Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. März 1992 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit (EU bzw BU).
Der 1935 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er war in Italien von 1945 bis 1962 beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland arbeitete er im Jahr 1962 vorübergehend als Maschinenarbeiter und anschließend als Maurer und Verputzer. Von Juli 1976 bis Juni 1980 war er als Verputzer beschäftigt. Anschließend war er arbeitsunfähig krank und bezog danach Arbeitslosengeld bis Juni 1982. Seinen Antrag auf Gewährung der Versichertenrente wegen EU bzw BU vom 7. Juni 1982 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 8. Dezember 1983). Den Widerspruch leitete die Beklagte mit Einverständnis des Klägers an das Sozialgericht (SG) weiter. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Oktober 1986). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 1983 verurteilt, dem Kläger Versichertenrente wegen EU ab 1. Juli 1982 zu gewähren. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 25. März 1992).
In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt, daß der Kläger seit Juni 1982 erwerbsunfähig (eu) sei und auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Versichertenrente vorlägen. Der Kläger könne noch ganztägig leichte Arbeit in wechselnder Körperhaltung und ohne Schichtarbeit verrichten. Ihm seien jedoch zwecks regelmäßiger Einnahme der Mahlzeiten alle 2,5 bis 3 Stunden, dh ca dreimal während eines achtstündigen Arbeitstages Pausen von ca 15 Minuten Dauer einzuräumen. Dadurch werde die Erwerbsfähigkeit des Klägers in rentenbegründender Weise beeinträchtigt. Nach Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18. April 1991 bedeute die Notwendigkeit der Einlegung von Essenspausen in dem vom Sachverständigen Dr. D.… beschriebenen Umfang, daß der Arbeitsmarkt für den Kläger unter diesen Umständen bei Berücksichtigung der Arbeitszeitordnung (AZO) als verschlossen angesehen werden müsse, da solche Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Arbeitgeber seien nach den dortigen Erfahrungen lediglich in Einzelfällen bereit, langjährigen Beschäftigten eine solche Pausenregelung zuzugestehen. Gegen diese Auskunft beständen auch im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten.
Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht Verfahrensfehler geltend.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. März 1992 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG vom 17. Oktober 1986 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 1983 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Juli 1982 Rente wegen EU zu gewähren.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgebend (vgl § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch -Sechstes Buch- ≪SGB VI≫).
Bei einem vom LSG angenommenen Versicherungsfall im Juni 1982 ist für den Anspruch auf Rente wegen EU § 1247 RVO noch in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung anzuwenden. Die Wartezeit von 60 Monaten Versicherungszeit (§ 1247 Abs 1 und 3 RVO) hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt erfüllt.
Der Kläger ist nach den vom LSG getroffenen Feststellungen seit Juni 1982 auch eu iS von § 1247 Abs 2 RVO. Nach dieser Vorschrift ist eu der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte erzielen kann.
Nach den insoweit von der Beklagten nicht formgerecht angegriffenen Feststellungen des LSG kann der Kläger seit Juni 1982 nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und ohne Schichtarbeit ganztägig verrichten. Er benötigt jedoch alle 2,5 bis 3 Stunden Pausen zur regelmäßigen Einnahme der Mahlzeiten von ca fünfzehn Minuten Dauer. Soweit von der Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist, die Leistungseinschränkungen in diesem Umfang hätten jedenfalls nicht schon seit Juni 1982 vorgelegen, ist die darin möglicherweise zu sehende Rüge eines Verfahrensfehlers schon nicht rechtzeitig, nämlich bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 3. September 1992 erfolgt und deshalb nach § 164 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unbeachtlich.
Das LSG hat für die Beurteilung, ob der Kläger mit dem von ihm festgestellten Leistungsvermögen eu ist, den notwendigen Arbeitspausen die zutreffende Bedeutung beigemessen. Es hat dabei § 1247 Abs 2 RVO nicht verletzt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß es für den Anspruch auf Rente wegen EU erheblich ist, ob Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit der ihm verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausfüllen kann. Bei Vollzeittätigkeiten ist dann zu prüfen, ob es Arbeitsplätze in ausreichendem Umfang gibt, wenn der Versicherte die Erwerbstätigkeit nur unter nicht üblichen Arbeitsbedingungen verrichten kann (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 43 mwN). Solche nicht üblichen Arbeitsbedingungen sind auch zusätzliche, nicht in der AZO vorgeschriebene Pausen. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, daß die für den Kläger notwendigen Pausen während der Arbeitszeit zusätzliche Pausen sind, auf die nach der AZO kein Anspruch besteht. Der Senat hat bereis im Urteil vom 6. Juni 1986 (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136) entschieden, daß dann, wenn der Versicherte solche zusätzlichen Pausen benötigt, eine schwere Leistungsbehinderung auch für die Verweisbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht. Der Senat hat allerdings sowohl in dem zuletzt genannten Urteil als auch in dem oa Urteil (SozR 2200 § 1247 Nr 43) entschieden, daß ein Versicherter nicht schon deshalb eu ist, weil er über die in der AZO vorgeschriebenen Pausen hinaus zusätzliche Pausen während der Arbeitszeit benötigt. Entscheidend ist nach dieser Rechtsprechung, in welchem Umfang Arbeitsplätze vorhanden sind, bei denen der Arbeitnehmer solche zusätzlichen Pausen tatsächlich in Anspruch nehmen kann. Dabei ist nicht notwendig, daß entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen über Pausenregelungen bestehen. Ausreichend ist es auch, wenn tatsächlich Arbeitsplätze vorhanden sind, die dem Leistungsvermögen des Klägers entsprechen.
Diese Rechtssätze hat das LSG seiner Entscheidung zugrundegelegt. Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, das LSG sei davon ausgegangen, die zusätzlichen Pausen müßten tarifvertraglich festgelegt sein. Das LSG hat darauf abgestellt, die Notwendigkeit der Einlegung von Essenspausen in dem vom Sachverständigen Dr. D.… beschriebenen Umfang bedeute, daß der Arbeitsmarkt für den Kläger bei Berücksichtigung der AZO als verschlossen angesehen werden müsse. Solche Arbeitsplätze stünden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Dies ist eine Feststellung zu den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, die sich auf die Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen stützt. Diese Auskunft wiederum gründet sich auf die Anfrage des LSG. In dieser Anfrage wird lediglich gefragt, ob Arbeitsplätze für den Kläger mit dem bei ihm bestehenden Leistungsvermögen, unter Einbeziehung der notwendigen zusätzlichen Pausen, auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Die Anfrage hat damit gerade nicht auf eine tarifvertragliche Regelung von – zusätzlichen – Pausen abgestellt. Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen gegen die vom LSG zu den Verhältnissen des Arbeitsmarktes getroffenen Feststellungen greifen nicht durch, was nach § 170 Abs 3 SGG keiner Begründung bedarf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen