Verfahrensgang
LSG Berlin (Urteil vom 16.09.1988) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. September 1988 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist die Vormerkung von Versicherungszeiten in Polen von Oktober 1946 bis Januar 1950 nach § 11 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) iVm dem Fremdrentengesetz (FRG).
Die im Juli 1922 in Auschwitz geborene Klägerin ist anerkannte Verfolgte iS von § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG), nach dessen Vorschriften sie eine Entschädigung wegen eines Freiheitsschadens vom 8. Januar 1940 bis zum 8. Mai 1945 erhalten hat. Sie ist israelische Staatsbürgerin.
Sie ist die Tochter des 1928/29 gestorbenen M. … H. und seiner Ehefrau J. …, geborene E. …, die in der Verfolgung umgekommen ist. Nach ihren Angaben wurde im Elternhaus Deutsch gesprochen, unter den vier Geschwistern aber auch Polnisch. Nach dem Besuch der Volksschule sowie einer Handelsschule in Auschwitz war sie von Juli 1938 bis September 1939 als Büroangestellte in Auschwitz und von Oktober 1946 bis Januar 1950 als Lehrerin in der Ortsschule in Kattowitz beschäftigt. 1946 heiratete sie. Am 1. März 1950 wanderte sie von Polen aus nach Israel ein, wo sie ihre beiden Kinder gebar. Auf Veranlassung der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) führte das israelische Finanzministerium am 3. Februar 1983 eine Sprachprüfung durch. Diese hatte zum Ergebnis, daß die Klägerin Deutsch mühelos, einfach jedoch gewandt und mit einem schwachen oberschlesischen Dialekt spreche, es mit vielen Fehlern, jedoch mit Verständnis schreibe und fließend und mit Verständnis lese; ihr miterschienener Ehegatte spreche recht fließend Deutsch, lese es jedoch nicht fließend. Trotz ihrer begrenzten deutschen Bildung und der fehlerhaften Schriftproben scheine die deutsche Sprache die Muttersprache zu sein, die zumindest auch später im Familienkreis überwiegend benutzt worden sei.
Mit dem streitigen Bescheid vom 12. April 1983, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 1984, lehnte die Beklagte die von der Klägerin beantragte Herstellung von Versicherungsunterlagen (Vormerkung) über die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten ab, weil die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) nicht gegeben sei, da nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Klägerin zum maßgebenden Zeitpunkt der Auswanderung Deutsch im persönlichen Lebensbereich vorwiegend gesprochen habe. Während des Klageverfahrens merkte die Beklagte mit Bescheid vom 21. September 1984 die Zeit vom 1. Juli 1938 bis zum 30. September 1939 als Beitragszeiten nach § 15 FRG mit Kürzung auf 5/6 sowie die Zeit vom 8. Januar 1940 bis zum 8. Mai 1945 als Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung vor, lehnte die Anerkennung der Zeit vom 1. Januar 1946 bis zum 31. Januar 1950 als Beitrags- oder Beschäftigungszeit iS von §§ 15, 16 FRG ab, weil die Beitragsunterlagen des polnischen Versicherungsträgers, die vollständig vorlägen, keine Angaben für diese Zeiten enthielten, und führte aus, die Zeit vom 1. Oktober 1939 bis zum 7. Januar 1940 könne als Ersatzzeit nicht vorgemerkt werden, weil sie nicht ausreichend glaubhaft gemacht sei.
Klage und Berufung, mit der nur die Vormerkung der Zeiten vom 1. Oktober 1946 bis zum 31. Januar 1950 begehrt worden ist, sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Berlin vom 12. August 1985; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Berlin vom 16. September 1988). Das Berufungsgericht ist folgender Auffassung: Die Klägerin könnte die Vormerkung der allein noch streitigen Zeiten vom 1. Oktober 1946 bis zum 31. Januar 1950 nur verlangen, wenn sie iS von §§ 20, 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) vertriebene Verfolgte wäre. Dies setze voraus, daß sie im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob sie Deutsch wie eine Muttersprache beherrsche. Es sei nämlich nicht glaubhaft gemacht, daß sie im Zeitpunkt der Auswanderung nach Israel in ihrem persönlichen Bereich mehr die deutsche als die polnische Sprache gebraucht habe. Es sei zwar möglich, daß sie zur Zeit der Auswanderung aus Polen im Jahre 1950 im persönlichen Lebensbereich überwiegend Deutsch gesprochen habe; ebensogut könne die Klägerin aber auch überwiegend Polnisch oder – was am wahrscheinlichsten sei – Deutsch und Polnisch gesprochen haben, ohne daß der Gebrauch der einen oder der anderen Sprache überwogen habe. Deswegen habe der Senat davon abgesehen, die zum Beweis des Sprachgebrauchs im Elternhaus benannten Zeugen zu hören und dem Antrag der Klägerin, die Entschädigungsakten ihres Bruders beizuziehen, stattzugeben.
Mit der – vom damals zuständigen 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 19 Abs 2 Buchst a, 20 WGSVG sowie des Art 3 Abs 1 und Abs 3 des Grundgesetzes (GG). Das LSG habe die Vorschriften zu eng ausgelegt, weil es die Auswirkungen der Verfolgung auf die Möglichkeit, im persönlichen Lebensbereich weiterhin überwiegend Deutsch sprechen zu können, nicht hinreichend berücksichtigt habe. Insbesondere trage das Urteil des LSG der neueren Rechtsprechung des BSG nicht Rechnung. Es bedürfe weiterer tatsächlicher Feststellungen über den Sprachgebrauch im Elternhaus, der die Klägerin iS der deutschen Kulturzugehörigkeit geprägt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 16. September 1988 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 1985 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 12. April 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 1984 sowie des Bescheides vom 21. September 1984 zu verurteilen, eine Versicherungsunterlage über die in Polen vom 1. Oktober 1946 bis zum 31. Januar 1950 zurückgelegten Beitragszeiten herzustellen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Sie hält weitere tatsächliche Feststellungen für erforderlich und hat die Entschädigungsakten des Bruders der Klägerin beigezogen und daraus eine Ablichtung des Berichts des israelischen Finanzministeriums über dessen Sprachprüfung vom 1. Februar 1976 zu den Akten gereicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an des Berufungsgericht begründet, weil es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen für eine abschließende Sachentscheidung fehlt.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Herstellung von Versicherungsunterlagen über in Polen zurückgelegte Beitrags- oder Beschäftigungszeiten (iS von §§ 15, 16 FRG), dh auf Vormerkung dieser Zeiten (= Erteilung eines Bescheides über die Anerkennung und Bewertung dieser Zeiten), ist § 11 Abs 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO idF vom 3. März 1960, BGBl I S 137, zuletzt geändert durch Art 3 des Rentenanpassungsgesetzes 1990 ≪RAG 1990≫ vom 28. Mai 1990, BGBl I S 986, aufgehoben mit Wirkung vom 1. Januar 1992 durch Art 41 Nr 1 des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫ vom 25. Juli 1991, BGBl I S 1606).
Gemäß § 11 Abs 2 VuVO sind auf Antrag des Versicherten (Beschäftigten) auch außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens nach Maßgabe des FRG Versicherungsunterlagen für Zeiten herzustellen, die nach dem FRG anrechenbar sind. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen jedoch keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob für die Klägerin die streitigen FRG-Zeiten anzuerkennen sind.
Zwar kann dem angefochtenen Urteil, das sich ergänzend auf das Urteil des SG und die Verwaltungsvorgänge bezogen hat, mit noch hinreichender Klarheit entnommen werden, daß die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, von denen nach § 1 FRG grundsätzlich die Zugehörigkeit zu dem Personenkreis abhängt, der durch dieses Gesetz begünstigt werden soll. Dem Senat ist es jedoch nicht möglich zu erkennen, ob die Klägerin nach dem mit Wirkung vom 1. Juli 1990 durch Art 15 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) eingefügten § 17a Buchst a FRG (idF des Art 14 Nr 17 RÜG) mit Blick auf den Leistungszeitraum ab 1. Juli 1990 oder nach §§ 20, 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG vom persönlichen Anwendungsbereich des FRG erfaßt wird.
Nach § 17a Buchst a FRG finden die für die gesetzliche Rentenversicherung maßgeblichen Vorschriften dieses Gesetzes auch auf Personen Anwendung, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, 1. dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört hatten, 2. das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört haben und 3. sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten und die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs 2 Nr 3 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) verlassen haben. Die Klägerin hatte zwar im September 1939 bereits das 16. Lebensjahr vollendet. Das Urteil des Berufungsgerichts, das § 17a FRG noch nicht anzuwenden hatte, enthält jedoch keine tatsächlichen Feststellungen, sondern läßt dahingestellt, ob die Klägerin im September 1939 dem dSK angehört hat. Hierzu wird das Berufungsgericht – auch aus den weiter unten angeführten Gründen – tatsächliche Feststellungen nachzuholen haben.
Hingegen wird das LSG keine weiteren Feststellungen zu der nach § 17a Buchst a Nr 3 FRG erheblichen Frage treffen müssen, ob die Klägerin „sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatte”. Da diese Vorschrift die Gleichstellung der deutschen Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern bezweckt (so BT-Drucks 11/5530 S 29), reicht – entgegen dem mißverständlichen Wortlaut – aus, daß der Anspruchsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der Ausdehnung des nationalsozialistischen Einflußbereichs „dem Judentum zugehörig”, also Jude im Sinne der NS-Ideologie war. Zur Feststellung dieser Tatsache genügt gemäß § 4 FRG die Glaubhaftmachung. Dem Urteil des LSG ist zwar nicht ausdrücklich, aber durch die Bezugnahme auf das Urteil des SG und die Verwaltungsvorgänge noch hinreichend deutlich zu entnehmen, daß die Klägerin – ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit – als Tochter jüdischer Eltern selbst Jüdin und rassisch Verfolgte, damit iS der hier maßgeblichen entschädigungsrechtlichen Betrachtungsweise „dem Judentum zugehörig” war. Keiner weiteren Klärung durch die Tatsacheninstanz bedarf schließlich, daß die Klägerin ein Vertreibungsgebiet iS von § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG verließ, als sie 1950 von Polen nach Israel auswanderte.
Für einen vor dem 1. Juli 1990 liegenden Leistungszeitraum können in Polen zurückgelegte Versicherungszeiten für die Klägerin nur dann nach den §§ 15, 16 FRG anrechenbar sein und nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen, wenn sie „vertriebene Verfolgte” wäre, die lediglich deswegen nicht als Vertriebene anerkannt werden kann, weil sie sich nicht ausdrücklich zum deutschen Volkstum bekannt hat (§ 20 Satz 1 WGSVG = ab 1. Januar 1990 Abs 1 Satz 1 – vgl Art 21 Nr 4a iVm Art 85 Abs 5 RRG 1992). Zwar hat das LSG – wie ausgeführt – die den Senat bindende (§ 163 SGG) tatsächliche Feststellung getroffen, daß die Klägerin „Verfolgte” ist. Hingegen kann auf der Grundlage des angefochtenen Urteils nicht entschieden werden, ob sie auch das Vertreibungsschicksal erlitten hat.
Gemäß § 1 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 BVFG ist Vertriebener auch, wer „als deutscher Volkszugehöriger” nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen Polen verlassen hat. „Deutscher Volkszugehöriger” iS dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird (§ 6 BVFG). Hierzu nimmt § 20 Satz 2 (seit 1. Januar 1990: Abs 1 Satz 2) WGSVG zugunsten insbesondere der rassisch Verfolgten iS einer – auch beweiserleichternden -Gleichstellung auf § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG Bezug: Soweit es für die Vertriebeneneigenschaft auf die deutsche Volkszugehörigkeit ankommt, „genügt es” hiernach, wenn der Verfolgte im Zeitraum des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem dSK angehört hat.
Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts regelt die letztgenannte Vorschrift nicht, daß Verfolgte nur dann als Vertriebene iS von § 20 WGSVG anzuerkennen sind, wenn sie im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes im persönlichen Lebensbereich überwiegend Deutsch gesprochen haben. Vielmehr entbindet die Vorschrift die rechtsanwendenden Instanzen davon, weitere Ermittlungen über die „deutsche Volkszugehörigkeit” eines Verfolgten anzustellen, der die in § 19 Abs 2 Buchst a Halbsatz 2 WGSVG genannte Voraussetzung erfüllt. Deswegen hat das BSG in ständiger Rechtsprechung (stellvertretend BSG SozR 5070 § 20 Nr 2; BSGE 50, 279, 281 = SozR 5070 § 20 Nr 3; SozR aaO Nrn 4, 5, 13; BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 1; Urteil des Senats vom 28. Juni 1990 – 4 RA 40/88 –; Urteil des Senats vom 26. September 1991 – 4 RA 89/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen) eine vor dem Verlassen des Vertreibungsgebietes erfolgte verfolgungsbedingte endgültige Abwendung vom dSK als für die Entschädigung unschädlich erachtet, ferner bei der Bewertung der Verwendung der deutschen Sprache im persönlichen Lebensbereich verfolgungs- und vertreibungsbedingte Umstände (zB Vereinsamung) berücksichtigt und insbesondere bei Mehrsprachigkeit des Verfolgten und späterem überwiegenden Gebrauch einer anderen Sprache als Deutsch eine Übergangszeit angenommen, in der die Zugehörigkeit zum dSK erhalten bleibt. Diese Übergangszeit, die beginnt, sobald die deutsche Sprache nicht einmal mehr im persönlichen Lebensbereich „überwiegend”, dh in größerem Umfang als alle anderen Sprachen, benutzt wird, endet erst nach einem Zeitraum, welcher der Zeit der überwiegenden Verwendung des Deutschen, dh der aktualisierten Zugehörigkeit zum dSK, entspricht, spätestens aber nach Ablauf von 20 Jahren (Urteil des Senats vom 26. September 1991 – 4 RA 89/90, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, daß die Klägerin von 1946 bis zur Ausreise im Jahre 1950 im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung nicht überwiegend Deutsch gesprochen hat. Dies ist fraglich, weil das LSG als das Wahrscheinlichste erachtet hat, daß die Klägerin in dieser Zeit Deutsch und Polnisch gleichwertig verwendet hat. Hierauf ist nicht weiter einzugehen, weil die Klägerin auch dann „deutsche Volkszugehörige” gewesen wäre, wenn sie vor ihrer Heirat 1946 oder auch nur bis zum Ende der Verfolgungszeit – wie sie behauptet – dem dSK angehört und erst danach im persönlichen Lebensbereich überwiegend Polnisch gesprochen hätte.
Weitere Voraussetzung wäre hierfür aber – was das LSG von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht nicht geprüft hat –, daß der sog Nötigungszusammenhang gegeben ist, dh daß die Klägerin im Jahr 1950 Polen „als deutsche Volkszugehörige”, nicht aber wesentlich aus einem anderen Grund verlassen hat. Hierzu bestimmt § 20 Abs 2 WGSVG (in der ab 1. Februar 1971 gültigen Fassung durch Art 21 Nr 4c RRG 1992), daß vermutet wird, daß die Zugehörigkeit zum dSK eine wesentliche Ursache für das Verlassen des Vertreibungsgebietes gewesen ist. Dies gilt – nur dann – nicht, wenn das Vertreibungsgebiet nachweislich im wesentlichen aus anderen Gründen verlassen worden ist, weil der Zugehörigkeit zum dSK im Verhältnis zu anderen Gründen nicht annähernd das gleiche Gewicht zukommt. Eine verfolgungsbedingte Abwendung von dSK oder eine Wohnsitznahme in einem nichtdeutschsprachigen Land widerlegt allein die Vermutung nicht. Bei Anwendung dieser Vorschrift wird die Tatsacheninstanz zu beachten haben, daß allein der Wunsch nach Distanzierung von dem damals in Polen herrschenden System oder nur eine Zugehörigkeit zu einer „zionistischen” Organistation den Nötigungszusammenhang gleichfalls nicht von vornherein ausschließen. Letztlich wird das LSG ggf zu klären haben, welche Beitrags- oder Beschäftigungszeiten mit welchen Werten vorgemerkt werden können; dabei wird es unter Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel zu klären haben, ob vom 1. Oktober 1946 bis zum 31. Januar 1950 Beitrags- oder Beschäftigungszeiten glaubhaft gemacht sind.
Nach alledem war die Entscheidung des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen