Verfahrensgang
SG Hannover (Urteil vom 16.06.1986; Aktenzeichen S 11 Kr 82/83) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Juni 1986 – S 11 Kr 82/83 – aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Das klagende Land verlangt als Träger der Versorgungsverwaltung von der beklagten Krankenkasse den Ersatz von Aufwendungen für eine Kur, die es der Beigeladenen nach § 12 Abs 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt hat.
Der Ehemann der Beigeladenen ist schwerkriegsbeschädigt und erhält eine Pflegezulage der Stufe III. Aufgrund des Bezugs einer Rente ist die Beigeladene Mitglied der Beklagten nach § 165 Abs 1 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Kläger gewährte der Beigeladenen gemäß § 12 Abs 3 BVG eine in der Zeit vom 26. August bis zum 23. September 1981 in der Klinik Dr. D. durchgeführte Badekur. Er hat von der Beklagten Ersatz der Aufwendungen für diese Kur verlangt und macht geltend, die Kur sei wegen einer zu erwartenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes iS des § 187 RVO durchgeführt worden; durch seine Leistung habe die Beklagte Aufwendungen erspart, die sie sonst aufgrund der bestehenden Mitgliedschaft zu erbringen gehabt hätte. Dagegen hat die Beklagte eingewendet, die Behandlung der Beigeladenen in der Klinik Dr. D. habe in gezielten Maßnahmen zur Heilung oder Besserung der Krankheit bestanden, die nicht vorbeugender Art gewesen seien und auch nicht die Leistungspflicht nach § 187 RVO ausgelöst hätten. Die für die Beigeladene durchgeführten Maßnahmen hätten im Rahmen einer ambulanten Badekur (§ 187 RVO iVm der Satzung) nicht erbracht werden können. Nach der Satzung seien Leistungen gemäß § 187 RVO ausgeschlossen, wenn entsprechende Leistungsansprüche gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestünden. Die Klinik Dr. D. erfülle die Voraussetzungen einer Kur- und Spezialeinrichtung nach § 184a RVO.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und in den Urteilsgründen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Badekur nach § 12 Abs 3 BVG hätten bei der Beigeladenen vorgelegen, denn der Ehemann erhalte Pflegezulage der Stufe III, und die Beigeladene habe ihn seit mehr als zwei Jahren dauernd gepflegt. Zur Leistung von Kuren nach § 12 Abs 3 Satz 1 BVG sei die Versorgungsverwaltung allein verpflichtet. Badekuren nach dieser Vorschrift entsprächen wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nicht den Badekuren nach § 187 RVO, es handele sich nicht um eine „entsprechende Leistung” (§ 10 Abs 7 BVG). Bei Kuren nach § 187 RVO gehe es um die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit, Badekuren nach § 12 Abs 3 Satz 1 BVG würden hingegen durchgeführt, um die Pflegefähigkeit zu erhalten.
Der Kläger macht mit der Revision geltend, es komme nicht auf den Zweck einer Badekur an. Entscheidend sei vielmehr, daß die Behandlungsmaßnahme des anderen Leistungsträgers und die der Versorgungsverwaltung entsprechende Heilmaßnahmen sind. Zwischen dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe Übereinstimmung, daß ein Anspruch nach § 1236 RVO eine Badekur nach § 12 Abs 3 BVG ausschließe. Dies müsse auch für den Bereich der Krankenversicherung gelten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Juni 1986 – S 11 Kr 82/83 – aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Ersatz in satzungsmäßiger Höhe für die der Beigeladenen in der Zeit vom 26. August 1981 bis zum 23. September 1981 gewährte Badekur zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, durch Badekuren nach § 12 Abs 3 BVG solle Ermüdungs- und Erschöpfungszuständen vorgebeugt bzw die notwendige Erholung sichergestellt werden. Die Gefahr des Eintritts einer Krankheit sei nicht Voraussetzung für die Gewährung einer Badekur nach § 12 Abs 3 BVG. Dagegen gehe es in § 187 RVO darum, einer Krankheit entgegenzuwirken, nicht die Pflegefähigkeit einer Person zu erhalten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im Sinn der Zurückverweisung begründet. Aufgrund der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden.
