gemäß §§ 38 ff BVG ist rechtskräftig geworden, da Frau N. die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG Speyer vom 23. Februar 1962 zurückgenommen hat. Im Streit ist im vorliegenden Fall nur der Anspruch der früheren Klägerin auf Härteausgleich gemäß § 89 Abs. 2 BVG aF bzw. auf Kannversorgung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nF, welcher auf die derzeitigen Klägerinnen übergegangen ist. Da die Hinterbliebenenrente im Wege des Härteausgleichs vom 19. Juni 1960 an begehrt worden ist, muß die Rechtslage nach dem am 1. Juni 1960 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG vom 27. Juni 1960, BGBl I S. 453) und den nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Gesetzesänderungen beurteilt werden. Nach § 89 Abs. 2 BVG idF des 1. NOG kann ein Härteausgleich mit Zustimmung des BMA gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit (§ 1 Abs. 3 BVG) nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Das 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I S. 85) hat diesen Wortlaut des § 89 Abs. 2 BVG in § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG im wesentlichen unverändert übernommen, jedoch den früheren Härteausgleich nunmehr als Kannversorgung geregelt und diese unabhängig von dem Vorliegen einer besonderen Härte gestaltet. Durch das 3. NOG (vom 28. Dezember 1966, BGBl I S. 750) sind in diese Vorschrift lediglich die Worte: "in gleicher Weise wie für Schädigungsfolgen" eingefügt worden. Diese Einfügung hat keine inhaltliche Änderung mit sich gebracht.
Bei dem zunächst anzuwendenden § 89 Abs. 2 bzw. bei § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG handelt es sich dem Wortlaut nach ("kann") zwar um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsverwaltung, zu Recht ist das LSG jedoch davon ausgegangen, daß auch bei einer solchen Ermessensentscheidung das Ermessenshandeln von dem Vorliegen gewisser Voraussetzungen abhängig gemacht ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist aber nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Ermessensgebrauchs (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) zu prüfen, vielmehr sind die tatbestandsmäßigen (materiell-rechtlichen) Leistungsvoraussetzungen, die an die Gewährung einer Versorgung als Kannleistung geknüpft sind, ebenso von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nachzuprüfen wie die Voraussetzungen bei anderen Leistungen auch. Die Prüfung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen bewegt sich also nicht im Rahmen der Prüfung der Ermessensausübung. In diesem Sinne hat das BSG wiederholt zu § 89 Abs. 1 BVG entschieden, daß der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Härte" materiell-rechtliche Leistungsvoraussetzung für das Verwaltungshandeln (Ermessenshandeln) der Versorgungsbehörde ist und daß das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals bei einer Entscheidung der Versorgungsbehörde über einen beantragten Härteausgleich von den Gerichten nachzuprüfen ist (vgl. Urteile BSG vom 18. Dezember 1963 - 7 RV 1301/61 - und vom 1. Februar 1968 - 10 RV 333/66 - = SozR BVG § 89 Nr. 2). Ebenso wie bei § 89 Abs. 1 BVG sind in gleicher Weise auch die in § 89 Abs. 2 BVG geforderten tatbestandsmäßigen Voraussetzungen zu prüfen, bevor die Ermessensausübung einsetzen kann, die dann gegebenenfalls in dem eingeschränkten Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG von den Gerichten nachzuprüfen ist. Liegen bereits die gesetzlichen Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 BVG für das Ermessenshandeln der Verwaltung nicht vor, dann ist die Ablehnung des Versorgungsanspruchs immer rechtmäßig, weil dann für die Ausübung des Handlungsermessens die Voraussetzungen fehlen und eine Leistung unter keinen Umständen nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörde gewährt werden kann. Zu den Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit die begehrte Hinterbliebenenversorgung als Härteausgleich gewährt werden kann, gehört, daß der Tod des H N. "nur deshalb nicht" mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Folge einer Schädigung (§ 38 BVG) angesehen werden kann, weil über die Ursache der bei N. vorhanden gewesenen LG in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht (§ 89 Abs. 2 BVG). Das LSG hat dazu festgestellt, daß über die Ursachen der LG Ungewißheit besteht (Seite 9 Mitte der Urteilsausfertigung). Dabei kann dahinstehen, ob die Erörterung des LSG zu den drei Arbeitshypothesen über die Entstehung der LG überhaupt erforderlich war, denn selbst wenn nur drei Ursachen der LG denkbar wären - das LSG spricht schlechthin von drei Arbeitshypothesen -, bliebe trotzdem die Ursache des festgestellten Leidens ungewiß. Ist aber die Ursache eines Leidens ungewiß - und diese Ungewißheit muß, wie im vorliegenden Fall, allgemein in der Unklarheit des Leidens und nicht in der Unklarheit der Verhältnisse im konkreten Fall liegen -, dann ist als weiteres Tatbestandsmerkmal des § 89 Abs. 2 BVG zu prüfen, ob allein wegen der Ungewißheit der Leidensursache ("nur deshalb") die zur Anerkennung des Leidens als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit, oder wie hier bei der Hinterbliebenenversorgung, die zur Anerkennung des Todes des Beschädigten als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit, nicht gegeben ist. Hierzu hat das LSG zunächst festgestellt, daß nicht wegen der Ungewißheit der "Entstehung" der LG die Anerkennung des Todes des N. als Schädigungsfolge gescheitert ist. Es hat in diesem Zusammenhang auf die drei Arbeitshypothesen hingewiesen und ausgeführt, daß auch nach der günstigsten Arbeitshypothese "im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme der Senat nicht die Überzeugung gewonnen hat, daß die Wahrscheinlichkeit eines schädigungsbedingten Zusammenhangs der LG des N. nur deshalb fehlt, weil in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit über die Ursache des Leidens besteht". Ob aber diese - auch von der Klägerin beanstandete - Schlußfolgerung gerechtfertigt ist, und zwar auf Grund der Voraussetzung, daß drei Arbeitshypothesen bestehen, ohne daß festgestellt wurde, daß nur die erwähnten drei Arbeitshypothesen überhaupt möglich sind, kann dahinstehen. Auf jeden Fall stützt sich die Schlußfolgerung des LSG auf die Feststellung, daß wahrscheinlich die LG des N. "schon vor der Einberufung begonnen hat", d.h. also, ohne Einflüsse des Wehrdienstes entstanden war. Aus dieser tatsächlichen Voraussetzung aber ist unbedenklich der Schluß des LSG gerechtfertigt, daß also auch die zur Anerkennung des Leidens des N. als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht "nur deshalb nicht" gegeben ist, weil über die Ursache der LG in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht; denn wenn die Entstehung der LG unzweifelhaft nicht den Einflüssen des Wehrdienstes zuzuschreiben ist, weil sie schon vorher entstanden war, dann scheitert die Anerkennung des Todes des N. als Schädigungsfolge nicht an der Ungewißheit über die Entstehung des Leidens.
Das LSG hat anschließend an diese Feststellung zutreffend weiter geprüft, ob mit der im Sinne der "Verschlimmerung" als Schädigungsfolge anerkannten LG nur deshalb nicht die zur Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Wenn nämlich auch keinesfalls der Wehrdienst des N. zur Entstehung der LG geführt haben kann, so könnte doch die als Schädigungsfolge anerkannte Verschlimmerung oder auch eine noch nicht anerkannte Verschlimmerung der LG die Ursache für den Tod gewesen sein, und wenn die Ursache der Entstehung der LG ungewiß ist, dann müssen auch weitgehend die Kräfte ungewiß sein, die zur Verschlimmerung des Leidens führen. Unter solchen Umständen hätte der erkennende Senat keine Bedenken, den § 89 Abs. 2 BVG auch dann anzuwenden, wenn die zur Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil auch über die Verschlimmerung des in seinen Ursachen ungewissen Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Offenbar ist auch das LSG von dieser Rechtsauffassung ausgegangen und hat aus diesem Grunde die Frage der Verschlimmerung im Rahmen des § 89 Abs. 2 BVG geprüft. Es hat insoweit dazu festgestellt, daß auch die zur Anerkennung einer Verschlimmerung der LG als schädigungsbedingte Todesursache erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht "nur deshalb nicht" gegeben ist, weil über die Ursache der Entstehung der LG oder über deren weiteren Verlauf in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Es hat diese Feststellung auf Grund der ärztlichen Erfahrungstatsache getroffen, daß die Überlebenszeit von der Entstehung der LG an gerechnet nur in vereinzelten Fällen sich bis zu einer Spanne von 18 bis 20 Jahren erstreckt, so daß bei dem zeitlichen Abstand der Entstehung der LG vor der Einberufung (1941) bis zum Tode des N. im Jahre 1960 keinesfalls die durch den Wehrdienst verursachte Verschlimmerung mitgewirkt haben kann. Damit ist aber auch die zur Anerkennung der Verschlimmerung der LG als Ursache für den Tod des N. erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht "nur deshalb nicht" gegeben, weil über die Ursache der Entstehung und Fortentwicklung der LG in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht.
Diese Feststellung des LSG, daß die zur Anerkennung des Todes als Schädigungsfolge bei H N. erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht "nur deshalb nicht" gegeben ist, weil über die Ursache der Entstehung der LG oder die Fortentwicklung der LG (Verschlimmerung) in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht, ist auch für das Revisionsgericht verbindlich; danach fehlt also im vorliegenden Fall eines der materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 89 BVG. Diese Feststellung des LSG betrifft aber zugleich auch dasselbe zum Tatbestand des § 1 Abs. 3 BVG idF des 2. wie des 3. NOG für die Gewährung einer Kannleistung gehörende Merkmal, so daß beim Fehlen dieses Merkmals auch eine Kannleistung nach diesen Vorschriften nicht gewährt werden kann. Das LSG hat mithin im Ergebnis zutreffend entschieden, daß ein Anspruch der früheren Klägerin auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente als Härteausgleich gemäß § 89 Abs. 2 BVG nicht bestanden hat und deshalb die Ablehnung des Anspruchs mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht erfolgt ist, und daß auch später nach der Vorschrift des § 1 Abs. 3 idF des 2. und 3. NOG kein Anspruch der früheren Klägerin auf Gewährung einer Kannleistung begründet war. Mithin war die Revision der derzeitigen Klägerinnen, die als Rechtsnachfolgerinnen der früheren Klägerin deren erhobene Ansprüche weiterverfolgen, als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen