Leitsatz (redaktionell)
1. Über einen Verwaltungsakt kann im sozialgerichtlichen Verfahren erst entschieden werden, wenn das in SGG §§ 78 ff gesetzlich vorgeschriebene Vorverfahren durchgeführt worden ist.
2. Nach SGG §§ 103, 153 Abs 1 hat das LSG die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und bei Leistungsklagen iS des SGG § 54 Abs 4 über den erhobenen Anspruch zu entscheiden. Diese Entscheidung muß das Klagebegehren erschöpfen. Läßt der von der Verwaltungsbehörde festgestellte Sachverhalt eine Entscheidung über die Leistungsklage nicht zu, muß das LSG die notwendigen Ermittlungen selbst durchführen und in der Sache entscheiden. Lediglich in den Ausnahmefällen des SGG § 159 Abs 1 Nr 1 - 3 kann es die Sache an das SG zurückverweisen.
Da die Entscheidung das Klagebegehren erschöpfen muß, ist das LSG bei Leistungsklagen iS des SGG § 54 Abs 4 nicht befugt, die von ihm beanstandeten Entscheidungen oder Verwaltungsakte lediglich aufzuheben.
3. Der Umstand, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erklärt hat, daß er die Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge nicht beantrage, hindert ihn nicht, dieses Leiden im Berufungsverfahren vor dem LSG erneut zur Begründung seines Berufungsbegehrens geltend zu machen.
Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Rentenanspruchs. Er bedeutet, daß mit dem Antrag auf Rente alle gesundheitsschädigenden Einwirkungen des Wehrdienstes geltend gemacht werden, welche die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen.
Mit der Begründung kann im Laufe des Verfahrens gewechselt, eine im Klageverfahren zurückgezogene Begründung kann im Berufungsverfahren wieder vorgebracht werden.
Normenkette
SGG § 78 Fassung: 1953-09-03, § 79 Fassung: 1953-09-03, § 80 Fassung: 1953-09-03, § 81 Fassung: 1955-08-17, § 82 Fassung: 1953-09-03, § 83 Fassung: 1953-09-03, § 84 Fassung: 1953-09-03, § 85 Fassung: 1953-09-03, § 86 Fassung: 1954-08-10, § 103 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 153 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 159 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, Nr. 3 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 19. November 1954 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger leistete vom 7. April 1934 bis 30. September 1936 aktiven Wehrdienst. Nach dem Auszug aus der Freiwilligenuntersuchungsliste brach er im Alter von fünf Jahren den rechten Oberarm. Vor seiner zweiten Einberufung zur Wehrmacht am 1.November 1940 erkrankte er an Lues. Nach dem Krankenblatt des Kriegslazaretts ... erhielt er am 16. August 1941 einen Streifschuß am linken Oberschenkel; am 18. August 1941 wurde er von einem Gefechtsfahrzeug überfahren. Er wurde im Lazarett wegen der Streifschußverwundung, einer Knochenabsprengung am rechten Oberarm, einer Schürfwunde am rechten Unterschenkel und eines Blutergusses am rechten Fuß behandelt. Am 12. November 1941 wurde er durch ein Infanteriegeschoß am rechten Fuß verwundet. Nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst am 23. Februar 1943 erkannte das Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsamt ... mit Bescheid vom 1. November 1943 "Narben am rechten Mittelfuß nach Schußbruch mit Bewegungseinschränkung der Zehen, geringe Streckbehinderung und Arthrose des rechten Ellenbogengelenks" als Wehrdienstbeschädigungsfolgen an und bewilligte ein Versehrtengeld nach Stufe I.
Am 16. September 1950 stellte der Kläger Antrag auf Rente nach dem ... Gesetz über die Versorgung von Kriegs- und Militärdienstbeschädigten sowie ihren Hinterbliebenen (KVG) vom 24. Juli 1950 (Verordnungsblatt ... S. 318) wegen "Durchschusses des ersten rechten Mittelfußknochens, Granatsplitterverletzung am rechten Ellenbogengelenk, Steckschusses im linken Becken und im rechten Oberschenkel sowie eines organischen Nervenleidens". Er wurde vor der Bescheiderteilung nicht untersucht. Auf Veranlassung der Versorgungsstelle der Abteilung Sozialwesen des Senats ... äußerte sich der ärztliche Dienst am 29. November 1950, daß die bisherige Leidensbezeichnung beibehalten werden könne und daß die MdE. 30 v.H. betrage.
Das Versorgungsamt (VersA.) ... hat mit Bescheid vom 18. Juli 1951 die in dem früheren Bescheid des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsamts ... vom 1. November 1943 bezeichneten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem KVG und dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt und dem Kläger vom 1. Oktober 1950 ab nach dem BVG eine Grundrente von 15.- DM (nach einer MdE. um 30 v.H.) bewilligt. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 KVG stehe nach diesem Gesetz keine Rente zu. Die Rentennachzahlung in Höhe von 150.- DM ist dem Bezirksamt ... für die in der Zeit vom 1. Juli 1950 bis 31. Juli 1951 geleistete Sozialunterstützung überwiesen worden. Die vom Kläger der Versorgungsstelle übersandten und dort am 22. Juni 1951 eingegangenen ärztlichen Stellungnahmen der diagnostischen Beratungsstelle der Landesversicherungsanstalt (LVA.) ... vom 28. Dezember 1948, des Dr. ... vom 2. August 1949, des Amtsarztes des Bezirksgesundheitsamts ... vom 1. April 1946 und 7. Januar 1949 sind bei der Bescheiderteilung nicht berücksichtigt worden.
Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 22. Juli 1951 Einspruch eingelegt. Er hat bemängelt, daß die von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen vom VersA. nicht berücksichtigt worden seien, und geltend gemacht, daß seine MdE. 70 v.H. betrage. Sein organisches Nervenleiden habe sich verschlimmert, weil er im Jahre 1941 nach Rußland abgestellt worden sei, obwohl die Behandlung der Lues noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Der Kläger ist auf Veranlassung des VersA. am 10. November 1952 durch den Facharzt für Chirurgie ... und den Nervenarzt ... untersucht worden. Dr. ... hat die MdE. wegen der chirurgischen Verletzungsfolgen mit 20 v.H. vom 1. Juli 1950 ab bewertet. Dr. ... hat das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Syphilis mit Beteiligung des zentralen Nervensystems und dem Wehrdienst verneint.
Während des Einspruchsverfahrens hat das VersA. ... mit Bescheid vom 29. Januar 1953 die Rente mit Wirkung vom 1. März 1953 ab entzogen. Die für die erste Rentenfeststellung vom 18. Juli 1951 maßgebend gewesenen Verhältnisse hätten sich insofern geändert, als durch die versorgungsärztlichen Untersuchungen vom 10. November 1952 die MdE. neu festgesetzt worden sei. Die Schädigungsfolgen sind in dem Bescheid vom 29. Januar 1953 entsprechend dem Vorschlag des Dr. ... neu bezeichnet worden, und zwar als "Oberflächliche Narben am Mittelfuß mit geringer Bewegungseinschränkung der ersten und zweiten Zehe, Zustand nach Schußbruch des ersten Mittelfußknochens, leichte Streckhemmung im rechten Ellenbogengelenk mit geringfügiger äußerer Deformierung und Gelenkveränderung (Arthrose), Zustand nach Schußbruch des Ellenbogengelenks". Dadurch sei die Erwerbsfähigkeit vom 1. März 1953 ab um weniger als 25 v.H. gemindert. Eine Rente nach dem BVG könne daher nicht mehr gewährt werden. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid mit einem am 10. Februar 1953 beim Landesversorgungsamt (LVersA.) ... eingegangenen Schreiben ebenfalls Einspruch eingelegt.
Das LVersA. ... hat am 25. Februar 1953 auf den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Juli 1951 entschieden, daß ihm eine höhere Rente nicht gewährt und das Nervenleiden nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden könne. Die Entscheidung stützt sich auf die Gutachten von Dr. ... und Dr. .... In dem Bescheid ist ferner ausgeführt, daß das VersA. zur Erstattung des Betrags von 150.- DM an das Bezirksamt ... (Sozialamt) nach § 33 KVG und § 67 BVG verpflichtet gewesen sei. Es könne dem Kläger nur anheimgestellt werden, sich mit dem Sozialamt in Verbindung zu setzen. Der Einspruch sei insoweit als erledigt anzusehen.
Das Sozialgericht ( SGer .) ... hat die Klage nach mündlicher Verhandlung am 21. Juni 1954 abgewiesen. Es hat in den Urteilsgründen ausgeführt, daß nur noch die Frage zu entscheiden sei, ob die durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingte MdE. 50 v.H. betrage, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Antrag auf Anerkennung einer Verschlimmerung seines organischen Nervenleidens durch schädigende Einflüsse des Wehrdienstes nicht mehr aufrechterhalten habe. Der bei der versorgungsärztlichen Untersuchung am 10. November 1952 erhobene Befund rechtfertige nicht, "die Richtigkeit der Bemessung des Grades der MdE. mit unter 50 % zu bezweifeln". Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine höhere Rente.
Das Landessozialgericht (LSGer.) ... hat auf die Berufung des Klägers nach mündlicher Verhandlung am 19. November 1954 unter Abänderung des Urteils des SGer . ... vom 21. Juni 1954 die Einspruchsentscheidung des LVersA. ... vom 25. Februar 1953 und die Bescheide des VersA. ... vom 18. Juli 1951 und vom 29. Januar 1953 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Bescheiderteilung an die Versorgungsbehörde zurückverwiesen. Es hat die Revision zugelassen.
Das LSGer. hat ausgeführt:
Das SGer . hätte die Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 1953 schon deshalb aufheben müssen, weil das LVersA. nicht über den Einspruch des Klägers gegen den Rentenentziehungsbescheid vom 29. Januar 1953 entschieden habe. Allerdings habe das SGer . nicht sachlich prüfen können, ob die Rentenentziehung zu Recht erfolgt sei; denn der Bescheid hätte nach § 80 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Vorverfahren überprüft werden müssen. Der Rentenentziehungsbescheid sei zwar für den Richter nach § 78 SGG nicht nachprüfbar, das LSGer. habe ihn aber trotzdem im Interesse der Klärung von zahlreichen Verstößen der Verwaltungsbehörden und des Vorderrichters aufgehoben, nicht zuletzt deshalb, weil die Einspruchsentscheidung nicht mit einer jeglichen Zweifel ausschließenden Klarheit erkennen lasse, ob sie sich nur mit dem Bescheid vom 18. Juli 1951 befaßt habe. Auch das Urteil des SGer . lasse nicht erkennen, ob es den gesamten Streit oder nur einen Teil entschieden habe. Die Einspruchsentscheidung des LVersA. sei wegen der durch ihren mißverständlichen Inhalt aufgetretenen Zweifel rechtswidrig. Sie sei ferner zu beanstanden, weil die Ablehnung einer höheren Rente und der geforderten Anerkennung des Nervenleidens unzureichend begründet sei. Auch habe das LVersA. über die vom Kläger bemängelte Überweisung der Rentennachzahlung an das Sozialamt nicht entschieden. Der Bescheid vom 18. Juli 1951 sei ebenfalls nicht haltbar, weil er auf unzureichenden Feststellungen beruhe.
Die Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde sei gerechtfertigt, weil dadurch die Rechtslage für jedermann klar erkennbar werde. Im übrigen wird auf das Urteil des LSGer. Bezug genommen.
Das LVersA. ... hat gegen dieses am 28. Dezember 1954 zugestellte Urteil mit einem beim Bundessozialgericht ( BSGer .) am 14. Januar 1955 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das Urteil des SGer . ... vom 21. Juni 1954 zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Prozeßbevollmächtigte den Hilfsantrag gestellt, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSGer. zurückzuverweisen. Das LVersA. hat die Revision mit einem am 11. Februar 1955 beim BSGer . eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Revisionskläger rügt die Zurückverweisung der Streitsache an die Verwaltungsbehörde. Das SGG erlaube nach den §§ 159, 170 lediglich eine Zurückverweisung an die gerichtlichen Instanzen. Die Sozialgerichte und die Landessozialgerichte seien Tatsacheninstanzen und hätten die Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären und eine Sachentscheidung zu treffen. Eine entgegenstehende Praxis widerspreche nicht nur dem SGG, sondern führe auch zu einer unzweckmäßigen Ausweitung und Verschleppung der Prozesse. Eine Verletzung des § 78 SGG sei darin zu erblicken, daß das LSGer. den Bescheid vom 29. Januar 1953 aufgehoben habe, obwohl er im Vorverfahren nicht nachgeprüft worden sei. Es komme nicht darauf an, ob dieser Bescheid fehlerhaft sei; er sei nach § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden. Die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 1953 ließen erkennen, daß über ihn nicht entschieden worden sei. Die Aufhebung des Bescheids vom 29. Januar 1953 sei aber auch sachlich nicht gerechtfertigt. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründungsschrift Bezug genommen.
Der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsbeklagten hat mit Schriftsatz vom 20. Januar 1956 beantragt,
die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das LVersA. ... habe nach seiner Ansicht in der Einspruchsentscheidung nicht nur die beantragte Erhöhung der Rente abgelehnt, sondern auch die Herabsetzung des Grades der MdE. (Rentenentziehung) durch den Bescheid des VersA. III Berlin vom 29. Januar 1953 bestätigt. Es sei durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, daß sich das LVersA. mit dem Einspruch gegen den Bescheid vom 29. Januar 1953 befaßt habe. Jedenfalls habe das LSGer. in Anbetracht der bestehenden Zweifel die Einspruchsentscheidung mit Recht aufgehoben und den Bescheid vom 29. Januar 1953 überprüft. Die Befugnis hierzu ergebe sich aus § 88 Abs. 2 SGG; denn der Kläger habe keinen Widerspruchsbescheid erhalten und mit seiner Klage beim Versorgungsgericht ( VersGer .) unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er den Bescheid vom 29. Januar 1953 angreife. Es komme im vorliegenden Falle nicht darauf an, ob das LSGer. die Sache an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen konnte; denn die Zurückverweisung sei überflüssig gewesen, da das VersA. nicht gehindert sei, einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung der Gründe des angefochtenen Urteils zu erteilen. Die ausgesprochene Zurückverweisung beeinflusse die Rechtsbeständigkeit des Urteils nicht, weil sein entscheidender Teil nicht zu beanstanden sei. Die sachlichen Angriffe der Revision seien unbegründet. Im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 20. Februar 1956 Bezug genommen.
Die Revision ist statthaft, da das LSGer. sie mit Recht zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 164 SGG). Die Revision ist daher zulässig.
Die Revision ist auch begründet. Der Revisionskläger rügt zutreffend, daß das LSGer. zu Unrecht die Sache nach Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen hat. Wie der 9. Senat des BSGer . in seinem Urteil vom 6. Dezember 1955 - 9 RV 76/55 - bereits entschieden hat, müssen die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit, wenn eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG erhoben ist, über den geltend gemachten Anspruch bei Vorliegen der formalen Prozeßvoraussetzungen sachlich entscheiden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde ist nach dem SGG unzulässig und stellt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar. Der erkennende Senat schließt sich dieser nach seiner Ansicht zutreffenden Auffassung an. Die Erhebung der Klage vor dem SGer . macht die Sache rechtshängig. Die Rechtshängigkeit kann durch eine Endentscheidung des angerufenen Gerichts oder durch Vergleich oder durch Rücknahme der Klage beendet werden, aber nicht durch Rückgabe der Streitsache an die Verwaltungsbehörde zur nochmaligen Durchführung des Verwaltungsverfahrens. Nach den §§ 103, 153 Abs. 1 SGG hat das LSGer. die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und bei Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG über den erhobenen Anspruch zu entscheiden. Diese Entscheidung muß das Klagebegehren erschöpfen. Läßt der von der Verwaltungsbehörde festgestellte Sachverhalt eine Entscheidung über die Leistungsklage nicht zu, muß das LSGer. - auch wenn der Sachverhalt durch die Verwaltungsbehörde mangelhaft festgestellt ist - die notwendigen Ermittlungen selbst durchführen und in der Sache entscheiden. Lediglich in den Ausnahmefällen des § 159 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3 SGG kann es die Sache an das SGer . zurückverweisen. Dagegen kennt das sozialgerichtliche Verfahren eine den durch das SGG aufgehobenen §§ 1690, 1715 RVO und dem § 126 des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen vom 10. Januar 1922 (RGBl. S. 59) entsprechende Vorschrift nicht, wonach die Gerichte der Reichsversicherung und Reichsversorgung die Sache an den Versicherungsträger bzw. an die Versorgungsbehörde zurückverweisen konnten. Hiernach widerspricht die vom LSGer. ausgesprochene Zurückverweisung an das VersA. ... dem Gesetz. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten ist ein LSGer. bei Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG auch nicht befugt, die von ihm beanstandeten Entscheidungen oder Verwaltungsakte lediglich aufzuheben, da die Entscheidung des Berufungsgerichts das Klagebegehren erschöpfen muß. Das Urteil der Vorinstanz war daher schon aus diesen Gründen aufzuheben.
Das LSGer. hat ferner, wie die Revision mit Recht rügt, dadurch gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze verstoßen, daß es über den Rentenentziehungsbescheid des VersA. ... vom 29.Januar 1953 entschieden hat, obwohl dieser Bescheid nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Da der Kläger diesen Bescheid durch Schreiben vom 5. Februar 1953 mit dem Einspruch beim LVersA. ... angefochten hat, wäre es allerdings zweckmäßig und einer Beschleunigung des gesamten Verfahrens dienlich gewesen, wenn das LVersA. ... das Einspruchsverfahren gegen den Rentenentziehungsbescheid mit dem Einspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 18. Juli 1951 verbunden und in seiner Entscheidung vom 25. Februar 1953 über beide Einsprüche entschieden hätte. Dazu war es aber nicht verpflichtet; es konnte vielmehr beide Einsprüche getrennt behandeln. Die vom Berufungsgericht in den Urteilsgründen vorgenommene Beurteilung der Frage, ob das LVersA. über beide Einsprüche entschieden hat oder nicht, ist widerspruchsvoll. Im ersten Absatz der Entscheidungsgründe wird ausgeführt, daß der Bescheid vom 29.Januar 1953 offenbar versehentlich nicht zum Gegenstand der Einspruchsentscheidung gemacht worden sei. Später wird dargelegt (S. 7 des Urteils), daß die Einspruchsentscheidung nicht mit einer jeglichen Zweifel ausschließenden Klarheit erkennen lasse, ob sich das LVersA. tatsächlich nur mit dem Bescheid vom 18. Juli 1951 befaßt habe. Nach Ansicht des Senats ergibt sich jedoch aus der Einspruchsentscheidung mit genügender Klarheit, daß das LVersA. nur über den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18. Juli 1951 entschieden hat. Zunächst wird festgestellt, daß über den Einspruch vom 22. Juli 1951 gegen den Bescheid des VersA. III Berlin vom 18. Juli 1951 entschieden werde. Dann hat das LVersA. die beiden Streitpunkte an den Anfang seiner Entscheidung gestellt, die nur den Bescheid vom 18. Juli 1951 betreffen, nämlich die Erhöhung der Rente und die Anerkennung des Nervenleidens als Schädigungsfolge. Es hat schließlich eine Änderung des Bescheides vom 18. Juli 1951 zu Gunsten des Klägers mit der Begründung abgelehnt, daß die MdE. weniger als 25 v.H. betrage und daß das Nervenleiden keine Schädigungsfolge sei. Wenn die Einspruchsentscheidung in diesem Zusammenhang auch das Ergebnis der Untersuchungen durch Dr. ... und Dr. ... im November 1952 erwähnt hat, so kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß über den Rentenentziehungsbescheid vom 29. Januar 1953 entschieden worden ist. Diese Bezugnahme geschah vielmehr nur zu dem Zweck, um die Ablehnung der vom Kläger geforderten Erhöhung der Rente und der Anerkennung des organischen Nervenleidens als Schädigungsfolge zu begründen. Somit ist der Einspruch gegen den Rentenentziehungsbescheid vom 29. Januar 1953 beim LVersA. ... anhängig geblieben und mit dem Inkrafttreten des SGG als Widerspruch auf das LVersA. ... als Widerspruchsstelle übergegangen (§§ 218 Abs. 4, 215 Abs. 1 Satz 1, 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Das LSGer. durfte über den Rentenentziehungsbescheid nicht entscheiden, weil dieser gemäß §§ 78, 80 Nr. 1 SGG vor Erhebung der Klage im Vorverfahren nachzuprüfen war. Da das Berufungsgericht diesen Bescheid aufgehoben hat, ist § 78 SGG verletzt. Das Urteil der Vorinstanz beruht auch auf dieser Gesetzesverletzung. Die vom LSGer. für die Aufhebung angeführten Gründe rechtfertigen das eingeschlagene Verfahren nicht. Die hilfsweise vorgetragene Begründung, daß das Urteil des SGer . ... vom 21. Juni 1954 möglicherweise über den gesamten Streit entschieden habe, ist jedenfalls unzutreffend. Das SGer . hat zwar im Tatbestand seines Urteils den Rentenentziehungsbescheid vom 29. Januar 1953 erwähnt; die Entscheidungsgründe ergeben aber, daß es über diesen Bescheid nicht entschieden, sondern lediglich das auf Gewährung einer höheren Rente gerichtete Klagebegehren abgewiesen hat.
Aus diesen Gründen war das Urteil des LSGer. ... vom 19. November 1954 aufzuheben (§ 170 Abs. 2 SGG). Damit ist auch die in den Gründen des Urteils enthaltene unzutreffende Kostenentscheidung beseitigt; bei einer Zurückverweisung ist nicht über die Kosten zu entscheiden (Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., Anm. 1 B b zu § 97; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 1 zu § 193 SGG; Stein-Jonas-Schönke, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Anm. II 1 zu § 97).
Eine Entscheidung des Rechtsstreits durch das BSGer . erschien dem Senat untunlich, weil die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen als Urteilsgrundlage nicht ausreichen (§ 170 Abs.2 Satz 2 SGG). Insbesondere sind noch tatsächliche Feststellungen zu der Frage notwendig, ob das Nervenleiden des Klägers dadurch ungünstig beeinflußt worden ist, daß er - wie er behauptet - mit einer nicht ausgeheilten Lues zum Wehrdienst einberufen worden ist. Der Umstand, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SGer . Berlin am 21. Juni 1954 erklärt hat, daß er die Anerkennung seines organischen Nervenleidens als Schädigungsfolge nicht beantrage, hinderte ihn nicht, dieses Leiden im Berufungsverfahren vor dem LSGer. ... erneut zur Begründung seines Berufungsbegehrens geltend zu machen. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Rentenanspruchs. Er bedeutet, daß mit dem Antrag auf Rente alle gesundheitsschädigenden Einwirkungen des Wehrdienstes geltend gemacht werden, welche die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen. Mit der Begründung kann im Laufe des Verfahrens gewechselt, eine im Klageverfahren zurückgezogene Begründung kann im Berufungsverfahren wieder vorgebracht werden. Das LSGer. wird nun zu prüfen haben, ob das SGer . die Klage gegen die Einspruchsentscheidung des LVersA. ... vom 25. Februar 1953 mit Recht abgewiesen hat.
Über die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens hat das LSGer. in seinem Schlußurteil zu entscheiden.
Fundstellen