Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung Arbeitnehmer gegenüber Selbständigen
Leitsatz (redaktionell)
Wer (wenigstens) zur Hälfte an einer GmbH beteiligt ist, die ihrerseits als geschäftsführender Komplementär beherrschenden Einfluß auf eine KG besitzt, steht zur KG nicht in abhängiger Beschäftigung (Fortführung von BSG 1982-09-23 10 RAr 10/81 = SozR 2100 § 7 Nr 7).
Orientierungssatz
1. Arbeitnehmer iS des § 168 AFG ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Das bedeutet Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und Unterordnung unter dessen Weisungsrecht, insbesondere in Bezug auf Zeitdauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn dieses Weisungsrecht vor allem bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht sowie die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die nur zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (ständige Rechtsprechung, vgl zusammenfassend BSG 1982-09-23 10 RAr 10/81 = SozR 2100 § 7 Nr 7). 2100 § 7 Nr 7).
2. Die fälschliche Entrichtung von Beiträgen und deren Annahme durch die Bundesanstalt für Arbeit führt nach dem Versicherungssystem der Arbeitslosenversicherung nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Versicherungsleistungen, und zwar auch dann nicht, wenn anläßlich von Betriebsprüfungen die Beitragspflicht des Kommanditisten festgestellt worden ist.
Normenkette
AFG § 104 Abs. 1 S. 1, § 168 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 12.10.1982; Aktenzeichen L 7 Ar 53/82) |
SG Hannover (Entscheidung vom 27.08.1981; Aktenzeichen S 22 Ar 218/80) |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1929 geborene Kläger war seit seiner Lehrzeit in der Firma A. S. Zahnräderfabrik und Getriebebau GmbH in H. beschäftigt, seit 1958 als Einkaufsleiter. Nach Umwandlung dieser GmbH in die Firma A. S. Kommanditgesellschaft (im folgenden nur: KG) durch Gesellschaftsbeschluß vom 25. Juni 1971 setzte der Kläger diese Tätigkeit für die KG fort. Die KG entrichtete für ihn seit 1972 Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (BA).
Im Mai 1971 errichtete der Kläger zusammen mit seinem Bruder A. S. die A. S. Verwaltungsgesellschaft mbH (im folgenden nur: GmbH), deren Unternehmensgegenstand die Herstellung, Bearbeitung und der Vertrieb von Antriebselementen aller Art als künftige alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der KG war (Ziffer 2 des GmbH-Vertrages). Von dem vereinbarten Stammkapital von 20.000,-- DM übernahmen die beiden Gesellschafter als Einlagen je 10.000,-- DM. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedurften, soweit gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben war, der einfachen Stimmenmehrheit; je nominell 100,-- DM Anteile gewährten je eine Stimme (Ziffer 9 des GmbH-Vertrages). Bei Stimmengleichheit sollte das Votum eines ständigen, aus drei natürlichen Personen bestehenden Beirats der GmbH beachtet werden (Ziffer 12 des GmbH-Vertrages). Der Beirat wurde jedoch nicht errichtet.
Die GmbH trat mit Wirkung vom 1. Juli 1972 in die KG als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin ein. Nach dem für die KG nunmehr maßgeblichen Gesellschaftsvertrag vom 17. Juli 1972 hatte die GmbH als Komplementärin keine Einlage zu leisten. Kommanditisten der KG waren Frau L. S. mit einer Einlage von 2.883.000,-- DM sowie Herr A. S. (A.S.) und der Kläger mit Einlagen von je 36.000,-- DM. Nach Ziffer 5 des KG-Vertrages hatte die GmbH ausschließlich die Geschäfte der KG zu führen; die Gesellschafterversammlung hatte ausschließlich über die Entlastung der GmbH, die Wahl des jeweiligen Abschlußprüfers, Änderungen des Gesellschaftsvertrages und die Auflösung der KG zu beschließen (Ziffer 8 des KG-Vertrages). Der Eintritt der GmbH in die KG wurde am 18. September 1972 in das zuständige Handelsregister eingetragen.
Nach Konkurseröffnung über das Vermögen der KG am 30. Juni 1978 meldete sich der Kläger am 1. August 1978 arbeitslos. Die Beklagte gewährte ihm Alg für 312 Tage. Wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist machte die Beklagte gegen den Konkursverwalter den Übergang des dem Kläger noch bis 31. März 1979 zustehenden Arbeitsentgelts in Höhe des bis dahin gezahlten Alg geltend (§ 117 Abs 4 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-), das der Konkursverwalter für 209 Leistungstage erstattete. Die Beklagte schrieb diese Leistungstage dem Kläger gut und zahlte ihm Alg bis zum 29. September 1979 einschließlich. Vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1979 war der Kläger als Angestellter im Außendienst einer Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Er meldete sich am 9. Januar 1980 arbeitslos und beantragte Alg. Nach den Ausführungen des Landessozialgerichts (LSG) hätte ihm zu diesem Zeitpunkt bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen aus der Bewilligung ab 1. August 1978 noch Alg für 156 Tage zugestanden. Seit 1. März 1980 ist der Kläger wieder beschäftigt.
Die Beklagte lehnte den Alg-Antrag des Klägers vom 9. Januar 1980 ab, weil sich inzwischen herausgestellt habe, daß seine Tätigkeit als Einkaufsleiter bei der KG nicht beitragspflichtig gewesen sei; er habe deshalb nicht die Anwartschaftszeit erfüllt, weil er in der maßgeblichen Rahmenfrist nicht mindestens 180 Tage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden habe (Bescheid vom 17. März 1980; Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 1980). Die Beklagte gab außerdem einem vom Konkursverwalter und vom Kläger gemeinsam gestellten Antrag vom 1. April 1979 auf Erstattung der Beiträge zur BA ab 1. Dezember 1974 statt.
Klage und (zugelassene) Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Hannover vom 27. August 1981; Urteil des LSG Niedersachsen vom 12. Dezember 1982). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG haben die Beteiligten einen Vergleich dahin geschlossen, daß die Beklagte die Frage eines Arbeitslosenhilfe (Alhi)-Anspruchs des Klägers für die Zeit vom 9. Januar bis 29. Februar 1980 prüfen und bescheiden wird, falls ein Anspruch auf Alg nicht besteht. Insoweit wurde der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
In der Sache hat das LSG wie das SG die Auffassung der Beklagten bestätigt, daß der Kläger für einen Anspruch auf Alg nicht die Anwartschaftszeit iSd § 104 AFG erfülle. Es hat dazu ausgeführt: Die für den streitigen Anspruch maßgebliche Rahmenfrist iSd § 104 AFG umfasse die Zeit vom 9. Januar 1977 bis 8. Januar 1980. In dieser Zeit habe der Kläger nicht, wie es erforderlich sei, mindestens 180 Tage in beitragspflichtiger Beschäftigung gestanden. Die Zeit seiner Beschäftigung bei der Versicherungsgesellschaft vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1979 betrage weniger als 180 Tage; die Zeit seiner Tätigkeit als Einkaufsleiter bei der KG sei nicht beitragspflichtig iSd § 168 Abs 1 AFG gewesen, da ihr die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung fehlten. Dies folge aus der Rechtsstellung, die der Kläger aufgrund der Gesellschaftsverträge im Verhältnis zu der KG besessen habe. Zwar habe er nicht als Kommanditist einen beherrschenden Einfluß auf die KG gehabt, der eine Arbeitnehmerfunktion ausgeschlossen hätte; denn sowohl nach der vertraglichen Gestaltung wie nach der niedrigen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen der KG (1,2 %) wären seine Einflußmöglichkeiten als gering zu erachten gewesen. Maßgeblichen Einfluß auf die KG habe er jedoch als Gesellschafter der GmbH ausüben können.
Die GmbH als Komplementärin der KG habe auf deren Willensbildung den entscheidenden Einfluß gehabt; denn sie sei zur alleinigen Geschäftsführerin der KG bestellt gewesen. Von der Möglichkeit, einen oder mehrere Kommanditisten mit der Geschäftsführung zu betrauen, habe die KG keinen Gebrauch gemacht; es habe für die GmbH auch keine Abhängigkeit von Weisungen oder Zustimmungen der Kommanditisten bestanden, und zwar weder allgemein noch für besondere Geschäfte. Die Kommanditisten hätten rechtlich nur einen sehr beschränkten Einfluß auf die Geschicke der KG besessen, nämlich nur in ganz außergewöhnlichen Fällen einen Gesellschafterbeschluß herbeiführen dürfen.
An der demnach die KG beherrschende GmbH habe der Kläger aber allein nach seiner Kapitalbeteiligung mit 50 % einen maßgebenden Einfluß gehabt. Er habe von seinem einzigen Mitgesellschafter A.S. niemals überstimmt werden und selbst jeden Beschluß der GmbH verhindern können. Ob die Befugnisse des nach dem GmbH-Vertrag vorgesehenen Beirats hieran etwas geändert hätten, könne dahinstehen; denn dieser Beirat sei niemals errichtet worden. Auch die Bestellung von A.S. zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH ändere am Einfluß des Klägers auf die KG nichts; denn diese berechtige lediglich zur Vertretung der GmbH nach außen. Im Verhältnis zur KG habe die GmbH jedenfalls nur einheitlich auftreten können; sie habe umfassende Kompetenz besessen. Der Kläger hätte somit aufgrund seiner Rechtsstellung jeden Beschluß der KG, insbesondere jede ihm nicht genehme Weisung verhindern können. Dies schließe schlechthin die Möglichkeit einer abhängigen entlohnten Beschäftigung des Klägers bei der KG aus, ohne daß es auf die Einzelheiten der Ausgestaltung seiner Tätigkeit oder darauf ankomme, ob der Kläger von seinen Rechten tatsächlich Gebrauch gemacht habe.
Die Tatsache der Beitragsentrichtung allein führe daneben nicht zur Begründung einer Anwartschaft auf Alg. Auch auf die Feststellung seiner Beitragspflicht zur BA durch Prüfer der Beigeladenen könne sich der Kläger nicht berufen. Derartige Feststellungen hätten jedenfalls angesichts der einvernehmlich erfolgten Beitragsrückerstattung jede wie auch immer gearteten Rechtswirkungen verloren.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 104, 168 AFG und trägt dazu vor: Das LSG habe die Gesellschaftsverträge falsch interpretiert. In Ziffer 8 des GmbH-Vertrages sei nur für bestimmte Einzelfälle eine Beschlußfassung durch die Gesellschafter vorgesehen gewesen. Mithin sei die Einflußmöglichkeit des Klägers auf die Geschicke der KG praktisch ausgeschlossen gewesen. Er könne auch angesichts seiner eigenen Anteile als Kommanditist nicht als Mitunternehmer angesehen werden und habe daher zur KG in einer abhängigen Beschäftigung gestanden. Angesichts dessen hätte das LSG auch die Frage des Vertrauensschutzes anders bewerten müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. August 1981 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 1980 idG des Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 9. Januar 1980 bis 29. Februar 1980 Alg zu gewähren hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Zur Begründung beziehen sie sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten sind mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat für die Zeit vom 9. Januar bis 29. Februar 1980 keinen Anspruch auf Alg.
Im Ergebnis zutreffend hat das LSG entschieden, daß es insoweit jedenfalls an der Erfüllung der Anwartschaftszeit als einer Voraussetzung für den Anspruch auf Alg (§ 100 Abs 1 AFG) fehlt. Nach § 104 Abs 1 Satz 1 AFG in der hier noch maßgeblichen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist 180 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung iSd § 168 AFG gestanden hat.
Das LSG ist ohne weiteres davon ausgegangen, daß die Rahmenfrist auch im vorliegenden Falle drei Jahre beträgt und den Zeitraum vom 9. Januar 1977 bis 8. Januar 1980 umfaßt. In § 104 Abs 3 AFG ist allerdings bestimmt, daß die grundsätzlich dreijährige Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Danach könnte wegen der Arbeitslosigkeit des Klägers ab 1. August 1978 die Rahmenfrist vorliegend möglicherweise nur die Zeit vom 1. August 1978 bis 8. Januar 1980 umfassen. In diesem Falle hätte der Kläger ersichtlich keine (neue) Anwartschaftszeit erfüllt; denn er war innerhalb dieses Zeitraumes nur vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1979 beitragspflichtig beschäftigt gewesen, maximal also 92 Kalendertage.
Es bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, ob hier von der verkürzten Rahmenfrist des § 104 Abs 3 Halbs 2 AFG auszugehen ist oder doch von der Regelrahmenfrist des § 104 Abs 3 Halbs 1, weil der Kläger schon am 1. August 1978 keine Anwartschaftszeit erfüllt hatte; denn selbst bei Zugrundelegung der dreijährigen Regelrahmenfrist fehlt es, wie das LSG zutreffend entschieden hat, an einer zur Begründung des Klageanspruchs ausreichend langen beitragspflichtigen Beschäftigung. Insoweit kann sich der Kläger ebenfalls nur auf seine Angestelltenbeschäftigung vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1979 berufen. Die in der dreijährigen Rahmenfrist bis zum 31. Juli 1978 ausgeübte Tätigkeit als Einkaufsleiter der KG war nämlich keine beitragspflichtige Beschäftigung iSd § 168 AFG.
Die Beklagte hat diese Tätigkeit zwar früher als beitragspflichtig angesehen und dem Kläger daraufhin ab 1. August 1978 Alg für 312 Tage bewilligt. Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger diese Leistung in vollem Umfange erhalten, so daß jener Bewilligungsbescheid "erfüllt" ist, er für den streitigen Anspruch weitergehende förmliche Rechtswirkungen nicht mehr auslösen kann. Es bedarf daher keiner Entscheidung, wieweit solche Rechtswirkungen reichen würden, wenn es sich bei dem Klageanspruch lediglich um die Geltendmachung der "Wiederbewilligung" des Restes eines bereits früher und immer noch bestandskräftig festgestellten Alg-Anspruchs handelte. Der Senat braucht auch nicht zu prüfen, welche Folgen sich für die Bezugszeit eines auf bestimmte Dauer bewilligten Alg-Anspruchs aus der Verwirklichung eines Anspruchsübergangs nach § 117 Abs 4 AFG ergeben, von dem das LSG im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Konkursverwalter der KG wegen noch bestehender Arbeitsentgeltansprüche des Klägers ausgegangen ist; denn der Verfügungssatz der Alg-Bewilligung für 312 Tage ab 1. August 1978 trifft insoweit keine Aussage und erzeugt deshalb insoweit auch keinerlei Bindungswirkung.
Kann es sich somit bei dem vom Kläger am 9. Januar 1980 erhobenen Anspruch auf Alg allenfalls materiell um den Restanspruch aus einem früheren Rechtserwerb handeln, hinsichtlich dessen also eine förmliche und bestandskräftige Verwaltungsentscheidung nicht (mehr) besteht, unterliegt er schon aus diesem Grunde der vollen Überprüfung. Dazu gehört auch, ob der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt hat, und da dies allenfalls mit Hilfe seiner Tätigkeit bei der KG möglich wäre, kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil jene Tätigkeit nicht die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung als Arbeitnehmer aufweist. Hierauf kommt es aber, wie das LSG zutreffend erkannt hat, auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung für die Frage an, ob eine beitragspflichtige Beschäftigung als Arbeitnehmer iSd § 168 AFG vorliegt (BSGE 49, 22, 25 = SozR 4100 § 168 Nr 10).
Arbeitnehmer in diesem Sinne ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Das bedeutet Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und Unterordnung unter dessen Weisungsrecht, insbesondere in Bezug auf Zeitdauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn dieses Weisungsrecht vor allem bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht sowie die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die nur zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (ständige Rechtsprechung, vgl zusammenfassend BSG SozR 2100 § 7 Nr 7).
Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit von Gesellschaftern für ihre Gesellschaft um eine abhängige, beitragspflichtige Beschäftigung oder um selbständige Tätigkeit handelt. Ein wesentliches Merkmal ist dabei der Umfang der Kapitalbeteiligung des Gesellschafters und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft (vgl dazu die Darstellung von Figge/Wältermann, Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge, WRS-Verlag, 1980, S 180 ff: Die Sozialversicherung von mitarbeitenden Gesellschaftern und Vorstandsmitgliedern). Hierzu liegt insbesondere für die Tätigkeit von Gesellschaftern einer GmbH als deren Geschäftsführer eine gefestigte Rechtsprechung vor (vgl die Nachweise bei Marburger, Die Sozialversicherungspflicht von Vorstandsmitgliedern, Gesellschaftern und Geschäftsführern, BlStSozArbR 1983, 153 ff). Sie hat letztlich zum Inhalt, daß nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein kann, wer kraft seiner Gesellschaftsrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typischen Folgen der Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann. Dies ist der Fall, wenn schon die Höhe der Kapitalbeteiligung den Gesellschafter in die Lage versetzt, auf Abschluß und Gestaltung seines Dienstvertrages einen entscheidenden Einfluß auszuüben, bzw Weisungen, wie sie der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer erteilen dürfte, im Bedarfsfalle zu verhindern oder ihrer Wirkung zu entkleiden (vgl dazu BSGE 13, 196, 199 = SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; BSGE 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr 1; BSG vom 24. Juni 1982 - 12 RK 43/81 - SozSich 1983, 188 = USK 82166; SozR 2100 § 7 Nr 7). Für Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der GmbH verfügen und damit einen maßgebenden Einfluß auf deren Entscheidungen besitzen, wird grundsätzlich die Möglichkeit eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zur GmbH verneint (vgl BSGE 23, 83, 84 = SozR Nr 41 zu § 537 aF RVO; BSG vom 22. November 1974 - 1 RA 251/73 - BB 1975, 282 = USK 74139; BSGE 42, 1, 2 = SozR 2200 § 723 Nr 1; BSG vom 24. Juni 1982 - 12 RK 43/81 - aaO).
Bei einer derartigen Sachlage in einer GmbH muß dasselbe für die Tätigkeit der GmbH-Gesellschafter für eine KG gelten, deren geschäftsführender Komplementär die GmbH ist, wenn die GmbH einen entscheidenden Einfluß auf die Entscheidungen der KG besitzt - und damit über seine Beteiligung an der GmbH auch deren Gesellschafter. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb schon bisher auf solche Sachverhalte die für die Beschäftigung von Gesellschaftern als Geschäftsführer der GmbH entwickelten (aaO) Grundsätze ohne weiteres angewandt (BSGE 49, 126, 130 = SozR 5420 § 2 Nr 15; SozR 2100 § 7 Nr 7) und ein Beschäftigungsverhältnis des Gesellschafters der Komplementär-GmbH zur KG nur dann bejaht, wenn der Einfluß der GmbH auf Entscheidungen der KG schon nach dem Gesellschaftsvertrag nicht derart war, daß deswegen eine persönliche Abhängigkeit zu verneinen wäre, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein Kommanditist über seinen beherrschenden Stimmanteil nach dem KG-Vertrag jeden ihm genehmen Beschluß auch gegen den Willen der Gesellschafter der Komplementär-GmbH durchsetzen kann (BSG vom 15. Dezember 1981 - 2 RU 27/80 - USK 81274).
So war es im vorliegenden Falle jedoch gerade nicht. Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich zwar, daß der Kläger als Kommanditist schon wegen seiner nur geringen Geschäftsanteile (unter 2 %) auf die KG keinen bestimmenden Einfluß ausüben konnte. Eine solche Möglichkeit stand ihm jedoch von Rechts wegen aufgrund seines hälftigen Anteils am Kapital der Komplementär-GmbH und deren Rechtsstellung gegenüber der KG offen. Das LSG hat festgestellt, daß die Kommanditisten der KG nach dem KG-Vertrag nur einen sehr beschränkten Einfluß auf die Geschicke der KG besaßen. Nur in vier einzeln aufgeführten Fällen besonderer Art war für die KG überhaupt ein Gesellschafterbeschluß herbeizuführen, bei dem die Stimmanteile der Kommanditisten zum Tragen kommen konnten. Im übrigen bestimmte die GmbH allein und selbständig die Geschäfte der KG, da neben ihr weder Kommanditisten ebenfalls zu Geschäftsführern bestellt waren noch diesen für die Geschäftsführung der GmbH allgemein oder in bestimmten Fällen ein Weisungsrecht eingeräumt war. Infolgedessen waren es nicht die Kommanditisten, sondern die GmbH, die den für die Willensbildung der KG bestimmenden Einfluß besaß. Zu den Rechten der GmbH und den Anteilen des Klägers hieran hat das LSG festgestellt, daß diese als Komplementärin nur einheitlich auftreten konnte, daß in der GmbH die Gesellschafterversammlung für jede Beschlußfassung der Gesellschafter, also umfassend zuständig war, daß alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der einfachen Stimmenmehrheit des Stammkapitals bedurften und der Kläger deshalb als Eigentümer der Hälfte des Stammkapitals der GmbH jeden Beschluß der GmbH verhindern, er von seinem Mitgesellschafter niemals überstimmt werden konnte. Der vertraglich vorgesehene Beirat der GmbH ist niemals errichtet worden. Der Kläger hat diese Feststellungen nicht wirksam angegriffen. Er macht zwar geltend, das LSG hätte bei richtiger Überprüfung der Bestimmungen der GmbH nicht zu dem Schluß gelangen dürfen, daß er - der Kläger - einen bestimmenden Einfluß auf die GmbH (und damit auf die KG) gehabt hätte. Das ist ein Angriff gegen die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 SGG). Insoweit hat der Kläger aber nicht substantiiert dargetan, aus welchen Gründen das LSG zwingend zu dem vom Kläger angestrebten anderen Beweisergebnis hätte gelangen müssen. Soweit der Kläger dazu einzelne in Nr 8 des GmbH-Vertrages genannte Beschluß-Gegenstände anführt, übersieht er, daß es sich hierbei um Aufzählungen handelt, wofür die Gesellschafterversammlung "insbesondere" oder "ferner" zuständig sein soll. Es steht dazu nicht in Widerspruch, wenn das LSG aus Satz 1 dieser Nr 8 des GmbH-Vertrages, wonach die Versammlung "für jede Beschlußfassung der Gesellschafter" zuständig ist, auf einen umfassenden Kompetenzbereich der GmbH geschlossen hat.
Stand dem Kläger aber nach seiner Kapitalbeteiligung an der GmbH und nach den Rechten der GmbH an der KG ein die Entscheidungen der KG bestimmender Einfluß zu, so konnte er nicht gleichzeitig zu der KG in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis treten. Ihm standen Arbeitgeberrechte zur Verfügung, die ein von seinem Willen unabhängiges Handeln der KG als Arbeitgeber ausschlossen. Schon aus diesem Grunde kommt es, wie das LSG zutreffend erkannt hat, nicht darauf an, daß der Mitgesellschafter A.S. zum Geschäftsführer der GmbH bestellt worden ist. Ebensowenig Einfluß auf die Rechtsposition des Klägers hätte er, wenn sein Vorbringen zuträfe, die Geschäfte seien auch tatsächlich nur von seinem Bruder A.S. und gänzlich ohne seine Beteiligung geführt worden. Letzterer Umstand könnte allenfalls die Arbeitgebereigenschaft des A.S. auch für den Fall ergeben, daß jener nur einen geringeren Anteil am Kapital der GmbH gehabt hätte als der Kläger (vgl BSG SozR 2100 § 7 Nr 7); er vermag aber den allein schon aus der rechtlichen Position folgenden maßgeblichen Einfluß des Klägers auf Entscheidungen der GmbH - mithin auf die der KG - nicht zu beeinträchtigen.
Die schon nach ihrem Charakter nicht als beitragspflichtige Beschäftigung zu bewertende Tätigkeit des Klägers als Einkaufsleiter für die KG führt schließlich nicht deshalb zu einer Begründung der Anwartschaftszeit iSd § 104 AFG, weil für den Kläger dafür seit 1972 Beiträge zur BA entrichtet worden sind. Die fälschliche Entrichtung von Beiträgen und deren Annahme durch die BA führt nach dem Versicherungssystem der Arbeitslosenversicherung nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Versicherungsleistungen (ständige Rechtsprechung, vgl BSGE 49, 22, 28 = SozR 4100 § 168 Nr 10 mwN). Der Senat pflichtet dem LSG auch darin bei, daß sich etwas anderes nicht aus vom Kläger behaupteten Feststellungen der Beigeladenen über seine Beitragspflicht anläßlich von Betriebsprüfungen in der KG ergibt, da Feststellungswirkungen daraus jedenfalls durch das Beitragserstattungsverfahren zwischen dem Kläger und der Beklagten einvernehmlich beseitigt worden sind (BSGE 49, 22, 29 = SozR 4100 § 168 Nr 10). Darauf hat es keinen Einfluß, daß die Beklagte gegenüber dem dem Kläger zugebilligten Anspruch auf Beitragserstattung mit einem Anspruch auf Rückzahlung des bis Ende September 1979 gezahlten Alg die Aufrechnung erklärt hat (Bescheid vom 14. Mai 1980); infolgedessen bedarf es in diesem Verfahren auch keiner Prüfung, ob die Beklagte den Zahlbetrag der Beitragserstattung zutreffend berechnet hat, bzw, ob der Beklagten ein Rückforderungsanspruch in dem geltend gemachten Umfange angesichts des Wortlauts von § 152 Abs 1 Nr 5 AFG in der bis 31. Dezember 1980 geltenden Fassung vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) überhaupt zusteht.
Für den in diesem Verfahren allein streitigen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 9. Januar bis 29. Februar 1980 fehlt es jedenfalls nach dem festgestellten Sachverhalt an der Voraussetzung der Erfüllung der Anwartschaftszeit, so daß der Kläger damit nicht durchdringen kann. Seine Revision muß deshalb zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
HFR 1985, 482-483 (LT1) |
RegNr, 15068 |
Das Beitragsrecht Meuer SGB 4 § 7, 2 (LT1, ST1) |
KVRS, A-1240/1 (LT1) |
USK, 8446 (LT1) |
Breith 1985, 158-163 (LT1) |
DBlR 2962a, AFG/§ 104 (LT1) |
Die Beiträge 1986, 211-215 (LT1, ST1) |
EzS, 130/203 (LT1) |
HV-INFO 1985, Nr 3, 46-54 (LT1, ST1) |
MDR 1984, 701 (LT1) |
SozR 4100 § 168, Nr 16 (LT1) |