Ein Erstattungsanspruch nach der Vorschrift des § 18c Abs 6 Satz 2 BVG, die hier – wie das SG zutreffend angeführt hat – idF durch Art II § 9 iVm Art II § 21 des Sozialgesetzbuchs – Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten vom 4. November 1982, BGBl I 1450 – anzuwenden ist, setzt voraus, daß der andere Leistungsträger für den Fall, daß die Leistung nach dem BVG nicht gewährt worden wäre, grundsätzlich zur Erbringung einer Geldleistung wenn auch nicht verpflichtet, so doch jedenfalls nach seinem pflichtgemäßen Ermessen berechtigt wäre (BSG SozR 3100 § 18c BVG Nr 9). Als Leistung der Beklagten kommt nur ein Zuschuß nach der Satzung aufgrund § 187 Satz 1 Nr 1 Buchst a RVO in Betracht. Ein Anspruch auf Zuschußleistung kann danach nur gegeben sein, wenn die Kur der Beigeladenen nach vertrauensärztlicher Begutachtung erforderlich und geeignet war, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen. Dazu hat das SG keine Feststellungen getroffen. Sie sind aber notwendig.
Das SG hat ausgeführt, Badekuren nach § 12 Abs 3 Satz 1 BVG entsprächen wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nicht den Badekuren nach § 187 RVO. Indessen enthält § 18c Abs 6 Satz 2 BVG nicht das Merkmal, daß die Leistung aufgrund des BVG derjenigen, die der andere Leistungsträger ohne die Sachleistung nach dem BVG gewährt hätte, entsprechen müsse. Es ist gerade die Besonderheit der Vorschrift des § 18c Abs 6 Satz 2 BVG, daß sich eine Sach- und eine Geldleistung gegenüberstehen. Die Notwendigkeit eines Zusammenhangs zwischen beiden Leistungen ergibt sich nur mittelbar aus der Regelung, nach der der andere Träger seine Leistung nicht erbringt, weil bereits aufgrund des BVG eine Sachleistung gewährt wird.
Die für eine Entscheidung über die Verpflichtung oder Berechtigung der Beklagten aus § 187 RVO erforderlichen Feststellungen ergeben sich auch nicht etwa aus der Tatsache der Leistung nach § 12 Abs 3 BVG. Selbst wenn den Feststellungen des SG zu entnehmen wäre, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt wären, wäre damit nicht der Tatbestand des § 187 RVO ausgeschlossen. Vielmehr überschneiden sich die beiden Bestimmungen (vgl zur Überschneidung von Maßnahmen nach § 12 Abs 3 BVG und § 13 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG- BSG SozR 3100 § 18c BVG Nr 9). Insbesondere kann sich die Pflegefähigkeit, deren Erhaltung Ziel der Maßnahme nach § 12 Abs 3 BVG ist, mindestens teilweise mit der Arbeitsfähigkeit, deren Erhaltung das SG als Ziel der Maßnahmen der Krankenversicherung ansieht, decken.
Das SG wird daher Feststellungen treffen müssen, ob die Voraussetzungen des § 187 RVO vorgelegen haben. Diese Voraussetzungen muß der Vertrauensarzt gutachtlich festgestellt haben. Nicht erforderlich ist, daß das vertrauensärztliche Gutachten vor der Kur gefertigt war. Die dazu vertretene gegenteilige Meinung (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 31. Juli 1987, § 187 RVO Anm 4) ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 187 RVO noch aus seinem Sinn und ist insbesondere beim Erstattungsanspruch abzulehnen. Dem Versorgungsarzt wird es allerdings oft nicht möglich sein, die Erforderlichkeit und Geeignetheit nachträglich zu beurteilen. Wenn im Gutachten die Erforderlichkeit und Geeignetheit iS des § 187 RVO nicht festgestellt wird, ist der Anspruch nach dieser Vorschrift ausgeschlossen. Das Gericht kann eine neue vertrauensärztliche Begutachtung veranlassen, wenn das vorliegende Gutachten von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder die Beurteilung willkürlich ist. Zum Tatbestand des § 187 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a RVO gehört ferner negativ, daß nicht die Voraussetzungen des § 184a RVO gegeben sind, denn dabei handelt es sich um eine mit Nachrang ausgestattete Regelleistung. Eine Schwächung der Gesundheit iS des § 187 RVO ist keine Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn (BSG SozR 3100 § 18c BVG Nr 18). Vielmehr ist im Fall des § 187 RVO die Krankheit nur zu befürchten. Deshalb werden regelmäßig auch andere Maßnahmen erforderlich sein, um eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen als um eine Krankheit zu heilen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (vgl § 184a RVO).
Aus allen diesen Gründen ist die Sache an das SG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben wird.
Fundstellen