Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten:

Die Bestimmung von Berufsgruppen der AnV (Berufsgruppenkatalog) enthält keine ausschließliche, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung von Berufsgruppen, die der AnV zuzuordnen sind.

 

Normenkette

AnVBerufsBest Abschn. 10 Nr. 2 Fassung: 1927-07-15

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1969 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Der Kläger ist seit dem 15. Juni 1948 als Korrektor bei der Beigeladenen zu 3) beschäftigt; für ihn wurden seitdem Beiträge zur Angestelltenversicherung an die Beklagte, die Deutsche Angestellten-Krankenkasse, als Einzugsstelle abgeführt.

Mit Erklärung vom 13. März 1962 gegenüber der Beklagten nahm die Beigeladene zu 2), die Landesversicherungsanstalt Hessen (LVA), den Kläger zur Zahlung von Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung ab 1. März 1958 in Anspruch. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 19. April 1962 die Versicherungspflicht zur Arbeiterrentenversicherung fest. Den vom Kläger gegen diesen Bescheid verfolgten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 1962 zurück.

Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 20. August 1968 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach Abschnitt X Nr. 2 der Berufsgruppen-Bestimmung der Angestelltenversicherung vom 8. März 1924 (RGBl I 274) idF der Verordnungen vom 4. Februar 1927 und 15. Juli 1927 (RGBl I 58, 222) gehörten zu den Angestellten im Druckgewerbe die Korrektoren nur, sofern sie überwiegend Faktorenarbeiten im Sinne von Nr. 1 verrichteten. Es müsse sich dabei nicht nur vorübergehend um eine aufsichtsführende oder leitende Tätigkeit handeln. Diese Voraussetzungen lägen aber bei dem Kläger nicht vor. Der Kläger sei daher versicherungspflichtig in der Rentenversicherung der Arbeiter. An diesem Ergebnis könne auch nichts durch das Wort "insbesondere" bei der Aufzählung der einzelnen Berufsgruppen geändert werden. Denn im Falle der Korrektoren nehme das Berufsgruppen-Verzeichnis nicht nur eine positive Einordnung bestimmter Gruppen in die Angestelltenversicherung vor, sondern ziehe durch die Verwendung des Wörtchens "nur" eine Grenze zur Arbeiterrentenversicherung, indem es diese durch den Ausschluß von der Angestelltenversicherung in die nicht unter Gruppe X fallende Versicherung zuweise. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er trägt vor: Auch wenn durch die Verwendung des Wörtchens "nur" im Berufsgruppen-Verzeichnis auf den ersten Blick die Zuordnung des Klägers zur Arbeiterrentenversicherung in Frage komme, so müsse doch berücksichtigt werden, daß die umfangreiche Aufzählung der Berufsgruppen keinen Anspruch auf Vollständigkeit habe, wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergebe. Maßgebend sei für die Zuordnung eines Versicherten, ob er eine körperliche oder geistige Tätigkeit verrichte. Der Kläger hat wiederholt darauf hingewiesen, daß seine Tätigkeit in weitaus überwiegendem Maße von geistiger Arbeit geprägt sei. Durch die zunehmende Differenzierung des Arbeitsablaufs sei im Laufe der Jahrzehnte ein neuer Berufsstand der Korrektoren entstanden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Februar 1969 und des Sozialgerichts Frankfurt vom 20. August 1968 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. April 1962 und 13. Juni 1962 aufzuheben und festzustellen, daß der Kläger versicherungspflichtig in der Angestelltenversicherung ist.

Die beigeladene LVA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte, die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die beigeladene Allgemeine Ortskrankenkasse stellen keinen Antrag; die Beklagte und die BfA halten den Kläger für angestelltenversicherungspflichtig.

Das beigeladene Druck- und Verlagshaus GmbH ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision ist begründet.

Das LSG hat zu Unrecht die Ansicht der Beklagten bestätigt der Kläger gehöre der Arbeiterrentenversicherung an, weil die Korrektoren nach Teil A Abschnitt X Nr. 2 der genannten Berufsgruppen-Bestimmung zu den Angestellten im Druckgewerbe nur dann gehörten, sofern sie überwiegend Faktorenarbeiten im Sinne von Nr. 1 verrichteten. Ob jemand der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten zuzuordnen ist, bestimmt sich in Ermangelung einer einheitlichen Verkehrsauffassung nach der Art seiner Tätigkeit, ob diese mehr körperlicher (mechanischer) oder geistiger Art ist (vgl. BSG 10, 82, Urteile vom 30. Mai 1967 - 3 RK 74/64 - und vom 21. Januar 1969 - 3 RK 40/66 - in SozR AVG § 3 Nr. 12 und 14). Dabei kommt dem Berufsgruppen-Verzeichnis nur die Bedeutung zu, daß hier aufgeführte Berufe auf jeden Fall der Rentenversicherung der Angestellten unterliegen. Jedoch kann aus ihm nicht entnommen werden, daß eine hier nicht aufgeführte Tätigkeit nicht angestelltenversicherungspflichtig ist. Diese Aufstellung ist nur beispielhaft, wie das Wort "insbesondere" zu Beginn der Aufzählung des Teils A erkennen läßt (BSG 10, 82). Somit kann der Bestimmung der Angestelltenberufsgruppen von 1924/1927, was die Korrektoren betrifft, nur entnommen werden, daß Korrektoren, die überwiegend Faktorenarbeit verrichten, d.h. "nicht lediglich vorübergehend mit der Leitung oder Beaufsichtigung eines Betriebes oder Betriebsteils beschäftigt und nicht überwiegend in der Arbeit an der Maschine oder sonst körperlich tätig sind", der Angestelltenversicherungspflicht unterliegen. Die Kennzeichnung der Faktorenarbeit - einerseits "Leitung oder Beaufsichtigung eines Betriebes oder Betriebsteils", andererseits "Arbeit an der Maschine oder sonst körperlich tätig" - läßt deutlich erkennen, daß die Berufsgruppenbestimmung von kleinen und kleinsten Betriebsstrukturen ausgeht, in denen ein Korrektor zugleich noch Aufgaben der Betriebsleitung und der Arbeit an der Maschine wahrnehmen kann. Dieses Betriebsbild wird nicht mehr der Entwicklung im Druckgewerbe gerecht, namentlich in mittleren und Großbetrieben, in denen Korrektoren mit reinen Korrektur- und verwandten Arbeiten, jedenfalls aber nicht mit "Arbeit an der Maschine" beschäftigt werden.

Gerade in solchen Fällen, in denen sich gegenüber dem Stand von 1924/1927 neue Berufsformen entwickelt haben, bedarf die beispielhafte Aufzählung der angestelltenversicherungspflichtigen Berufsgruppen der Ergänzung und Erweiterung, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. Urteil vom 27. April 1961 - 3 RK 3/58 -, Urteil vom 25. April 1962 - 3 RK 12/58 -, Urteil vom 30. Juni 1964 - 3 RK 10/60 - und Urteil vom 21. Januar 1969 - 3 RK 58/66 - in SozR AVG § 3 Nr. 5, 7, 9 und 15). Die hiernach erforderliche Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers überwiegend in körperlich-mechanischen Dienstleistungen besteht, hat das LSG rechtsirrtümlich unterlassen.

Das Urteil des LSG muß daher aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, weil Feststellungen fehlen, die dem Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen.

Dem LSG bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653610

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